Ilias - Kapitel 69 by Homer
Ilias - Kapitel 69 by Homer

Ilias - Kapitel 69

Homer * Track #69 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

Download "Ilias - Kapitel 69"

Album Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

Ilias - Kapitel 69 by Homer

Performed by
Homer

Ilias - Kapitel 69 Annotated

Also dacht' er, und blieb. Doch näher kam ihm Achilleus,
Ares gleich an Gestalt, dem helmerschütternden Streiter,
Pelions ragende Esch' auf der rechten Schulter bewegend,
Fürchterlich; aber das Erz umleuchtet' ihn, ähnlich dem                       Schimmer
135    Lodernder Feuersbrunst, und der hellaufgehenden Sonne.
Hektor, sobald er ihn sah, erzitterte; nicht auch vermocht' er
Dort zu bestehn, und er wandte vorn Tore sich, ängstlich                   entziehend.
Hinter ihm flog der Peleide, den hurtigen Füßen vertrauend.
So wie ein Falk des Gebirgs, der geschwindeste aller                           Gevögel,
140    Leicht mit gewaltigem Schwung nachstürmt der                                 schüchternen Taube;
Seitwärts schlüpfet sie oft; doch nah mit hellem Getön ihr
Schießet er häufig daher, voll heißer Begier zu erhaschen:
So drang jener im Flug gradan; doch es flüchtete Hektor
Längs der troischen Mauer, die hurtigen Kniee bewegend.
145    Beid' an der Warte vorbei und dem wehenden Feigenbaume,
Immer hinweg von der Mauer, entflogen sie über den                         Fahrweg.
Und sie erreichten die zwo schönsprudelnden Quellen,                       woher sich
Beide Bäch' ergießen des wirbelvollen Skamandros.
Eine rinnt beständig mit warmer Flut, und umher ihr
150    Wallt aufsteigender Dampf, wie der Rauch des brennenden               Feuers;
Aber die andere fließt im Sommer auch kalt wie der Hagel,
Oder des Winters Schnee, und gefrorene Schollen des Eises.
Dort sind nahe den Quellen geräumige Gruben der Wäsche,
Steinerne, schöngehaun, wo die stattlichen Feiergewande
155    Trojas Weiber vordem und liebliche Töchter sich wuschen,
Als noch blühte der Fried', eh' die Macht der Achaier                           daherkam.
Hier nun rannten vorbei der Fliehende und der Verfolger.
Vornan floh ein Starker, jedoch ein Stärkerer folgte
Stürmendes Laufs: denn nicht um ein Weihvieh, oder ein                   Stierfell,
160    Strebten sie, welches man stellt zum Kampfpreis laufender               Männer;
Sondern es galt das Leben des gaulbezähmenden Hektors.
So wie zum Siege gewöhnt um das Ziel starkhufiger Rosse
Hurtiger wenden den Lauf, denn es lohnt ein köstlicher                       Dreifuß,
Oder ein blühendes Weib, am Fest des gestorbenen                           Herrschers:
165    Also kreiseten sie dreimal um Priamos Feste
Rings mit geflügeltem Fuß; und die Ewigen schaueten alle.
Jetzo begann der Vater des Menschengeschlechts und der               Götter:

Wehe doch! einen Geliebten umhergejagt um die Mauer
Seh' ich dort mit den Augen; und herzlich jammert mich                     seiner,

170    Hektors, welcher so oft mir Schenkel der Stier' auf dem Altar
Zündete, bald auf den Höhen des vielgewundenen Ida,
Bald in der oberen Burg! Nun drängt ihn der edle Achilleus,
Rings um Priamos' Stadt mit hurtigen Füßen verfolgend.
Aber wohlan, ihr Götter, erwägt im Herzen den Ratschluß:
175    Ob er der Todesgefahr noch entfliehn soll, oder anitzo
Fallen, wie tapfer er ist, dem Peleionen Achilleus.

Drauf antwortete Zeus' blauäugige Tochter Athene:
Vater mit blendendem Strahl, Schwarzwolkiger, welcherlei               Rede!
Einen sterblichen Mann, längst ausersehn dem Verhängnis,

180    Denkst du anitzt von des Todes graunvoller Gewalt zu                       erlösen?
Tu's; doch nimmer gefällt es dem Rat der anderen Götter!

Ihr antwortete drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
Fasse dich, Tritogeneia, mein Töchterchen! Nicht mit des                   Herzens
Meinung sprach ich das Wort: ich will dir freundlich gesinnt             sein.

185    Tue, wie dir nun selbst es genehm ist; nicht so gezaudert.

Also Zeus, und erregte die schon verlangende Göttin;
Stürmendes Schwungs entflog sie den Felsenhöhn des                       Olympos.

Hektorn drängt' unablässig im Lauf der Verfolger Achilleus.
Wie wenn den Sohn des Hirsches der Hund im Gebirge                       verfolget,

190    Aufgejagt aus dem Lager, durch windende Tal' und                             Gebüsche;
Ob auch jener sich berg' und niederduck' in dem Dickicht,
Stets doch läuft er umher, der Spürende, bis er gefunden:
So barg Hektor sich nicht dem mutigen Renner Achilleus.
Wenn er auch oft ansetzte, zum hohen dardanischen Tore
195    Hinzuwenden den Lauf, und den festgebaueten Türmen,
Ob vielleicht von oben der Freunde Geschoß ihn beschützte;
Eilete stets der Verfolger zuvor, und wendet' ihn abwärts
Nach dem Gefild', er selbst an der Seite der Stadt                                 hinfliegend.
Wie man im Traum umsonst den Fliehenden strebt zu                       verfolgen;
200   Nicht kann dieser hinweg ihm entfliehn, noch jener                             verfolgen:
Also ergriff nicht dieser im Lauf, noch enteilete jener.
Doch wie wär' itzt Hektor entflohn den Keren des Todes,
Wenn nicht ihm noch einmal zuletzt Apollon der Herrscher
Nahete, welcher ihm Kraft aufregt' und hurtige Schenkel?

205        Aber dem Volke verbot mit winkendem Haupt der Peleide,
Nicht ihm daherzuschnellen auf Hektor herbe Geschosse;
Daß kein Treffender raubte den Ruhm, er der zweite dann                 käme.
Als sie nunmehr zum vierten die sprudelnden Quellen                         erreichet;
Jetzo streckte der Vater empor die goldene Waage,

210    Legt' in die Schalen hinein zwei finstere Todeslose,
Dieses dem Peleionen, und das dem reisigen Hektor,
Faßte die Mitt', und wog: da lastete Hektors Schicksal
Schwer zum Aïdes hin; es verließ ihn Phöbos Apollon.
Doch zu Achilleus kann die Herrscherin Pallas Athene;
215    Nahe trat sie hinan, und sprach die geflügelten Worte:

Jetzt doch, hoff' ich gewiß, Zeus' Liebling, edler Achilleus,
Bringen wir großen Ruhm hinab zu dem Schiffen Achaias,
Hektor dort austilgend, den unersättlichen Krieger.
Nun nicht mehr vermag er aus unserer Hand zu entrinnen,

220   Nein wie viel auch erdulde der treffende Phöbos Apollon,
Hingewälzt vor die Kniee des ägiserschütternden Vaters.
Aber wohlan nun steh und erhole dich; während ich selber
Jenem genaht zurede, dir kühn entgegen zu kämpfen.

Also sprach Athen'; er gehorcht' ihr, freudiges Herzens,

225    Stand, und ruhte gelehnt auf die erzgerüstete Esche.
Jene verließ ihn selbst, und erreichte den göttlichen Hektor,
Ganz dem Deïphobos gleich an Wuchs und gewaltiger                       Stimme;
Nahe trat sie hinan, und sprach die geflügelten Worte:

Ach mein älterer Bruder, wie drängt dich der schnelle                     Achilleus,

230   Rings um Priamos' Stadt mit hurtigen Füßen verfolgend!
Aber wohlan, wir bleiben, und widerstehn unerschüttert!

Ihm antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Stets, Deïphobos, warst du auch sonst mein trautester                       Bruder,
Aller, die Priamos zeugt' und Hekabe, unsere Mutter;

235   Aber noch mehr gedenk' ich hinfort dich im Herzen zu ehren,
Daß du um meinetwillen, sobald du mich sahst mit den                     Augen,
Dich aus der Mauer gewagt, da andere drinnen beharren.

Ihm antwortete Zeus' blauäugige Tochter Athene:
Bruder, mich bat der Vater mit Flehn und die würdige Mutter,

240   Die umeinander die Kniee mir rühreten, auch die Genossen
Fleheten, dort zu bleiben: so sehr sind alle voll Schreckens.
Doch mein Herz im Busen durchdrang der schmerzende                     Kummer.
Nun gradan mit Begierde zum Kampf! nun unserer Lanzen
Nicht geschonet annoch! damit wir sehn, ob Achilleus
245   Uns vielleicht ermordet, und blutige Waffen hinabträgt
Zu den gebogenen Schiffen; ob deiner Lanz' er dahinsinkt!

Dieses gesagt, ging jene voran, die täuschende Göttin.
Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander;
Jetzo begann anredend der helmumflatterte Hektor:

250        Nicht hinfort, o Peleid', entflieh' ich dir, so wie bis jetzo!
Dreimal umlief ich die Feste des Priamos, nimmer es                           wagend,
Deiner Gewalt zu beharren; allein nun treibt mich das Herz               an,
Fest dir entgegen zu stehn, ich töte dich, oder ich falle!
Laß uns jetzt zu den Göttern emporschaun, welche die                       stärksten

255   Zeugen des Eidschwurs sind, und jegliches Bundes                               Bewahrer.
Denn ich werde dich nimmer mit Schmach mißhandeln,                     verleiht mir
Zeus, als Sieger zu stehn, und dir die Seele zu rauben;
Sondern nachdem ich gewonnen dein schönes Geschmeid',               o Achilleus;
Geb' ich die Leiche zurück den Danaern. Tue mir Gleiches.

260        Finster schaut' und begann der mutige Renner Achilleus:
Hektor, mir nicht, unvergeßlicher Feind, von Verträgen                       geplaudert!
Wie kein Bund die Löwen und Menschenkinder befreundet,
Auch nicht Wölf' und Lämmer in Eintracht je sich gesellen;
Sondern bitterer Haß sie ewig trennt voneinander:

265   So ist nimmer für uns Vereinigung, oder ein Bündnis,
Mich zu befreunden und dich, bis einer, gestürzt auf den                   Boden,
Ares mit Blute getränkt, den unaufhaltsamen Krieger!
Jeglicher Kampfeskund' erinnre dich! Jetzo gebührt dir's,
Lanzenschwinger zu sein, und unerschrockener Krieger!
270   Nicht entrinnst du annoch; durch meine Lanze bezähmt dich
Pallas Athene sofort! Nun büßest du alles auf einmal,
Meiner Genossen Weh, die du Rasender schlugst mit der                   Lanze!

Sprach's, und im Schwung' entsandt' er die                                       weithinschattende Lanze.
Diese jedoch vorschauend vermied der strahlende Hektor;

275    Denn er sank in die Knie'; und es flog der eherne Wurfspieß
Über ihn weg in die Erd': ihn ergriff und reichte die Göttin
Schnell dem Peleiden zurück, unbemerkt von dem                               streitbaren Hektor.
Aber Hektor begann zu dem tadellosen Achilleus:

Weit gefehlt! Wohl schwerlich, o göttergleicher Achilleus,

280   Offenbarete Zeus mein Geschick dir, wie du geredet;
Sendern du warst ein gewandter und hinterlistiger                               Schwätzer,
Daß ich vor dir hinbebend des Muts und der Stärke vergäße.
Nicht mir Fliehenden soll dein Speer den Rücken                                   durchbohren;
Sondern gerad' anstürm' ich: wohlauf! in die Brust ihn                         gestoßen,
285   Wenn dir ein Gott es verlieh! Doch jetzt vermeide die Schärfe
Dieses Speers! O möchte dein Leib doch ganz ihn                                 empfangen!
Leichter wäre sodann der Kampf für die Männer von Troja,
Wenn du sänkst in den Staub; du bist ihr größestes Unheil!

Sprach's, und im Schwung' entsandt' er die                                       weithinschattende Lanze,

290   Traf, und verfehlete nicht, gerad' auf den Schild des                             Peleiden;
Doch weit prallte vom Schilde der Speer. Da zürnete Hektor,
Daß sein schnelles Geschoß umsonst aus der Hand ihm                     entflohn war;
Stand, und schaute bestürzt; denn ihm fehlt' ein anderer                     Wurfspieß.
Laut zu Deïphobos drauf, dem Weißgeschildeten, ruft' er,
295   Fordernd den ragenden Speer; allein nicht nahe war jener.
Hektor erkannt' es anjetzt in seinem Geist und begann so:

Wehe mir doch! nun rufen zum Tode mich wahrlich die                 Götter!
Denn ich dachte, der Held Deïphobos wolle mir beistehn;
Aber er ist in der Stadt, und es täuschte mich Pallas Athene.

300   Nun ist nahe der Tod, der schreckliche! nicht mir entfernt                   noch;
Auch kein Entfliehn! Denn ehmals beschloß noch solches im             Herzen
Zeus, und des Donnerers Sohn, der Treffende, welche zuvor             mich
Stets willfährig geschirmt; doch jetzo erhascht mich das                     chicksal!
Daß nicht arbeitlos in den Staub ich sinke, noch ruhmlos,
305   Nein erst Großes vollendend, wovon auch Künftige hören!

Your Gateway to High-Quality MP3, FLAC and Lyrics
DownloadMP3FLAC.com