Ilias - Kapitel 61 by Homer
Ilias - Kapitel 61 by Homer

Ilias - Kapitel 61

Homer * Track #61 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 61 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 61 Annotated

215    Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Peleus' Sohn, Achilleus, erhabenster Held der Achaier,
Stärker bist du denn ich, und tapferer, nicht um ein kleines,
Mit dem Speer; doch möcht' ich's an Rat dir etwa zuvortun,
Weit, da ich länger gelebt, und mehr gesehn und erfahren.
220   Drum gehorche dein Herz besänftiget meiner Ermahnung.
Bald ja des Menschengewürgs ersättigen sich die Menschen,
Wo in Menge die Halme das Erz zur Erde dahinstreckt;
Kurz auch dauert das Mähn, nachdem herneigte die                           Waagschal
Zeus, der dem Menschengeschlecht des Kriegs Obwalter                   erscheinet.
225   Nicht mit dem Bauch ja müssen die Danaer Tote betrauern;
Denn zu viel aufeinander und scharweis jegliches Tages,
Fallen sie: wer vermochte dann aufzuatmen vom Kummer?
Billig demnach jedweden beerdiget, wie er gestorben,
Mit verhärteter Seel', und einen Tag ihn beweinend.
230   Doch wie viel' entrannen des Kriegs graunvoller Vertilgung,
Müssen mit Trank und Speise sich kräftigen; daß noch                       entflammter
Wir ausdaurendes Muts feindselige Männer bekämpfen,
Unter der ehernen Last der Rüstungen. Aber daß niemand,
Harrend des zweiten Befehls in Argos' Volke verweile!
235   Dieser Befehl bringt wahrlich Verderben ihm, welcher                         zurückbleibt
Unter den Schiffen des Heers! Nein, alle zugleich                                 ausstürmend
Gegen die reisigen Troer erheben wir grause Vertilgung!

Sprach's, und Nestors Söhne gesellt' er sich, jenes                            Erhabnen,
Meges zugleich den Phyleiden, Meriones auch, und Thoas,

240   Kreions tapferen Sohn Lykomedes, und Melanippos.
Eilend gingen sie nun zum Kriegsgezelt Agamemnons.
Schnell dann war, wie geredet das Wort, so die Sache                         vollendet.
Sieben nahmen sie dort dreifüßiger Kessel im Zelte,
Die er versprach, zwölf Ross', und zwanzig schimmernde                   Becken;
245   Führten dann schnell die Weiber, untadlige, kundig der                       Arbeit,
Sieben, zugleich die achte, des Brises rosige Tochter.
Aber Odysseus wog die zehn Talente des Goldes,
Ging dann voran; ihm folgten die Jünglinge alle mit Gaben.
Die nun stellten sie dort in den Volkskreis. Doch                                   Agamemnon
250   Hub sich; Talthybios dann, Unsterblichen ähnlich an Stimme,
Trat zum Hirten des Volks, und hielt in den Händen den Eber.
Doch der Atreid' ausziehend mit hurtigen Händen das                         Messer,
Das an der großen Scheide des Schwerts ihm immer                           herabhing,
Schor von des Ebers Haupte das Erstlingshaar, und erhob                   dann
255   Betend die Hände zu Zeus; rings saßen indes die Argeier
Still umher, nach der Sitte, des Königes Wort zu vernehmen.
Flehend nunmehr begann er, den Blick gen Himmel                             gewendet:

Höre nun Zeus zuerst, der Seligen Höchster und Bester,
Erd' und Helios auch, und Erinnyen, unter der Erde

260   Einst die Toten bestrafend, wer hier Meineide geschworen!
Niemals hab' ich die Hand an Brises' Tochter geleget,
Weder des Lagers Genuß abnötigend, weder ein andres;
Sondern sie blieb unberührt in den Wohnungen meines                     Gezeltes!
Schwör' ich einiges falsch, dann senden mir Elend die Götter,
265   Ohne Maß, wie sie senden dem frevelnden Schwörer des                   Meineids!

Sprach's, und des Ebers Kehle zerschnitt er mit grausamem           Erze;
Welchen Talthybios drauf in des Meers grauwogende Fluten
Wirbelnd den Fischen zum Fraß hinschleuderte. Aber                         Achilleus
Stand empor und begann vor Argos' kriegrischen Söhnen:

270        Vater Zeus, traun große Verblendungen gibst du den                     Menschen!
Nimmermehr wohl hätte den Mut in der Tiefe des Herzens
Atreus' Sohn mir empört so fürchterlich, oder das Mägdlein
Weg mir geführt mit Gewalt, der Unbiegsame; sondern                       fürwahr Zeus
Wollte nur vielen den Tod in Argos' Volke bereiten!

275   Doch nun geht zum Mahle, damit wir rüsten den Angriff!

Jener sprach's, und trennte sofort die rege Versammlung.
Alle zerstreuten sich rings, zum eigenen Schiff ein jeder.
Doch die Geschenk' umeilten die Myrmidonen geschäftig,
Brachten sie dann zum Schiffe des göttergleichen Achilleus.

280   Dies nun legten sie dort im Gezelt und setzten die Weiber;
Aber die Ross' entführten zur Herd' hochherzige Diener.

Brises' Tochter nunmehr, wie die goldene Aphrodite,
Als sie gesehn Patroklos zerfleischt von der Schärfe des                     Erzes;
Goß sie um jenen sich hin, und weinete laut, und zerriß sich

285   Beide Brüst', und den blühenden Hals, und ihr rosiges                         Antlitz.
Also sprach mit Tränen das Weib, den Göttinnen ähnlich:

Ach mein teurer Patroklos, gefälligster Freund mir im Elend!
Lebend noch verließ ich im Zelte dich, als ich hinwegging;
Und ich Kehrende finde dich tot nun, Völkergebieter,

290   Hingestreckt! So verfolgt mich Unheil immer auf Unheil!
Meinen Mann, dem der Vater mich gab, und die würdige                   Mutter,
Sah ich dort vor der Stadt zerfleischt von der Schärfe des                   Erzes;
Auch drei leibliche Brüder, von einer Mutter geboren,
Herzlich geliebt, die mir alle der Tag des Verderbens                           hinwegriß;
295   Dennoch wolltest du nicht, da den Mann der schnelle                         Achilleus
Mir erschlug, und verheerte die Stadt des göttlichen Mynes,
Weinen mich sehn; du versprachst mir, des göttergleichen               Achilleus
Jugendlich Weib zu werden, der einst in Schiffen gen Phtia
Heim mich brächt', und feirte den Myrmidonen das                             Brautmahl.
300   Ach du starbst, und ohn' Ende bewein' ich dich, freundlicher             Jüngling!

Also sprach sie weinend; und ringsum seufzten die Weiber,
Um Patroklos zum Schein, doch jed' um ihr eigenes Elend.
Jenen indes umringten die edleren Helden Achaias,
Flehend des Mahls zu genießen; allein er versagt' es mit                     Seufzen.

305        Trauteste Freund', ich fleh euch, wofern ihr Liebe mir                    heget,
Eher nicht ermahnt mich mit Trank und nährender Speise
Meinen Geist zu erfrischen; denn heftiger Kummer                             durchdringt mich!
Nein bis die Sonne sich senkt, ich harr', und gedulde mich                 standhaft!

Dieses gesagt, entließ er die anderen Fürsten des Heeres.

310    Atreus' Söhne nur blieben zurück, und der edle Odysseus,
Nestor, Idomeneus auch, und der graue reisige Phönix,
Sorgsam all' aufheiternd den Traurenden; aber sein Herz floh
Heiterkeit, eh' in den Schlund des blutigen Kriegs er                             hineindrang.
Stets gedacht' er des Freundes, und redete schnell                               aufatmend:

315        Ach du hast mir vordem, Unglücklicher, liebster der                        Freunde,
Selber so oft im Gezelte gebracht ein labendes Frühmahl,
Schnell in geschäftiger Hast, wenn das Heer der Achaier                     hinausdrang,
Gegen die reisigen Troer das Graun des Krieges zu tragen!
Und nun liegest du ein Erschlagener; aber das Herz mir

320   Will nicht Trank genießen noch Kost, von dem reichlichen                 Vorrat,
Schmachtend nach dir! Nie könnt' auch ein herberes Wehe               mich treffen.
Nicht und wenn ich sogar des Vaters Ende vernähme,
Der wohl nun in Phtia die bittersten Tränen vergießet,
Solches Sohns zu entbehren, der hier im Lande des                             Fremdlings
325   Um die entsetzliche Helena kämpft mit den Reisigen Trojas;
Oder den Tod des Sohnes, der mir in Skyros ernährt wird,
Wenn er etwa noch lebt, Neoptolemos, göttlich von Bildung!
Ehmals hegte mir immer das Herz im Busen die Hoffnung,
Sterben würd' ich allein von der rossenährenden Argos
330   Fern, im troischen Land'; und du heimkehren gen Phtia,
Daß du mir den Sohn im dunklen gebogenen Schiffe
Brächtest aus Skyros' Flur, und dort jedwedes ihm zeigtest,
Meine Hab', und die Knecht', und die hohe gewölbete                         Wohnung.
Denn schon ahnd' ich im Geist, daß Peleus tot in der Erde
335    Schlummere, oder vielleicht noch kümmerlich leb' in                           Schwermut,
Niedergebeugt von Alter und Traurigkeit, weil er beständig
Harrt des schrecklichen Boten, der meinen Tod ihm                             verkündigt!

Also sprach er weinend; und ringsum seufzten die Fürsten,
Eingedenk, was jeder in seinem Hause zurückließ.

340   Mitleidsvoll erblickte die Traurenden Zeus Kronion;
Schnell zur Athene gewandt, die geflügelten Worte begann               er:

Trautes Kind, so gänzlich verlässest du jetzo den Helden!
Gar nicht kümmert sich mehr dein Herz um den edlen                         Achilleus?
Schau, wie jener dort vor des Meers hochhauptigen Schiffen

345   Sitzt, um den Freund wehklagend, den teuersten! Alle die                   andern
Gingen zum Frühmahl hin; er rührt nicht Speise noch Trank               an.
Eile denn, jenem Ambrosia jetzt und lieblichen Nektar
Sanft in die Brust zu flößen, daß nicht ihn quäle der Hunger.

Also Zeus, und erregte die schon verlangende Göttin.

350   Schnell wie ein schreiender Adler mit weitverbreiteten                       Flügeln
Schwang sie vom Himmel herab durch den Äther sich. Dort               die Achaier
Rüsteten emsig im Heere die Feldschlacht. Doch dem                         Achilleus
Flößt' Athen' Ambrosia jetzt und lieblichen Nektar
Sanft in die Brust, daß nicht vor Hunger ihm starrten die                     Kniee.
355   Selbst dann heim zum Palaste des allgewaltigen Vaters
Kehrte sie. Jen' entströmten den hurtigen Schiffen des                       Meeres.
Wie wenn häufige Flocken des Schnees von Zeus sich                         ergießen,
Kalt heruntergestürmt vom heiterfrierenden Nordwind:
So dort häufige Helm', umstrahlt von freudiges Schimmer,
360   Drangen hervor aus den Schiffen, und hochgenabelte                         Schilde,
Auch Brustharnische, mächtig gewölbt, und eschene Lanzen.
Glanz erreichte den Himmel, und ringsum lachte die Erde,
Hell von dem Erze bestrahlt; und Getön scholl unter dem                   Fußtritt
Wandelnder. Mitten auch wappnete sich der edle Achilleus.
365   Ihm von den Zähnen ertönt' ein Geknirsch her: aber die                       Augen
Funkelten, gleich wie lodernde Glut; und das Herz ihm                         erfüllte
Unausduldsamer Schmerz. So heftig ergrimmt auf die Troer,
Nahm er das Göttergeschenk, das Hephästos' Kunst ihm                   geschmiedet.
Eilend fügt' er zuerst um die Beine sich bergende Schienen,
370   Blank und schön, anschließend mit silberner                                         Knöchelbedeckung;
Weiter umschirmt' er die Brust ringsher mit dem ehernen                 Harnisch;
Hängte sodann um die Schulter das Schwert voll silberner                 Buckeln,
Eherner Kling'; und darauf den Schild auch, groß und                           gediegen,
Nahm er, der ferne den Glanz hinsendete, ähnlich dem                       Vollmond.
375   Wie wenn draußen im Meere der Glanz herleuchtet den                     Schiffern,
Vom auflodernden Feuer, das hoch auf Bergen entflammet
Brennt in einsames Hürd'; indes mit Gewalt sie der                               Sturmwind
Fern in des Meers fischwimmelnde Flut von den Freunden                 hinwegträgt:
So von Achilleus' Schild' entleuchtete Glanz in den Äther,
380   Schön wie er prangt' an Kunst. Den schweren Helm nun                     erhebend,
Deckt' er das Haupt ringsher; und es strahlete, gleich dem                 Gestirne,
Sein hochbuschiger Helm; und die Mähn' aus gesponnenem             Golde
Flatterte, welche der Gott auf dem Kegel ihm häufig                             geordnet.
Jetzo versucht' in der Rüstung sich selbst der edle Achilleus,
385   Ob sie genau anschlöss', und leicht sich bewegten die                         Glieder;
Und wie Flügel ihm war sie, und hob den Hirten der Völker.
Auch dem schönen Gehäus' entzog er den Speer des                           Erzeugers,
Schwer und groß und gediegen; es konnt' ihn der Danaer                   keiner
Schwingen, allein vermocht' ihn umherzuschwingen                           Achilleus:
390   Pelions ragende Esche, die Cheiron schenkte dem Vater,
Pelions Gipfel enthaun, zum Mord den Heldengeschlechtern.
Aber Automedon jetzt und Alkimos fügten die Rosse
Schnell in die Seile des Jochs, die zierlichen; drauf in die                     Mäuler
Legten sie jedem Gezäum, und spanneten rückwärts die                     Zügel
395   Zum gebildeten Sessel. Automedon faßte die Geißel,
Blank und bequem, mit der Hand, und sprang in den Sessel               des Wagens.
Hinter ihn drauf, gerüstet zur Feldschlacht, schwang sich                   Achilleus,
Leuchtend im Waffenschmuck, wie die strahlende Sonne                   des Himmels.
Schreckliches Rufs nun ermahnt' er die mutigen Rosse des                 Vaters:

400        Xanthos und Balios ihr, ruhmvolles Geschlecht der                         Podarge,
Anders jetzo gedenkt den Wagenlenker zu bringen
Wieder ins Heer der Achaier, nachdem wir des Kampfs uns               gesättigt;
Aber nicht, wie Patroklos, verlaßt ihn tot im Gefilde!

Unter dem Joch antwortete drauf das geflügelte Streitroß

405   Xanthos, und neigte das Haupt; ihm sank die blühende                       Mähne
Wallend hervor aus dem Ringe des Jochs, und erreichte den             Boden;
Aber die Stimme gewährt' ihm die lilienarmige Here:

Ja, wohl bringen wir jetzt dich Lebenden, starker Achilleus;
Doch des Verderbens Tag ist nahe dir! Dessen sind wir nicht

410    Schuldig, sondern der mächtige Gott und das harte                             Verhängnis.
Nicht fürwahr durch Säumnis und Langsamkeit unserer                     Schenkel
Raubte der Troer Volk von Patroklos' Schulter die Rüstung;
Nein der gewaltigste Gott, der Sohn der lockigen Leto,
Schlug ihn im Vordergefecht, dem Hektor Ehre gewährend.
415    Wir zwar wollten im Lauf auch Zephyros Atem ereilen,
Welcher doch schnell vor allen daherstürmt: aber dir selber
Wird bestimmt, dem Gott und dem sterblichen Manne zu                 fallen.

Jener sprach's; da verschloß der Erinnyen Hand ihm die                 Stimme.
Unmutsvoll antwortete drauf der schnelle Achilleus:

420        Xanthos, warum mir den Tod weissagest du? Solches                   bedarf's nicht!
Selber weiß ich es wohl, daß fern von Vater und Mutter
Hier des Todes Verhängnis mich hinrafft. Aber auch so nicht
Rast' ich, bevor ich die Troer genug im Kampfe getummelt!

Sprach's, und lenkte voran mit Geschrei die stampfenden                Rosse.

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