Ilias - Kapitel 67 by Homer
Ilias - Kapitel 67 by Homer

Ilias - Kapitel 67

Homer * Track #67 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Ilias - Kapitel 67 Annotated

400   Also der Gott, und stieß auf die quastumbordete Ägis,
Schrecklich und hehr, die auch Zeus niemals mit dem                         Donner bezähmte;
Hierauf stieß mit gewaltigem Speer der blutige Ares.
Doch sie wich, und erhub mit nervichter Rechte den                           Feldstein,
Der dort lag im Gefilde, den dunkelen, rauhen und großen,
405   Aufgestellt zur Grenze der Flur von Männern der Vorzeit:
Hiermit traf sie des Wüterichs Hals, und löst' ihm die Glieder.
Sieben Hufen bedeckt' er im Fall, und bestäubte das                           Haupthaar;
Und ihn umklirrte das Erz. Da lächelte Pallas Athene;
Und mit jauchzendem Ruf die geflügelten Worte begann sie:

410       Törichter, nie wohl hast du bedacht, wie weit ich an Kraft               dir
Vorzugehn mich rühme, da mir voll Trotz du begegnest.
Also magst du der Mutter Verwünschungen ganz nun                         büßen,
Welche von Zorn und Haß dir entbrannt ist, weil du                             verließest
Argos' Söhn', und verteidigst die übermütigen Troer.

415        Also redete jen', und wandte die strahlenden Augen.
Ihn dann führt' an der Hand die Tochter Zeus' Aphrodite,
Ares, der schnell aufstöhnt'; und kaum ihm kehrte der Atem.
Aber da jen' erblickte die lilienarmige Here;
Schnell zur Athene gewandt die geflügelten Worte begann               sie:

420        Weh mir! des ägiserschütternden Zeus unbezwungene                 Tochter!
Schau, wie dreist die Fliege den mordenden Ares                                 hinwegführt
Aus dem entscheidenden Kampf durch den Aufruhr! Hurtig               verfolge!

Jene sprach's; und Athene verfolgte sie, freudiges Herzens.
Stürmend drang sie hinan, und schlug mit mächtiger Hand                 ihr

425   Gegen die Brust; und sofort erschlafften ihr Herz und Kniee.
Also lagen sie beid' auf der nahrungsprossenden Erde.
Jene mit jauchzendem Rufe begann die geflügelten Worte:

Also müssen sie alle, so viel beistehen den Troern,
Künftig sein, wann sie Argos' gepanzerte Söhne bekämpfen,

430   Eben so kühn und daurendes Muts, wie nun Aphrodite
Herkam, Ares zu helfen, und meiner Stärke sich darbot!
O dann hätten wir längst schon ausgeruht von dem Kriege,
Weil wir Troja verheert, die Stadt voll prangender Häuser!

Sprach's; da lächelte sanft die lilienarmige Here.

435   Doch zu Apollon begann der Erderschüttrer Poseidon:

Phöbos, warum so entfernt uns stehen wir? Nicht ja                      geziemt es,
Da schon andre begannen! O Schande doch, wollten wir                     kampflos
Beid' hingehn zum Olympos, zum ehernen Hause Kronions!
Hebe denn an; du bist ja der Jüngere; aber mir selbst nicht

440   Ziemet es, weil an Geburt ich vorangeh', und an Erfahrung.
Tor, wie erinnerungslos dir das Herz ist! Selber ja des nicht
Denkst du, wie viel wir bereits um Ilios Böses erduldet,
Wir von den Göttern allein, als, hergesandt von Kronion,
Wir ein ganzes Jahr dem stolzen Laomedon dienten,
445   Für bedungenen Lohn, und jener Befehl' uns erteilte,
Ich nun selbst erbaute der Troer Stadt, und die Mauer,
Breit und schön, der Feste zur undurchdringlichen                               Schutzwehr;
Doch du weidetest, Phöbos, das schwerhinwandelnde                       Hornvieh
Durch die waldigen Krümmen des vielgewundenen Ida.
450   Aber nachdem des Lohnes Ziel die erfreuenden Horen
Endlich gebracht, da entzog mit Gewalt der grausame König
Uns den sämtlichen Lohn, und entließ uns mit schrecklicher             Drohung.
Denn dir drohete jener die Füß' und die Hände zu fesseln,
Und zum Verkauf dich zu senden in fernentlegene Inseln;
455   Ja er verhieß, uns beiden mit Erz die Ohren zu rauben.
Also kehreten wir mit erbitterter Seele von jenem,
Zornvoll wegen des Lohns, um den der Versprecher                             getäuschet.
Dessen Volke nunmehr willfahrest du, nicht mit uns andern
Trachtend, wie ganz hinstürzen die frevelen Troer von                         Grund' aus,
460   Schrecklich vertilgt, mit Kindern zugleich und züchtigen                     Weibern!

Ihm antwortete drauf der treffende Phöbos Apollon:
Herrscher des Meers, dir selbst nicht wohlbehaltenes                         Geistes
Schien' ich, wofern mit dir, der Sterblichen wegen, ich                         kämpfte,
Elender, die hinfällig, wie grünes Laub in den Wäldern,

465   Jetzo in Kraft aufstreben, die Frucht der Erde genießend,
Jetzo wieder entseelt dahinfliehn. Auf denn, in Eile
Ruhen wir beide vorn Kampf, und jen' entscheiden ihn                         selber!

Also sprach Apollon, und wandte sich, scheuend in                         Ehrfurcht,
Wider des Vaters Bruder den Arm der Gewalt zu erheben.

470   Doch ihn strafte die Schwester, die Herrscherin streifendes               Wildes,
Artemis, fröhlich der Jagd, und rief die höhnenden Worte:

Fliehest du schon, Ferntreffer? und hast den Sieg dem                     Poseidon
Ganz nun eingeräumt, und umsonst den Ruhm ihm                             gegeben?
Tor, was trägst du den Bogen, den nichtigen Tand, an der                   Schulter?

475   Daß ich nimmer hinfort dich hör' im Palaste des Vaters
Prahlend drohn, wie vordem im Kreis der unsterblichen                     Götter,
Kühn entgegen zu kämpfen dem Meerbeherrscher Poseidon!

Jene sprach's; doch nichts antwortete Phöbos Apollon.
Aber es zürnete Zeus' ehrwürdige Lagergenossin:

480        Wie doch wagst du anitzt, schamloseste Hündin, mir                     selber
Obzustehn? Schwer magst du mit mir dich messen an                       Stärke,
Trotz dem Geschoß, das du trägst. Denn sterblichen Frauen             zur Löwin,
Setzte dich Zeus, und gab, daß du mordetest, die dir                           gelüstet.
Wahrlich besser dir wär' es, die Bergscheusale zu fällen,

485   Oder flüchtige Hirsch', als höherer Macht zu bekämpfen.
Aber gefällt auch des Kampfes Versuch dir; auf, so erkenne,
Wie viel stärker ich sei, da du mir voll Trotzes dich darstellst!

Sprach's, und ergriff mit der Linken ihr beide Händ' an dem           Knöchel,
Nahm mit der Rechten sodann von der Schulter ihr Bogen                 und Köcher,

490   Schlug damit dann lächelnd das Angesicht um die Ohren
Ihr die zurück sich gewandt; und die Pfeil' entsanken dem                 Köcher.
Weinend floh die Göttin nunmehr, wie die schüchterne                       aube,
Welche, vorn Habicht verfolgt, in den höhligen Felsen                         hineinfliegt,
Tief in die Kluft; noch nicht war erhascht zu werden ihr                       Schicksal:
495   Also floh sie weinend hinweg, und ließ ihr Geschoß dort.
Aber zu Leto sprach der bestellende Argoswürger:

Leto, mit dir zu streiten, sei ferne mir; denn zu gefahrvoll
Ist der Kampf mit den Weibern des schwarzumwölkten                     Kronion.
Darum getrost nur immer im Kreis der unsterblichen Götter

500   Rühme dich, daß du mir obgesiegt durch gewaltige Kräfte!

Sprach's; da sammelte Leto das krumme Geschoß und die             Pfeile,
Andere anderswoher, wie im wirbelnden Staub sie gefallen.
Als sie nunmehr sie genommen, enteilte sie, hin zu der                       Tochter.
Jene kam zum Olympos, zum ehernen Hause Kronions;

505   Weinend setzte sich dort auf des Vaters Kniee die Jungfrau;
Und es erbebt' ihr feines Gewand, von Ambrosia duftend.
Herzlich umarmte sie Zeus, und begann mit freundlichem                 Lächeln:

Wer mißhandelte dich, mein Töchterchen, unter den                       Göttern,
Sonder scheu, als hättest du öffentlich Frevel verübet?

510        Ihm antwortete drauf die Jägerin, lieblich im Kranze:
Vater, dein Weib hat mir leides getan, die erhabene Here,
Welche die himmlischen Götter zu Zank und Hader empöret.

Also redeten jen' im Wechselgespräch miteinander.
Aber Apollon ging in Ilios heilige Feste;

515    Denn ihm sorgte das Herz um die wohlgegründete Mauer,
Daß nicht trotz dem Verhängnis die Danaer heut sie                           verheerten.
Doch zum Olympos eilten die anderen ewigen Götter,
Die voll zürnendes Grams, und jen' hochprangendes                           Ruhmes;
Saßen sodann um den Vater, den Donnerer. Aber Achilleus
520 Mordete Trojas Söhne zugleich und stampfende Rosse.
Wie wenn wallender Rauch zum weiten Himmel emporsteigt
Aus der brennenden Stadt, erregt vom Zorne der Götter;
Allen schafft er Arbeit, und vielen auch Jammer erzeugt er:
Also schuf den Troern Achilleus Arbeit und Jammer.

525        Dort stand Priamos jetzo der Greis auf dem heiligen                        Turme,
Schauend auf Peleus' Sohn, den Gewaltigen; und wie vor                   jenem
Fliehender Troer Gewühl hertummelte, nirgend auch Abwehr
Noch erschien. Wehklagend vom Turm nun stieg er zur Erde,
Und gebot an der Mauer den rühmlichen Hütern des Tores:

530        Öffnet die Flügel des Tors, und haltet sie, bis sich die                      Völker
All' in die Stadt eindrängen, die Fliehenden; denn der Peleide
Tobt dort nahe dem Schwarm! Nun, sorg' ich, droht uns ein               Unheil!
Aber sobald in die Mauer sie eingehemmt sich erholen,
Schließt dann wieder das Tor mit dicht einfugenden Flügeln;

535   Denn ich besorg', uns stürmt der verderbliche Mann in die                 Mauer!

Jener sprach's; und sie öffneten schnell, wegdrängend die             Riegel;
Und die gebreiteten Flügel erretteten. Aber Apollon
Eilte hinaus, um begegnend die Not der Troer zu wenden.
Jene, gerad' auf die Stadt und die hochgetürmete Mauer,

540   Ausgedörrt vom Durste, mit Staube bedeckt, ans dem                         Blachfeld
Flohn sie; doch rasch mit der Lanze verfolget' er; wild ihm                 von Wahnsinn
Tobte beständig das Herz, und er wütete Ruhm zu gewinnen.
Jetzt hätt' Argos Volk die türmende Troja erobert,
Wenn nicht Phöbos Apollon den Held Agenor erweckte,
545   Ihn des Antenors Sohn, den untadligen tapferen Streiter.
Kühneren Mut ihm haucht' er ins Herz, und selber zur Seit'                 ihm
Stand er, um abzuwehren die schrecklichen Hände des                       Todes,
Dicht an die Buche gedrängt, ringsher in Nebel sich hüllend.
Jener, sobald er gesehn den Städteverwüster                                         Achilleus,
550   Stand, und vieles bewegt' unruhig sein Geist, wie er harrte.
Tief aufseufzt' er und sprach zu seiner erhabenen Seele:

Wehe mir doch! wofern ich hinweg vor dem starken                       Achilleus
Fliehe des Wegs, wo die andern in scheuem Gewirr sich                     ergossen;
Dennoch wird er mich fahn, und gleich dem Feigsten                           erwürgen.
555   Aber lass' ich jene gescheucht die Gefilde durchtummeln
Vor dem Peleiden Achilleus, und fliehe, gewandt von der                   Mauer,
Nach dem idäischen Felde mit Schnelligkeit, bis ich erreichet
Idas gewundene Tal', und im dichten Gesträuch mich                         verborgen;
Dann am Abende könnt' ich, nachdem ich im Strome                           gebadet,
560   Abgekühlt vom Schweiße, gen Ilios heimlich zurückgehn.
Aber warum bewegte das Herz mir solche Gedanken?
Wenn er nur nicht von der Stadt mich feldwärts Fliehenden               wahrnimmt,
Und nachstürmendes Laufs einholt mit hurtigen Füßen!
Nimmer annoch entrönn' ich dem Tod' und dem grausen                   Verhängnis;
565   Denn zu sehr an Gewalt vor allen Geborenen ragt er!
Aber wofern vor Ilios Stadt ihm entgegen ich wandle;
Ist ja auch jenem der Leib dem spitzigen Erze verwundbar,
Auch ein Geist beseelet ihn nur, und sterblich wie andre
Nennen sie ihn; doch Zeus der Donnerer schenket ihm Ehre!

570        Sprach's; und gefaßt den Achilleus erwartet' er; und in                   dem Busen
Strebt' ihm das mutige Herz zu kämpfen den Kampf der                     Entscheidung.
Wie wenn kühn ein Pardel aus tiefverwachsenem Dickicht
Anrennt gegen den jagenden Mann, und weder im Herzen
Zagt, noch erschrocken entflieht, nachdem das Gebell ihn                 umtönte;

575   Denn ob jener ihn stechend verwundete, oder auch werfend,
Dennoch, selbst von der Lanze durchbohrt schon, rastet er               niemals
Stürmend, bevor er jenen erreicht hat, oder dahinsinkt:
Also Antenors Sohn, der tapfere Streiter Agenor,
Nicht begehrt' er zu fliehn, bevor er versucht den                                 Achilleus;
580   Sondern sich selbst vorstreckend den Schild von gerundeter             Wölbung,
Zuckt' er die Lanz' auf jenen daher, und rief mit Getön aus:

Wohl schon hast du im Herzen gehofft, ruhmvoller                         Achilleus,
Diesen Tag zu verheeren die Stadt der mutigen Troer!
Törichter! traun noch viel soll des Elends werden um jene;

585   Weil wir annoch so viel' und so tapfere Männer darin sind,
Die für Eltern zugleich, und blühende Weiber und Kinder,
Ilios Feste beschirmen! Doch deiner harrt das Geschick hier,
Du entsetzlicher Mann, und unerschrockener Krieger!

Sprach's, und den blinkenden Speer aus gewaltiger Rechte             versandt' er,

590   Traf, und verfehlete nicht, das Schienbein unter dem Kniee,
Daß ringsher ihm die Schiene des neugegossenen Zinnes
Tönte mit schrecklichem Klang; doch es prallte das Erz vom             Getroffnen
Ab, und durchbohrete nicht, gehemmt von der Gabe des                   Gottes.
Auch der Peleid' itzt drang auf den göttergleichen Agenor
595   Wütend; doch nicht verstattet' Apollon Ruhm zu gewinnen,
Sondern hinweg ihn rafft' er, und rings mit Nebel umhüllend,
Ließ er ihn ruhig nunmehr aus Schlacht und Getümmel                       hinweggehn.
Aber den Peleionen mit List entfernt' er vom Volke.
Denn der treffende Gott, in Agenors Bildung erscheinend,
600   Trat ihm nah vor die Füß', und eilendes Laufes verfolgt' er.
Während er jenem anitzt nachlief durch Weizengefilde,
Welcher, gewandt zum wirbelnden Strom des tiefen                           Skamandros,
Wenig zuvor ihm entrann; denn mit List verlockt' ihn                           Apollon,
Daß er beständig ihn hofft' im fliegenden Lauf zu erhaschen:
605   Kamen indes einflüchtend die anderen Troer mit Haufen
Herzlich erwünscht in die Stadt, die umher von Gedrängten               erfüllt ward.
Keiner vermocht' anjetzt vor der Stadt und der türmenden                 Mauer
Andere noch zu erwarten, und umzuschaun, wer entflohn                 sei,
Und wer gefallen im Streit; nein herzlich erwünscht in die                   Feste
610   Strömten sie, wen die Schenkel und hurtigen Kniee gerettet.

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