Ilias - Kapitel 39 by Homer
Ilias - Kapitel 39 by Homer

Ilias - Kapitel 39

Homer * Track #39 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 39 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 39 Annotated

Siehe von Zorn entbrannte der Meerbeherrscher Poseidon,
Als sein Enkel ihm sank in schreckenvoller Entscheidung;
Und er enteilt' an den Zelten hinab und den Schiffen                           Achaias,
Trieb die Achaier zum Kampf, und bereitete Jammer den                   Troern.
210    Ihm begegnete jetzt Idomeneus, kundig der Lanze,
Wiedergekehrt vom Genossen, der jüngst ihm aus dem                     Gefechte
Kam, an der Beugung des Knies mit scharfem Erze                               verwundet.
Diesen brachten die Freund', und er befahl ihn den Ärzten,
Eilete dann zum Gezelte; denn noch in das Treffen verlangt'               er
215    Einzugehn. Ihm nahend begann der starke Poseidon,
Gleich an tönender Stimm'Andrämons Sohne dem Thoas,
Der durch Pleuron umher und Kalydons bergige Felder
Allen Ätolern gebot, wie ein Gott im Volke geehret:

Wo ist, Kretas Beherrscher Idomeneus, alle die Drohung

220   Hingeflohn, die den Troern Achaias Söhne gedrohet?

Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:
Thoas, keiner im Volk ist jetzo schuldig, so weit ich
Sehen kann; denn alle verstehn wir den Feind zu bekämpfen:
Keinen fesselt die Furcht, die entseelende; keiner, von                         Trägheit

225    Laß, entzieht des Kampfes Gefahren sich: sondern es wird                 wohl
Also beschlossen sein vom allmächtigen Sohne des Kronos,
Daß hier ruhmlos sterben von Argos fern die Achaier.
Thoas, wohlan! du warst ja vordem ausharrendes Mutes,
Und ermahnst auch andre, wo jemand säumen du sahest;
230   Drum laß jetzo nicht ab, und ermuntere jeglichen Streiter!

Ihm antwortete drauf der Erderschüttrer Poseidon:
Nimmer kehre der Mann, Idomeneus, nimmer von Troja
Wieder heim, hier werd' er zerfleischenden Hunden ein                     Labsal,
Welcher an diesem Tage den Kampf freiwillig vermeidet!

235    Aber wohlan zu den Waffen, und folge mir! Beiden gebührt               nun
Tätig zu sein, ob wir Hilfe vielleicht noch schaffen, auch                     zween nur.
Wirkt doch vereinigte Kraft auch selbst von schwächeren                   Männern;
Und wir sind ja kundig mit Tapferen selber zu kämpfen.

Dieses gesagt, enteilte der Gott in der Männer Getümmel.

240   Aber der Held, nachdem sein schönes Gezelt er erreichet,
Hüllt in stattliche Waffen den Leib, und faßte zwo Lanzen,
Eilte dann, ähnlich dem Blitze des Donnerers, welchen                       Kronion
Hoch mit der Hand herschwang vom glanzerhellten                             Olympos,
Sterblichen Menschen zum Zeichen; er strahlt mit                               blendendem Glanze:
245   Also blitzte das Erz um die Brust des eilenden Königs.
Aber Meriones kam, sein edler Genoß, ihm entgegen,
Nah' annoch dem Gezelt; denn die eherne Lanze sich holend
Lief er hinab; ihm ruft' Idomeneus' heilige Stärke:

Molos' rüstiger Sohn Meriones, liebster der Freunde,

250   Warum kamst du verlassend Gefecht und                                             Waffengetümmel?
Traf dich vielleicht ein Geschoß, und quält dich die Wunde               des Erzes?
Oder suchest du mich mit Botschaft? Selber gewiß nicht
Auszuruhn im Gezelte verlangst mich, sondern zu kämpfen!

Und der verständige Held Meriones sagte dagegen:

255   Idomeneus, Fürst der erzgepanzerten Kreter,
Sieh ich komm', ob dir etwa ein Speer im Gezelte                                 zurückblieb,
Ihn mir holend zum Kampf, denn, den ich hatte, zerbrach ich,
Treffend Deïphobos Schild, des übergewaltigen Kriegers.

Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:

260   Suchst du Speere, mein Freund, so findest du einen, ja                         zwanzig,
Dort in meinem Gezelt an schimmernde Wände gelehnet,
Troische, die von Erschlagnen ich beutete. Denn ich                             bekenne,
Niemals ferne zu stehn im Kampf mit feindlichen Männern.
Darum hab' ich der Speere genug, und genabelter Schilde,
265   Auch der Helm', und der Panzer, umstrahlt von freudigem                 Schimmer.

Und der verständige Held Meriones sagte dagegen:
Mir auch fehlt's bei meinem Gezelt und dunkelen Schiffe
Nicht an Raub der Troer; doch fern ist's dessen zu holen.
Denn noch nie, wie ich meine, vergaß ich selber des Mutes;

270   Sondern vorn in den Reihen der männerehrenden                                 Feldschlacht
Steh' ich, sobald anhebt der blutige Kampf der Entscheidung.
Manchem anderen wohl der erzumschirmten Achaier
Bleib' ich verborgen im Streit; allein du kennst mich                             vermutlich.

Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:

275    Deine Tapferkeit kenn' ich; was brauchest du dieses zu                       sagen?
Würden anjetzt bei den Schiffen zum Hinterhalte wir Tapfern
Ausersehn, wo am meisten erkannt wird Tugend der                           Männer,
Wo der furchtsame Mann, wie der mutige, deutlich                             hervorscheint:
(Denn dem Zagenden wandelt die Farbe sich, immer                           verändert;
280   Auch nicht ruhig zu sitzen vergönnt sein wankender Geist                 ihm,
Sondern er hockt unstet, auf wechselnden Knieen sich                       stützend;
Und ihm schlägt das Herz voll Ungestüms in dem Busen,
Ahnend des Todes Graun, und dem Schaudernden klappen               die Zähne:
Doch nie wandelt dem Tapfern die Farbe sich, nie auch                       erfüllt ihn
285   Große Furcht, wann er einmal zum Hinterhalt sich gelagert;
Sondern er wünscht, nur bald den schrecklichen Kampf zu                 bestehen:)
Keiner möchte sodann dein Herz und die Arme dir tadeln!
Wenn auch fliegendes Erz dich verwundete, oder gezucktes;
Doch nicht träf' in den Nacken Geschoß dir, noch in den                     Rücken,
290   Sondern der Brust entweder begegnet' es, oder dem                           Bauche,
Weil du gerad' anstürmtest im Vordergewühl der                                 Entschloßnen.
Aber laß nicht länger uns hier, gleich albernen Kindern,
Schwatzend stehn, daß keiner in zürnendem Herzen ereifre,
Sondern du geh ins Gezelt, und nimm dir die mächtige                       lanze.
295        Jener sprach's; und Meriones, gleich dem stürmenden                   Ares,
Holete schnell aus dem Zelte hervor die eherne Lanze,
Folgt' Idomeneus dann, voll heftiger Gier des Gefechtes.
Wie wenn Ares zum Kampf hingeht, der Menschenvertilger,
Und ihm der Schrecken, sein Sohn, an Kraft und an Mut                     unerschüttert,
300   Nachfolgt, welcher verscheucht auch den                                             kühnausharrenden Krieger;
Beid' aus Thrakia her zu den Ephyrern gehn sie gewappnet,
Oder zum mutigen Volke der Phlegyer; aber zugleich nicht
Hören sie beider Gebet, ein Volk nur krönet der Siegsruhm:
So Meriones dort und Idomeneus, Fürsten des Heeres,
305   Gingen sie beid' in die Schlacht, mit strahlendem Erze                         gewappnet.
Aber zum Könige sprach Meriones, also beginnend:

Deukalione, wo denkst du hineinzugehn ins Getümmel?
Dort zur rechten Seite der Heerschar, dort in die Mitte,
Oder auch dort zur Linken? Denn nirgends scheinen mir                     etwa

310    Dürftig des Kampfes zu sein die hauptumlockten Achaier.

Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:
Mitten sind schon andre Verteidiger unseren Schiffen,
Ajas beid', und Teukros, der fertigste Bogenschütze
Unter dem Volk, auch tapfer im stehenden Kampf der                         Entscheidung:

315    Welche genug ihn hemmen, wie kühn zum Gefecht er                         dahertobt,
Hektor, Priamos' Sohn, und ob er der Tapferste wäre!
Schwer wird's wahrlich ihm sein, dem rasenden Stürmer der             Feldschlacht,
Jener Heldenmut und unnahbare Hände besiegend,
Anzuzünden die Schiffe; wofern nicht selber Kronion
320   Einen lodernden Brand in die rüstigen Schiffe hineinwirft.
Aber ein Mann scheucht nimmer den Telamonier Ajas,
Keiner, der sterblich ist, und Frucht der Demeter genießet,
Auch durchdringlich dem Erz, und gewaltigen Steinen des                 Feldes.
Selbst vor Achilleus nicht, dem Zerschmetterer, möcht' er                 weichen,
325   Im stillstehenden Kampf, denn im Lauf wetteifert ihm                         niemand.
Dort denn eil' uns zur Linken der Heerschar, daß wir in Eile
Sehn, ob wir anderer Ruhm verherrlichen, oder den unsern!

Jener sprach's; und Meriones, gleich dem stürmenden                   Ares,
Eilte voran, bis sie kamen zur Heerschar, wo er ihn hintrieb.

330        Doch wie die Feind' Idomeneus sahn, dem Feuer an Kraft               gleich,
Ihn und seinen Genossen in prangendem                                               Waffengeschmeide;
Riefen sie laut einander, und wandelten gegen ihn alle.
Eins nun ward das Getümmel der Schlacht um die ragenden             teuer.
Wie mit dem Wehn lautbrausender Wind' Unwetter                           daherziehn,

335    Jenes Tags, wann häufig der Staub die Wege bedecket;
Und sich alsbald aufwölkt' ein finsterer Nebel des Staubes:
So nun stürmte zusammen die Schlacht; denn sie sehnten                 sich herzlich,
Durch das Gewühl einander mit spitzigem Erze zu morden.
Weithin starrte die würgende Schlacht von erhobenen                       Lanzen,
340   Lang emporgestreckten, zerfleischenden; blendend dem                     Auge
Schien der eherne Glanz von sonnenspiegelnden Helmen,
Neugeglättetem Panzergeschmeid', und leuchtenden                         Schilden,
Als sie sich nahten zum Kampf. Der müßt' ein                                       entschlossener Mann sein,
Welcher sich freute zu schaun den Tumult dort, und nicht                 verzagte!

345        Jene, gesondertes Sinns, die mächtigen Söhne des                         Kronos,
Sannen dem Heldengeschlecht unnennbares Weh zu                         bereiten.
Zeus beschied den Troern den Sieg und dem göttlichen                     Hektor,
Peleus rüstigen Sohn zu verherrlichen; aber nicht gänzlich
Wollt' er Achaias Söhne vor Ilios lassen verderben,

350   Ruhm nur schafft' er der Thetis und ihrem erhabenen Sohne.
Doch die Argeier durchging und ermunterte Poseidaon,
Heimlich enttaucht dem greulichen Meer; denn er sahe mit               Gram sie
Fallen vor Trojas Macht, und ergrimmte vor Zorn dem                         Kronion
Beide zwar entsprossen aus gleichem Stamm und                               Geschlechte;
355   Aber Zeus war eher gezeugt, und höherer Weisheit.
Drum auch scheute sich jener sie offenbar zu beschirmen;
Heimlich stets ermahnt' er die Ordnungen, menschlich                       gebildet.
Siehe, des schrecklichen Streits und allverheerenden Krieges
Fallstrick zogen sie beid', und warfen es über die Völker,
360   Unzerbrechlich, unlösbar, das viel' in Verderben hinabriß.

Jetzo, wiewohl halbgrauendes Haupts, die Achaier                           ermunternd,
Stürmt' Idomeneus ein, und trieb die erschrockenen Troer.
Denn er erschlug den edlen Othryoneus, der von Kabesos
Neulich dahergekommen zum großen Rufe des Krieges.

365   Dieser warb um Kassandra, die schönste von Priamos'                       Töchtern,
Ohne Geschenk, und verhieß ein großes Werk zu vollenden,
Weg aus Troja zu drängen die trotzenden Männer Achaias.
Priamos aber der Greis gelobete winkend die Tochter
Ihm zur Eh': und er kämpfte, des Königes Worte vertrauend.
370   Doch Idomeneus zielte mit blinkender Lanz' ihm entgegen,
Schoß, wie er hoch herwandelt', und traf, nichts half ihm der             Panzer,
Schwer von Erz, den er trug; sie drang in die Mitte des                         Bauches;
Dumpf hinkracht' er im Fall; da rief frohlockend der Sieger:

Traun dich preis' ich, Othryoneus, hoch vor den Sterblichen           allen,

375   Wenn du gewiß das alles hinausführst, was du verheißen
Priamos, Dardanos' Sohne, der dir die Tochter gelobet.
Wir auch hätten dir gern ein gleiches gelobt und vollendet:
Siehe, die schönste Tochter des Atreionen gewännst du,
Her aus Argos geführt, zum Weibe dir; wenn du uns hilfest,
380   Ilios auszutilgen, die Stadt voll prangender Häuser.
Folge mir, dort bei den Schiffen der Danaer reden wir weiter
Über die Eh'; wir sind nicht karg ausstattende Schwäher.

Also sprach der Held Idomeneus, zog dann am Fuß ihn
Durch das Getümmel der Schlacht. Doch Asios kam ihm ein             Rächer,

385   Vor dem Gespann herwandelnd, das nah' ihm stets an den                 Schultern
Schnob, vom Wagengenossen gelenkt; und er sehnte sich                 herzlich,
Wie er Idomeneus träfe: doch schnell warf jener den Speer               ihm
Unter dem Kinn in die Gurgel, daß hinten das Erz ihm                         hervordrang;
Und er entsank, wie die Eiche dahinsinkt, oder die Pappel,
390   Oder die stattliche Tanne, die hoch auf Bergen die Künstler
Ab mit geschliffenen Äxten gehaun, zum Balken des                           Schiffes:
Also lag er gestreckt vor dem rossebespannten Wagen,
Knirschend vor Angst, mit den Händen des blutigen Staubes             ergreifend.
Aber dem starrenden Lenker entsank jedwede Besinnung;
395   Nicht einmal vermocht' er, die feindlichen Hände                                 vermeidend,
Umzudrehn das Gespann: doch Antilochos, freudig zur                       Feldschlacht,
Traf ihn scharf mit durchbohrendem Speer; nichts half ihm               der Panzer,
Schwer von Erz, den er trug; er drang in die Mitte des                         Bauches;
Und er entsank aufröchelnd dem schöngebildeten Sessel.
400   Aber der Nestorid' Antilochos lenkte die Rosse
Schnell aus der Troer Gewühl zu den hellumschienten                         Achaiern.

Siehe, Deïphobos kam dem Idomeneus nahe gewandelt,
Traurend um Asios Fall, und warf die blinkende Lanze.
Zwar er selbst vorschauend vermied den ehernen                               Wurfspieß,

405   Kretas Fürst, und barg sich mit gleichgeründetem Schilde,
Welchen er trug, aus Häuten der Stier' und blendendem Erze
Starkgewölbt, inwendig mit zwo Querstangen befestigt:
Unter ihn schmiegt' er sich ganz, daß der Wurfspieß über ihn           hinflog,
Und mit heiserm Getöne der Schild von der streifenden                     Lanze
410    Scholl; doch nicht vergebens entflog sie der nervichten                       Rechte,
Sondern Hippasos' Sohne, dem Völkerhirten Hypsenor,
Fuhr in die Leber das Erz, und löst' ihm die strebenden Kniee.
Aber Deïphobos rief mit hoch frohlockender Stimme:

Nicht fürwahr ungerächt liegt Asios; sondern ich meine,

415   Wandelnd zu Aïs Burg mit starkverriegelten Toren,
Wird er sich freun im Geist; denn ich gab ihm einen Begleiter.

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