Ilias - Kapitel 30 by Homer
Ilias - Kapitel 30 by Homer

Ilias - Kapitel 30

Homer * Track #30 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 30 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 30 Annotated

Jener sprach's; und den Graben durcheilet er; aber ihm                       folgten
195    Argos' Könige nach, so viel zum Rat sich versammelt.
Auch Meriones folgt', und Nestors edler Erzeugter,
Ihnen zugleich; denn sie selber beriefen sie mit zur Beratung.
Jetzt nachdem sie den Graben durchwandelten, setzten sich             alle,
Wo noch rein das Gefild' aus umliegenden Leichen                             hervorschien;
200   Dort wo der stürmende Hektor sich wendete von der Argeier
Blutigem Mord', als schon die finstere Nacht sie umhüllte:
Dort nun setzten sich jen', und redeten untereinander.
Also begann das Gespräch der gerenische reisige Nestor:

Freund', o möcht nicht jetzt ein Mann vertrauen der                           Kühnheit

205   Seines entschlossenen Muts, zu den edelmütigen Troern
Hinzugehn? ob er einen der äußersten etwa erhaschte,
Oder vielleicht ein Gespräch der feindlichen Männer                           behorchte,
Was sie jetzo im Rat abredeten: ob sie gedenken,
Fern allhier zu bleiben von Ilios, oder zur Stadt nun
210    Heim von den Schiffen zu kehren, nachdem sie besiegt die                 Achaier.
Dieses erforscht' er alles vielleicht, und kehrte zu uns dann
Unverletzt; groß wäre der Ruhm ihm unter dem Himmel
Rings in der Menschen Geschlecht, auch lohnten ihm edle                 Geschenke.
Denn so viel den Schiffen umher gebieten der Herrscher,
215    Deren sollt' ein jeder ein schwarzes Schaf ihm verehren,
Samt dem saugenden Lamm; kein Eigentum wär' ihm                         vergleichbar;
Auch zu jeglichem Fest und Gastmahl würd' er geladen.

Jener sprach's; doch alle verstummten umher, und                           schwiegen.
Jetzo begann vor ihnen der Rufer im Streit Diomedes:

220        Nestor, mich reizt mein Mut und das Herz voll freudiger               Kühnheit,
Einzugehn in das Heer der nahe gelagerten Troer.
Doch wenn ein anderer Mann zugleich mir folgte; dann wäre
Mehr der Zuversicht, und des unerschrockenen Mutes.
Wo zween wandeln zugleich, da bemerkt der ein' und der                 andre

225   Schneller, was heilsam sei; doch der einzelne, ob er                             bemerket,
Ist doch langsamer stets sein Sinn, und schwach die                           Entschließung.

Jener sprach's; und viel' erboten sich schnell dem                            Tydeiden:
Willig waren die Ajas zugleich, die Genossen des Ares;
Willig Meriones auch, sehr willig der Sohn des Nestor,

230   Willig der Atreione, der Schwinger des Speers Menelaos;
Willig war auch Odysseus, der Duldende, unter die Troer
Einzugehn; denn er trug ein wagendes Herz in dem Busen.
Jetzo begann vor ihnen der Völkerfürst Agamemnon:

Tydeus' Sohn Diomedes, du meiner Seele Geliebter,

235    Selbst nunmehr zum Genossen erwähle dir, welchen du                     wünschest,
Aller umher den besten, dieweil so viele bereit sind.
Doch nicht täusche das Herz die Ehrfurcht, daß du den                       bessern
Übergehst, und den schlechtern aus blöder Scheu dir                         gesellest,
Schauend auf edleren Stamm, und wer erhabner an Macht                 sei.

240        Jener sprach's; denn er sorgt' um den bräunlichen Held                 Menelaos.
Jetzo begann von neuem der Rufer im Streit Diomedes:

Wenn ihr nun den Genossen mir selbst zu wählen gebietet,
Wie vergäße doch ich des göttergleichen Odysseus?
Dem so entschlossen der Mut und das Herz voll freudiger                 Kühnheit

245   Ragt in jeder Gefahr; denn es liebt ihn Pallas Athene.
Wenn mich dieser begleitet, sogar aus flammendem Feuer
Kehrten wir beide zurück; weil keiner ihm gleicht an                           Erfindung.

Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus:
Tydeus' Sohn, nicht darfst du so sehr mich rühmen, noch                   tadeln;

250   Denn vor kundigen Männern von Argos redest du solches.
Gehen wir denn! schnell eilet die Nacht, und nah ist der                     Morgen.
Weit schon rückten die Stern', und das Meiste der Nacht ist               vergangen.
Um zwo Teile bereits; nur der dritte Teil ist noch übrig.

Dieses gesagt, verhüllten sich beid' in schreckliche                        Rüstung.

255   Tydeus' Sohne nun gab der streitbare Held Thrasymedes
Sein zweischneidiges Schwert; denn das eigene blieb bei den           Schiffen;
Auch den Schild; und bedeckt' ihm das Haupt mit dem                       Helme von Stierhaut
Sonder Kegel und Busch, der auch Sturmhaube genannt                     wird,
Und ohn' Erz die Scheitel der blühenden Jünglinge schirmet.
260   Aber Meriones gab dem Odysseus Bogen und Köcher,
Samt dem Schwert; und bedeckte des Königes Haupt mit                   dem Helme,
Auch aus Leder geformt: inwendig mit häufigen Riemen
Wölbt' er sich, straff durchspannt; und auswärts schienen                 die Hauer
Vom weißzahnigen Schwein, und starreten hiehin und                       dorthin,
265   Schön und künstlich gereiht; und ein Filz war drinnen                           befestigt.
Einst aus Eleon hatt' Autolykos diesen erbeutet,
Stürmend den festen Palast des Hormeniden Amyntor;
Jener gab dem Kytherer Amphidamas ihn gen Skandeia;
Aber Amphidamas gab zum Gastgeschenk ihn dem Molos;
270   Dieser gab ihn Meriones drauf dem Sohne zu tragen;
Und nun barg er umher Odysseus' Haupt zur Beschützung.

Jetzo nachdem sich beid' in schreckliche Rüstung gehüllet,
Eilten sie hin, und verließen die edelen Helden Achaias.
Ihnen naht' ein Reiher, gesandt von Pallas Athene,

275   Rechtsher fliegend am Weg'; ihn sahen sie nicht mit den                     Augen
Durch die finstere Nacht, nur ward sein Tönen gehöret.
Freudig vernahm Odysseus den Flug, und rief zu Athene:

Höre mich, Tochter Zeus' des Donnerers, die du beständig
Mich in allen Gefahren verteidigest, und, wo ich hingeh',

280   Meiner gedenkst; auch jetzo gewähre mir Lieb', o Athene!
Laß uns wohl zu den Schiffen und ruhmvoll wieder gelangen,
Täter erhabener Tat, die Kummer schaffe den Troern!

Ihm zunächst auch flehte der Rufer im Streit Diomedes:
Höre du jetzt auch mich, o Zeus' unbezwungene Tochter!

285   Folge mir, wie du dem Vater gefolgt, dem göttlichen Tydeus,
Als er gen Thebe ging, ein Gesendeter von den Achaiern.
Jen' am Asopos verlassend, die erzumschirmten Achaier,
Bracht' er freundliche Worte den kriegrischen Kadmeionen
Dorthin; doch umkehrend vollendet' er schreckliche Taten,
290   Mit dir, heilige Göttin, da ihm willfährig du beistandst.
So nun wollest du mir auch beistehn und mich behüten!
Dir gelob' ich ein jähriges Rind, breitstirnig und fehllos,
Ungezähmt, das nimmer ein Mann zum Joche gebändigt:
Dieses gelob' ich zum Opfer, mit Gold die Hörner                                 umziehend.

295      Also flehten sie dort; sie hörete Pallas Athene.
Drauf nachdem sie gefleht zu Zeus' des Allmächtigen                         Tochter;
Gingen sie schnell, zween Löwen an Mut, im nächtlichen                   Dunkel,
Hin durch Mord, durch Leichen, durch Rüstungen hin, und                 Schlachtblut

Auch nicht ließ dort Hektor die edelmütigen Troer

300   Ausruhn, sondern berief die Edelsten nun zur Versammlung,
Alle des troischen Volks erhabene Fürsten und Pfleger.
Als sich jene gesetzt, entwarf er die weise Beratung:

Wer doch möchte die Tat mir übernehmend gewähren,
Um ein großes Geschenk, das ihm zum Lohne genug sei?

305   Einen Wagen ihm geb' ich, und zween hochwiehernde                       Rosse,
Welche die edelsten sein bei den rüstigen Schiffen Achaias:
Wer auch immer es wagt, und selbst den Ruhm sich                           erstrebet,
Hinzugehn zu den Schiffen der Danaer, und zu erforschen:
Ob sie stets noch bewachen die rüstigen Schiffe, wie                           vormals;
310    Oder ob sie vielleicht, von unseren Händen bezähmet,
Schon die Flucht miteinander beschleunigen, und sich                         enthalten,
Nächtliche Hut zu versehn, entnervt von der schrecklichen               Arbeit.

Jener sprach's; doch alle verstummten umher, und                         schwiegen.
Aber im troischen Volk war Dolon, Sohn des Eumedes,

315    Eines göttlichen Herolds, an Golde reich und an Erze;
Zwar ein häßlicher Mann von Gestalt, doch ein hurtiger                     Läufer,
Und der einzige Sohn mit fünf aufwachsenden Schwestern.
Dieser begann hintretend im Rat der Troer zu Hektor:

Hektor, mich reizt mein Mut, und das Herz voll freudiger               Kühnheit,

320   Hinzugehn zu den Schiffen der Danaer, und zu erforschen.
Aber wohlan, den Scepter erhebe mir, heilig beschwörend,
Daß du jenes Gespann, und den erzumschimmerten Wagen,
Schenken mir willst, das ihn trägt, den untadligen Peleionen.
Nicht umsonst auch werd' ich dir spähn, noch gegen                           Erwartung.
325   Denn so weit ihr Lager durchwander' ich, bis ich erreiche
Selbst Agamemnons Schiff, wo vielleicht sein werden die                   Fürsten,
Heilsamen Rat zu raten, der Heimkehr, oder des Kampfes.

Jener sprach's; doch Hektor erhub den Scepter, und schwur           ihm:
Höre den Schwur Zeus selber, der donnernde Gatte der                     Here!

330   Nie soll jenes Gespann ein anderer lenken der Troer;
Sondern dir verheiß' ich daherzuprangen beständig!

Also der Held, und beschwur Meineid, und reizete jenen.
Eilend hängt' er darauf das krumme Geschoß um die                           Schulter,
Hüllete dann sich umher ein graugezotteltes Wolfsfell,

335    Fügte den Otterhelm auf das Haupt, und faßte den                             Wurfspieß,
Eilete dann zu den Schiffen der Danaer. Aber ihm ward nicht
Wiederkehr von den Schiffen, um Hektorn Kunde zu bringen.
Als er nunmehr verlassen der Ross' und der Männer                           Getümmel,
Ging er den Weg mit Begier. Allein der edle Odysseus
340   Merkte des Nahenden Gang, und sprach zum Sohne des                     Tydeus:

Siehe doch, Diomedes, da kommt ein Mann aus dem Lager!
Will er vielleicht auskundend zu unseren Schiffen                                 herannahn,
Oder einen berauben der Leichname hier auf dem                               Schlachtfeld?
Aber wir lassen ihn erst vorübergehn im Gefilde

345   Wenig; und dann verfolgen wir ihn, und erhaschen den                       Flüchtling
Eilendes Laufs. Doch wenn er zuvor uns rennt mit den                         Füßen;
Immer dann zu den Schiffen vom Lager hinweg ihn                             gescheuchet,
Mit anstürmendem Speer, daß nicht zur Stadt er entrinne.

Also besprachen sich beid', und bargen sich außer dem                Wege,

350   Unter den Toten geschmiegt; und vorbei lief jener                               bedachtlos.
Als er so weit sich entfernt, wie ein Joch Maultier' an des                   Ackers
Ende gewinnt; denn sie gehn vor langsam folgenden Stieren,
Mutig die Brach' entlang mit starkem Pflug zu durchfurchen:
Schnell nun liefen sie nach; und er stand, das Getöse                           vernehmend;
355   Denn er vermutet' im Geist, zurück berufende Freunde
Kämen aus Trojas Volk, ihm nachgesendet von Hektor.
Aber so weit nur entfernt, wie ein Speerwurf, oder noch                     minder,
Kannt' er die Männer als Feind'; und die hurtigen Kniee                       bewegend,
Floh er dahin; doch jene verfolgeten angestrenget.
360   Wie wenn zween scharfzahnige Hund', erfahren der                           Wildjagd,
Dringender Eil' hintreiben ein Hirschkalb oder den Hasen,
Durch dickwaldige Räum', und voran der Quäkende rennet:
Also trieb der Tydeid' und der Städteverwüster Odysseus
Jenen in dringender Eil', hinweg von dem Lager ihn                               scheuchend.
365   Aber nachdem schon nahe der Danaer Hut er gekommen,
Fliehend hinab zu den Schiffen; mit Zorn nun erfüllt' Athenäa
Tydeus' Sohn, daß keiner der erzumschirmten Achaier
Früheres Wurfs sich rühmt', und er selbst der zweite nur                   käme;
Drohend erhub er die Lanz', und rief, der Held Diomedes:

370        Steh da, oder ich werfe die Lanze dir! Schwerlich noch                    wirst du
Lange dem schrecklichen Tod' aus meinen Händen                             entfliehen!

Sprach's, und im Schwung' entsandt' er den Speer, und                   ehlte mit Vorsatz;
Rechtshin über die Schulter ihm flog des geglätteten Speeres
Erz in den Boden hinein: und er stand nun, starr vor                             Schrecken,

375   Bebend das Kinn, und es klappten ihm laut in dem Mund die             Zähne,
Blaß sein Gesicht vor Angst. Jetzt nahten sie keuchend, und             hielten
Beid' an den Händen ihn fest; doch er mit Tränen begann so:

Faht mich; dann erkauf' ich mich frei. Mir lieget daheim ja
Erz und Goldes genug, und schöngeschmiedetes Eisen.

380   Hievon reicht mein Vater dir gern unendliche Lösung,
Wenn er mich noch lebend vernimmt bei den Schiffen                       Achaias.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Sei getrost; kein Todesgedank' umschwebe das Herz dir!
Aber sage mir jetzt, und verkündige lautere Wahrheit.

385   Warum gehst du allein vom Lager hinab zu den Schiffen,
Jetzt in der finsteren Nacht, da andere Sterbliche schlafen?
Willst du einen berauben der Leichname hier auf dem                         Schlachtfeld?
Oder sandte dich Hektor, daß wohl bei den Schiffen du alles
Spähetest? Oder bewog dein eigenes Herz dich zu gehen?

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