Ilias - Kapitel 42 by Homer
Ilias - Kapitel 42 by Homer

Ilias - Kapitel 42

Homer * Track #42 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

Download "Ilias - Kapitel 42"

Album Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

Ilias - Kapitel 42 by Homer

Performed by
Homer

Ilias - Kapitel 42 Annotated

Vierzehnter Gesang

Nestor, der den verwundeten Machaon bewirtet, eilt auf das Getöse hinaus, und spähet. Ihm begegnen Agamemnon, Diomedes und Odysseus, die, matt von den Wunden, das Treffen zu schaun kommen. Agamemnons Gedanken an Rückzug tadelt Odysseus. Nach Diomedes' Vorschlag gehn sie die Achaier zu ermuntern; und Poseidon tröstet den Agamemnon. Here, mit Aphroditens Gürtel geschmückt, schläfert den Zeus auf Ida ein, daß Poseidon noch mächtiger helfe. Hektor, den Ajas mit dem Steine traf, wird ohnmächtig aus der Schlacht getragen. Die Troer fliehn, indem Ajas, Oileus' Sohn, sich auszeichnet.

Nestor vernahm das Geschrei, auch sitzend am Trunk nicht               achtlos;
Schnell zu Asklepios' Sohn die geflügelten Worte begann er:

Denke doch, edler Machaon, wohin sich wende die Sache!
Lauter hallt um die Schiffe der Ruf von blühenden Streitern!

5        Aber bleib du sitzen, und trink des funkelnden Weines,
Bis dir ein warmes Bad die lockige Hekamede
Wärmt, und rein die Glieder vom blutigen Staube dir badet.
Ich will indes hineilen, und schnell umschaun von der Höhe.

Sprach's, und nahm den gediegenen Schild des trefflichen

10      Der im Gezelt dalag dem reisigen Held Thrasymedes,
Überstrahlt von Erz: der ging mit dem Schilde des Vaters:
Nahm dann die mächtige Lanze, gespitzt mit der Schärfe des             Erzes,
Stellte sich außer dem Zelt, und schaut' unerfreuliche Taten:
Diese dahergescheucht, und jen' im Tumult sie verfolgend,
15       Trojas mutige Söhn'; auch gestürzt war die Mauer Achaias.
Wie wenn dunkel sich hebt das Meer mit stummem                           Gewoge,
Ahndend nur der sausenden Wind' herzuckende Wirbel,
Kaum, doch nirgendwohin die schlagende Woge gewälzt                   wird,
Bis ein entscheidender Sturm sich herunterstürzt von                         Kronion:
20     Also erwog unruhig der Greis in der Tiefe des Herzens,
Zwiefach: ob er zur Schar gaultummelnder Danaer ginge,
Oder zu Atreus' Sohn, dem Hirten des Volks Agamemnon.
Dieser Gedank' erschien dem Zweifelnden endlich der beste,
Hin zum Atreiden zu gehn. Dort würgten sie einer den                       andern,
25     Wütend im Kampf; und es krachte das starrende Erz um die               Leiber
Unter dem Stoß der Schwerter und zwiefachschneidenden               Lanzen.

Nestorn begegneten nun die gottbeseligten Herrscher
Wiedergekehrt von den Schiffen, so viel das feindliche Erz                 traf,
Tydeus' Sohn, und Odysseus, und Atreus' Sohn                                     Agamemnon:

30     Welchen weit vom Treffen entfernt sich reihten die Schiffe
Tief am Gestade des Meers. Denn die erstgelandeten zog                   man
Feldwärts auf, und erhub an den Steuerenden die Mauer.
Nimmermehr ja konnte, wie breit es war, das Gestade
Alle Schiff' einschließen des Heers; und es engte die Völker:
35     Darum zog man gestuft sie empor, und erfüllte des Ufers
Weite Bucht, die begrenzt von den Vorgebirgen umherlief.
Drum nun kamen zu schaun das Feldgeschrei und                               Getümmel,
Matt auf die Lanze gestützt, die Verwundeten; und von                       Betrübnis
Schwoll in den Busen ihr Herz. Es begegnete jetzo der graue
40     Nestor, und macht' hinstarren das Herz der edlen Achaier.
Ihn anredend begann der herrschende Held Agamemnon:

Nestor, Neleus' Sohn, du erhabener Ruhm der Achaier,
Warum kommst du daher, das würgende Treffen                                 verlassend?
Ach ich sorg', es vollende sein Wort der stürmende Hektor,

45     Wie er vordem mir gedroht im Rat der versammelten Troer:
Eher nicht von den Schiffen gen Ilios wiederzukehren,
Eh' er in Glut die Schiffe verbrannt, und getötet sie selber.
Also redete jener; und nun wird alles vollendet.
Götter, gewiß sie alle, die hellumschienten Achaier,
50     Hegen mir Groll im Herzen, und hassen mich, gleich wie                     Achilleus
Daß sie dem Kampf sich entziehn um die ragenden Steuer                 der Schiffe!

Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Dies ward alles vollbracht und gefertiget; nimmer vermocht'             auch
Selbst der Donnerer Zeus es anders wieder zu schaffen!

55      Denn schon sank die Mauer in Schutt, die ganz ;                                   unzerbrechlich,
Traueten wir, sich erhub uns selbst und den Schiffen zur                     Abwehr.
Jen' um die rüstigen Schiff', unermeßliche Kämpfe bestehn               sie,
Rastlos; nicht erkanntest du mehr, wie scharf du                                   umhersähst,
Welcherseits die Achaier im tobenden Schwarme sich                       tummeln:
60     So ist vermischt das Gemord', und es schallt zum Himmel                 der Aufruhr.
Uns nun laßt erwägen, wohin sich wende die Sache,
Wenn ja Verstand noch hilft. Nur rat' ich nicht, in die                           Feldschlacht
Einzugehn; denn es taugt der Verwundete nimmer zu                         streiten.

Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks                                  Agamemnon:

65     Nestor, dieweil schon wütet der Kampf um die ragenden                     Steuer,
Und nichts frommte der Mauer gewaltiger Bau, noch der                   Graben,
Was mit Müh' uns Achaiern gelang, und ganz                                       unzerbrechlich,
Traueten wir, sich erhub uns selbst und den Schiffen zur                     Abwehr;
So gefällt es nun wohl dem hocherhabnen Kronion,
70     Daß hier ruhmlos sterben von Argos fern die Achaier.
Wußt' ich es doch, als Zeus huldvoll die Achaier beschirmte;
Und weiß nun, daß er jene zur Herrlichkeit seliger Götter
Auserwählt, uns aber den Mut und die Hände gefesselt.
Aber wohlan, wie ich rede das Wort, so gehorchet mir alle.
75     Welche Schiffe zunächst am Rande des Meers wir gestellet,
Nehmen wir all', und ziehn sie hinab in die heilige Meerflut,
Hoch auf der Flut mit Ankern befestigend, bis uns herannaht
Öde Nacht, wo alsdann auch zurück sich hält vom Gefechte
Trojas Volk; drauf ziehn wir die sämtlichen Schiff' in die                     Wogen.
80     Denn nicht Tadel verdient's, der Gefahr auch bei Nacht zu                 entrinnen!
Besser, wer fliehend entrann der Gefahr, als wen sie ereilet!

Finster schaut' und begann der erfindungsreiche Odysseus:
Welch ein Wort, o Atreid', ist dir aus den Lippen entflohen?
Schrecklicher! daß du vielmehr doch ein anderes feigeres                   Kriegsvolk

85     Führetest, doch nicht uns obwaltetest, welchen fürwahr Zeus
Früh von Jugend gewährte bis spät zum Alter zu dauern
Unter des Kriegs Drangsalen, bis tot auch der letzte                             dahinsinkt!
Also gedenkst du im Ernst, von der weitdurchwanderten                   Troja
Heimzufliehn, um welche des Grams so viel wir erduldet?
90     Schweig, damit kein andrer in Argos' Volk es vernehme,
Dieses Wort, das schwerlich ein Mann mit den Lippen nur                 ausspricht,
Dessen Seele gelernt, anständige Dinge zu reden,
Wenn er, geschmückt mit dem Scepter, so mächtige Völker             beherrschet,
Als dir, König, daher aus Argos' Städten gefolgt sind!
95     Jetzo tadl' ich dir gänzlich den Einfall, welchen du vorbringst!
Mitten in Schlacht und Getümmel die schöngebordeten                     Schiffe
Nieder ins Meer zu ziehen, ermahnest du: daß noch                             erwünschter
Ende der Troer Geschick, die so schon siegen an Stärke,
Und uns Tod und Verderben zerschmettere! Denn die                         Achaier
100   Halten nicht aus das Gefecht, wann ins Meer wir die Schiffe               hinabziehn
Sondern voll Angst umschauend, vergessen sie alle der                       Streitlust!
Traun dann wäre dein Rat uns fürchterlich, Völkergebieter!

Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks                                  Agamemnon:
Tief in die Seele fürwahr, Odysseus, drang dein Verweis mir,

105    Schreckenvoll! Doch ich heiße ja nicht, daß wider ihr Wollen
Argos' Söhn' in das Meer die gebogenen Schiffe hinabziehn.
Komme nunmehr, wer besseren Rat zu sagen vermeinet,
Jüngling oder auch Greis; mir sei er herzlich willkommen!

Jetzo begann vor ihnen der Rufer im Streit Diomedes:

110     Hier ist der Mann! Was suchen wir länger ihn? höret ihr                     anders
Guten Rat, und verschmähet ihn nicht, unwilliges Herzens,
Weil ich zwar an Geburt der jüngere bin von euch allen.
Aber ich rühme mich stolz nicht weniger edles Geschlechtes,
Tydeus' Sohn, den in Thebe gehügelte Erde bedecket!
115     Portheus wurden ja drei untadlige Söhne geboren,
Welche Pleuron bewohnt, und Kalydons bergichte Felder:
Agrios erst, dann Melas, und dann der reisige Öneus,
Tydeus' Vater, mein Ahn', berühmt vor jenen an Tugend.
Dieser weilte daselbst; doch es zog mein Vater gen Argos,
120    Lange verirrt: so ordnet' es Zeus und die anderen Götter.
Einer Tochter vermählt des Adrastos, wohnt' er im Hause,
Reich an Lebensgut; auch genug der Weizengefilde
Hatt' er, und viel der Gärten, von Baum und Rebe beschattet,
Viel auch der weidenden Schaf'; und an Lanzenkunde                         besiegt' er
125    Alles Volk. Doch sicher vernahmt ihr schon, wie es wahr ist.
Darum wähnet mich nicht unkriegrisches feiges                                   Geschlechtes,
Noch verachtet den Rat, den ich frei und gut euch eröffne.
Kommt, wir gehn in die Schlacht, verwundet zwar, doch                     genötigt!
Dort dann wollen wir zwar uns selbst enthalten des                             Kampfes,
130    Aus dem Geschoß, daß nicht uns Wund' auf Wunde                           verletze;
Doch ermahnen wir andre zur Tapferkeit, welche zuvor                       schon,
Ihrem Mut willfahrend, zurückflohn, müde des Kampfes.

Jener sprach's; da hörten sie aufmerksam, und gehorchten.
Eilend folgten sie jetzt dem Herrscher des Volks                                   Agamemnon.

135         Aber nicht achtlos lauschte der Erderschüttrer Poseidon;
Sondern er trat zu ihnen, ein alternder Krieger von Ansehn,
Faßte die rechte Hand dem Herrscher des Volks                                   Agamemnon,
Redete drauf zu jenem, und sprach die geflügelten Worte:

Atreus' Sohn, nun schlägt des Achilleus grausames Herz                wohl

140    Hoch vor Freud' in der Brust, das Gewürg' und die Flucht der             Achaier
Anzuschaun; denn ihm fehlt auch die mindeste gute                           Besinnung.
Laß ihn seinem Verderben; ein Himmlischer zeichne mit                     Schand' ihn!
Noch sind dir nicht ganz die seligen Götter gehässig;
Sondern gewiß der Troer erhabene Fürsten und Pfleger
145    Füllen noch weit das Gefilde mit Staub, und du siehest noch             einmal
Heim sie entfliehn in die Stadt, von den Schiffen hinweg und             Gezelten.

Sprach's, und mit lautem Geschrei durchwandelt' er schnell           das Gefilde.
Wie wenn zugleich neuntausend daherschrein, ja                                 zehntausend
Rüstige Männer im Streit, zu schrecklichem Kampf sich                     begegnend:

150   Solche Stimm' enthallte des erderschütternden Königs
Starker Brust in das Heer, und rüstete jegliches Mannes
Busen mit Kraft, rastlos im Streite zu stehn und zu kämpfen.

Your Gateway to High-Quality MP3, FLAC and Lyrics
DownloadMP3FLAC.com