Ilias - Kapitel 41 by Homer
Ilias - Kapitel 41 by Homer

Ilias - Kapitel 41

Homer * Track #41 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Ilias - Kapitel 41 Annotated

640   Jener sprach's, und dem Leibe die blutigen Waffen                               entreißend
Gab er den Freunden sie hin, der untadlige Held Menelaos;
Selbst dann wandt' er sich wieder, und drang in das                             Vordergetümmel.

Siehe, Pylämenes' Sohn Harpalion wütete jetzo
Gegen ihn her, der, gesellt dem herrschenden Vater, gen                   Troja

645   Kam in den Krieg, allein nicht wiederkehrte zur Heimat;
Dieser traf dem Atreiden gerade den Schild mit der Lanze,
Nahe gestellt; doch konnt' er hindurch nicht treiben die                       Spitze:
Schnell in der Freunde Gedräng' entzog er sich, meidend das             Schicksal,
Mit umschauendem Blick, ob den Leib ein Erz ihm erreichte.
650   Aber Meriones schoß den ehernen Pfeil nach dem Flüchtling,
Welcher rechts am Gesäß ihn verwundete, daß ihm die                     Spitze
Vorn, die Blase durchbohrend, am Schambein wieder                         hervordrang.
Hingesetzt auf der Stelle, den liebenden Freunden im Arme,
Matt den Geist ausatmend, dem Wurme gleich, auf der Erde
655   Lag er gestreckt; schwarz strömte sein Blut, und netzte den               Boden.
Ihn umeilten geschäftig die paphlagonischen Streiter,
Die in den Wagen gelegt ihn zur heiligen Ilios brachten,
Wehmutsvoll; auch folgte der Vater ihm, Tränen vergießend;
Doch nicht konnt' er rächen den Tod des lieben Sohnes.

660        Jetzt ward Paris im Geist um den Fallenden heftig erbittert,
Welcher sein Gastfreund war im paphlagonischen Volke;
Zürnend um ihn entsandt' er den ehernen Pfeil von der                       Senne.
Einer hieß Euchenor, ein Sohn Polyidos des Sehers,
Reich an Hab' und edel, ein Haus in Korinthos bewohnend,

665   Der, wohlkundig des Trauergeschicks, im Schiffe daherkam.
Denn oft sagt' ihm solches der gute Greis Polyidos,
Sterben würd' er zu Haus an peinlich schmachtender                         Krankheit,
Oder auch unter den Schiffen des Heers von den Troern                     getötet;
Darum mied er sowohl der Danaer schmähliche Strafe,
670   Als der Krankheit Schmerz, daß nicht in Gram er versänke.
Paris nun traf am Ohr und Backen ihn, daß aus den Gliedern
Schnell der Geist ihm entfloh; und Graun des Todes umhüllt'             ihn.

Also kämpften sie dort, wie lodernde Flammen des Feuers.
Doch nicht Hektor vernahm, der Göttliche, oder erkannt' es,

675   Daß zur Linken der Schiff' ihm die Seinigen würden getötet
Unter der Danaer Hand, und bald sich des Siegs die Achaier
Freueten: also trieb der Gestadumstürmer Poseidon
Argos' Söhne zum Kampf, auch selbst mit Stärke beschirmt'             er:
Sondern er hielt, wo zuerst durch Mauer und Tor er                             hereinsprang,
680   Dichte Reihn durchbrechend geschildeter Männer von                       Argos;
Dort wo Ajas die Schiff' an den Strand und Protesilaos
Längs dem grauen Gewässer emporzog; aber die Mauer
Baueten dort die Achaier am niedrigsten, wo vor den andern
Ungestüm anstrebten zum Kampf sie selbst und die Rosse.

685      Dort Böoten zugleich, und in langem Gewand' Iaonen,
Lokrer, und Phtias Söhn', auch hochberühmte Epeier,
Hemmten mit Müh von den Schiffen den Stürmenden; doch             sie vermochten
Nicht hinweg zu drängen die flammende Stärke des Hektor.

Vornan kämpften Athens Erlesene;und ihr Gebieter

690   Wandelte Peteos' Sohn Menestheus; aber zugleich ihm
Pheidas, und Bias der Held, und Stichios. Drauf den Epeiern
Ging der Phyleid' Held Meges, und Drakios vor, und                             Amphion.

Medon drauf vor den Phtiern, zugleich der tapfre Podarkes.
Jener war ein Bastard des göttergleichen Oileus,

695   Medon, des Ajas Bruder, des kleineren; aber er wohnte
Ferne vom Vaterland in Phylake, weil er den Vetter
Einst erschlug, Eriopis der späteren Gattin Oileus:
Doch Podarkes ein Sohn des Phylakiden Iphiklos.
Diese voran gewappnet vor Phtias mutiger Jugend
700   Kämpften, der Danaer Schiffe verteidigend, nächst den                       Böoten.

Ajas wollte sich nie, der rasche Sohn des Oileus,
Fernen, auch nicht ein wenig, vom Telamonier Ajas;
Sondern wie zween Pflugstiere den starken Pflug durch ein               Brachfeld,
Schwärzlich und gleich an Mute, daherziehn, und an den                   Stirnen

705   Ringsum häufiger Schweiß vorquillt um die ragenden Hörner;
Beide von einem Joch, dem geglätteten, wenig gesondert,
Gehn sie die Furche hinab, den Grund durchschneidend des               Feldes:
So dort halfen sich beid', und wandelten dicht aneinander.
Aber Telamons Sohn begleiteten viel' und entschloßne
710    Männer zum Streite gesellt, die seinen Schild ihm enthoben,
Wann ihm die Kriegsarbeit und der Schweiß die Kniee                       beschwerte.
Doch nicht folgten die Lokrer dem mutigen Sohn des Oileus:
Denn nicht duldet' ihr Herz im stehenden Kampfe zu                           kämpfen;
Denn nicht hatten sie Helme von Erz mit wallendem                           Roßschweif,
715    Hatten auch nicht gewölbete Schild' und eschene Lanzen;
Sondern mit Bogen allein und geflochtener Wolle des                         Schafes
Zogen sie voll Vertrauen gen Ilios, warfen mit diesen
Dichte Geschoss', und brachen die troischen                                         Kriegsgeschwader.
Jene nunmehr vornan, in prangendem Waffengeschmeide,
720   Kämpften mit Trojas Volk und dem erzumschimmerten                     Hektor:
Diese, von fern herwerfend, verbargen sich. Aber die Troer
Dachten nicht mehr des Gefechtes, verwirrt von dem Sturm             der Geschosse.
Schmachvoll wären anjetzt von den Schiffen daher und                       Gezelten
Heimgekehrt die Troer zu Ilios luftiger Höhe;
725   Aber Polydamas sprach, dem trotzigen Hektor sich nahend:

Hektor, du bist nicht leicht durch anderer Rat zu bewegen.
Weil dir ein Gott vorzüglich des Kriegs Arbeiten verliehn hat,
Darum willst du an Rat auch kundiger sein vor den andern?
Aber du kannst unmöglich doch alles zugleich dir erwerben.

730   Anderem ja gewährte der Gott Arbeiten des Krieges,
Anderem Reigentanz, und anderem Harf' und Gesänge;
Anderem legt' in den Busen Verstand Zeus' waltende                         Vorsicht,
Heilsamen, dessen viel' im Menschengeschlecht sich                         erfreuen,
Der auch Städte beschirmt; doch zumeist er selber genießt               sein.
735   Drum will ich dir sagen, wie mir's am besten erscheinet.
Rings ja droht dir umher die umzingelnde Flamme des                       Krieges.
Doch die mutigen Troer, nachdem sie die Mauer erstiegen,
Wenden sich teils vom Gefecht mit den Rüstungen; andere               kämpfen,
Weniger sie mit mehreren noch, durch die Schiffe zerstreuet.
740   Weiche demnach, und berufe die Edelsten alle des Volkes;
Daß wir vereint für alles entscheidenden Rat ausdenken:
Ob wir hinein uns stürzen ins Heer vielrudriger Schiffe,
So uns ein Gott willfährig den Sieg schenkt; ob wir anitzo
Heim von den Schiffen ziehn, unbeschädiget! Denn ich                       besorge
745   Traun, uns wägen zurück die gestrige Schuld die Achaier
Reichlich, dieweil bei den Schiffen der unersättliche Krieger
Harrt, der schwerlich hinfort sich ganz enthält des Gefechtes.

So des Polydamas Rat; den unschädlichen billigte Hektor.
Schnell vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang er zur               Erde;

750   Und er begann zu jenem, und sprach die geflügelten Worte:

Sammle, Polydamas, hier die Edelsten alle des Volkes.
Dorthin geh ich selber, der wütenden Schlacht zu begegnen;
Aber ich kehre sofort, nachdem ich alles geordnet.

Sprach's, und stürmte hinweg, dem Schneegebirge                           vergleichbar,

755   Lautes Rufs, und durchflog die Troer und die Genossen.
Doch zu Polydamas her, des Panthoos streitbarem Sohne,
Eilten die Edelsten alle, da Hektors Ruf sie vernahmen.
Nur den Deïphobos noch, und des herrschenden Helenos                   Stärke,
Adamas, Asios' Sohn, samt Asios, Hyrtakos' Sohne,
760   Sucht' im Vordergetümmel der Wandelnde, ob er sie fände.
Doch nicht fand er sie mehr unbeschädiget, noch ungetötet:
Einige lagen bereits um die ragenden Steuer von Argos,
Unter der Danaer Hand der mutigen Seelen beraubet;
Andere waren daheim, von Geschoß und Lanze verwundet.
765   Ihn nun fand er zur Linken der jammerbringenden                                 Feldschlacht,
Alexandros den Held, der lockigen Helena Gatten,
Welcher mit Mut beseelte die Freund', und ermahnte zu                     kämpfen.
Nahe trat er hinan, und rief die beschämenden Worte:

Weichling, an Schönheit ein Held, weibsüchtiger, schlauer             Verführer!

770   Sprich, wo Deïphobos ist, und des herrschenden Helenos                   Stärke,
Adamas, Asios' Sohn, samt Asios, Hyrtakos' Sohne?
Auch Othryoneus wo? Nun sank herab von dem Gipfel
Ilios tarnende Stadt; nun naht dein grauses Verhängnis!

Ihm antwortete drauf der göttliche Held Alexandros:

775   Hektor, dieweil dein Herz Unschuldige selber beschuldigt;
Eher ein andermal wohl zur Unzeit rasten vom Kampfe
Mocht' ich; denn mich auch gebar nicht ganz unkriegrisch                 die Mutter!
Denn seitdem bei den Schiffen zur Schlacht du erregtest die             Freunde,
Streben wir hier beständig im Scharengewühl der Achaier
780   Sonder Verzug! Doch die Freund' entschlummerten, welche               du forschest;
Zween, Deïphobos nur, und des herrschenden Helenos                       Stärke,
Eilten hinweg, verwundet mit langgeschafteten Lanzen,
Beid' an der Hand; doch den Tod entfernete Zeus Kronion.
Führe nunmehr, wohin dein Herz und Mut es gebietet:
785   Wir mit freudiger Seele begleiten dich; nimmer auch sollst du
Unseres Muts vermissen, so viel die Kraft nur gewähret!
Über die Kraft kann keiner, auch nicht der Tapferste,                           kämpfen!

Also sprach, und wandte des Bruders Herz Alexandros.
Beide nun eilten sie hin, wo am heftigsten Streit und Gefecht             war,

790   Um Kebriones her, und Polydamas' heilige Stärke,
Phalkes, und Orthäos, den göttlichen Held Polypötes,
Palmys, Askanios auch, und Morys, Hippotions Söhne:
Die aus dem scholligen Land' Askania wechselnd gekommen
Früh am vorigen Tag'; itzt trieb in die Schlacht sie Kronion.
795   Diese rauschten einher, wie der Sturm unbändiger Winde,
Der vor dem rollenden Wetter des Donnerers über das Feld               braust,
Und graunvolles Getöse die Flut aufregt, daß sich ringsum
Türmen die brandenden Wogen des weitaufrauschenden                   Meeres,
Krummgewölbt und beschäumt, vorn andr', und andere                     hinten:
800   So dort drängten sich Troer in Ordnungen, andre nach                       andern,
Schimmernd im ehernen Glanz, und folgeten ihren                               Gebietern.
Hektor strahlte voran, dem mordenden Ares vergleichbar,
Priamos' Sohn, und trug den gleichgeründeten Schild vor,
Dicht aus Häuten gedrängt, und umlegt mit starrendem Erze;
805   Und um des Wandelnden Schläfen bewegte sich strahlend                 der Helmschmuck.
Ringsumher versucht' er mit kühnem Gang die Geschwader,
Ob sie vielleicht ihm wichen, wie unter dem Schild' er                         dahertrat;
Doch nicht schreckt' er den Mut in der männlichen Brust der             Achaier.
Ajas nahte zuerst und foderte, mächtiges Schrittes:

810       Komm, Unglücklicher, komm! Warum doch schreckest du             also
Argos' Volk? Wir sind nicht unerfahrene Krieger;
Sondern Zeus mit der Geißel des Wehs bezwang die                           Achaier.
Sicherlich wohl im Herzen erwartest du auszutilgen
Unsere Schiffe; doch rasch sind auch uns die Hände zur                     Abwehr!

815   Traun weit eher vielleicht wird eure bevölkerte Feste
Unter unseren Händen besiegt und zu Boden getrümmert!
Auch dir selbst verkünd' ich den nahen Tag, da du fliehend
Jammern wirst zu Zeus und allen unsterblichen Göttern,
Daß mit der Schnelle der Falken die schöngemähneten Rosse
820   Heim zu der Stadt dich tragen, in staubender Flucht durch                 die Felder.

Als er es sprach, da schwebt' ihm rechtsher nahend ein                   Vogel,
Ein hochfliegender Adler; und lautauf schrien die Achaier,
Durch das Zeichen gestärkt. Doch es rief der strahlende                     Hektor:

Ajas, was plauderst du da, großprahlender, eiteler                             Schwätzer?

825   Wär' ich doch so sicher ein Sohn des Ägiserschüttrers
Zeus, zum unsterblichen Gott von der Herrscherin Here                     geboren,
Ewig geehrt, wie geehrt Athenäa wird von Apollon:
Als der heutige Tag ein Unheil bringt den Argeiern
Allen; du selbst auch liegst ein Erschlagener, wenn du es                   wagest,
830   Meinen gewaltigen Speer zu bestehn! Er zerreißt dir den                     zarten
Leib; dann sättigest du der Troer Hund' und Gevögel
Deines Fettes und Fleisches, gestreckt bei den Schiffen                       Achaias!

Also rief der Herrscher, und führete; jene nun folgten
Mit graunvollem Geschrei, und laut nachjauchzten die                       Völker.

835   Laut auch schrien die Argeier daher, des stürmenden Mutes
Eingedenk, und bestanden die nahenden Helden der Troer.
Beider Geschrei ertönte zu Zeus' hochstrahlendem Äther.

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