Ilias - Kapitel 73 by Homer
Ilias - Kapitel 73 by Homer

Ilias - Kapitel 73

Homer * Track #73 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Ilias - Kapitel 73 Annotated

Denn er saß aus dem Kreise getrennt auf der höheren                         Warte.
Jenen anjetzt von fern, der laut herdrohte, vernehmend
Kannt' er, und merkte das Roß, das hell und kennbar                           hervorschien:
Welchem rötlich umher der Leib war, aber die Stirne
455   Weiß die gerundete Blässe bezeichnete, ähnlich dem                         Vollmond.
Aufrecht stand der König, und redete vor den Argeiern:

Freunde, des Volks von Argos erhabene Fürsten und                        Pfleger,
Kenn' ich allein die Rosse der Kommenden, oder auch ihr                   dort?
Andere dünken mir jetzt die vorderen Rosse der Kämpfer,

460   Auch ihr Lenker erscheint ein anderer. Jene vielleicht sind
Dort im Gefilde verletzt, die hinauf die tapfersten waren.
Denn zwar sah ich zuerst sie herum an dem Ziele sich                         schwingen;
Doch nun kann ich sie nirgends ersehn, ob rings mir die                     Augen
Durch der Troer Gefild' umherschaun forschendes Blickes.
465   Sind dem Lenker vielleicht die Zügel entflohn, und vermocht'             er
Nicht zu wenden ums Ziel, und traf unglücklich die Beugung?
Dort wohl stürzt' er vorn Sessel herab, und der Wagen                       zerbrach ihm,
Und es entsprangen zerscheucht mit verwildertem Geiste die           Stuten.
Aber schauet auch ihr, und erhebet euch! Nicht ja vermag                 ich
470   Jene genau zu erkennen; doch dünkt der Lenker des Wagens
Mir der ätolische Mann, der Argos' Scharen beherrschet,
Tydeus' des reisigen Sohn, der starke Held Diomedes.

Höhnend verwies ihm Ajas, der schnelle Sohn des Oileus:
Was weissagst du so laut, Idomeneus? Ferne hinweg ja

475   Fliegen gehobenes Hufs die Ross' im weiten Gefilde!
Nicht doch bist du der jüngste so sehr im Volk der Argeier,
Noch sind dir am schärfsten im Haupt die spähenden                         Augen!
Aber du warst beständig ein Plauderer! Nicht ja geziemt dir,
Rasch mit der Zunge zu sein; denn hier sind bessere Männer!
480   Dort sind die Stuten annoch die vorderen, so wie im Anfang;
Und noch fährt Eumelos, die lenkenden Seil' in den Händen!

Aber voll Zorns antwortete drauf der Herrscher von Kreta:
Ajas, im Zank der erste, du Lästerer! Anderer Tugend
Trägst du wenig im Volk, denn du bist unfreundliches                         Herzens!

485   Hurtig, ein Dreifuß steh' uns Wettenden, oder ein Becken;
Aber ein Zeuge des Streits sei Atreus' Sohn Agamemnon,
Wessen die vorderen Rosse: damit du es büßend erkennest!

Jener sprach's; da erhub sich der schnelle Sohn des Oileus,
Zürnendes Muts, noch mehr der heftigen Worte zu                             wechseln.

490   Und noch hätten fortan die Zankenden beide geeifert,
Wenn nicht Achilleus selbst sich emporhub, also beginnend:

Nicht mehr jetzt miteinander der heftigen Worte                             gewechselt,
Ajas, und Idomeneus du; denn wenig geziemt's euch!
Selbst ja tadeltet ihr's, wenn ein anderer solches begönne.

495   Aber sitzt ihr ruhig im Kreis', und schaut nach den Rossen
Forschend hinauf: bald werden, gereizt von Begierde des                   Sieges,
Jene von selbst ankommen; dann mögt ihr jeder erkennen,
Welches Gespann der Argeier voranläuft, welches dahinten.

Also der Held; da nahte mit raschem Gespann Diomedes.

500   Immer umschwang er die Schultern, und geißelte; aber die               Rosse
Huben sich hoch von der Erde, den Weg in Eile vollendend.
Immer auch flog um den Lenker der Staub, von den Hufen                 gesprenget;
Während der prangende Wagen, mit Zinn und Golde                           gezieret,
Schnell dem Sturm des Gespanns nachrasselte; und nur ein               wenig
505   Tauchte von hinten das Gleis der erzbeschlagenen Räder
In den gelockerten Staub: so eileten fliegend die Rosse.
Mitten nun hielt er im Kreis', und es quoll den dampfenden               Rossen
Ringsum Schweiß von den Nacken und vorn von der Brust                 auf die Erde.
Selber darauf entsprang er dem hellumschimmerten Sessel,
510    Lehnete dann die Geißel ans Joch. Nicht säumte der tapfre
Sthenelos nun, er ergriff in freudiger Eile den Kampfpreis,
Gab dann hinwegzuführen das Weib den mutigen Freunden,
Samt dem gehenkelten Kessel, und lösete selber die Rosse.

Nächst ihm lenkte die Ross' Antilochos, Enkel des Neleus,

515    Welcher durch List, durch Schnelligkeit nicht, Menelaos                     zuvorkam.
Dennoch trieb Menelaos ihm nah die hurtigen Rosse.
Weit wie dem Rade das Roß entfernt ist, welches den Eigner
Trägt, und gestreckt vor dem Wagen dahersprengt durch das           Gefilde;
Hinten berührt's des Rades umschienten Rand mit den                       Haaren
520   Seines Schweifs; denn nah ihm enteilet es, und nur ein wenig
Raum ist, welcher es trennt im Lauf durch das weite Gefilde:
Auch so weit von dem edlen Antilochos blieb Menelaos
Nun zurück, da zuerst bis zum Scheibenwurf er zurückblieb;
Doch bald holt' er ihn ein: denn mutiger stets und                               entflammter
525   Sprang die Stut' Agamemnons einher, die glänzende Äthe.
Hätte noch weiter die Bahn sich erstreckt den jagenden                     Kämpfern,
Sicherlich wär' er voraus, doch wenigstens gleich ihm                         gekommen.
Aber Meriones drauf, Idomeneus' tapferer Kriegsfreund,
Blieb des Speerwurfs Weite vom rühmlichen Held Menelaos:
530   Denn am trägsten ihm war das Gespann schönmähniger                   Rosse,
Wenig er selbst auch geübt ein Geschirr zu lenken im                         Wettkampf.
Endlich der Sohn Admetos' erschien zuletzt nach den                         andern,
Schleppend den zierlichen Wagen, und vorwärts treibend die           Rosse.
Mitleidsvoll erblickt' ihn der mutige Renner Achilleus,
535   Stand im Kreis der Argeier, und sprach die geflügelten Worte:

Schaut, wie zuletzt der tapfere Mann sein edles Gespann               lenkt!
Aber wohlan, ihm selber nach Billigkeit werde der Preise
Zweiter verliehen; doch der erste gebührt dem Sohne des                 Tydeus.

Jener sprach's; und alle sie billigten, was er geordnet.

540   Und nun hätt' er das Roß ihm verliehen, denn die Danaer                   wollten's;
Hätt' Antilochos nicht, der Sohn des erhobenen Nestor,
Schnell vom Sitz sich erhebend, mit Peleus' Sohne gerechtet:

Heftig werd' ich dir zürnen, Achilleus, wo du vollendest
Dieses Wort! denn du willst mir selbst entwenden den                       Kampfpreis,

545   Denkend im Geist, weil jener Gespann und Wagen                               beschädigt,
Er ein trefflicher Mann! Allein den unsterblichen Göttern
Sollt' er flehn; nie wär er zuletzt mit dem Wagen gekommen!
Aber bedaurst du ihn, und gefällt es dir also im Herzen;
Siehe so hast du im Zelte des Goldes viel und des Erzes,
550   Hast auch Schaf', und Mägde genug, und stampfende Rosse:
Nimm davon, und ehr' ihn sogar mit höherem Kampfpreis,
Künftig oder auch gleich, damit die Achaier dich loben.
Aber nie entsag' ich dem Roß; um dieses versuche,
Welcher Mann es begehrt, mit mir im Kampfe zu streiten!

555        Sprach's; und lächelnd vernahm es der mutige Renner                   Achilleus,
Seines Antilochos froh, der ihm ein trauter Genoß war.
Ihm antwortet' er drauf, und sprach die geflügelten Worte:

Soll ich, Antilochos, denn ein andres Geschenk dem                         Eumelos
Geben aus meinem Gezelt; ich will dir auch dieses gewähren.

560   Ihm denn schenk' ich den Harnisch, von Asteropäos                           erbeutet,
Dem um die eherne Scheib' ein Guß hellstrahlendes Zinnes,
Ringsumher sich dreht; nicht wenig wird er ihm wert sein.

Sprach's, und Automedon drauf, dem trauten Freunde,                   gebot er,
Aus dem Gezelt ihn zu bringen; er eilt', und brachte den                     Harnisch.

565   Diesen reicht' er Eumelos; und freudig nahm ihn der König.

Jetzo stand Menelaos empor, unmutiges Herzens,
Zürnend mit Ungestüm dem Antilochos; aber ein Herold
Reicht' in die Händ' ihm den Scepter, und rief, Stillschweigen             gebietend,
Argos' Volk; und jetzo begann der göttliche Kämpfer:

570        Welche Tat begingst du, Antilochos, sonst so verständig?
Meine Tugend hast du geschmäht, und die Rosse gehindert,
Deine mit List vordrängend, die weit geringer doch waren!
Aber wohlan, der Argeier erhabene Fürsten und Pfleger,
Schlichtet das Recht uns beiden nach Billigkeit, keinem                       zuliebe;

575   Daß nicht jemand sage der erzumschirmten Achaier:
Trüglich hat Atreus' Sohn den Antilochos überwältigt,
Und ihn der Stute beraubt, da weit geringer doch waren
Seine Ross', er selber an Macht vorragend und Stärke.
Aber ich selbst will schlichten, und schwerlich wird, was ich             sage,
580   Tadeln sonst ein Achaier im Volk; denn gerecht sei der                       Ausspruch.
Auf, Antilochos, komm, du Göttlicher, und nach der Sitte
Vor die Rosse gestellt und des Wagens Geschirr, in den                     Händen
Haltend die schwanke Geißel, womit du eben gelenket,
Rühre die Ross', und schwöre zum Erderschüttrer Poseidon,
585   Daß du nicht vorsätzlich mit List mir den Wagen gehindert!

Und der verständige Jüngling Antilochos sagte dagegen:
Zähme dein Herz; du siehst ja, ich bin weit jüngeres Alters,
Edler Fürst Menelaos, du ragst an Jahren und Tugend.
Weißt du doch, wie ein Jüngling sich leicht zu Vergehungen             wendet:

590   Übereilt ist ihr flatternder Sinn, und eitel ihr Ratschluß.
Drum laß jetzo das Herz dir besänftigen. Gern ja die Stute
Geb' ich dir, die ich nahm; und fordertest du von dem                         Meinen
Sonst ein Größeres noch, mit Freudigkeit brächt' ich sogleich           es
Dir zum Geschenk: nur daß ich, o göttlicher Held, nicht auf               immer
595   Deinem Herzen entfall', und sündige wider die Götter!

Sprach's, und führte das Roß, der Sohn des erhabenen                   Nestor,
Gab es sodann in die Hand Menelaos'. Jenem durchdrang                 nun
Wonne das Herz, wie der Tau sich mild um die Ähren                         verbreitet
Frisch aufwachsender Saat, wann ringsum starren die Felder:

600   So durchdrang, Menelaos, dein Herz erfrischende Wonne.
Und er begann zu jenem, und sprach die geflügelten Worte:

Jetzo will ich selber, Antilochos, gerne dir nachsehn,
Eifert' ich schon; denn nicht ausschweifendes, flatterndes                 Geistes
Warst du vordem, und jetzo besiegte dein Herz nur die                       Jugend.

605   Aber hinfort vermeide, die besseren schlau zu belisten.
Nicht so leicht hätt' ein anderer mich der Achaier besänftigt;
Doch du hast ja so vieles getan, und so vieles erduldet,
Meinethalb, du selbst, und dein tapferer Vater und Bruder.
Drum willfahr' ich gerne dir Flehenden, und auch die Stute
610   Geb' ich, die meinige, dir: daß all' umher es erkennen,
Weit sei entfernt mein Herz von Übermut und Gewalttat.

Dieses gesagt, gab jener Antilochos' Freunde Noemon
Wegzuführen das Roß, und nahm sich das schimmernde                   Becken.
Aber Meriones nahm die zwei Talente des Goldes,

615    Er der vierte des Kampfs. Der fünfte Preis, der zurückblieb,
War die doppelte Schale; die gab dem Nestor Achilleus,
Trug durch Argos' Söhne sie hin, und redete nahend:

Nimm, und bewahr', o Greis, dies Denkmal unserer                         Freundschaft,
Zu des begrabnen Patroklos Erinnerung! Nimmer hinfort ihn

620   Schaust du in Argos Volk! Ich gewähre dir diesen Kampfpreis
Frei: auch teilst du schwerlich den Faustkampf, oder das                     Ringen,
Noch das Spiel des geschwungenen Speers, noch hurtiger                 Schenkel
Wettlauf; denn schon drückt dich die Last des höheren                       Alters.

Sprach's, und reicht' ihm die Schal'; und freudig nahm sie               der König;

625   Und er begann zu jenem, und sprach die geflügelten Worte:

Wahrlich, o Sohn, du hast wohlziemende Worte geredet.
Nicht mehr fest sind die Glieder, die Füße, mein Freund, auch           die Arme
Regen sich nicht von den Schultern so leicht und behende                 wie ehmals.
Wär' ich so jugendlich noch, und ungeschwächtes                               Vermögens,

630   Wie in Buprasion einst am Leichenfest Amarynkeus,
Als Kampfpreise gesetzt des epeiischen Königes Kinder.
Dort war mir nicht einer an Kraft gleich, nicht der Epeier,
Noch der Pylier selbst, noch auch der erhabnen Ätoler.
Denn mit der Faust besiegt' ich des Enops Sohn Klytomedes;
635   Ringend drauf Ankäos von Pleuron, welcher mir aufstand;
Eilete dann vorüber dem fertigen Läufer Iphiklos;
Schoß darin ab mit dem Speere dem Phyleus, samt                             Polydoros.
Nur mit Rossen gewannen mir ab die Aktorionen,
Aber an Zahl vorstrebend, im neidischen Durste des Sieges;
640   Denn dort waren die größten der herrlichen Preise noch                     übrig.
Beide nun fuhren gepaart: der hielt und lenkte die Zügel,
Lenkte die Zügel mit Macht; und der andere trieb mit der                   Geißel.
So war ich einst! Doch jetzo vergönn' ich es jüngeren                           Männern,
Solcherlei Taten zu tun, ich selbst vom traurigen Alter
645   Abgelöst: doch damals wie schimmert' ich unter dem                         Helden!
Gehe denn hin, und feire den Tod des Genossen mit                           Wettkampf.
Gern empfang' ich dieses Geschenk, und es freuet mein Herz           sich,
Daß du noch meiner gedenkst, des Liebenden, nimmer                       vergessend,
Mich mit geziemender Ehr' in Argos' Volke zu ehren.
650   Lohnen es dir die Götter mit herzerfreuendem Danke!

Jener sprach's, und Achilleus, die Schar der Achaier                         durchwandelnd,
Ging, nachdem er das Lob des Neleiaden vernommen.
Jetzt der schrecklichen Wette des Faustkampfs setzt' er die               Preise.
Führend band er im Kreis' ein arbeitduldendes Maultier,

655   Ungezähmt, sechsjährig, und hart zu bezähmendes Trotzes;
Doch dem Besiegeten ward ein doppelter Becher                                 beschieden.
Aufrecht stand der Peleid', und redete vor den Argeiern:

Atreus' Söhn', und ihr andern, ihr hellumschienten Achaier,
Hierum laßt zween Männer, die tapfersten hier, sich                           bekämpfen,

660   Hoch die Händ' aufhebend zum Faustkampf. Wem nun                       Apollon
Gibt, als Sieger zu stehn, erkannt von allen Achaiern,
Solcher führ' ins Gezelt das arbeitduldende Maultier;
Doch wer im Kampf erlag, empfange den doppelten Becher.

Jener sprach's; da erhub sich ein Mann, machtvoll und                    gewaltig,

665   Panopeus' Sohn Epeios, geübt in der Kunde des                                     Faustkampfs.
Der nun rief, anfassend das arbeitduldende Maultier:

Komme heran, wer begehrt den doppelten Becher zu                     nehmen!
Aber das Maultier, mein' ich, entführt kein andrer Achaier,
Siegend im Kampfe der Faust; denn ich rühme mich selber                 dem besten.

670   Nicht genug, daß der Schlacht ich ermangele? Traun ja                       unmöglich
Könnt' in jeglichem Werk ein Sterblicher Kunde gewinnen.
Dieses verkünd' ich zuvor, und das wird wahrlich vollendet:
Ganz den Leib zerschmettr' ich umher, und Gebeine                           zermalm' ich!
Bleibe denn hier miteinander die Schar der Leichenbesorger,
675   Daß sie dem Mann wegtragen, von meiner Stärke gebändigt.

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