Ilias - Kapitel 48 by Homer
Ilias - Kapitel 48 by Homer

Ilias - Kapitel 48

Homer * Track #48 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Ilias - Kapitel 48 Annotated

Sprach's, und eilte voran; ihm folgte der göttliche Streiter.
560   Argos' Söhn auch ermahnte der Telamonier Ajas:

Seid nun Männer, o Freund', und Scham erfüll' euch die                   Herzen!
Ehret euch selbst einander im Ungestüme der Feldschlacht!
Denn wo sich ehrt ein Volk, stehn mehrere Männer, denn                   allen;
Doch den Fliehenden wird nicht Ruhm gewährt, noch                         Errettung!

565   Jener sprach's; und sie selber dem Feind zu wehren begierig,
Faßten all' in die Herzen das Wort; sie umzäunten die Schiffe
Rings mit ehrnem Geheg'; und Zeus trieb stürmend die                       Troer.
Doch den Antilochos reizte der Rufer im Streit Menelaos:

Keiner ist jünger denn du, Antilochos, vor den Achaiern,

570   Weder geschwinder im Lauf, noch tapfer wie du in der                       Feldschlacht;
Wenn du anjetzt vorspringend doch tötest einen der Troer!

Dieses gesagt, nun eilt' er zurück, und reizete jenen;
Und er entsprang dem Gewühl, und warf die blinkende                       Lanze,
Mit umschauendem Blick; und es flohn auseinander die                     Troer,

575   Als hinzielte der Mann: doch umsonst nicht sandt' er die                     Lanze,
Sondern dem Held Melanippos, dem mutigen Sohn                             Hiketaons,
Welcher zum Kampf herschritt, durchschoß er die Brust an               der Warze:
Dumpf hinkracht' er im Fall, und es rasselten um ihn die                     Waffen.
Aber Antilochos sprang, wie der rasche Hund auf des Rehes
580   Blutendes Kalb anstürzt, das, weil aus dem Lager es auffuhr,
Schnell der laurende Jäger durchschoß, und die Glieder ihm               löste:
So, Melanippos, auf dich sprang Nestors kriegrischer Sohn                 itzt,
Dir die Wehr zu entreißen. Ihn sah der göttliche Hektor,
Welcher entgegen ihm lief, durch Kampf und                                       Waffengetümmel.
585   Nicht, wie tapfer er war, bestand Antilochos jenen;
Sondern entflüchtete, gleich dem Gewild, das Böses getan                 hat,
Das, da den Hund um die Rinder es mordete, oder den                       Hirten,
Wegflieht, ehe die Schar versammelter Männer herandringt:
Also der Nestorid'; ihm nach die Troer und Hektor
590   Rannten mit lautem Getös', und schütteten herbe                               Geschosse;
Doch nun stand er gewandt, da der Seinigen Schar er                         erreichet.

Trojas Volk, blutgierig wie raubverschlingende Löwen,
Stürzte nunmehr in die Schiffe, des Donnerers Rat                               vollendend:
Der sie mit höherem Mut stets kräftigte, doch den Argeiern

595   Schwächte das Herz, und des Ruhms sie beraubete, stärkend             die Troer.
Denn dem Hektor beschloß sein Ratschluß Ruhm zu                           gewähren,
Priamos' Sohn, damit er die schreckliche Flamme des Feuers
Würf' in die prangenden Schiff', und ganz erfüllte der Thetys
Unbarmherzigen Wunsch: drum harrete Zeus Kronion,
600   Leuchten zu sehn den Glanz von einem brennenden Schiffe;
Doch alsdann verhängt' er den Troern Flucht und Verfolgung
Immerdar von den Schiffen, und Siegesruhm den Achaiern.
Also gesinnt, erregt er, der Danaer Schiffe zu stürmen,
Hektor, Priamos' Sohn, der selber des Kampfs auch begehrte.
605   Tobt' er doch wild, wie Ares mit raffendem Speer, und wie                 Feuer
Schrecklich die Berge durchtobt, in verwachsener Tiefe des               Waldes!
Siehe der Schaum umstand die Lippen ihm, während die                     Augen
Unter den düsteren Brauen ihm funkelten; und um die                         Schläfen
Wehte der Mähnenbusch von dem Helm des kämpfenden                 Hektors
610    Fürchterlich! Selbst war ihm aus des Äthers Höhn ein                         Beschirmer
Zeus, der jenem allein in mächtigen Scharen der Männer
Preis und Herrlichkeit gab: denn wenige Tage nur waren
Ihm gewährt; schon lenkt' ihm das finstere Todesverhängnis
Pallas Athene daher durch siegende Macht des Achilleus.
615    Jener nun ging zu durchbrechen die Ordnungen, rings                         versuchend,
Wo den dichtesten Haufen er sah, und die trefflichsten                       Waffen:
Dennoch versucht' er umsonst Einbruch, wie gewaltig er                   andrang;
Denn stets hemmt' ihn die Schar der Geschlossenen: gleich               wie ein Felsen,
Hochgetürmt und groß, an des bläulichen Meeres Gestade,
620   Welcher besteht der sausenden Wind' herzuckende Wirbel,
Und die geschwollene Flut, die gegen ihn brandend                             emporrauscht:
So vor den Troern bestand der Danaer Volk, und entfloh                     nicht.
Er, den strahlendes Feuer umleuchtete, sprang auf die                         Heerschar,
Hergestürzt, wie die Wog' in das rüstige Schiff sich                             hineinstürzt,
625   Ungestüm aus den Wolken vom Sturme genährt; es bedeckt             sich
Ganz mit Schaume das Schiff, und fürchterlich saust in dem               Segel
Oben die Wut des Orkans; und es bebt den erschrockenen                 Schiffern
Bange das Herz; weil wenig vom Tode getrennt sie                               entfliegen;
Also empört Unruhe das Herz der edlen Achaier.
630   Aber der Held, wie ein Löwe voll Wut eindringt in die Rinder,
Die in gewässerter Aue des großen Sumpfes umhergehn,
Tausende; nur ein Hirt begleitet sie, wenig geübt noch,
Ein krummhorniges Rind zu verteidigen wider ein Raubtier;
Zwar bei den vordersten bald, und bald bei den äußersten                 Rindern,
635   Wandelt er ängstlich umher; doch er, in die Mitte sich                         stürzend,
Würgt den Stier, und es entfliehn die Erschrockenen: so die               Achaier,
Graunbetäubt entflohn sie vor Hektors Macht und Kronions,
Alle; doch einen erschlug er, Mykenens Held Periphetes,
Kopreus' Sohn des Berühmten, der einst des Königs                             Eurystheus
640   Botschaft pflag zu bringen der hohen Kraft Herakles:
Ihm ein besserer Sohn, dem schlechteren Vater, gezeuget,
War er in jeglicher Tugend, im rüstigen Lauf, und im Kampfe,
Auch an Verstand mit den ersten im Rat der Mykener                         gepriesen;
Der nun sank vor Hektor, noch höheren Ruhm ihm                               gewährend.
645   Denn wie zurück er wandte, da stieß er sich unten am Borde
Seines Schilds, den er trug, die fers'erreichende Schutzwehr:
Er, verwickelt daran, sank rückwärts, und um die Schläfen
Tönte mit furchtbarem Klange der Helm des fallenden                         Kriegers.
Hektor sofort bemerkt' es, und eilendes Laufs ihm genahet,
650   Bohrt' er die Lanz' in die Brust, ihn dicht bei den lieben                       Genossen
Mordend: sie suchten umsonst, betraurend zwar den                         Genossen,
Rettung; sie selbst erbebten zu sehr dem göttlichen Hektor.

Vorwärts hatten sie jetzt, und umher die äußersten Schiffe,
Die man zuerst aufzog; allein nachstürzten sich jene.

655   Zwar die Danaer wichen genötiget auch von den vordern
Schiffen zurück; doch dort beharrten sie bei den Gezelten
Scharweis, nicht sich zerstreuend durchs Lager umher; denn             es hielt sie
Scham und Furcht; sie ermahnten sich unablässig einander.
Nestor vor allen der Greis, der gerenische Hort der Achaier,
660   Flehete jeglichem Manne, bei Stamm und Geschlecht ihm                 beschwörend:

Seid nun Männer, o Freund', und Scham erfüll' euch die                   Herzen
Scham vor anderen Menschen! Noch mehr erinnre sich jeder
Seines Weibs, und der Kinder, des Eigentums, und der Eltern,
Welchen sie leben sowohl, als welchem bereits sie                             gestorben!

665   Ihrenthalb, der Entfernten, beschwör' ich jetzo euch flehend,
Tapfer den Feind zu bestehn, und nicht zur Flucht euch zu                 wenden!

Jener sprach's, und erregte zu Mut und Stärke die Männer.
Allen nunmehr von den Augen entnahm Athene des                           Dunkels
Hehres Gewölk; und Licht umstrahlte sie hiehin und dorthin,

670   Nach der Seite der Schiff, und des allverheerenden Krieges.
Hektor sahn sie, den Rufer im Streit, und sahn die Genossen,
Jene, die hinterwärts sich entferneten, müde des Kampfes,
Und die mutig den Kampf um die rüstigen Schiffe noch                       kämpften.

Nicht mehr jetzt gefiel es dem heldenmütigen Ajas,

675   Dort in der Ferne zu stehn mit den anderen Söhnen Achaias;
Sondern der Schiffe Verdeck' umwandelt' er, mächtiges                     Schrittes,
Und bewegt' in dein Händen die mächtige Stange des                         Meerkampfs,
Wohlgefügt mit Ringen, von zweiundzwanzig Ellen.
So wie ein Mann, mit Rossen daherzusprengen verständig,
680   Der, nachdem er aus vielen sich vier Reitrosse vereinigt,
Rasch aus dem flachen Gefilde zur großen Stadt sie                             beflügelt,
Auf dem gemeinsamen Weg'; und viel anstaunend ihm                       zuschaun,
Männer umher und Weiber; denn sicher stets und unfehlbar
Springt er vom anderen Roß aufs andere; und sie entfliegen:
685   So dort Ajas, auf vieler gerüsteten Schiffe Verdecke
Wandelt' er mächtiges Schritts; und es tönte sein Ruf bis                   zum Äther.
Immerdar mit schrecklichem Laut den Achaiern gebot er,
Daß sie Schiff' und Gezelte verteidigten. Aber auch Hektor
Weilete nicht im Haufen der dichtumpanzerten Troer;
690   Nein, wie ein glänzender Adler auf weitgeflügelter Vögel
Scharen daher sich stürzt, die weidend am Strom sich                         gelagert,
Kraniche, oder Gäns', und das Volk langhalsiger Schwäne:
So drang Hektor dort auf ein schwarzgeschnäbeltes                             Meerschiff
Grad' im stürmenden Lauf; ihn schwang von hinten Kronion
695   Mit allmächtiger Hand, und erregte die folgende Heerschar.

Wiederum ein bitterer Streit bei den Schiffen erhub sich;
Gleich als flög' unermüdet und nie bezwungenes Mutes
Jeder zum Kampfe daher: so tobten sie wild aneinander.
Dieser Gedank' entflammte die Streitenden: sie, die Achaier

700   Dachten nicht zu entfliehn vor den Schrecknissen, sondern               zu sterben;
Aber den Troern hofft' ein jeglicher mutiges Herzens,
Anzuzünden die Schiff', und Achaias Helden zu morden.
Also gefaßt im Herzen bekämpften sie wütend einander.

Hektor erhub nun die Hand zum Steuerende des                               Meerschiffs,

705   Das, leichtsegelnd und schön, den Protesilaos gen Troja
Hergeführt, allein nicht wiederbrachte zur Heimat.
Hierum kämpfeten jetzt die Troer und die Achaier,
Wild durcheinander gemengt, und mordeten: siehe fürwahr               nicht
Ferne des Bogenschusses erharrten sie, oder des Speeres;
710   Sondern nahe zusammen gedrängt, einmütiges Herzens,
Schwangen sie scharfe Beil' und hauende Äxt' aufeinander,
Auch gewaltige Schwerter, und zwiefach schneidende                       Lanzen.
Manches stattliche Schwert mit schwarzumwundenem Hefte
Stürzete dort aus der Hand in den Staub, und dort von den                 Schultern
715    Streitender Männer herab; und in Blut floß ringsum die Erde.
Hektor, nachdem er das Schiff anrührete, ließ es durchaus                 nicht,
Fest den Knauf in den Händen gefaßt, und ermahnte die                     Troer:

Feuer her, und erhebt in stürmendem Drange den                           Schlachtruf!
Uns nun sendete Zeus den Tag, der alle vergütet:

720   Daß wir die Schiff' einnehmen, die trotz den Unsterblichen                 landend
Uns so viel Unheiles gebracht, durch die Zagheit der Greise,
Welche, so oft zu kämpfen ich strebt' um die ragenden                       Steuer,
Immer mich selbst abhielten, und Kriegsvolk mir versagten.
Aber hat auch dann uns betört Zeus' waltende Vorsicht
725   Unseren Sinn; doch jetzo ermahnt er selbst und gebietet!

Jener sprach's; und sie stürmten noch heftiger auf die                     Achaier,
Ajas bestand nicht fürder, ihn drängten zu sehr die                             Geschosse;
Sondern entwich ein wenig, da Todesgraun er zuvorsah,
Hoch auf des Steuerers Bank, vom Verdeck des                                   schwebenden Schiffes.

730   Dort gestellt nun späht' er umher, mit der Lanze die Troer
Stets von den Schiffen entfernend, wer loderndes Feuer                     herantrug;
Stets auch ruft' er mit schrecklichem Laut, und gebot den                   Achaiern:

Freund', ihr Helden des Danaerstamms, o Genossen des                 Ares!
Seid nun Männer, o Freund', und gedenkt des stürmenden                 Mutes!

735   Wähnen wir denn, uns stehn noch tapfere Helfer dahinten?
Oder ein stärkerer Wall, der das Weh abwehre den                             Männern?
Keine Stadt ist nahe, mit türmender Mauer befestigt,
Die uns verteidigen könnt', abwechselndes Volk uns                           gewährend;
Sondern ja hier im Felde der dichtumpanzerten Troer
740   Liegen wir nahe dem Meer, entfernt vorn Lande der Väter!
Nur in den Armen ist Heil, und nicht in der Laue des                             Kampfes!

Sprach's, und schaltete wütend daher mit der spitzigen                  Lanze.
Wer auch alljetzt der Troer den räumigen Schiffen sich                       nahte,
Flammende Glut in der Hand, dem ermahnenden Hektor                   gehorsam;

745   Schnell verwundet' ihn Ajas, mit langem Speer ihn                               empfangend.
Zwölf mit stürmender Hand vor Achaias Schiffen erlegt' er.

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