Ilias - Kapitel 58 by Homer
Ilias - Kapitel 58 by Homer

Ilias - Kapitel 58

Homer * Track #58 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Ilias - Kapitel 58 Annotated

Dieses gesagt, entflog sie, die windschnell eilende Iris.
Aber Achilleus erhob sich, der Göttliche. Selber Athene
Hängt' um die mächtigen Schultern die quastumbordete                   Ägis;
205   Auch sein Haupt mit Gewölk umkränzte die Heilige Göttin,
Goldenem, und ihm entstrahlt' ein ringsumleuchtendes                     Feuer.
Wie hochwallender Rauch aus der Stadt aufsteiget zum                     Äther,
Fern aus dem Meereiland, das feindliche Männer bestürmen;
Jene den ganzen Tag, im Kriegsgraun sich versuchend,
210    Kämpfen aus ihrer Stadt; doch sobald die Sonne sich senket,
Brennen sie Reisgebund auf Warten umher, und es leuchtet
Hoch der steigende Glanz, daß Ringsumwohnende schauen;
Ob vielleicht in Schiffen des Streits Abwehrer herannahn:
So von Achilleus' Haupt erhub sich der Glanz in den Äther.
215    Schnell nun trat er zum Graben, die Mauer hindurch; doch                 vermied er
Argos' Volk, denn er scheute der Mutter sorgsame Warnung:
Dort gestellt aufschrie er; auch seitwärts Pallas Athene
Schrie lautauf; und die Troer durchtobt' unermeßlicher                       Aufruhr.
Wie wenn hell auftönet der Kriegsausruf der Drommete,
220   Wann um die Stadt herwühlt wehdrohender Feinde                             Getümmel:
So nun hell auftönte der Kriegsausruf des Peleiden.
Aber sobald sie vernommen den ehernen Ruf des Peleiden;
Regte sich allen das Herz, und die schöngemähneten Rosse
Wandten zurück ihr Geschirr; denn sie ahndeten Jammer im             Herzen.
225   Starrend sahn auch die Lenker die lodernde Flamme des                     Feuers
Graunvoll über dem Haupt des erhabenen Peleionen
Brennen, entflammt von Zeus' blauäugiger Tochter Athene.
Dreimal schrie vom Graben mit Macht der edle Achilleus;
Dreimal zerstob der Troer Gewirr und der Bundesgenossen.
230   Dort nun starben vertilgt durch eigene Wagen und Lanzen
Zwölf der tapfersten Helden im Volk. Doch die Männer                       Achaias,
Freudig nunmehr Patroklos den Mordgeschossen                                 entreißend,
Legeten ihn auf Betten; und ringsum standen die Freunde
Wehmutsvoll; auch folgte der mutige Renner Achilleus,
235   Heiße Tränen vergießend, da dort den treuen Genossen
Liegen er sah auf der Bahre, zerfleischt von der Schärfe des               Erzes.
Ihn ach jüngst nur entsandt' er mit Rossen zugleich und                     Geschirre
Hin zur Schlacht; nicht aber den Kehrenden sollt' er                             empfangen.

Helios, rastlos im Lauf, gesandt von der Herrscherin Here,

240   Kehrete jetzt unwillig hinab zu Okeanos' Fluten.
Nieder sank die Sonn'; und das Heer der edlen Achaier
Ruhte vom schrecklichen Kampf und allverderbenden Kriege.

Trojas Söhn' auch drüben, vom Ungestüme der                               Feldschlacht
Wiedergekehrt, entlösten die hurtigen Rosse den Wagen;

245   Eilten darauf zur Versammlung, bevor sie des Mahles                         gedachten.
Aufrecht standen im Kreis die Versammelten; keiner auch                 wagt' es,
Sich zu setzen; denn all' erbebten sie, weil Achilleus
Wieder erschien, der lange vom schrecklichen Kampfe                       gerastet.
Und der verständige Held Polydamas sprach zur                                   Versammlung,
250   Panthoos' Sohn, der allein Zukunft und Vergangenes                           wahrnahm,
Hektors Freund, mit jenem in einer Nacht auch geboren;
Er durch Worte berühmt, er dort durch Kunde des Speeres;
Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der                                 Versammlung:

Wohl erwägt, ihr Lieben, den Rat; ich denke, sogleich nun

255    Kehren wir heim in die Stadt, nicht harrend der heiligen Frühe
Hier im Feld' an den Schiffen; da weit die Mauer entfernt ist.
Weil noch jener Mann dem Held Agamemnon erzürnt war,
Damals ward uns leichter der Kampf mit den Söhnen                         Achaias.
Ja ich freute mich selbst vor den rüstigen Schiffen zu                           schlafen,
260   Hoffend bald zu gewinnen die zwiefachrudernden Schiffe.
Doch nun fürcht' ich mit Angst den mutigen Renner                             Achilleus.
So wie das Herz ihm strebt voll Heftigkeit, wird er fürwahr                 nicht
Säumen allhier im Gefilde, wo Trojas Söhn' und Achaias
Gleich bisher miteinander die Wut des Ares geteilet;
265   Nein um die blühende Stadt nun kämpfet er, und um die                     Weiber.
Kehren wir denn in die Feste; gehorchet mir: also geschieht               es!
Jetzo hemmte vom Kampf den mutigen Renner Achilleus
Nur die ambrosische Nacht. Doch findet er morgen allhier                 uns,
Wann er hervor sich stürzt, der Gewappnete; traun dann                   erkennt wohl
270   Mancher den Held, und gerne zur heiligen Ilios flüchtet,
Wer ihm entrann; viel sättigen Hund' und zerfleischende                   Geier,
Trojas Söhn'! O möge vom Ohre mir solches entfernt sein!
Aber wofern mein Wort ihr genehmiget, traurendes Herzens;
Haltet die Nacht auf dem Markte die Kriegsmacht: türmende             Mauern
275    Schützen die Stadt ringsum, und hohe befestigte Tore,
Wohlverwahrt mit großen und dicht einfugenden Flügeln.
Frühe sodann vor Morgen, mit ehernen Waffen gerüstet,
Stehen wir rings auf der Mauer; und weh ihm, wo er                           begehret,
Angestürmt von den Schiffen mit uns um die Mauer zu                       kämpfen!
280   Heim zu den Schiffen entweicht er, wann sein hochwiehernd             Gespann ihm
Satt von mancherlei Lauf um Ilios hergetummelt.
Aber hinein wird nimmer sein Mut ihm zu dringen verstatten;
Nie erobert er auch: eh' fressen ihn hurtige Hunde!

Finster schaut' und begann der helmumflatterte Hektor:

285   Keineswegs gefällt mir, Polydamas, was du geredet,
Der du ermahnst in die Feste die Kehrenden einzuschließen.
Noch nicht wurdet ihr müd', umhegt zu sein von der Mauer?
Sonst war Priamos' Stadt bei vielfachredenden Menschen
Weit auf der Erde berühmt, als reich an Gold', und an Erze;
290   Doch nunmehr ist geschwunden die köstliche Hab' aus den               Häusern;
Viel nach Phrygien nun und Mäoniens schönem Gefilde
Gehn zum Verkauf Kleinode, da Zeus' Allmacht uns                             ergrimmt ist.
Aber anjetzt, da mir ja der Sohn des verborgenen Kronos
Ruhm verliehn bei den Schiffen, ans Meer die Achaier zu                   drängen;
295   Törichter, nicht mehr äußre mir solcherlei Rat in dem Volke!
Denn kein einziger Troer gehorchet dir; nimmer gestatt' ich's!
Aber wohlan, wie ich rede das Wort, so gehorchet mir alle.
Jetzo nehmet das Mahl durch das Kriegsheer, Haufen bei                   Haufen;
Und gedenkt der nächtlichen Hut, und jeder sei wachsam.
300   Wer der Troer mit Angst um sein Vermögen sich härmet,
Solcher nehm' und geb' es dem Volk zu gemeinsamen                       Gastmahl:
Besser daß jene damit sich belustigen, als die Achaier!
Frühe sodann vor Morgen, mit ehernen Waffen gerüstet,
Gegen die räumigen Schiff' erheben wir stürmenden Angriff.
305   Wenn denn gewiß bei den Schiffen erstand der edle                           Achilleus;
Wohl, so erkor er sich selbst das Schlimmere! Nie ja vor                     jenem
Werd' ich fliehn aus dem Sturme der Feldschlacht; nein ihm             entgegen
Steh' ich, ob ihn Siegsehre verherrliche, oder mich selber!
Gleich ist Ares gesinnt, und oft auch den Würgenden würgt               er!

310        Also redete Hektor; und laut herriefen die Troer:
Törichte! welchen den Geist verblendete Pallas Athene.
Siehe dem Hektor stimmten sie bei, der Böses beschlossen;
Doch dem Polydamas nicht, der heilsame Worte geredet.
Rings nun nahm man das Mahl durch das Kriegsheer. Doch               die Achaier

315    Ganz die Nacht um Patroklos erhuben sie Klagen und                         Seufzer.
Peleus' Sohn vor ihnen begann die jammernde Klage;
Hingelegt die mordenden Händ' auf den Busen des                             Freundes,
Ächzet' er häufig empor: wie ein bärtiger Löwe des                             Bergwalds,
Welchem die Jungen geraubt ein hirschverfolgender Jäger
320   Tief aus verwachsnem Gehölz; er drauf ankommend betrübt             ich,
Eilt dann von Tale zu Tale der Spur nachrennend des                           Mannes,
Ob er ihn wo ausforsche; denn bitterer Zorn durchdrang ihn:
Also schweraufseufzend vor Myrmidonen begann er:

Götter, wie eitele Worte sind jenes Tags mir entfallen,

325   Als ich Trost im Palaste dem Held Menötios zusprach!
Heim verhieß ich gen Opus den rühmlichen Sohn ihm zu                   bringen,
Wann er Troja verheert, und reichliche Beute geloset.
Aber der Mensch entwirft, und Zeus vollendet es anders!
Uns war beiden bestimmt, die selbige Erde zu röten,
330   Hier im troischen Land'! Auch mich wird nimmer empfangen,
Heimgekehrt zum Palaste, der graue reisige Peleus,
Noch auch Thetys die Mutter; entfernt hier deckt mich die                 Erde.
Doch nun ich, Patroklos, nach dir in die Erde versinke;
Feier' ich dir nicht eher das Grabfest, bis ich dir Hektors
335   Waffen gebracht und das Haupt, des Trotzigen, deines                       Mörders!
Auch zwölf Jünglinge werd' ich am Totenfeuer dir                               schlachten,
Trojas edlere Söhn', im Zorn ob deiner Ermordung!
Ruh' indessen allhier bei meinen geschnäbelten Schiffen!
Manche Troerin auch und Dardanerin, schwellendes Busens,
340   Soll wehklagen um dich, bei Tag' und Nacht dich beweinend,
Welche wir selbst erbeutet mit Kraft und gewaltigen Lanze,
Blühende Städte verheerend der vielfachredenden                               Menschen.

Also sprach der edle Peleid', und den Freunden gebot er,
Eilend ein groß dreifüßig Geschirr auf Feuer zu stellen,

345   Um von dem blutigen Staube Patroklos' Leiche zu säubern.
Sie nun stellten das Badegeschirr auf loderndes Feuer,
Gossen dann Wasser hinein, und legeten Holz an die                           Flamme;
Rings umschlug sie den Bauch des Geschirrs, und es kochte               das Wasser,
Aber nachdem das Wasser gekocht im blinkenden Erze,
350   Wuschen sie jetzt, und salbten mit fettem Öle den                               Leichnam;
Mit neunjähriger Salb' erfüllten sie jetzo die Wunden;
Legten ihn dann auf Betten und breiteten köstliche Leinwand
Ihm vom Haupt zu den Füßen, und drauf den schimmernden             Teppich.
Aber die ganze Nacht um den mutigen Renner Achilleus
355   Klagten die Myrmidonen Patroklos weinend und seufzend.
Zeus nun sprach zu Here, der göttlichen Schwester und                     Gattin:

Endlich gelang dir's doch, du hoheitblickende Here,
Peleus' Sohn zu erregen, den Mutigen. Sicher aus deinem
Eigenen Schoß entstammten die hauptumlockten Achaier.

360        Ihm antwortete drauf die hoheitblickende Here:
Welch ein Wort, Kronion, du Schrecklicher, hast du geredet?
Kann ja doch wohl etwas ein Mensch dem Manne vollenden,
Er der sterblich nur ist, und nicht so kundig des Rates.
Aber ich, die stolz der Göttinnen erste sich rühmet,

365   Zwiefach erhöht, durch Geburt, und weil ich deine Genossin
Ward ernannt, der du mächtig im Kreis der Unsterblichen                 waltest,
Sollt' ich nicht den Troern im Zorn ein Übel bereiten?

Also redeten jen' im Wechselgespräch miteinander.
Aber Hephästos' Palast erreichte die Herrscherin Thetys,

370   Sternenhell, unvergänglich, in strahlender Pracht vor den                   Göttern,
Welchen aus Erz er selbst sich gebaut, der hinkende                           Künstler.
Ihn dort fand sie voll Schweiß um die Blasebälge beschäftigt,
Eiferig: denn Dreifüße bereitet' er, zwanzig in allem,
Rings zu stehn an der Wand der wohlgeründeten Wohnung.
375   Goldene Räder befestigt' er jeglichem unter den Boden;
Daß sie von selbst annahten zur Schar der unsterblichen                   Götter,
Dann zu ihrem Gemach heimkehreten, Wunder dem Anblick.
Sie nun waren so weit gefertiget; nur noch der Henkel
Zierat fehlte daran; jetzt fügt er sie, hämmernd die Nägel.
380   Während er solches erschuf mit erfindungsreichem                             Verstande,
Siehe da kam ihm nahe die silberfüßige Thetys.
Diese sah vorwandelnd die feinumschleierte Charis,
Schön und hold, die Gattin des hinkenden                                             Feuerbeherrschers;
Und sie faßt' ihr die Hand, und redete, also beginnend:

385        Thetys in langem Gewande, wie nahest du unserer                         Wohnung,
Ehrenwert und geliebt? Denn sonst besuchst du mich wenig.
Aber komm doch herein, damit ich als Gast dich bewirte,

Also sprach, und führte sie ein, die herrliche Göttin.
Jene setzte sie dann auf den silbergebuckelten Sessel,

390   Schön und prangend an Kunst; und ein Schemel stützt' ihr                 die Füße.
Drauf dem kunstberühmten Hephästos rief sie, und sagte:

Tritt hervor, Hephästos; die Herrscherin Thetys bedarf dein.
Ihr antwortete drauf der hinkende Feuerbeherrscher:

Traun ja, so ist die erhabne, die edelste Göttin daheim mir,

395   Welche vordem mich gerettet im Schmerz des unendlichen               Falles,
Als mich die Mutter verwarf, die entsetzliche! welche mich               Lahmen
Auszutilgen beschloß. Da duldet' ich Wehe des Herzens,
Hätt' Eurynome nicht und Thetys im Schoß mich empfangen,
Jene, des kreisenden Stroms Okeanos blühende Tochter.
400   Dort neun Jahre verweilt' ich, und schmiedete mancherlei                 Kunstwerk,
Spangen und Ring', und Ohrengehenk', Haarnadeln und                       Kettlein,
Dort in gewölbeter Grott'; und der Strom des Okeanos                       ringsher
Schäumte mit brausendem Hall, der unendliche: keiner der               andern
Kannte sie, nicht der Götter, und nicht der sterblichen                         Menschen;
405   Sondern Thetys allein und Eurynome, die mich gerettet.
Diese besucht uns jetzo im Haus'; und darum gebührt mir,
Froh der lockigen Thetys den Rettungsdank zu bezahlen.
Auf, nun reiche du ihr des Gastrechts schöne Bewirtung,
Während ich selbst die Bälge hinwegräum', und die                             Gerätschaft.

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