Ilias - Kapitel 65 by Homer
Ilias - Kapitel 65 by Homer

Ilias - Kapitel 65

Homer * Track #65 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 65 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 65 Annotated

Einundzwanzigster Gesang

Achilleus stürzt einer Schar Troer in den Skamandros mit dem Schwerte nach. Zwölf Lebende fesselt er zum Sühnopfer für Patroklos. Den getöteten Lykaon hineinwerfend, höhnt er, daß der Stromgott nicht rette. Auch den Asteropäos, eines Stromgottes Sohn, welchen Skamandros erregte, streckt er ans Ufer, und höhnt der Stromgötter. Skamandros gebeut ihm, außer dem Strome zu verfolgen. Er verspricht's; doch in der Wut springt er wieder hinein. Der zürnende Strom verfolgt ihn ins Feld. Jener, von Göttern gestärkt, durchdringt die Flut. Als Skamandros noch wütender den Simois zu Hilfe ruft, sendet ihm Here den Hephästos entgegen, der das Feld trocknet, dann ihn selber entflammt. Des Jammernden gebeut Here zu schonen. Ares und Aphrodite von Athene besiegt, Phöbos dem Poseidon ausweichend, Artemis von Here geschlagen, Hermes die Leto scheuend. Rückkehr der Götter. Priamos öffnet den Flüchtigen das Tor. Den verfolgenden Achilleus hemmt Agenor; dann in Agenors Gestalt fliehend, lockt Apollon ihn feldwärts, indes die Troer einflüchten.

Als sie nunmehr an die Furt des schönhinwallenden Xanthos
Kamen, des wirbelnden Stroms, den Zeus der Unsterbliche               zeugte;
Dort auseinander sie trennend, verfolgt' er jen' ins Gefilde
Stadtwärts, wo die Achaier dahergescheucht sich ergossen
5        Erst den vorigen Tag, vor der Wut des strahlenden Hektors:
Hier flohn jene nunmehr angstvoll: doch es hemmte sie                     Here,
Dickes Gewölk vorbreitend den Flüchtlingen. Aber die                         andern,
Hingedrängt an des Stroms tiefstrudelnde Silbergewässer,
Stürzten hinab mit lautem Getös': und es rauschten die                       Fluten,
10      Daß die Gestad' umher laut halleten; rings mit Geschrei nun
Schwammen sie hiehin und dorthin, umhergedreht in den                 Wirbeln.
Wie vor des Feuers Gewalt sich ein Schwarm Heuschrecken             emporhebt,
Hinzufliehn in den Strom; denn es flammt unermüdetes                     Feuer,
Plötzlich entbrannt im Gefild', und sie fallen gescheucht in                 das Wasser:
15      So vor Achilleus ward dem tiefhinstrudelnden Xanthos
Voll sein rauschender Strom von der Rosse Gewirr und der               Männer.

Aber der göttliche Held ließ dort die Lanz' an dem Ufer,
Auf Tamarisken gelehnt, und stürzte sich, stark wie ein                       Dämon,
Nach, sein Schwert in der Hand, und entsetzliche Taten                     ersann er.

20     Rings nun schlug er umher; und schreckliches Röcheln erhub             sich
Unter dem mordenden Schwert, und gerötet von Blut war                 das Wasser.
Wie vor dem ungeheuren Delphin die anderen Fische
Fliehend die Buchten erfüllen des wohlanlandbaren Hafens,
Bange gedrängt; denn gräßlich verschlinget er, wen er                       erhaschet:
25      So die Troer voll Angst in des furchtbaren Stromes                             Gewässern
Flohen sie unter die Bord'. Als drauf vom Ermorden die                       Händ' ihm
Starreten, wählt' er annoch zwölf lebende Jüngling' im                       Strome;
Abzubüßen den Tod des Menötiaden Patroklos.
Diese zog er heraus, betäubt, wie die Jungen der Hindin;
30     Band dann zurück die Hände mit wohlgeschnittenen Riemen,
Welche sie selbst getragen um ihre geflochtenen Panzer;
Gab sie darauf den Genossen, hinab zu den Schiffen zu                       führen.
Wieder hinein dann stürzt' er, nach Mord und Gewürge sich             sehnend.
Jetzt begegnet' ihm Priamos' Sohn, des Dardanionen,
35      Der aus dem Strom aufstrebte, Lykaon: den er vordem selbst
Weggeführt mit Gewalt von des Vaters fruchtbarem                           Obsthain,
Einst in der Nacht ausgehend. Es schnitt mit dem Erze der                 jüngling
Wildernder Feigen Gesproß, zum Sesselrande des Wagens.
Doch unverhofft ihm nahte zum Weh der edle Achilleus.
40     Damals sandt' er in Lemnos' bevölkerte Stadt zum Verkauf                 ihn,
Führend im Schiff, und den Wert bezahlte der Sohn des                     Jason.
Dorther löste sein Gast Eëtion, Herrscher in Imbros,
Ihn sehr teuer erkauft, und sandt' ihn zur edlen Arisbe.
Heimlich schlich er von dannen, und kam zum Palaste des                 Vaters
45     Elf der Tage nunmehr erfreut' er das Herz mit den Seinen,
Wiedergekehrt aus Lemnos; doch jetzt am zwölften von                     neuem
Gab in Achilleus' Hand ihn ein Himmlischer, welcher                           bestimmt war,
Ihn zum Aïs zu senden, wie sehr ungern er dahinging.
Als ihn jetzo erblickte der mutige Renner Achilleus,
50     Ihn der entblößt von Helme, von Schild und Lanze daherkam:
Alles hatt' er zur Erde gelegt; denn ermattet von                                   Angstschweiß
Strebt' er empor aus dem Strom, und kraftlos wankten die                 Kniee:
Unmutsvoll nun sprach er zu seiner erhabenen Seele:

Weh wir, ein großes Wunder erblick' ich dort mit den                      Augen!

55      Ganz gewiß nun werden die edelmütigen Troer,
Die ich erschlug, von neuem aus nächtlichem Dunkel                         hervorgehn:
Sowie jener auch kommt, entflohn dem grausamen Tage,
Der in die heilige Lemnos verkauft ward; aber ihn hielt nicht
Wogend das graue Meer, das viele mit Zwang zurückhemmt.
60     Aber wohlan, nun soll er die Spitz' auch unserer Lanze
Kosten, damit ich erkenn' in meinem Geist, und vernehme,
Ob er so gut auch von dannen zurückkehrt, oder ihn endlich
Hält die ernährende Erde, die selbst den Tapferen festhält.

Also dacht' er, und stand; ihm nahete jener voll Schreckens,

65      Seine Kniee zu rühren bereit: denn er wünschte so herzlich,
Noch zu entfliehn dem grausamen Tod' und dem schwarzen             Verhängnis.
Siehe den ragenden Speer erhob der edle Achilleus,
Ihn zu durchbohren bereit; doch er eilt' und umfaßt' ihm die             Kniee,
Hergebückt; und der Speer, der ihm hinsaust' über die                         Schultern,
70     Stand in der Erd', und lechzt' im Menschenblute zu                               schwelgen.
Aber mit einer Hand umschlang er ihm flehend die Kniee,
Und mit der anderen hielt er die spitzige Lanz' unverrückt'                 ihm;
Laut nun fleht' er empor, und sprach die geflügelten Worte:

Flehend umfass' ich dem Knie; erbarme dich meiner,                       Achilleus!

75      Deinem Schutz ja ward ich vertraut; drum scheue mich,                     Edler!
Denn bei dir zuerst genoß ich die Frucht der Demeter,
Jenes Tags, da dein Arm mich ergriff in dem fruchtbaren                   Obsthain,
Und du fern mich verkauftest, getrennt von Vater und                         Freunden,
Nach der heiligen Lemnos, und hundert Stiere gewannest.
80     Jetzo löst' ich mich dreimal so hoch! Der zwölfte der Morgen
Leuchtet mir erst, seitdem ich in Ilios' Mauern zurückkam,
Viel gequält; und wieder hat dir in die Hand mich gesendet
Böses Geschick! Wohl muß ich dem Vater Zeus ja verhaßt                 sein,
Der dir wieder mich gab; und für wenige Tage gebar mich
85     Meine liebende Mutter Laothoe, Tochter des Greises
Altes, welcher im Volk der streitbaren Leleger herrschet,
Pedasos' luftige Burg an Satniois' Ufer bewohnend.
Dessen Tochter war Priamos' Weib, nebst vielen der andern;
Und zween Söhne gebar sie; doch du willst beid' uns                           erwürgen!
90     Jenen im Vordergefecht fußwandelnder Kämpfer bezwangst             du,
Ihn den Held Polydoros, mit spitziger Lanze getroffen;
Und mein harrt das Verderben allhier nun! Nimmer ja hoff'                 ich
Deiner Hand zu entfliehn, nachdem mich genähert ein                       Dämon!
Eines verkünd' ich dir noch, und du bewahr' es im Herzen.
95     Töte mich nicht; denn ich bin kein leiblicher Bruder des                       Hektor,
Welcher den Freund dir erschlug, so sanftgesinnt und so                   tapfer!

So dort flehte zu jenem des Priamos' edler Erzeugter
Jammernd empor; da erscholl die unbarmherzige Stimme:

Törichter, nicht von Lösung erzähl' und schwatze mir                     länger!

100    Denn bevor Patroklos den Tag des Geschickes erreichte,
War ich annoch im Herzen geneigt, zu schonen der Troer;
Viel' auch führt' ich gefangen hinweg, und verkaufte sie                     lebend.
Doch nun fliehe den Tod nicht einer auch, welchen ein                       Dämon
Hier vor Ilios' Mauern in meine Hand mir gesendet,
105    Aller Troer gesamt, und am wenigsten Priamos' Söhne!
Stirb denn, Lieber, auch du! Warum wehklagst du                                 vergebens?
Starb doch auch Patroklos, der weit an Kraft dir voranging!
Siehest du nicht, wie ich selber so schön und groß an Gestalt           bin?
Denn dem edelsten Vater gebar mich die göttliche Mutter!
110     Doch wird mir nicht minder der Tod und das harte                               Verhängnis
Nahn, entweder am Morgen, am Mittag, oder am Abend;
Wann ein Mann auch mir in der Schlacht das Leben                             entreißet,
Ob er die Lanze mir schnellt, ob auch ein Geschoß von der                 Senne.

Also der Held; doch jenem erzitterten Herz und Kniee.

115     Fahren ließ er den Speer, und saß ausbreitend die Hände
Beide. Doch Peleus' Sohn, das geschliffene Schwert sich                     entreißend,
Stieß es hinein am Gelenke des Halses ihm: tief in die Gurgel
Drang zweischneidig das Schwert; und vorwärts nun auf der             Erde
Lag er gestreckt; schwarz strömte das Blut und netzte den                 Boden.
120    Ihn dann schwang der Peleid', am Fuße gefaßt in den Strom               hin;
Und mit jauchzendem Ruf die geflügelten Worte begann er:

Dort nun streck' im Gewimmel der Fische dich, die von der           Wunde
Sorglos dir ablecken das Blut! Nie bettet die Mutter
Dich auf Leichengewand' und wehklagt; sondern                                 Skamandros

125    Trägt dich strudelnd hinab in des Meers weitoffenen                           Abgrund.
Hüpfend sodann naht unter der Flut schwarzschauernder                   Fläche
Mancher Fisch, um zu schmausen am weißen Fette Lykaons.
Treff' euch Weh, bis wir kommen zu Ilios' heiliger Feste,
Ihr in stürzender Flucht, ich aber mit Mord euch verfolgend.
130    Nicht ja einmal der Strom mit mächtigem Silbergestrudel
Rettet euch, welchem ihr oft so viel darbringet der Stiere,
Und starkhufige Ross' in die Flut lebendig versenket:
Aber auch so vertilgt euch das Jammergeschick, bis ihr alle
Für Patroklos' Mord mir gebüßt, und das Weh der Achaier,
135    Die an den hurtigen Schiffen ihr tötetet, als ich entfernt war!

Jener sprach's; doch der Strom ereiferte wilderes Herzens;
Und er erwog im Geist, wie er hemmen möcht' in der Arbeit
Peleus' göttlichen Sohn, und die Plag' abwenden den Troern.
Aber Achilleus indes mit weithinschattender Lanze

140    Sprang auf Asteropäos, ihn auszutilgen verlangend,
Pelegons Sohn: den zeugte des Axios strömender Herrscher,
Axios, und Deriböa, des Akessamenos Tochter,
Schön, an Geburt die erste, geliebt vom wirbelnden                             Stromgott.
Gegen ihn drang der Peleid': er dort, aus dem Strome                           begegnend,
145    Stand, zween Speer' in den Händen; und Mut ihm haucht' in             die Seele
Xanthos, dieweil er mit Zorn die ermordeten Jünglinge                       schaute,
Die der Peleid' in den Fluten ermordete, sonder Erbarmen.
Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander;
Rief zuerst an redend der mutige Renner Achilleus:

150        Wer, und woher der Männer, der mir zu nahn sich                         erkühnet?
Meiner Kraft begegnen nur Söhn' unglücklicher Eltern!

Ihm antwortete drauf des Pelegons edler Erzeugter:
Peleus' mutiger Sohn, was fragst du nach meinem                               Geschlechte?
Fern aus dem scholligen Lande Päonia führ' ich die Scharen

155    Speerumragter Päonen zur Schlacht; und der elfte der                         Morgen
Leuchtet mir nun, seitdem ich in Ilios' Mauern hineinging.
Doch mein Geschlecht entstammt von des Axios                                 strömendem Herrscher,
Axios, der mit lieblichster Flut die Erde befruchtet:
Dieser zeugte den Pelegon einst, und der lanzenberühmte
160    Pelegon mich, wie man sagt. Doch kämpfe nun, edler                         Achilleus!

Also droht' er daher; da erhob der edle Achilleus
Pelions ragende Esch'; allein zwo Lanzen zugleich warf
Asteropäos der Held, der rechts mit jeglicher Hand war.
Eine traf des Schildes Gewölb' ihm; aber hindurch nicht

165    Brach sie den Schild; denn es hemmte das Gold, die Gabe                   des Gottes.
Aber die andere streift' ihm den rechten Arm an der                           Beugung,
Daß ihm dunkeles Blut vorrieselte; über ihm selbst dann
Stand sie gebohrt in die Erde, voll Gier im Fleische zu                           schwelgen.
Jetzo schwang auch Achilleus die gradanstürmende Esche
170    Hin auf Asteropäos, ihn auszutilgen verlangend.
Doch ihn selbst verfehlt' er, und traf das erhabene Ufer,
Daß bis zur Hälft' in das Ufer die eschene Lanze hineindrang.
Peleus' Sohn, das geschliffene Schwert von der Hüfte sich                 reißend,
Stürmte hinan mit Begier: da strebte den Speer des Achilleus,
175    Aber umsonst, dem Bord zu entziehn mit nervichter Rechte.
Dreimal erschüttert' er jenen, und mühte sich auszuziehen;
Dreimal versagt' ihm die Kraft; doch das vierte Mal dacht' er             im Herzen,
Biegend ihn abzubrechen, den eschenen Speer des                             Achilleus.
Aber es nahte der Held mit dem Schwert, und raubt' ihm das             Leben.
180    Denn er hieb in dem Bauch am Nabel ihm; und es                               entstürzten
Alle Gedärme zur Erd'; und dem Röchelnden starrten die                   Augen
Trüb in Nacht. Doch Achilleus, daher auf den Busen sich                     werfend,
Nahm ihm das Waffengeschmeid', und rief frohlockend die               Worte:

Lieg' also! Schwer magst du des hocherhabnen Kronions

185    Söhne mit Streit angehen, obgleich von dem Strome du                       abstammst!
Denn du rühmst dich entstammt von des Stroms                                 breitwallendem Herrscher;
Doch ich preise mich selbst vom gewaltigen Zeus zu                           entstammen.
Mich ja erzeugte der Herrscher des myrmidonischen Volkes,
Peleus, Äakos' Sohn; und dem Äakos zeugte Kronion.
190    Drum wie mächtig Zeus vor den meerabrauschenden                         Strömen,
So ist mächtig auch Zeus' Geschlecht vor den Söhnen des                 Stromes.
Auch ein gewaltiger Strom rauscht neben dir, möcht' er dir               etwa
Helfen; doch keiner vermag mit Zeus Kronion zu kämpfen.
Gleich ihm wähnt sich auch nicht der mächtige Gott                           Acheloos,
195    Noch des Okeanos Kraft, des tiefhinströmenden Herrschers:
Welchem doch alle Ström', und alle Fluten des Meeres,
Alle Quellen der Erd', und sprudelnde Brunnen entfließen:
Dennoch scheut auch jener den Wetterstrahl des Kronion,
Und den entsetzlichen Donner, der hoch vom Himmel                         herabkracht.

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