Ilias - Kapitel 63 by Homer
Ilias - Kapitel 63 by Homer

Ilias - Kapitel 63

Homer * Track #63 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 63 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 63 Annotated

Voll ward nun das ganze Gefild', und strahlte vom Erze
Wandelnder Männer und Ross'; und es dröhnte der Grund                 von dem Fußtritt,
Als sie sich nahten in Wut. Doch zween vorstrebende                         Männer
Kamen hervor aus den Heeren gerannt in Begierde des                       Kampfes,
160   Held Äneias der Anchisiad', und der edle Achilleus.
Sieh' Äneias zuerst kam wildandrohend; und hochher
Nickte der Busch vom gewaltigen Helm; doch den                               stürmenden Stierschild
Trug er der Brust vorhaltend, und schwenkte den ehernen                 Wurfspieß.
Gegen ihn drang der Peleide mit Ungestüm, wie ein Löwe,
165    Grimmvoll, den die Männer hinwegzutilgen verlangend
Kommen, ein ganzes Volk; im Anfang stolz und verachtend
Wandelt er; aber sobald mit dem Speer ein mutiger Jüngling
Traf, dann gähnet er eingeschmiegt, und der Schaum von                   den Zähnen
Rinnt ihm herab, und es stöhnt sein edeles Herz in dem                     Busen;
170    Dann mit dem Schweif die Hüften und mächtigen Seiten des             Bauches
Geißelt er rechts und links, sich selbst anspornend zum                     Kampfe,
Graß nun die Augen verdreht anwütet er, ob er ermorde
Einen Mann, ob er selbst hinstürz' im Vordergetümmel:
So den Achilleus drängte der Mut des erhabenen Herzens,
175    Kühn entgegen zu gehn dem tapferen Held Äneias.
Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander;
Rief zuerst anredend der mutige Renner Achilleus:

Wie so weit, Äneias, hervor aus der Menge dich wagend
Nahest du? Ob dir das Herz mit mir zu kämpfen gebietet,

180   Weil du hoffst zu beherrschen die gaulbezähmenden Troer,
Künftig in Priamos Macht? O wenn du schon mich erregtest,
Nie wird Priamos drum in die Hand dir geben die Ehre.
Denn selbst hat er ja Söhn'; und fest, nicht wankend beharrt             er.
Maßen vielleicht die Troer dir auserlesene Güter,
185    Schön an Ackergefild' und Pflanzungen, daß du sie bautest,
Wenn mich einst du erschlügst! Das möchtest du schwerlich           vollenden!
Einmal schon, wie ich meine, dich selbst mit der Lanze                       verfolgt' ich.
Denkst du nicht mehr, wie ich dort dich Einsamen weg von               den Rindern
Scheuchte die Höhn des Ida hinab mit hurtigen Schenkeln,
190    Fliegendes Laufs? Nicht wagtest du umzuschaun im                           Entfliehen!
Dorther bis in Lyrnessos entflohest du; aber in Trümmer
Warf ich sie, eingestürmt mit Pallas Athen' und Kronion.
Viele gefangene Weiber, beraubt der heiligen Freiheit
Führt' ich; allein dich rettete Zeus und die anderen Götter.
195    Schwerlich indes erretten sie heute dich, wie du im Herzen
Etwa wähnst! Wohlan denn, ich rate dir, weiche mir eilig
Unter die Menge zurück, und scheue dich, mir zu begegnen,
Eh' dich ein Übel ereilt! Geschehenes kennet der Tor auch!

Aber Äneias darauf antwortete, solches erwidernd:

200   Peleus' Sohn, mit Worten fürwahr nicht, gleich wie ein                       Knäblein,
Hoffe mich abzuschrecken; denn wohl vermocht' ich ja                       selber,
So herzschneidende Wort' als frevele auszurufen.
Kennen wir doch des andern Geschlecht, und kennen die                   Eltern,
Hörend die längstberühmten Erzählungen sterblicher                         Menschen;
205   Nie sahn wir, die meinigen du, noch ich selber die deinen.
Doch man sagt, dich zeugte der unvergleichbare Peleus,
Dem dich Thetys gebar, des Meers schönlockige Göttin.
Aber ich selbst, ein Sohn des hochgesinnten Anchises
Rühm' ich entsprossen zu sein, von der Tochter Zeus'                         Aphrodite.
210    Jenen ist oder auch diesen, den trauten Sohn zu beweinen,
Heute bestimmt; nicht werden ja wir, durch kindische Worte
So auseinander getrennt, das Schlachtfeld wieder verlassen.
Soll ich dir aber auch dieses verkündigen, daß du erkennest
Unserer Väter Geschlecht, wiewohl es vielen bekannt ist:
215    Dardanos zeugte zuerst der Herrscher im Donnergewölk                   Zeus,
Ihn Dardanias Stifter; denn Ilios heilige Feste
Stand noch nicht im Gefilde, bewohnt von redenden                           Menschen;
Sondern am Abhang wohnten sie noch des quelligen Ida.
Dardanos drauf erzeugt' Erichthonios sich, den Beherrscher,
220   Welcher der reichste war der sterblichen Erdebewohner.
Stuten weideten ihm drei Tausende rings in den Auen,
Säugende, üppiges Mutes, von hüpfenden Füllen begleitet.
Boreas selbst, von den Reizen entbrannt der weidenden                     Stuten,
Gattete sich, in ein Roß mit dunkeler Mähne gehüllet;
225   Und zwölf mutige Füllen gebaren sie seiner Befruchtung.
Diese, so oft sie sprangen auf nahrungsprossender Erde,
Über die Spitzen des Halms hinflogen sie, ohn' ihn zu                         knicken;
Aber so oft sie sprangen auf weitem Rücken des Meeres,
Liefen sie über die Wogen, nur kaum die Hufe benetzend.
230   Dann Erichthonios zeugte den Tros zum Gebieter den                         Troern;
Aber von Tros entsprangen die drei untadligen Söhne,
Ilos, Assarakos auch, und der göttliche Held Ganymedes,
Welcher der schönste war der sterblichen Erdebewohner:
Ihn auch rafften die Götter empor, Zeus' Becher zu füllen,
235   Wegen der schönen Gestalt, den Unsterblichen zugesellet.
Ilos zeugte den Sohn Laomedon, tapfer und edel;
Aber Laomedon zeugte den Priamos, und den Tithonos,
Lampos und Klytios auch, und den streitbaren Held                             Hyketaon.
Kapys, Assakaros' Sohn, erzeugete drauf den Anchises;
240   Aber Anchises mich selbst; und Priamos zeugte den Hektor.
Sieh aus solchem Geschlecht und Blute dir rühm' ich mich                 jetzo.
Doch der Menschen Gedeihn vermehrt und mindert Kronion,
Wie sein Herz es gebietet; denn er ist mächtig vor allen.
Aber laß nicht länger uns hier, gleich albernen Kindern,
245   Schwatzend stehn in der Mitte des feindlichen                                     Waffengetümmels.
Denn leicht ist es beiden, uns kränkende Worte zu sagen,
Viele, daß kaum sie trüg' auch ein hundertrudriges                             Lastschiff.
Flüchtig ja ist die Zunge der Sterblichen, vielfach die Reden
Aller Art, und weit das Gefild' hinstreifender Worte.
250   Wie du selbst geredet das Wort, so magst du es hören.
Doch was nötiget uns, in Erbitterung gegeneinander
Lästerworte zu lästern und Schmähungen, gleich den                         Weibern,
Die zum Zorne gereizt von herzdurchdringender Feindschaft
Lästern gegeneinander, in offener Straße sich treffend,
255   Manches wahr, und auch nicht; denn der Zorn gebietet auch             solches.
Worte ja werden mir nimmer den Mut abwenden vom                       Angriff,
Ehe mit Erz du entgegen gekämpft hast! Auf denn,                               geschwinde
Kosten wir untereinander die ehernen Kriegeslanzen!

Sprach's, und den ehernen Speer auf den furchtbaren                     Schild des Entsetzens

260   Schwang er; und ringsum hallte der große Schild von dem                 Speerwurf.
Doch der Peleid' hielt ferne den Schild mit nervichtem Arme,
Schreckenvoll; denn er wähnte, die weitherschattende Lanze
Würde leicht durchdringen dem mutigen Held Äneias:
Tor! er bedachte nicht in des Herzens Geist und Empfindung,
265   Daß so leicht nicht sein der Unsterblichen herrliche Gaben
Sterblicher Menschen Gewalt zu bändigen, noch zu                             durchbohren.
Auch nicht jetzt Äneias des Feurigen stürmende Lanze
Brach den Schild; denn es hemmte das Gold, die Gabe des                 Gottes.
Zwo der Schichten allein durchstürmte sie; aber annoch drei
270   Waren; denn fünf der Schichten vereinigte hämmernd der                 Künstler,
Jene zwo von Erz, und die inneren beide von Zinne,
Aber die eine von Gold, wo die eherne Lanze gehemmt ward.

Auch der Peleid' itzt schwang die weithinschattende Lanze;
Und er traf dem Äneias den Schild von geründeter Wölbung,

275    Nahe dem äußersten Rand, wo das Erz am dünnsten                           umherlief,
Auch am dünnsten ihn deckte die Stierhaut; aber hindurch                 drang
Pelions ragende Esche mit Sturm, und es krachte die                           Wölbung.
Nieder duckt' Äneias in Eil', und streckte den Schild auf,
Angstvoll; aber der Speer, der ihm hinsaust', über die                         Schultern,
280   Stand in die Erde gebohrt, und zerschlug ihm beide die                       Ränder
Am ringsdeckenden Schild; doch entflohn der gewaltigen                   Lanze,
Stand er nunmehr, und Entsetzen umgoß ihm die Augen mit             Dunkel,
Starrend, wie nah das Geschoß ihm haftete. Aber Achilleus
Stürzte begierig hinan, das geschliffene Schwert sich                           entreißend,
285   Mit graunvollem Geschrei. Da ergriff Äneias den Feldstein,
Groß und ungeheuer, daß nicht zween Männer ihn trügen,
Wie nun Sterbliche sind; doch er schwang ihn allein und                     behende.
Jetzo hätt' Äneias des Stürmenden Helm mit dem Steine,
Oder den Schild ihm getroffen, der doch dem Verderben                   gewehret;
290   Ihn dann hätt' Achilleus gehaun mit dem Schwert und                         getötet:
Wenn nicht schnell sie bemerkte der Erderschüttrer                           Poseidon.
Eilend begann er das Wort zur unsterblichen                                         Götterversammlung:

Wehe doch! traun mich jammert der mutige Held Äneias,
Welcher bald, vom Peleiden besiegt, zum Aïs hinabfährt,

295   Weil er gehorcht dem Worte des treffenden Phöbos Apollon:
Tor! denn nichts ihm frommt er, dem traurigen Tode zu                     wehren.
Aber warum soll jener nun schuldlos Jammer erdulden,
Also verkehrt, um anderer Weh; da gefällige Opfer
Stets er den Göttern gebracht, die weit den Himmel                             bewohnen
300   Auf, wir selbst nun wollen der Todesgefahr ihn entreißen;
Daß nicht auch der Kronid' ereifere, wenn ihn Achilleus
Tötete jenen Mann; denn das Schicksal gönnt ihm Errettung:
Daß nicht samenlos das Geschlecht hinschwind' und der                   Name
Dardanos, den der Kronid' aus allen Söhnen sich auskor,
305   Welche von ihm aufwuchsen und sterblichen                                       Menschentöchtern.
Denn des Priamos' Stamm ist schon verhaßt dem Kronion;
Jetzo soll Äneias' Gewalt obherrschen den Troern,
Und die Söhne der Söhn', in künftigen Tagen erzeuget.

Ihm antwortete drauf die hoheitblickende Here:

310    Selber im Geist erwäg' es, o erderschütternder König,
Ob du erretten ihn willst, den Äneias, oder verstatten,
Daß hinsinke der Held dem Peleionen Achilleus.
Denn fürwahr wir beide beteuerten oft mit Eidschwur,
Vor den Unsterblichen allen, ich selbst und Pallas Athene,
315    Niemals einem der Troer den grausamen Tag zu entfernen,
Nicht wenn Troja sogar in verheerenden Flamme des Feuers
Loderte, rings entflammt von den kriegrischen Söhnen                       Achaias.

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