Ilias - Kapitel 56 by Homer
Ilias - Kapitel 56 by Homer

Ilias - Kapitel 56

Homer * Track #56 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Ilias - Kapitel 56 Annotated

560   Ihm antwortete drauf der Rufer im Streit Menelaos:
Phönix, Vater und Greis, Ehrwürdiger, wenn doch Athene
Kraft mir wollte verleihn, und wehren dem Sturm der                           Geschosse!
Gern dann wär' ich bereit, ihm beizustehn und zu helfen,
Unserem Freund; denn es drang mir Patroklos' Tod in die                   Seele!
565   Aber es tobt ja Hektor mit Feuergewalt, und ruht nicht
Niederzuhaun mit dem Erz; weil ihm Zeus Ehre gewähret!

Jener sprach's; froh aber war Zeus' blauäugige Tochter,
Weil ihr selbst er zuerst vor den Himmlischen allen geflehet.
Diese stärkt' ihm die Schultern mit Kraft und die strebenden             Kniee,

570   Und in das Herz ihm gab sie der Flieg' unerschrockene                       Kühnheit:
Welche, wie oft sie immer vom menschlichen Leibe                             gescheucht wird,
Doch anhaltend ihn sticht, nach Menschenblute sich                           sehnend:
So ausharrender Trotz erfüllt' ihm das finstere Herz nun.
Schnell zu Patroklos eilt' er, und schwang die blinkende                     Lanze.
575   Unter den Troern war ein Sohn des Eëtion Podes,
Reich an Hab' und edel; auch ehrt' am meisten im Volk ihn
Hektor; denn ihm war er ein lieber Gefährt' und Tischfreund:
Diesen am Gurt nun traf der bräunliche Held Menelaos,
Als er zur Flucht sich gewendet; und ganz durchbohrte das               Erz ihn;
580   Dumpf hinkracht' er im Fall. Doch Atreus' Sohn Menelaos
Zog die Leich' aus den Troern hinweg in die Schar der                         Genossen.
Hektorn nahte sofort und ermunterte Phöbos Apollon,
Phänops, Asios' Sohn, an Gestalt gleich, welcher vor allen
Gästen geliebt ihm war, ein Haus in Abydos bewohnend;
585   Diesem gleich ermahnt' ihn der treffende Phöbos Apollon:

Hektor, wer doch hinfort der Danaer möchte dich scheuen,
Den nun so Menelaos zurückschreckt? er, der zuvor ja
Weichlich war in der Schlacht, jetzt aber allein aus den                       Troern
Kühn den Toten entführt! Auch schlug er den treuen                           Genossen,

590   Tapfer im Vordergefecht, den Sohn des Eëtion Podes!

Sprach's; und jenen umhüllte der Schwermut finstere                      Wolke,
Schnell durch die vordersten ging er, mit strahlendem Erze               gewappnet.
Siehe da nahm Kronion die quastumbordete Ägis,
Hellumglänzt; und den Ida in dunkeln Wolken verhüllt' er,

595   Blitzt' und donnerte laut, und erschütterte mächtig die Ägis.
Sieg nun den Troern gewährt' er, und schreckte das Volk der             Achaier.

Erst Peneleos nun der Böotier kehrte zur Flucht um;
Denn ihm traf in die Schulter, da vorwärts immer er andrang,
Oben ein streifender Speer; doch ritzte das Fleisch bis zum               Knochen

600   Ihm des Polydamas' Erz; denn dieser warf, ihm genahet.
Hektor sodann durchstach des Leïtos' Hand an dem                           Knöchel,
Ihm des erhabnen Alektryons Sohn, und hemmt' ihn im                     Kampfe:
Bang' umschauend entbebt' er; denn nie mehr hofft er im                   Geiste,
Einen Speer in der Hand, mit Trojas Volke zu kämpfen.
605   Hektorn schoß Idomeneus jetzt, da er Leïtos nachlief,
Seinen Speer auf den Harnisch, gerad' an der Warze des                     Busens;
Doch ihm brach an der Öse der Schaft; und es schrieen die               Troer.
Jener schwang auf Idomeneus nun, den Deukalionen,
Welcher stand im Geschirr; und ihn zwar fehlt' er ein wenig:
610   Aber Meriones' Freund und mutigen Wagenlenker
Köranos, der aus Lyktos bevölkerter Stadt ihm gefolget:
(Denn zu Fuß erst kam er, die Ruderschiffe verlassend,
Kretas Fürst, und den Troern gewähret' er mächtigen Sieg                 nun,
Wenn nicht Köranos schnell die hurtigen Rosse genähert;
615    Ihm zum Heil erschien er, den grausamen Tag ihm                               entfernend,
Doch selbst sank er entseelt von der Hand des mordenden               Hektor:)
Den an Backen und Ohr durchschmettert' er; siehe die Zähn'             aus
Stieß ihm der eherne Speer, und mitten die Zung' ihm                         durchschnitt er.
Und er entsank dem Geschirr, und goß die Zügel zur Erde.
620   Diese nahm Meriones schnell mit eigenen Händen
Niedergebückt aus dem Staub', und drauf zu Idomeneus                     sprach er:

Geißele nun, daß hinab zu den hurtigen Schiffen du                         kommest!
Denn du erkennst ja selbst, nicht mehr sei der Sieg der                       Achaier!

Sprach's; und Idomeneus trieb das Gespann                                      schönmähniger Rosse

625   Zu den geräumigen Schiffen; denn Furcht nun füllt' ihm die                 Seele.

Nicht unbemerkt war Ajas dem herrlichen und Menelaos
Zeus, daß nun den Troern den wechselnden Sieg er                             gewähret.
Also begann das Gespräch der Telamonier Ajas:

Jammer doch! jetzo fürwahr kann selbst, wer blöd' an                     Verstand ist,

630   Schaun, daß Zeus der Vater den Troern Ehre verleihet!
Denn von ihnen ja trifft auch jedes Geschoß, ob ein Feiger,
Oder ein Tapferer schwingt, und Zeus selbst lenket sie alle:
Aber uns so umsonst entfallen sie all' auf die Erde!
Auf denn, wir selbst nun wollen den heilsamsten Rat uns                   ersinnen:
635   Daß nicht nur wir den Toten hinwegziehn, sondern auch                     selber
Unseren lieben Genossen zur Freud' heimkehren vom                         Kampfe;
Welche daher nun schauend sich ängstigen, keiner                             erwartend,
Daß wir des mordenden Hektors Gewalt und unnahbare                     Hände
Noch bestehn, und vielmehr an den dunkelen Schiffen                         erliegen.
640   Wäre doch irgend ein Freund, der schnell ansagte die                         Botschaft
Peleus' Sohn; denn nichts ja, vermut' ich, hörete jener
Noch von dem Jammergeschick, wie der traute Genoß ihm               dahinsank.
Aber nirgend erscheint mir ein solcher im Heer der Achaier;
Denn rings Dunkel umhüllt sie selber zugleich und die Rosse!
645   Vater Zeus, o errett' aus der dunkelen Nacht die Achaier!
Schaff' uns Heitre des Tags, und gib mit den Augen zu                         schauen!
Nur im Licht verderb' uns, da dir's nun also geliebet!

Jener sprach's; da jammerte Zeus des weinenden Königs.
Bald zerstreut' er die dunkele Nacht, und verdrängte den                   Nebel;

650   Hell nun strahlte die Sonn', und die Schlacht ward ringsum                 erleuchtet.
Jetzo begann Held Ajas zum Rufer im Streit Menelaos:

Spähe nunmehr, Menelaos, du Göttlicher, ob du wo lebend
Noch Antilochos schaust, den Sohn des erhabenen Nestor.
Heiß ihn zu Peleus' Sohne, dem Feurigen, schleunig                             hinabgehn,

655   Meldend das Wort, wie jetzo der trauteste Freund ihm                       dahinsank.

Jener sprach's; ihm gehorchte der Rufer im Streit                             Menelaos;
Eilt' und ging, wie ein Löwe voll Wut vorn ländlichen Hofe,
Wann er zuletzt ermüdet, die Hund' und die Männer zu                     reizen,
Welche nicht ihm gestatten, das Fett der Rinder zu rauben,

660   Ganz durchmachend die Nacht; er dort, des Fleisches                         begierig,
Rennt gradan; doch er wütet umsonst; denn häufige Speere
Fliegen ihm weit entgegen, von mutigen Händen                                 geschleudert,
Auch hellodernde Bränd'; und er zuckt im stürmenden                       Angriff,
Scheidet dann frühmorgens hinweg, mit bekümmertem                     Herzen:
665   Also ging von Patroklos der Rufer im Streit Menelaos
Sehr unwillig hinweg; denn er fürchtete, daß die Achaier
In der entsetzlichen Angst zum Raub' ihn ließen den                           Feinden.
Viel dem Meriones noch und den mutigen Ajas gebot er:

Ajas beid', und Meriones du, Heerführer von Argos,

670   Jetzo seid der Milde des jammervollen Patroklos
Eingedenk, der allen mit freundlicher Seele zuvorkam,
Weil er lebt'; itzt aber ereilet' ihn Tod und Verhängnis!

Dieses gesagt, enteilte der bräunliche Held Menelaos,
Mit umschauendem Blick, wie ein Adeler, welcher am                         schärfsten,

675   Sagen sie, fern ausspäht vor den luftdurchschweifenden                     Vögeln;
Dem auch nicht in der Höhe der flüchtige Hase versteckt ist
Unter umlaubtem Gesträuch, wo er hinduckt; sondern auf                 jenen
Stürzt er herab, und erhascht ihn geschwind', und raubt ihm             das Leben:
So auch dir hellstrahlend, o göttlicher Held Menelaos,
680   Rollten die Augen umher, durch die weite Schar der                             Genossen,
Ob du Nestors Sohn noch irgendwo lebend erblicktest.
Diesen erkannt' er sofort linkshin im Gemenge der                               Feldschlacht,
Wo er mit Mut beseelte die Freund', und ermahnte zu                         kämpfen.
Nahe trat und begann der bräunliche Held Menelaos:

685        Auf, Antilochos, komm, du Göttlicher, daß du vernehmest
Unser Jammergeschick, das nie doch möchte geschehn sein!
Zwar du selbst, vermut' ich, mit eigenen Augen erkennend,
Weißt es schon, daß ein Gott Unheil den Danaern zuwälzt,
Aber den Troern Sieg! Denn es sank Patroklos, Achaias

690   Tapferster Held, den schmerzlich die Danaer alle vermissen!
Auf denn, schnell dem Achilleus, hinab zu den Schiffen                       einteilend,
Melde das Wort, ob er eilig zum Schiff errette den Leichnam,
Nackt wie er ist; denn die Waffen entzog der gewaltige                       Hektor!

Sprach's; und Schauer durchfuhr den Antilochos, als er es                 hörte.
695   Lange blieb er verstummt und sprachlos; aber die Augen
Waren mit Tränen erfüllt, und atmend stockt' ihm die                         Stimme.
Dennoch nicht versäumt' er, was ihm Menelaos geboten;
Sondern enteilt', und dem edlen Laodokos gab er die                           Rüstung,
Der, sein Genoß, ihm nahe die stampfenden Rosse                               dahertrieb.
700   Ihn den Weinenden trugen die Schenkel hinweg aus der                     Feldschlacht,
Peleus' Sohn dem Achilleus das schreckliche Wort zu                         verkünden.

Doch nicht dir, Menelaos, o Göttlicher, wollte das Herz nun
Dort die ermüdeten Freunde verteidigen, wo er hinwegging,
Nestors Sohn, den schmerzlich die Pylier alle vermißten;

705   Sondern jenen erregt' er den edelen Held Thrasymedes;
Selber dann zu Patroklos dem Göttergleichen enteilt' er.
Jetzt zu den Ajas trat er hinan, und redete schleunig:

Ihn zwar hab' ich hinab zu den rüstigen Schiffen gesendet,
Daß er dem schnellen Peleiden verkündige; schwerlich indes             wohl

710    Kommt er anjetzt, wie sehr er auch zürnt dem göttlicher                   Hektor:
Denn nicht könnt' er ja doch wehrlos die Troer bekämpfen.
Aber wir selbst nun wollen den heilsamsten Rat uns                           ersinnen:
Daß nicht nur wir den Toten hinwegziehn, sondern auch                   selber
Fern aus der Troer Getöse den Tod und das Schicksal                         vermeiden.

715             Ihm antwortete drauf der Telamonier Ajas:
Wahrheit hast du geredet, gepriesener Held Menelaos.
Selbst denn eil' und Meriones her, und nieder euch bückend
Tragt die erhobene Leich' aus der Feldschlacht. Aber wir                     anderer
Halten im Kampf die Troer zurück und den göttlichen Hektor,

720   Wir, die gleich an Namen, und gleich an mutiger Seele,
Stets vereint miteinander die Wut des Gefechtes erduldet.

Jener sprach's; da erhuben sie schnell von der Erde den                 Leichnam
Hoch empor mit Gewalt; und es schrien die Troer von hinten
Graunvoll, als sie die Leich' auf den Armen ersahn der                         Achaier.

725    Gradan rannten sie nun, wie die Hunde der Jagd auf ein                     Waldschwein
Stürzen, das blutet vom Speer, voran den blühenden Jägern;
Anfangs laufen sie zwar, es hinwegzutilgen verlangend;
Aber sobald es zu ihnen sich kehrt, der Stärke vertrauend,
Weichen sie alle zurück, und zerstreuen sich dorthin und                   dahin:
730   Also die Troer zuerst, in Schlachtreihn folgten sie immer,
Zuckend daher die Schwerter und zwiefach schneidenden                 Lanzen;
Aber sobald die Ajas herumgewendet zu ihnen
Standen, da wandelte jenen die Farbe sich; keiner auch wagt'             es,
Vorwärts angestürmt um den Leichnam Kampf zu erheben.

735        Also trugen gestrengt den Leichnam beid' aus der                           Feldschlacht
Zu den geräumigen Schiffen; und stets nachtobte des Kriegs             Wut,
Ungestüm, wie ein Feuer die Stadt der Männer                                     durchstürmend,
Plötzlich entbrannt, in Flammen verschlingt; es                                     verschwinden die Häuser
Rings im mächtigen Glanz; und es saust in die Lohe der                       Sturmwind:

740   So dort scholl von den Rossen und speergewappneten                       Männern
Rastlos tobender Lärm, die Wandelnden immer verfolgend.
Sie, wie der Mäuler Gespann, mit gewaltiger Stärke gerüstet,
Schwer hinschleppt vom Gebirg' auf steinigem Pfade den                   Balken,
Oder den ragenden Mast des Meerschiffs; aber ihr Herz wird
745 Müde zugleich von Arbeit und Schweiß den                                   Angestrengten:
Also trugen gestrengt die Leiche sie. Aber von hinten
Wehrten die Ajas ab, wie die Flut abwehret ein Hügel,
Waldbekränzt, in die Ebne sich ganz hinunter erstreckend;
Welcher auch der gewaltigsten Ström' antobende Fluten
750   Hemmt, und sogleich sie alle zum Lauf in andere Täler
Abscheucht; denn nicht mag der Ströme Gewalt ihn                           durchbrechen:
So dort drängten die Ajas zurück anstürmende Streiter
Trojas; jene verfolgten, doch zween am meisten vor allen,
Held Äneias der Anchisiad', und der strahlende Hektor.
755   Dort wie der Stare Gewölk' einherzieht, oder der Dohlen,
Allzumal aufschreiend, sobald sie den kommenden Habicht
Sahn, der blutigen Mord herbringt dem kleinen Gevögel:
Also dort vor Äneias und Hektor flohn die Achaier
Allzumal aufschreiend dahin, und vergaßen der Kampflust.
760   Viel auch des Waffengeschmeides entsank ringsher um den             Graben
Argos' fliehenden Söhnen; und nicht war Ruhe der                               Feldschlacht.

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