Ilias - Kapitel 9 by Homer
Ilias - Kapitel 9 by Homer

Ilias - Kapitel 9

Homer * Track #8 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 9 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 9 Annotated

Dritter Gesang

Begegnung der Heere. Alexandros oder Paris, nachdem er vor Menelaos geflohn, erbietet sich ihm durch Hektor zum Zweikampf um Helena, welchen Menelaos annimmt. Die Heere ruhn, und Priamos wird zum Vertrage aus Ilios gerufen. Indes geht Helena auf das skäische Tor, wo Priamos mit den Älteste sitzt, und nennt ihm die achaiische Heerführer. Priamos fährt in das Schlachtfeld hinaus. Vertrag, Priamos Rückkehr, Zweikampf. Den besiegten Paris entführt Aphrodite in seine Kammer, und ruft ihm Helena. Agamemnon fordert den Siegespreis.

Aber nachdem sich geordnet ein jegliches Volk mit den                     Führern,
Zogen die Troer in Lärm und Geschrei einher, wie die Vögel:
So wie Geschrei hertönt von Kranichen unter dem Himmel,
Welche, nachdem sie dem Winter entflohn und                                   unendlichem Regen,
5        Dort mit Geschrei hinziehn an Okeanos strömende Fluten,
Kleiner Pygmäen Geschlecht mit Mord und Verderben                       bedrohend;
Und aus dämmernder Luft zum schrecklichen Kampfe                         herannahn.
Jene wandelten still, die mutbeseelten Achaier,
All' im Herzen gefaßt, zu verteidigen einer den andern.

10           Wie auf des Bergs Anhöhen der Süd ausbreitet den Nebel,
Der nicht Hirten erwünscht, doch dem Raubenden besser                 wie Nacht ist;
Und man so weit vorschauet, als fliegt der geworfene                         Feldstein;
Also wirbelte Staub von dem Gang der kommenden Völker
Dicht empor; denn in Eile durchzog das Gefilde der Heerzug.

15           Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander;
Trat hervor aus den Troern der göttliche Held Alexandros,
Tragend ein Pardelvlies und ein krummes Geschoß um die                 Schultern,
Samt dem Schwert; zwo Lanzen, gespitzt mit der Schärfe des           Erzes,
Schwenkt' er, und rief hervor die tapfersten aller Achaier,

20      Gegen ihn anzukämpfen in schreckenvoller Entscheidung.

Aber sobald ihn sahe der streitbare Held Menelaos
Vor dem Scharengewühl einhergehn mächtiges Schrittes:
So wie ein Löwe sich freut, dem größere Beute begegnet,
Wenn ein gehörneter Hirsch dem Hungrigen, oder ein                         Gemsbock

25      Nahe kommt; denn begierig verschlinget er, ob auch umher               ihn
Hurtiger Hunde Gewühl wegscheucht, und blühende Jäger:
So war froh Menelaos, den göttlichen Held Alexandros
Dort mit den Augen zu schaun; denn er wollt' ihn strafen,                   den Frevler.
Schnell vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang er zur               Erde.

30          Aber sobald ihn sahe der göttliche Held Alexandros
Schimmern im Vorderheer, da erbebte vor Angst sein Herz               ihm;
Und in der Freunde Gedräng' entzog er sich, meidend das                   Schicksal.
So wie ein Mann, der die Natter ersah, mit Entsetzen                           zurückfuhr,
In des Gebirgs Waldtal; ihm erzitterten unten die Glieder;

35      Rasch nun floh er hinweg, und Bläss' umzog ihm die                           Wangen:
Also taucht' er zurück in die Meng' hochherziger Troer,
Zagend vor Atreus Sohn, der göttliche Held Alexandros.
Hektor schalt ihn erblickend, und rief die beschämenden                   Worte:

Weichling, an Schönheit ein Held, weibsüchtiger, schlauer             Verführer!

40     Wärest du nie doch geboren, das wünscht' ich dir, oder                     gestorben,
Eh' du um Weiber gebuhlt! Viel heilsamer wäre dir solches,
Als nun so zum Gespött dastehn, und allen zum Anschaun!
Ja, ein Gelächter erheben die hauptumlockten Achaier,
Welche des Heers Vorkämpfer dich achteten, weil du so                   schöner
45     Bildung erscheinst; doch wohnt nicht Kraft dir im Herzen,                  noch Stärke!
Wagtest denn du, ein solcher! in meerdurchwandelnden                   Schiffen
Über die Wogen zu gehn, von erlesenem Volke begleitet,
Und zu Fremden gesellt, ein schönes Weib zu entführen,
Aus der Apier Lande, die Schwägerin kriegrischer Männer?
50     Deinem Vater zum Gram, und der Stadt und dem sämtlichen             Volke,
Aber den Feinden zur Wonn', und zu ewiger Schande dir                     selber?
Ha, nicht mochtest du stehn vor Atreus Sohn! denn gelernet
Hättest du, welchem Manne die blühende Gattin du                           raubtest!
Nichts auch frommte die Laute dir jetzt, und die Huld                         Aphroditens,
55      Nichts dein Haar, und der Wuchs, wenn dort du im Staube               dich wälztest!
Wären die Troer nur nicht Feigherzige; traun, es umhüllte
Längst dich ein steinerner Rock, für das Unheil, das du                         gehäuft hast!
Ihm antwortete drauf der göttliche Held Alexandros:
Hektor, dieweil du mit Recht mich tadeltest, nicht mit                         Unrecht;

60     Stets ist dir ja das Herz, wie die eherne Axt, unbezwingbar,
Welche das Holz durchstrebt vor dem Zimmerer, wann er                 zum Schiffbau
Künstlich die Balken behaut, und ihr Schwung ihm die Stärke             vermehret:
So ist fest dir das Herz, und stets unerschrockenes Mutes.
Nur nicht rüge die Gaben der goldenen Aphrodite.
65     Unverwerflich ja sind der Unsterblichen ehrende Gaben,
Welche sie selber verleihn, und nach Willkür keiner                             empfänget.
Doch jetzt, willst du mich sehn im tapferen Streite des                       Krieges,
Heiße die anderen ruhn, die Troer umher und Achaier,
Laßt dann mich vor dem Volk und den streitbaren Held                       Menelaos
70     Kämpfen um Helena selbst und die sämtlichen Schätze den               Zweikampf.
Wer von beiden nunmehr obsiegt, und stärker erscheinet,
Nehme die Schätze gesamt mit dem Weib und führe sie                     heimwärts.
Ihr dann zugleich, Freundschaft und heiligen Bund euch                     beschwörend,
Wohnt in der scholligen Troja; und jen' entschiffen zu Argos
75      Rossenährender Flur, und Achaias rosigen Jungfraun.

Jener sprach's; doch Hektor erfreute sich hoch ob der Rede;
Trat dann hervor in die Mitt', und hemmte die troischen                     Haufen,
Haltend die Mitte des Speers; und still nun standen sie alle.
Auf ihn spannten den Bogen die hauptumlockten Achaier

80     Zieleten mit Wurfspießen daher, und schleuderten Steine.
Aber es rief lauttönend der Völkerfürst Agamemnon:

Haltet ein, Argeier, und werft nicht, Männer Achaias!
Denn er begehrt zu reden, der helmumflatterte Hektor!

Jener sprach's; und sie ließen vom Streit, und harreten                   schweigend

85     Flugs umher; doch Hektor begann in der Mitte der Völker:

Hört mein Wort, ihr Troer, und hellumschiente Achaier,
Was mir gesagt Alexandros, um welchen der Streit sich                     erhoben.
Dieser heißt euch andern, die Troer umher und Achaier,
Strecken das schöne Gerät zur nahrungsprossenden Erde;

90     Daß er allein vor dem Volk und der streitbare Held Menelaos
Kämpf' um Helena selbst und die sämtlichen Schätze den                 Zweikampf.
Wer von beiden nunmehr obsiegt, und stärker erscheinet,
Nehme die Schätze gesamt mit dem Weib', und führe sie                   heimwärts.
Freundschaft sollen wir andern und heiligen Bund uns                         beschwören.

95         Jener sprach's; doch alle verstummten umher, und                           schwiegen.
Endlich begann vor ihnen der Rufer im Streit Menelaos:

Hörer anjetzt auch mich; am meisten ja lastet der Kummer
Meine Seel'; und ich denke, versöhnt nun werdet ihr                           scheiden,
Argos Volk und ihr Troer, nachdem viel Böses ihr truget,

100   Wegen unseres Streits, den mir Alexandros begonnen.
Wem nunmehr von uns beiden der Tod und das Schicksal                 bevorsteht,
Solcher sterb'; und ihr andern versöhnt euch eilig, und                         scheidet.
Bringt zwei Lämmer herbei, dem Helios weiß und ein                         Böcklein,
Schwarz der Erd' und ein Weibchen; wir bringen dem Zeus               noch ein drittes.
105   Ruft alsdann auch Priamos Macht, daß jener das Bündnis
Schwör', er selbst! denn die Söhne sind übermütig und                       treulos:
Daß kein frevelnder Mann Zeus' heiligen Bund verletze.
Stets ja flattert das Herz den Jünglingen; doch wo ein Alter
Zwischen tritt, der zugleich vorwärts hinschauet und                           rückwärts,
110    Solcher erwägt, wie am besten die Wohlfahrt beider gedeihe.

Jener sprach's; ihm erfreuten sich hoch Achaier und Troer,
Hoffend, nun auszuruhn vom unglückseligen Kriege.
Und sie hemmten die Ross' in den Ordnungen, sprangen                     vom Wagen,
Zogen die Rüstungen aus, und legten sie nieder zur Erde,

115    Nahe nur voneinander; denn wenig war Feldes dazwischen.

Aber Hektor beschied zween Herold' eilig gen Troja,
Schnell die Lämmer zu bringen, und Priamos her zu berufen.
Auch den Talthybios sandte der Völkerfürst Agamemnon,
Zu den geräumigen Schiffen zu gehn, damit er das Lamm                   ihm

120   Holete; jener enteilt' und gehorcht' Agamemnon dem                         Herrscher.

Iris brachte nunmehr der schimmernden Helena Botschaft,
Ihrer Schwägerin gleich, des Antenoriden Gemahlin,
Ihr, die Antenors Sohn sich vermählt, der Fürst Helikaon,
Priamos rosiger Tochter Laodike, reizender Bildung.

125    Jene fand sie daheim: sie webt' ein Gewand in der Kammer,
Groß und doppelt und hell, durchwirkt mit mancherlei                       Kämpfen
Rossebezähmender Troer und erzumschirmter Achaier,
Welche sie ihrethalb von Ares Händen erduldet.
Nahe trat und begann die leichthinschwebende Iris:

130        Komm doch, du trautes Kind, die seltsamen Taten zu                     schauen
Rossebezähmender Troer und erzumschirmter Achaier.
Die jüngst gegeneinander das Graun des Ares getragen
Durch das Gefild', anstrebend zur tränenbringenden                           Feldschlacht:
Diese ruhn stillschweigend umher, und der Krieg ist                             geendigt,

135    Hingelehnt auf die Schild', und die rasenden Speer' in dem                 Boden.
Nur Alexandros allein und der streitbare Held Menelaos
Werden anjetzt um dich mit langem Speer sich bekämpfen;
Und wer den Gegner besiegt, der nennt dich traute                             Gemahlin.

Also sprach die Göttin, und schuf ihr süßes Verlangen

140   Nach dem ersten Gemahl, nach Vaterstadt und Gefreunden.
Schnell in den Schleier gehüllt von silberfarbener Leinwand,
Flog sie hinweg aus der Kammer, die zarte Trän' an den                     Wimpern:
Nicht sie allein; ihr folgten zugleich zwo dienende Jungfraun,
Äthra, des Pittheus Tochter, und Klymene, herrschendes                   Blickes.
145    Bald nun kamen sie hin, allwo das skäische Tor war.
Aber Priamos dort, und Panthoos, neben Thymötes,
Lampos, und Klytios auch, und Ares Sproß Hiketaon,
Auch Antenor der Held, und Ukalegon, beide voll Weisheit,
Saßen, die Ältsten der Stadt, umher auf dem skäischen Tore:
150   Welche betagt vom Krieg ausruheten; doch in Versammlung
Redner voll Rat, den Cikaden nicht ungleich, die in den                       Wäldern
Aus der Bäume Gesproß hellschwirrende Stimmen ergießen:
Gleich so saßen der Troer Gebietende dort auf dem Turme.
Als sie nunmehr die Helena sahn zum Turme sich wenden;
155    Leise redete mancher, und sprach die geflügelten Worte:

Tadelt nicht die Troer und hellumschienten Achaier,
Die um ein solches Weib so lang' ausharren im Elend!
Einer unsterblichen Göttin fürwahr gleicht jene von Ansehn!
Dennoch kehr', auch mit solcher Gestalt, sie in Schiffen zur               Heimat,

160   Ehe sie uns und den Söhnen hinfort noch Jammer bereitet!

Also die Greis'; und Priamos rief der Helena jetzo:
Komm doch näher heran, mein Töchterchen, setze dich zu                 mir;
Daß du schaust den ersten Gemahl, und die Freund' und                   Verwandten!
Du nicht trägst mir die Schuld; die Unsterblichen sind es mir             schuldig,

165   Welche mir zugesandt den bejammerten Krieg der Achaier!
Daß du auch jenes Manns, des gewaltigen, Namen mir                       nennest,
Wer doch dort der Achaier so groß und herrlich                                   hervorprangt!
Zwar es ragen an Haupt noch andere höher denn jener;
Doch so schön ist keiner mir je erschienen vor Augen,
170    Noch so edler Gestalt; denn königlich scheint er von                           Ansehn!

Aber Helena sprach, die edle der Fraun, ihm erwidernd:
Ehrenwert mir bist du, o teurer Schwäher, und furchtbar
Hätte der Tod mir gefallen, der herbeste, ehe denn hieher
Deinem Sohn ich gefolgt, das Gemach und die Freunde                       verlassend,

175    Und mein einziges Kind, und die holde Schar der Gespielen!
Doch nicht solches geschah; und nun in Tränen verschwinde             ich!...
Jetzo will ich dir sagen, was du mich fragst und erforschest.
Jener ist der Atreide, der Völkerfürst Agamemnon,
Beides, ein trefflicher König zugleich, und ein tapferer                         Streiter.
180    Schwager mir war er vordem, der Schändlichen; ach, er war               es!

Jene sprach's; und der Greis bewundert ihn, laut                             ausrufend:
Seliger Atreion', o gesegneter, glücklichgeborner!
Wahrlich doch unzählbar gehorchen dir Männer Achaias!
Vormals zog ich selber in Phrygiens Rebengefilde,

185    Wo ich ein großes Heer gaultummelnder phrygischer                         Männer
Schauete, Otreus Volk und des götterähnlichen Mygdon,
Welches umher am Gestade Sangarios weit sich gelagert;
Denn ich ward als Bundesgenoss' mit ihnen gerechnet,
Jenes Tags, da die Hord' amazonischer Männinnen einbrach:
190    Doch war minder die Zahl, wie der freudigen Krieger                           Achaias!

Jetzo erblickt' Odysseus der Greis, und fragte von neuem:
Nenne mir nun auch jenen, mein Töchterchen; siehe, wie                   heißt er?
Weniger ragt er an Haupt, als Atreus Sohn Agamemnon,
Aber breiteres Wuchses an Brust und mächtigen Schultern.

195    Seine Wehr ist gestreckt zur nahrungsprossenden Erde;
Doch er selbst, wie ein Widder, umgeht die Scharen der                     Männer:
Gleich dem Bock erscheinet er mir, dickwolliges Vlieses,
Welcher die große Trift weißschimmernder Schafe                             durchwandelt

Ihm antwortete Helena drauf, Zeus' liebliche Tochter:

200   Der ist Laertes Sohn, der erfindungsreiche Odysseus,
Welcher in Ithakas Reich aufwuchs, des felsichten Eilands,
Wohlgeübt in mancherlei List und verschlagenem Rate.

Und der verständige Greis Antenor sagte dagegen:
Wahrlich, o Frau, du hast untrügliche Worte geredet.

205   Denn auch hieher kam er vorlängst, der edle Odysseus,
Deinethalben gesandt, und der streitbare Held Menelaos.
Ich herbergete beid', in meinem Palast sie bewirtend:
So daß beider Gestalt und kluger Geist mir bekannt ist.
Als sie nunmehr in der Troer versammelten Kreis sich                         gesellet,
210    Ragt' im Stehn Menelaos empor mit mächtigen Schultern:
Doch wie sich beide gesetzt, da schien ehrvoller Odysseus.
Aber sobald sie mit Red' und Erfindungen alles umstrickten;
Siehe da sprach Menelaos nur fliegende Worte voll Inhalts,
Wenige doch eindringender Kraft: denn er liebte nicht                         Wortschwall,
215    Nicht abschweifende Rede, wiewohl noch jüngeres Alters.
Aber nachdem sich erhub der erfindungsreiche Odysseus;
Stand er und schaute zur Erde hinab mit gehefteten Augen;
Auch den Stab, so wenig zurückbewegend wie vorwärts,
Hielt er steif in der Hand, ein Unerfahrner von Ansehn:
220   Daß du leicht für tückisch ihn achtetest, oder für sinnlos.
Aber sobald er der Brust die gewaltigen Stimmen entsandte,
Und ein Gedräng' der Worte, wie stöbernde Winterflocken;
Dann wetteiferte traun kein Sterblicher sonst mit Odysseus,
Und nicht stutzten wir so, des Odysseus Bildung                                 betrachtend.

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