Ilias - Kapitel 55 by Homer
Ilias - Kapitel 55 by Homer

Ilias - Kapitel 55

Homer * Track #55 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 55 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 55 Annotated

So dort tobten wie Feuer die Kämpfenden. Keiner erkannt'                 itzt,
Ob am Himmel die Sonn' unversehrt sei, oder der Mond                     noch.
Denn von Dunkel umhüllt im Gefecht dort waren die                           Tapfern,
Welche Menötios' Sohn den Erschlagenen rings umstanden.
370   Doch die anderen Troer und erzumschienten Achaier
Stritten frei in der Helle des Tags; denn es strahlete ringsum
Brennender Sonnenschein, und Gewölk beschattete                             nirgends
Weder Feld noch Gebirg'. Auch pflegten sie oft vom                           Gefechte
Auszuruhn, vermeidend die bitteren Todesgeschosse,
375   Weit voneinander gestellt. Doch die Mittleren duldeten                       Jammer
Dort im Dunkel und Kampf, und gequält vom grausamen                   Erze
Waren die Helden gesamt. Nur zween noch hörten den Ruf               nicht,
Beide gepriesene Männer, Antilochos und Trasymedes,
Daß Patroklos sank, der Untadlige; sondern sie wähnten,
380   Daß noch lebend im Vordergewühl er die Troer bekämpfe.
Aufmerksam verhütend den Tod und die Flucht der                             Genossen,
Stritten sie fern in der Schlacht: denn so ermahnte sie                         Nestor,
Als er zum Kampf sie entließ von den dunkelen Schiffen                     Achaias.

Jene den ganzen Tag wetteiferten heftig in Mordlust,

385   Tobender stets; von Arbeit und triefendem Schweiße                         beständig
Wurden die Knie' und die Schenkel und unteren Füße der                   Streiter,
Wurden die Händ' und die Augen im wütenden Kampfe                     besudelt,
Um den edlen Genossen des äakidischen Renners.
Wie wenn ein Mann die Haut des gewaltigen Stiers von der               Herde
390   Auszudehnen den Seinigen gab, mit Fette getränket;
Sie nun nehmen die Haut, und ziehn, auseinander sich                       stellend,
Rings, daß bald die Nässe verschwand, und die Fertigkeit                   eindringt,
Wann so viel' ausrecken, und ganz umher sie gedehnt wird:
Also zogen auch jene den Leichnam hiehin und dorthin,
395   Stehend auf wenigem Raum; denn fest vertrauten die                         Männer,
Trojas, weg ihn zu führen gen Ilios, aber Achaias,
Zu den gebogenen Schiffen; und ringsum tobte der Aufruhr
Fürchterlich: selbst nicht Ares der Wüterich, oder Athene,
Hätt' ihn schauend getadelt, wie sehr auch der Zorn sie                     entflammte.
400   So schuf Zeus um Patroklos den Männern dort und den                     Rossen
Jenes Tags Arbeiten und Schrecknisse. Aber noch gar nichts
Wußte vom Tod des Patroklos der göttergleiche Achilleus;
Denn weit kämpften die Heer' entfernt von den hurtigen                     Schiffen,
Unter der Mauer der Stadt. Drum hofft' er nimmer im Geiste,
405   Tot ihn, sondern lebend, sobald er den Toren genahet,
Wiederkehren zu sehn: denn das auch hofft' er mitnichten,
Daß er die Stadt einnähme, nicht sonder ihn, noch ihm                       gesellt auch.
Oft ja vernahm er dies ingeheim von der göttlichen Mutter,
Wann sie ihm enthüllte den Rat des großen Kronion;
410    Doch auch dann verschwieg sie das Schreckliche, was ihm               bevorstand,
Mütterlich: daß ihm anjetzt der geliebteste sank der                           Genossen.

Jene stets um den Toten die spitzigen Lanzen bewegend,
Tobten zusammengedrängt, und würgten sich                                     untereinander.
So nun redete mancher der erzumschirmten Achaier:

415         Freunde, fürwahr nicht folget der Ruhm uns, kehren wir                 jetzo
Zu den geräumigen Schiffen! O nein, eh' schlinge der Erde
Schwarzer Schlund uns hinab! Das wär' uns besser in                         Wahrheit;
Als den hier zu verlassen den gaulbezähmenden Troern,
Daß sie zur eigenen Stadt ihn ziehn, und Ruhm sich                             gewinnen!

420        Also sprach auch mancher der übermütigen Troer:
Freund', und wär' uns bestimmt, bei diesem Manne zu                       sterben,
Alle zugleich; doch nicht entziehe sich einer dem Kampfe!

So dort redete mancher, den Mut des Genossen                               entflammend.
Also bekämpften sich jen'; und eisernes dumpfes Geprassel

425   Scholl zum ehernen Himmel, des Äthers Wüste                                   durchdringend.

Aber Achilleus' Rosse, die abwärts standen dem                               Schlachtfeld,
Weineten, als sie gehört, ihr Wagenlenker Patroklos
Lieg' im Staube gestreckt von der Hand des mordenden                     Hektor.
Ach Automedon zwar, der tapfere Sohn des Diores,

430   Strebte sie oft mit der Geißel geschwungenem Schlag zu                   beflügeln,
Oft mit schmeichelnden Worten ermahnet' er, oft auch mit               Drohung;
Doch nicht heim zu den Schiffen am breiten Hellespontos
Wollten sie gehn, und nicht in die Feldschlacht zu den                         Achaiern:
Sondern gleich der Säule, die unbewegt auf dem Hügel
435   Eines gestorbenen Mannes emporragt, oder des Weibes;
Also standen sie fest, vor dem prangenden Sessel des                         Wagens,
Beid' ihr Haupt fest auf den Boden gesenkt; und Tränen                       entflossen
Heiß herab von den Wimpern der Traurenden, welche des                 Lenkers
Dachten mit sehnendem Schmerz; auch sank die blühende               Mähne
440   Wallend hervor aus dem Ringe des Jochs, mit Staube                         besudelt.
Mitleidsvoll nun sahe die Traurenden Zeus Kronion;
Ernst bewegt' er das Haupt, und sprach in der Tiefe des                     Herzens:

Arme, warum doch schenkten wir euch dem Könige Peleus,
Ihm dem Sterblichen euch, unalternd beid' und unsterblich?

445   Etwa daß Gram ihr ertrügt mit den unglückseligen                               Menschen?
Denn kein anderes Wesen ist jammervoller auf Erden,
Als der Mensch, von allem, was Leben haucht und sich                       reget.
Aber umsonst hofft euch vor dem kunstreich prangenden                 Wagen
Hektor, Priamos' Sohn, zu bändigen; nimmer gestatt' ich's!
450   Nicht genug, daß die Waffen er hat, und eitel sich rühmet?
Beiden Kraft in die Kniee gewähr' ich euch, und in die                         Herzen,
Daß ihr Automedon auch erretten mögt aus der                                   Feldschlacht,
Zu den geräumigen Schiffen. Denn Ruhm noch schenk' ich                 den Troern,
Niederzuhaun, bis sie nahn den schöngebordeten Schiffen,
455   Bis die Sonne sich senkt, und heiliges Dunkel heraufzieht.

Jener sprich's, und die Rosse mit edeler Stärke beseelt' er.
Beide, nachdem von den Mähnen zur Erde den Staub sie                     geschüttelt,
Sprengten sie rasch mit dem Wagen in Troer hinein und                     Achaier.
Aber Automedon kämpfte, betrübt zwar um den Genossen,

460   Stürmend im Flug des Gespanns, wie ein Geier gestürzt in                 die Gänse:
Leicht anitzt entfloh er zurück vor der Troer Getümmel,
Leicht dann stürmt er hinein in die dichtesten Haufen                         verfolgend.
Doch nicht mordet' er Männer, wann ungestüm er                               hinandrang.
Denn ihm war's unmöglich, allein in dem heiligen Sessel,
465   Herzuschwingen die Lanz', und die hurtigen Rosse zu lenken.
Endlich nunmehr erblickt' ihn Alkimedon dort mit den                         Augen,
Sein Genoß, ein Sohn des Ämoniden Laerkes;
Hinter den Wagen gestellt des Automedon, redet' er also:

Welch ein Gott, Automedon, war's, der den nichtigen                     Vorsatz

470   Dir in die Seele gelegt, und entwand die gute Besinnung?
Daß du so die Troer bekämpfst im Vordergetümmel,
Einzeln, da tot der Genoß dir hinsank, und mit Achilleus'
Rüstungen Hektor nun selbst die Schulter geschmückt                       einherprangt!

Aber Automedon sprach, Diores' Sohn, ihm erwidernd:

475   Wer doch, Alkimedon, weiß gleich dir von allen Achaiern,
Dieser unsterblichen Ross' unbändigen Mut zu bezähmen;
Außer Patroklos selbst, den Himmlischen ähnlich an                           Weisheit,
Weil er lebt'? itzt aber ereilet' ihn Tod und Verhängnis.
Auf denn, die Geißel sofort und die purpurschimmernden                 Zügel
480   Nimm; ich selbst verlasse die Ross', und warte des Kampfes.

Sprach's; und Alkimedon stracks in den rüstigen Wagen                 sich schwingend
Faßte die Geißel geschwind' und das schöne Gezäum in die               Hände.
Aber dem Sessel entsprang Automedon. Diesen bemerkt'                 itzt
Hektor, und redete schnell zu Äneias, der ihm genaht war:

485       Edler Fürst, Äneias, der erzumpanzerten Troer,
Schau, dort seh' ich die Rosse des äakidischen Renners
Wild in die Schlacht versprengen mit sehr unkriegrischen                   Lenkern.
Darum hoff' ich beinah', wir nehmen sie, wenn du nur selber
Solches begehrst: denn nimmer, sobald wir beide                                 bestürmen,

490   Wagen sie, uns entgegen gestellt, des Gefechtes                                 Entscheidung.

Jener sprach's; ihm gehorchte der tapfere Sohn des                         Anchises.
Gradan stürmten sie beid', und mächtige Schilde von                           Stierhaut
Hüllten sie, dürr und gedrängt, und umlegt mit starrendem               Erze.
Chromios, ihnen gesellt, und Aretos, ähnlich den Göttern,

495   Folgten zugleich; denn sicher vertrauten sie, beide zu töten,
Aber hinweg das Gespann hochwiehernder Rosse zu treiben:
Törichte! traun nicht sollten sie ohne Blut aus dem Kampfe
Heim von Automedon kehren. Sobald er gefleht zu Kronion,
Ward mit Kraft und Gewalt sein finsteres Herz ihm erfüllet.
500   Schnell zum treuen Genossen Alkimedon redet' er also:

Ja nicht ferne von mir, Alkimedon, halte die Rosse,
Sondern dicht mir am Rücken die Schnaubenden! Nimmer                 vermut ich,
Hektor, Priamos' Sohn, werd' itzt der Gewalt sich enthalten,
Eh' er Achilleus' Rosse, die schöngemähnten, daherlenkt,

505   Uns in den Staub gestreckt, und umhergescheucht die                       Geschwader
Argos'; oder auch selbst hinsank im Vordergetümmel!

Jener sprach's, und berief die Ajas und Menelaos:
Ajas beid', Heerführer der Danaer, und Menelaos,
Ihn nunmehr, den Toten, vertraut den Tapfersten allen,

510    Daß sie rings umwandelnd die Reihn der Männer entfernen;
Doch von uns, die leben, entfernt den Tag des Verderbens!
Denn dort drängen heran durch Jammer und Graun des                     Gewürges
Hektor und Äneias, die tapfersten Helden von Troja!
Aber solches ruht ja im Schoß der seligen Götter!
515    Ich auch sende den Speer; für das übrige sorge Kronion!

Sprach's, und im Schwung' entsandt' er die                                       weithinschattende Lanze;
Und er traf dem Aretos den Schild von gerundeter Wölbung:
Und nicht hemmete jener den Speer; durch stürmte das Erz               ihm
Unten hinein in den Bauch, den künstlichen Gurt ihm                           durchbohrend.

520   Wie wenn mit scharfer geschwungener Axt ein mutiger                     Jüngling,
Hauend den Nacken des Stiers, des geweideten, hinter den               Hörnern,
Ganz ihm die Sehne durchschnitt, und der Stier aufspringend             hinabsank:
Also sank aufspringend er rücklings in Staub; und der                         Wurfspieß,
Welcher ihm scharf die Gedärme durchwütete, löste die                     Glieder.
525   Hektor schwang auf Automedon jetzt die blinkende Lanze;
Jener indes vorschauend vermied den ehernen                                     Wurfspieß,
Vorwärts niedergebückt; da flog der gewaltige Speer ihm
Über das Haupt in die Erde, daß hinten der Schaft an dem                 Speere
Zitterte; doch bald ruhte die Kraft des mordenden Erzes.
530   Jetzt auch wären mit Schwertern in nahem Kampf sie                         begegnet,
Hätten die Ajas nicht auseinander getrennt die Entbrannten,
Die durch Gedräng' herkamen, da laut ihr Genoß sie anrief
Abgeschreckt von diesen enteileten wieder von dannen
Hektor und Äneias; und Chromios, göttlich von Bildung;
535   Und sie verließen Aretos daselbst, der zerrissenes Herzens
Lag; Automedon drauf, dem stürmenden Ares vergleichbar,
Raubte das Waffengeschmeid', und rief frohlockend die                     Worte:

Ha! ein weniges doch um den Tod des edlen Patroklos
Labt' ich vom Jammer das Herz, den Schlechteren zwar nur               erlegend!

540        Sprach's, und warf den blutigen Raub in den Sessel des                 Wagens,
Trat dann selber hinein, die Füß' und die Hände von oben
Blutbefleckt, wie ein Löwe, vom mächtigen Stiere gesättigt.

Wieder begann um Patroklos mit Ungestüm die                                 Entscheidung,
Schrecklich und tränenwert: denn es weckte den Kampf                     Athenäa,

545   Welche dem Himmel einstieg, vom Zeus dem Vater                           gesendet,
Argos' Volk zu entflammen; denn jetzo wandte sein Herz                   sich.
Wie wenn den purpurnen Bogen den Sterblichen hoch am                 Himmel
Zeus ausspannt, ein Zeichen zu sein, entweder des Krieges,
Oder des Wintersturms, des schaudrigen, welcher die Arbeit
550   Hemmt der Menschen im Feld', und die blökende Herde                     betrübet;
Also trat, umhüllt mit purpurner Wolke, die Göttin
Unter Achaias Volk, und ermunterte jeglichen Streiter.
Siehe zuerst Menelaos dem Göttlichen rief sie ermahnend,
Atreus' tapferem Sohne, denn dieser stand ihr am nächsten,
555   Ähnlich ganz dem Phönix an Wuchs und gewaltiger Stimme:

Dir wird's traun, Menelaos, zur Schmach und daurenden               Schande
Ewig sein, wo Achilleus, des Herrlichen, treuen Genossen
Unter Ilios' Mauern die hurtigen Hund' umherziehn!
Auf denn, heran mit Gewalt, und ermuntere jeglichen                         Streiter!

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