Ilias - Kapitel 19 by Homer
Ilias - Kapitel 19 by Homer

Ilias - Kapitel 19

Homer * Track #19 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Ilias - Kapitel 19 Annotated

Jene sprach's; und der König ereiferte, solches vernehmend.
Dennoch vermied er den Mord, denn graunvoll war der                       Gedank' ihm.
Aber er sandt' ihn gen Lykia hin, und traurige Zeichen
Gab er ihm, Todesworte geritzt auf gefaltetem Täflein:
170    Daß er dem Schwäher die Schrift darreicht', und das Leben               verlöre.
Jener wandelte hin, im Geleit obwaltender Götter.
Als er nunmehr gen Lykia kam, und dem strömenden                         Xanthos;
Ehrt' ihn gewogenes Sinns der weiten Lykia König,
Gab neuntägigen Schmaus, und erschlug neun Stiere zum                 Opfer.
175    Aber nachdem zum zehnten die rosige Eos emporstieg;
Jetzo fragt' er den Gast, und hieß ihn zeigen das Täflein,
Welches ihm sein Eidam, der herrschende Prötos gesendet.
Als er nunmehr vernommen die Todesworte des Eidams;
Hieß er jenen zuerst die ungeheure Chimära
180    Töten, die göttlicher Art, nicht menschlicher, dort                               emporwuchs:
Vorn ein Löw', und hinten ein Drach', und Geiß in der Mitte,
Schrecklich umher aushauchend die Macht des lodernden                 Feuers.
Doch er tötete sie, der unsterblichen Zeichen vertrauend.
Weiter darauf bekämpft' er der Solymer ruchtbare Völker;
185    Diesen nannt' er den härtesten Kampf, den er kämpfte mit                 Männern.
Drauf zum dritten erschlug er die männliche Hord'                               Amazonen.
Aber dem Kehrenden auch entwarf er betrügliche                               Täuschung:
Wählend die tapfersten Männer des weiten Lykierlandes
Legt' er im Hinterhalt; allein nicht kamen sie heimwärts,
190   Alle vertilgte sie dort der untadliche Bellerophontes.
Als er nunmehr erkannte den Held aus göttlichem Samen;
Hielt er dort ihn zurück, und gab ihm die blühende Tochter,
Gab ihm auch die Hälfte der Königsehre zum Anteil.
Auch die Lykier maßen ihm auserlesene Güter,
195    Schön an Ackergefild' und Pflanzungen, daß er sie baute.
Jene gebar drei Kinder dem feurigen Bellerophontes,
Erst Isandros, Hippolochos dann, und Laodameia.
Laodameia ruht' in Zeus des Kroniden Umarmung;
Und sie gebar Sarpedon, den götterähnlichen Streiter.
200   Aber nachdem auch jener den Himmlischen allen verhaßt                 ward;
Irrt' er umher einsam, sein Herz von Kummer verzehret,
Durch die aleïsche Flur, der Sterblichen Pfade vermeidend.
Seinen Sohn Isandros ermordete Ares der Wütrich,
Als er kämpft' in der Schlacht mit der Solymer ruchtbaren                 Völkern.
205   Artemis raubt' ihm die Tochter, die Lenkerin goldener Zügel.
Aber Hippolochos zeugete mich, ihn rühm' ich als Vater.
Dieser sandt' in Troja mich her, und ermahnte mich sorgsam,
Immer der erste zu sein, und vorzustreben vor andern;
Daß ich der Väter Geschlecht nicht schändete, welches die               ersten
210    Männer in Ephyra zeugt', und im weiten Lykierlande.
Sieh aus solchem Geschlecht und Blute dir rühm' ich mich                 jetzo.

Sprachs; doch freudig vernahm es der Rufer im Streit                           Diomedes.
Eilend steckt' er die Lanz' in die nahrungsprossende Erde,
Und mit freundlicher Rede zum Völkerhirten begann er:

215        Wahrlich, so bist du mir Gast aus Väterzeiten schon                        vormals!
Öneus der Held hat einst den untadlichen Bellerophontes
Gastlich im Hause geehrt, und zwanzig Tage geherbergt.
Jen' auch reichten einander zum Denkmal schöne                               Geschenke.
Öneus Ehrengeschenk war ein Leibgurt, schimmernd von                   Purpur,

220   Aber des Bellerophontes ein goldener Doppelbecher;
Und ihn ließ ich scheidend zurück in meinem Palaste.
Tydeus gedenk' ich nicht mehr; denn noch ein stammelnder             Knabe
Blieb ich daheim, da vor Thebe das Volk der Achaier vertilgt             ward.
Also bin ich nunmehr dein Gastfreund mitten in Argos;
225   Du in Lykia mir, wann jenes Land ich besuche.
Drum mit unseren Lanzen vermeiden wir uns im Getümmel.
Viel ja sind der Troer mir selbst, und der rühmlichen Helfer,
Daß ich töte, wen Gott mir gewährt, und die Schenkel                         erreichen;
Viel' auch dir der Achaier, daß, welchen du kannst, du                         erlegest.
230   Aber die Rüstungen beide vertauschen wir, daß auch die                   andern
Schaun, wie wir Gäste zu sein aus Väterzeiten uns rühmen.

Also redeten jen', und herab von den Wagen sich                             schwingend,
Faßten sie beid' einander die Händ', und gelobten sich                       Freundschaft.
Doch den Glaukos erregte Zeus, daß er ohne Besinnung

235   Gegen den Held Diomedes die Rüstungen, goldne mit                         ehrnen,
Wechselte, hundert Farren sie wert, neun Farren die andern.

Als nun Hektor erreicht das skäische Tor und die Buche;
Jetzt umeilten ihn rings die troischen Weiber und Töchter,
Forschend dort nach Söhnen, nach Brüdern dort, und                           Verwandten,

240   Und den Gemahlen im Heer. Er ermahnte sie, alle die                           Götter
Anzuflehn; doch vielen war Weh und Jammer verhänget.

Als er den schönen Palast des Priamos jetzo erreichte,
Der mit gehauenen Hallen geschmückt war: aber im Innern
Waren fünfzig Gemächer aus schöngeglättetem Marmor,

245   Dicht aneinander gebaut; es ruheten drinnen des Königs
Priamos Söhn' umher, mit blühenden Gattinnen wohnend;
Aber den Töchtern waren zur anderen Seite des Hofes
Zwölf gewölbte Gemächer aus schöngeglättetem Marmor,
Dicht aneinander gebaut; es ruheten drinnen des Königs
250   Priamos Eidam' umher, mit züchtigen Gattinnen wohnend:
Dort begegnete Hektor der gernausteilenden Mutter,
Die zu Laodike ging, der holdesten Tochter an Bildung.
Jene faßt ihm die Hand, und redete, also beginnend:

Lieber Sohn, wie kommst du, das wütende Treffen                           verlassend?

255   Hart uns drängen fürwahr die entsetzlichen Männer Achaias,
Kämpfend um unsere Stadt; daß nun dein Herz dich                           hierhertrieb,
Deine Hände zu Zeus von Ilios Burg zu erheben!
Aber verzeuch, bis ich jetzo des süßen Weines dir bringe;
Daß du Zeus dem Vater zuvor und den anderen Göttern
260   Sprengest, und dann auch selber des Labetrunks dich                         erfreuest.
Denn dem ermüdeten Mann ist der Wein ja kräftige                             Stärkung,
So wie du dich ermüdet, im Kampf für die deinigen stehend.

Ihr antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Nicht des süßen Weins mir gebracht, ehrwürdige Mutter,

265   Daß du nicht mich entnervst, und des Muts und der Kraft ich             vergesse.
Ungewaschener Hand Zeus dunkelen Wein zu sprengen,
Scheu ich mich; nimmer geziemts, den schwarzumwölkten               Kronion
Anzuflehn, mit Blut und Kriegesstaube besudelt.
Aber wohlan, zum Tempel der Siegerin Pallas Athene
270   Gehe mit Räuchwerk hin, die edleren Weiber versammelnd;
Und das Gewand, so dir das köstlichste scheint und das                     größte
Aller umher im Palast, und dir das geliebteste selber,
Solches leg' auf die Kniee der schöngelockten Athene,
Und gelob' in dem Tempel ihr zwölf untadliche Kühe,
275   Jährige, ungezähmte, zu heiligen: wenn sie der Stadt sich,
Und der troischen Fraun und zarten Kinder erbarmet;
Wenn sie des Tydeus Sohn von der heiligen Ilios abwehrt,
Jenen Stürmer der Schlacht, den gewaltigen                                         Schreckengebieter.
Auf denn, gehe zum Tempel der Siegerin Pallas Athene
280   Du; dieweil zu Paris ich wandele, jenen zu rufen,
Ob er vielleicht noch achte des Rufenden. O daß die Erd' ihn
Lebend verschläng'! Ihn erschuf zum Verderben der Gott des           Olympos
Trojas Volk, und Priamos selbst, und den Söhnen des                         Herrschers.
Säh' ich jenen versunken, hinab in Aïdes Wohnung;
285   Dann vergäß' ich im Herzen des unerfreulichen Elends!

Jener sprach's; und die Mutter ins Haus sich wendend,                   beschied dort
Mägd' in die Stadt; und sie riefen die Schar der edleren                       Weiber.
Selbst dann stieg sie hinab in die lieblich duftende Kammer,
Wo sie die schönen Gewande verwahrete, reich an                             Erfindung,

290   Werke sidonischer Fraun, die der göttliche Held Alexandros
Selbst aus Sidon gebracht, weithin die Wogen                                       durchschiffend,
Als er Helena heim die Edelentsprossene führte.
Deren enthub itzt Hekabe eins zum Geschenk der Athene,
Welches das größeste war, und das schönste zugleich an                 Erfindung:
295   Hell wie ein Stern, so strahlt' es, und lag am untersten aller.
Und sie enteilt', ihr folgten gedrängt die edleren Weiber.

Als sie nunmehr auf der Burg den Tempel erreicht der                     Athene;
Öffnete jenen die Pforte die anmutvolle Theano,
Kisseus Tochter, vermählt dem Gaulbezähmer Antenor,

300   Welche die Troer geweiht zur Priesterin Pallas Athenens.
All' erhuben die Hände mit jammerndem Laut zur Athene.
Aber es nahm das Gewand die anmutvolle Theano,
Legt' es hin auf die Kniee der schöngelockten Athene,
Flehete dann gelobend zu Zeus des Allmächtigen Tochter:

305     Pallas Athene voll Macht, Stadtschirmerin, edelste Göttin!
Brich doch jetzo den Speer Diomedes'; aber ihn selber
Laß auf das Antlitz gestürzt vor dem skäischen Tore sich                   wälzen!
Daß wir jetzo sofort zwölf stattliche Küh' in dem Tempel,
Jährige, ungezähmte, dir heiligen: wenn du der Stadt dich,

310   Und der troischen Fraun und zarten Kinder erbarmest!

Also sprach sie betend; es weigerte Pallas Athene.
Während sie dort nun flehten zu Zeus des Allmächtigen                     Tochter;
Wandelte Hektor dahin zum schönen Palast Alexandros,
Welchen er selbst sich erbaut mit den kunsterfahrensten                   Männern

315    Aller umher in Troja, dem Land hochscholliger Äcker:
Diese bereiteten ihm das Gemach und den Saal und den                     Vorhof,
Hoch auf der Burg, und nahe bei Priamos Wohnung und                     Hektors.
Dort hinein ging Hektor, der göttliche; und in der rechten
Trug er den Speer, elf Ellen an Läng'; und vorn an dem                         Schafte
320   Blinkte die eherne Schärf', umlegt mit goldenem Ringe.
Ihn im Gemach dort fand er, die stattlichen Waffen                             durchforschend,
Panzer und Schild, und glättend das Horn des krummen                     Geschosses.
Aber Helena saß, die Argeierin, unter den Weibern
Emsig, den Mägden umher anmutige Werke gebietend.
325   Hektor schalt ihn erblickend, und rief die beschämenden                     Worte:

Sträflicher, nicht geziemt' es, so unmutsvoll zu ereifern!
Siehe das Volk verschwindet, um Stadt und türmende Mauer
Kämpfend; und deinethalb ist Feldgeschrei und Getümmel
Rings entbrannt um die Feste! Du zanktest ja selbst mit dem             andern;

330   Welchen du wo saumselig ersähst zur traurigen                                   Feldschlacht.
Auf denn, ehe die Stadt in feindlicher Flamme verlodre!

Ihm antwortete drauf der göttliche Held Alexandros:
Hektor, dieweil du mit Recht mich tadeltest, nicht mit                         Unrecht;
Darum sag' ich dir an; doch du vernimm es, und höre.

335   Gar nicht wider die Troer so unmutsvoll und ereifert,
Saß ich hier im Gemach; zum Grame nur wollt' ich mich                     wenden.
Doch nun hat mich die Gattin mit freundlichen Worten                       beredet,
Auszugehn in die Schlacht; auch scheinet es also mir selber
Besser hinfort zu sein; denn es wechselt der Sieg um die                     Männer.
340   Aber verzeuch, bis ich jetzo in Kriegesgerät mich gehüllet;
Oder geh, so folg' ich, und hoffe dich bald zu erreichen.

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