Ilias - Kapitel 72 by Homer
Ilias - Kapitel 72 by Homer

Ilias - Kapitel 72

Homer * Track #72 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Ilias - Kapitel 72 Annotated

Jetzt wann der Morgenstern das Licht ankündend                               hervorgeht,
Eos im Safrangewand dann über das Meer sich verbreitet;
Jetzt sank in Staub das Gerüst, und es ruhte die Flamme.
Schnell nun flogen die Winde zurück, nach Hause zu kehren,
230   Über das thrakische Meer; und es braust' aufstürmend die                 Brandung.
Peleus' Sohn, abwärts vom glimmenden Schutte sich                           sondernd,
Legte sich abgemattet; und süßer Schlummer umfing ihn.
Aber um Atreus' Sohn versammelten jene sich ringsher,
Und der Kommenden Lärm und Getös' erweckt' ihn vom                   Schlummer.
235   Aufrecht setzt' er sich nun, und sprach zu jenen die Worte:

Atreus' Sohn, und ihr andern, erhabene Fürsten Achaias,
Erst nun löscht den glimmenden Schutt mit rötlichem Weine,
Überall, wo die Glut hinwütete; aber dann laßt uns
Sammeln umher das Gebein des Menötiaden Patroklos,

240   Wohl es unterscheidend; und leicht zu erkennen ist jenes.
Denn er lag in der Mitte der Glut; und die andern gesondert
Brannten am äußeren Rande vermischt, die Ross' und die                   Männer.
Dann in gedoppeltes Fett, in eine goldene Urne,
Legen wir's, bis ich selber hinuntersinke zum Aïs.
245   Über das Grab, nicht rat' ich es allzu groß zu erheben,
Sondern so schicklich nur; hinfort dann mögt ihr es immer
Weit und hoch aufhäufen, ihr Danaer, die ihr mich etwa
Überlebt, und umher in den Ruderschiffen zurückbleibt.

Jener sprach's; sie gehorchten dem rüstigen Peleionen:

250   Löschten zuerst den glimmenden Schutt mit rötlichem                       Weine,
Rings wo die Flamme gewütet, und hoch die Asche gehäuft               lag;
Sammelten drauf das weiße Gebein des herzlichen Freundes
Weinend, in doppeltes Fett, in eine goldene Urne;
Setzten sie dann im Gezelt, umhüllt mit köstlicher Leinwand;
255   Maßen den Kreis des Males, und warfen dem Grund in die                 Ründung
Rings um den Brand, und häuften geschüttete Erde zum                     Hügel.

Als sie das Mal nun geschüttet, enteilten sie. Aber                          Achilleus
Hemmte das Volk, und hieß es in großem Kreise sich setzen;
Brachte darauf zu Preisen des Kampfs dreifüßige Kessel,

260   Becken, und Ross' und Mäuler und mächtige Stier' aus den               Schiffen,
Schöngegürtete Weiber zugleich, und blinkendes Eisen.

Erst dem Lenker des schnellsten Gespanns zum herrlichen             Kampfpreis
Setzt' er ein Weib zu nehmen, untadelig, kundig der Arbeit,
Samt dem gehenkelten Kessel von zweiundzwanzig Maßen:

265   Dieses dem ersten zum Preis; dem zweiten nun setzt' er die               Stute,
Ungezähmt, sechsjährig, beschwert vom Füllen des                             Maultiers;
Dann dem dritten bestimmt' er zum Preis ein schimmerndes             Becken,
Schön, vier Maß enthaltend, noch rein von der Flamme des               Feuers,
Drauf dem vierten den Preis von zwei Talenten des Goldes;
270   Endlich dem fünften die doppelte Schal', unberührt von der               Flamme.
Aufrecht stand der Peleid', und redete vor dem Argeiern:

Atreus' Sohn, und ihr andern, ihr hellumschienten Achaier,
Für die Reisigen stehn die Kampfpreis' hier in dem Kreise.
Wär es ein anderer nun, den wir Danaer ehrten mit                             Wettkampf,

275    Dann wohl trüg' ich selber den ersten Preis zum Gezelte.
Denn ihr wißt, wie an Tugend hervor mein edles Gespann                 ragt.
Auch unsterblich ja ist es: Poseidon schenkte dem Peleus,
Meinem Vater, die Rosse, der mir darauf sie gewähret.
Doch nun bleib' ich selber zurück, und die stampfenden                     Rosse.
280   Denn sie verloren die Kraft des edelsten Wagenlenkers,
Ach des Freundlichen, welcher so oft mit geschmeidigem                 Öle
Ihnen die Haare gesprengt, wann in lauterer Flut sie gebadet.
Diesen nunmehr dastehend betrauren sie, und auf den                       Boden
Fließen die Mähnen herab, und sie stehn unmutiges                           Herzens.
285   Auf denn, ihr andern im Heere, beschicket euch, wer der                     Achaier
Eigenen Rossen vertraut, und dem wohlgezimmerten                         Wagen!

Also sprach der Peleid'; und rüstige Lenker erstanden.
Erst vor allen erhub sich der Völkerfürst Eumelos,
Er des Admetos' Sohn, der an Wagenkunde hervorschien.

290   Auch der Tydeid' erhub sich, der starke Held Diomedes,
Welcher die troischen Ross' anschirrete, die dem Äneias
Jüngst er geraubt; ihn selber errettete Phöbos Apollon.
Drauf erstand der Atreide, der bräunliche Held Menelaos,
Göttliches Stamms, und jochte die hurtigen Ross' an den                   Wagen,
295   Äthe, die Stut' Agamemnons, und seinen Hengst, den                         Podargos.
Jene gab dem Bruder der Anchisiad' Echepolos
Einst zum Geschenk, um nicht vor Ilios jenem zu folgen,
Sondern dort sich der Ruhe zu freun; denn mächtigen                         Reichtum
Gab ihm Zeus, und er wohnt' in Sikyons fruchtbaren Tälern:
300   Diese nun springt' er ins Joch, die mutige, gierig des                           Wettlaufs.
Dann der vierte bereitet' Antilochos' glänzende Rosse,
Nestors trefflicher Sohn, des edelmütigen Herrschers,
Sein des Neleïaden; und hurtige Rosse von Pylos
Flogen einher mit dem Wagen. Ihm riet jetzt nahend der                     Vater
305   Guten Rat, der kundige Greis dem verständigen Jüngling:

Sohn, wie jung du auch bist, Antilochos, liebten dich                       dennoch
Zeus und Poseidaon, und lehrten dich Kunde des Wagens
Aller Art; drum möcht' es nicht Not sein, dich zu belehren.
Wohl das Ziel zu umlenken verstehest du; aber die Rosse

310    Sind dir die trägsten im Lauf; drum sorg' ich, täuscht dich der           Ausgang.
Rascher sind jenen die Ross' und fertiger; selber indes nicht
Wissen sie besseren Rat, als du, mein Sohn, zu ersinnen.
Aber wohlan, mein Teurer, ins Herz dir fasse die Lehre
Mancher Art; daß nicht ein edeler Preis dir entgehe.
315    Mehr ja vermögen durch Rat Holzhauende, weder durch                     Stärke;
Auch durch Rat nur lenket im dunkelen Meere der Steurer
Sein hineilendes Schiff, umhergestürmt von den Winden:
So durch Rat auch besiegt ein Wagenlenker den andern.
Wer allein dem Gespann und rollenden Wagen vertraut,
320   Ohne Bedacht hinsprengt er, und wendet sich dorthin und                 dahin,
Wild auch schweiften die Ross' und ungezähmt in der                         Rennbahn.
Doch wer den Vorteil kennt, und schlechtere Rosse                             dahertreibt,
Schaut beständig das Ziel, und beugt kurzum, und vergißt                 nie,
Welchen Strich er zuerst sie gelenkt mit Seilen von Stierhaut;
325   Nein fest hält er den Lauf, und merkt auf den Vorderen                       achtsam
Deutlich muß ich das Ziel dir verkündigen, daß du nicht                     fehlest.
Dorrend ragt ein Pfahl, wie die Klafter hoch, aus der Erde,
Kienholz, oder von Eichen, das nicht im Regen vermodert;
Rechtsan lehnen und links sich zween weißschimmernde                   Steine,
330   Dort in der Enge des Wegs, wo die ebene Bahn sich                             herumschwingt:
Sei er vielleicht ein Mal des längst verstorbenen Mannes,
Oder ein Rennziel auch von vorigen Menschen errichtet;
Den nun stellt zum Zeichen der mutige Renner Achilleus.
Dicht an jenen gedrängt, beflügele Wagen und Rosse;
335   Selber zugleich dann beug' in dem schöngeflochtenen Sessel
Sanft zur Linken dich hin; und das rechte Roß des                                 Gespannes
Treib mit Geißel und Ruf, und laß ihm die Zügel ein wenig:
Während dir nah am Ziele das linke Roß sich herumdreht,
So daß fast die Nabe den Rand zu erreichen dir scheinet
340   Deines zierlichen Rades. Den Stein nur zu rühren vermeide,
Daß du nicht verwundest die Ross', und den Wagen                           zerschmetterst:
Denn ein Triumph den andern, und schmähliche Kränkung                 dir selber
Wäre das! Auf denn, Geliebter, sei vorsichtsvoll und                           behutsam.
Hast du nur erst am Ziele herumgewendet den Vorsprung;
345   Keiner ist dann, der verfolgend dich einholt, oder vorbeijagt:
Trieb er sogar im Sturme dir nach den edlen Areion,
Der aus Göttern entstammte, das hurtige Roß des Adrastos,
Oder Laomedons Rosse, die hier voll Herrlichkeit aufblühn!

Also redete Nestor, der neleiadische König,

350    Setzte sich dann, nachdem er dem Sohn jedwedes bedeutet.

Auch der fünfte nun schirrte Meriones' glänzende Rosse.
Alle betraten die Sessel, und warfen die Los', und Achilleus
Schüttelte: plötzlich entsprang Antilochos' Los aus dem                     Helme;
Nächst dem Nestoriden gewann der Herrscher Eumelos;

355   Diesem zunächst der Atreide, der streitbare Held Menelaos;
Hierauf traf das Los den Meriones; aber zuletzt traf
Tydeus' tapferen Sohn das Los die Rosse zu lenken.
Alle gereiht nun standen; es wies das Zeichen Achilleus
Fern in dem flachen Gefild; und dabei zum Schauer bestellt'               er
360   Phönix den göttlichen Held, den Kriegsgefährten des Vaters,
Wohl zu bemerken den Lauf, und alles genau zu verkünden.

Alle zugleich nun schwangen empor auf die Rosse die                     Geißeln,
Schlugen zugleich mit den Riemen, und schrien                                   lautdrohende Worte,
Heftiges Muts; und in Eil' entflogen sie durch das Gefilde,

365   Schnell von den Schiffen hinweg; und emporstieg unter den               Brüsten
Dick aufwallender Staub, dem Gewölk gleich, oder dem                     Sturmwind;
Und wild flogen die Mähnen im wehenden Hauche des                       Windes.
Jetzo rollten die Wagen gesenkt an der nährenden Erde,
Jetzo durchstürmten die Luft die Erhobenen. Aber die Lenker
370   Standen empor in den Sesseln; es schlug ihr Herz in den                     Busen
Laut vor Begierde des Siegs, und jeglicher drohte den Rossen
Mächtiges Rufs; und sie flogen in staubendem Lauf durch                   die Felder.

Doch wie dem Ende des Laufs die hurtigen Rosse sich                     nahten,
Kehrend zum bläulichen Meer; nun war's, wo jegliches                       Tugend

375   Schien; und gestreckt fortschossen die Rennenden. Aber in               Eile
Sprangen voraus die Stuten des Pheretiaden Eumelos;
Diesen zunächst dann stürmte das Hengstgespann                             Diomedes,
Troisches Stamms: nicht ferne verfolgten sie, sondern so                   nahe,
Daß sie stets auf den Sessel des vorderen schienen zu                       springen,
380   Und ihm warm auf den Rücken ihr Hauch und die mächtigen             Schultern
Atmete; denn ihn berührte das Haupt der fliegenden Rosse.
Und nun wär' er voraus, doch wenigstens gleich ihm                           gekommen,
Wenn nicht Phöbos Apollon gezürnt dem Sohne des Tydeus,
Und ihm schnell aus den Händen die glänzende Geißel                       geschleudert.
385   Unmutsvoll entstürzten die Tränen ihm über das Antlitz,
Als er noch weiter voraus die fliegenden Stuten erblickte,
Aber die Hengst' ihm säumten, die treibende Geißel                           vermissend.
Nicht geheim vor Athene belistete Phöbos Apollon
Tydeus' Sohn; schnell eilte sie her zum Hirten der Völker,
390   Gab ihm die Geißel zurück, und stärkte mit Mut ihm die                     Rosse.
Zürnend verfolgte sie drauf den tapferen Sohn des Admetos,
Und zerbrach ihm das Joch, die Unsterbliche: wild                               auseinander
Sprangen die Stuten vom Weg', und es scharrt' an der Erde               die Deichsel.
Jener entsank dem Sessel, und wälzte sich neben dem Rade,
395   Beide Arm' an der Beugung, den Mund und die Nase                           verletzend;
Auch die Stirn' an den Brauen verwundet' er; aber die Augen
Wurden mit Tränen erfüllt, und atmend stockt' ihm die                       Stimme.
Tydeus' Sohn trieb schleunig vorbei die stampfenden Rosse,
Weit den anderen allen voraus; denn es stärkt' ihm Athene
400   Seine Rosse mit Mut, und krönt' ihn selber mit Siegsruhm.
Nächst ihm flog der Atreide, der bräunliche Held Menelaos.
Aber Antilochos rief des Vaters Rossen ermunternd:

Angestrengt die Glieder, und dehnet euch fliegendes                      Laufes!
Daß mit jenen ihr kämpft um den Vorsprung, forder' ich gar               nicht,

405   Mit des Tydeiden Gespann, des Feurigen, welchen Athene
Jetzo Geschwindigkeit gab, und ihn selber krönte mit                         Siegsruhm.
Nur Menelaos' Gespann holt ein, und bleibt nicht dahinten,
Stürmender Kraft, daß nicht mit kränkender Schmach euch               bedecke
Äthe, die Stute nur ist! Was säumet ihr, treffliche Rosse?
410    Denn ich verkünd' euch zuvor, und das wird wahrlich                         vollendet:
Nie wird Pfleg' euch hinfort beim völkerweidenden Nestor
Dargereicht; schnell mordet er euch mit der Schärfe des                     Erzes,
Wenn wir anitzt nachlässig geringeren Preis nur gewinnen!
Auf denn, mit großer Gewalt, und verfolget sie hurtiges                     Laufes!
415    Aber ich selbst will dieses mit Kunst ausführen und Sorgfalt,
Daß in der Enge des Wegs ich vorüber schlüpf', ihn                             bemerkend.

Jener sprach's; und geschreckt von des Königes                               scheltendem Zuruf,
Sprangen sie schneller dahin ein weniges. Jetzo erblickt' er
Dort die Enge des Wegs, Antilochos, freudig zur                                   Feldschlacht:

420   Ausgehöhlt war der Grund, wo gesammelte Wintergewässer
Durch den Weg sich gewühlt, ringsum die Erde vertiefend.
Dorthin fuhr Menelaos, der Wagen Gemisch zu vermeiden.
Seitwärts trieb Antilochos schnell die stampfenden Rosse
Außer dem Weg', und wenig vorbei ihm lenkend verfolgt' er.
425   Des erschrak der Atreid' und rief dem Sohne des Nestor:

Sinnlos lenkst du den Wagen, Antilochos! Hemme die                         Rosse!
Eng ist der Weg; bald eil' auf breiterer Bahn mir vorüber:
Daß du nicht an den Wagen mir fährst, und uns beide                         beschädigst!

Jener sprach's; doch Antilochos trieb noch schneller die                 Rosse,

430   Drängend mit Geißelhieben, dem nichts Vernehmenden                     ähnlich.
Weit wie die Scheib' hinflieget vom Schwung des erhobenen             Armes,
Warm sie ein blühender Mann, die Kraft zu versuchen,                       entsendet:
So weit sprangen sie vor, und es säumeten jene von hinten
Atreus' Sohn'; auch hielt er mit Fleiß den eilenden Lauf an:
435   Daß nicht wo anprellend im Weg die stampfenden Rosse
Beide Geschirr' umstürzten von schönem Geflecht, und sie               selber
Dort in den Staub hinsänken, gereizt von Begierde des                         Sieges.
Scheltend begann nunmehr der bräunliche Held Menelaos:

Keiner, Antilochos, gleicht an verderblichem Sinne dir                   selber!

440   Geh! wir nannten dich falsch den Verständigen sonst, wir                 Achaier!
Doch nicht sollst du fürwahr ohn' Eidschwur nehmen den                   Kampfpreis!

Dieses gesagt, ermahnt' er mit lautem Rufe die Rosse:
Weilet mir nicht so träg', und steht nicht traurendes                           Herzens!
Bald wird jenen die Kraft der Knie' und Schenkel erstarren,

445   Eher denn euch; denn beiden verschwand die blühende                     Jugend!

Jener sprach's; und geschreckt von des Königes                               scheltendem Zuruf
Sprangen sie schneller dahin, und bald nun nahten sie jenen.

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