Ilias - Kapitel 57 by Homer
Ilias - Kapitel 57 by Homer

Ilias - Kapitel 57

Homer * Track #57 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 57 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 57 Annotated

Achtzehnter Gesang

Achilleus jammert um Patroklos' Tod. Thetys hört seinen Entschluß Hektor zu töten, obgleich ihm bald nach jenem zu sterben bestimmt sei, und verheißt ihm andere Waffen von Hephästos. Den Achaiern entreißt Hektor beinahe den Leichnam; aber Achilleus, der sich waffenlos an den Graben stellt, schreckt durch sein Geschrei die Troer. Nacht. Den Troern rät Polydamas, in die Feste zu ziehn, ehe Achilleus hervorbreche: welches Hektor verwirft. Die Achaier wehklagen um Patroklos und legen ihn auf Leichengewande. Der Thetys schmiedet Hephästos die erbetenen Waffen.

Also kämpften sie dort, wie lodernde Flammen des Feuers.
Doch zu Achilleus bracht' Antilochos eilend die Botschaft.
Ihn nun fand er vorn in des Meers hochhauptigen Schiffen,
Dem nachsinnend im Geist, was schon zur Vollendung                       genahet.
5        Tief aufseufzt' er und sprach zu seiner erhabenen Seele:

Wehe mir doch! was fliehen die hauptumlockten Achaier
Wieder mit Angst zu den Schiffen, dahergescheucht im                     Gefilde?
Wenn nur nicht die Götter das Jammergeschick mir                             vollendet,
So wie vordem mir die Mutter verkündiget, und mir gesaget,

10      Daß noch, weil ich lebte, der tapferste Myrmidone
Unter der Troer Hand das Licht der Sonne verließe!
Wahrlich gewiß schon starb Menötios' tapferer Sprößling!
Böser! traun ich befahl, wann die feindliche Glut er                               gewendet,
Heim zu den Schiffen zu gehn, nicht Hektor mit Macht zu                   bekämpfen!

15          Als er solches erwog in des Herzens Geist und Empfindung;
Siehe da kam ihm nahe der Sohn des erhabenen Nestor,
Heiße Tränen vergießend, und sprach die schreckliche                       Botschaft:

Wehe mir, Peleus' Sohn, des Feurigen, ach ein entsetzlich
Jammergeschick vernimmst du, was nie doch möchte                         geschehn sein!

20     Unser Patroklos sank; sie kämpfen bereits um den Leichnam,
Nackt wie er ist; denn die Waffen entzog der gewaltige                       Hektor!

Sprach's; und jenen umhüllte der Schwermut finstere                      Wolke.
Siehe mit beiden Händen des schwärzlichen Staubes                           ergreifend,
Überstreut' er sein Haupt, und entstellte sein liebliches                       Antlitz;

25      Auch das ambrosische Kleid umhaftete dunkele Asche.
Aber er selber groß weithingestreckt in dem Staube
Lag, und entstellete raufend mit eigenen Händen das                           Haupthaar.
Mägde zugleich, die Achilleus erbeutete, und Patroklos,
Laut mit bekümmerter Seel' aufschrieen sie; all' aus der Türe
30     Liefen sie her um Achilleus den Feurigen, und mit den                         Händen
Schlugen sie alle die Brust, und jeglicher wankten die Kniee.
Drüben Antilochos auch wehklagete, Tränen vergießend,
Haltend Achilleus' Händ', als beklemmt sein mutiges Herz                 rang:
Daß er nicht die Kehle sich selbst mit dein Eisen                                   durchschnitte.
35      Fürchterlich weint' er empor. Da hört' ihn die treffliche                       Mutter,
Sitzend dort in den Tiefen des Meers beim grauen Erzeuger.
Laut aufschluchzte sie nun; und die Göttinnen kamen                         versammelt,
Alle, so viel Nereiden des Meers Abgründe bewohnten.
Dort war Glauke nunmehr, Kymodoke auch, und Thaleia,
40     Speio, Nesäa, und Thoe, und Halia, herrschendes Blickes,
Auch Aktäa, Kymothoe auch, und Limnoreia,
Melite dann, und Jära, Amphithoe auch, und Agaue,
Doto zugleich, und Protho, Dynamene, Kallianeira,
Auch Dexamene dort, Aphionome auch, und Pherusa,
45     Doris, und Panope auch, und edles Ruhms Galateia,
Dann Nemertes, Apseudes zugleich, und Kallinassa;
Dort war auch Ianeira, und Klymene, auch Ianassa,
Mära, und Oreithya, und schönumlockt Amatheia;
Und wo sonst Nereïden des Meers Abgründe bewohnten.
50     Jene, die silberne Grotte der Herrscherin weit erfüllend,
Schlugen sich alle die Brust; und zuerst wehklagete Thetys:

Hört mich all', ihr Schwestern, unsterbliche Töchter des                 Nereus,
Daß ihr vernehmt den Jammer, wieviel mir die Seele                           belastet!
Weh mir Armen, o mir unglücklichen Heldenmutter,

55      Die ich den Sohn mir gebar, so edeles Sinns, und so tapfer,
Hoch vor den Helden geschmückt Er schwang sich empor,                 wie ein Sprößling;
Und ich erzog ihn mit Fleiß, wie die Pflanz' im fruchtbaren                 Acker;
Drauf in geschnäbelten Schiffen gen Ilios sandt' ich daher                   ihn,
Trojas Volk zu bekämpfen; doch nie empfang' ich ihn wieder,
60     Wann er zur Heimat kehrt, in Peleus' ragende Wohnung!
Aber so lang' er mir lebt, und das Licht der Sonne noch                       schauet,
Duldet er Qual; und nichts vermag ich ihm nahend zu helfen!
Dennoch geh ich, zu schaun mein trautes Kind, und zu                       hören,
Welch ein Jammer ihn traf, der entfernt vom Kriege beharret!

65          Dieses gesagt, verließ sie die Wölbungen; jene zugleich ihr
Gingen mit Tränen benetzt, und umher die Woge des                         Meeres
Trennte sich. Als sie nunmehr zur scholligen Troja gelangten,
Stiegen sie auf zum Gestade der Reihe nach, wo das                           Geschwader
Myrmidonischer Schiff' herstand um den schnellen                             Achilleus.

70     Nahe jetzt dem Schluchzenden trat die göttliche Mutter,
Und lautweinend umschlang sie das Haupt des teuersten                   Sohnes;
Und sie begann wehklagend, und sprach die geflügelten                     Worte:

Liebes Kind, was weinst du? und was betrübt dir die Seele?
Sprich, verhehle mir nichts! Dir ward doch alles vollendet

75     Jenes von Zeus, wie vordem mit erhobenen Händen du                       flehtest:
Daß um die Steuer zusammengedrängt die Männer Achaias,
Schmachtend nach deiner Hilf', unwürdige Taten erlitten!

Doch schwerseufzend begann der mutige Renner                             Achilleus:
Mutter, es hat mir zwar der Olympier jenes vollendet.

80     Aber was frommt mir solches, nachdem mein teurer                           Patroklos
Mir hinsank, den ich wert vor allen Freunden geachtet,
Wert wie mein eigenes Haupt! Er sank; und die Waffen                       entzog ihm
Hektor, der ihn erschlug, so gewaltige, Wunder dem Anblick,
Köstliche: welche dem Peleus die ehrenden Götter                               geschenket,
85     Jenes Tags, da sie dich dem Sterblichen führten zum Lager.
Daß du vielmehr doch dort zu Meergöttinnen gesellet
Wohntest, und Peleus hätt' ein sterbliches Weib sich                         erkoren!
Nun muß dir auch die Seel' unendlicher Jammer belasten,
Um den gestorbenen Sohn; denn nie empfängst du ihn                       wieder,
90     Wann er zur Heimat kehrt! Ja selbst gebeut mir das Herz                   nicht,
Lebend umherzugehn mit Sterblichen, wo mir nicht Hektor
Erst von meiner Lanze durchbohrt das Leben verlieret,
Und für Patroklos' Raub, des Menötiaden, mir büßet!

Aber Thetys darauf antwortete, Tränen vergießend:

95     Bald, mein Sohn, verblühet das Leben dir, sowie du redest!
Denn alsbald nach Hektor ist dir dein Ende geordnet!

Unmutsvoll antwortete drauf der schnelle Achilleus:
Möcht' ich sogleich hinsterben, da nicht mir gönnte das                     Schicksal,
Meinen erschlagenen Freund zu verteidigen! Fern von der                 Heimat

100   Sank er, und mangelte meiner, des Fluchs Abwehrer zu                       werden!
Nun da ich nicht heimkehre zum lieben Lande der Väter,
Hab' ich weder Patroklos mit Heil erfreut, noch die andern
Freund' im Volk, die so viele dem göttlichen Hektor erlagen;
Sondern ich sitz' an den Schiffen, umsonst die Erde                             belastend,
105    Solch ein Mann, wie keiner der erzumschirmten Achaier,
In der Schlacht; denn im Rate besiegen mich andere Männer!
Möchte der Zank aus Göttern und sterblichen Menschen                   vertilgt sein,
Und der Zorn, der selbst auch den Weiseren pflegt zu                         erbittern:
Der, weit süßer zuerst denn sanfteingleitender Honig,
110     Bald in der Männer Brust aufwächst, wie dampfendes Feuer!
So nun erzürnete mich der Herrscher des Volks                                   Agamemnon.
Aber vergangen sei das Vergangene, wie es auch kränkte;
Dennoch das Herz im Busen bezähmen wir auch mit Gewalt             uns!
Hin nun geh ich, den Mörder des wertesten Haupts zu                       erreichen,
115     Hektor! Doch mein Los, das empfang' ich, wann es auch                     immer
Zeus zu vollendet beschleußt, und die andern unsterblichen             Götter!
Nicht ja Herakles einmal, der Gewaltige, mied das                               Verhängnis,
Welcher der Liebste doch war dem herrschenden Zeus                       Kronion;
Sondern ihn zwang das Geschick und der heftige Zorn der                 Here.
120    Also auch ich, wofern ein gleiches Geschick mir bevorsteht,
Lieg' ich, vom Tode gestreckt: jetzt tracht' ich noch Ruhm zu             gewinnen!
Manche Troerin noch und Dardanerin, schwellendes Busens,
Soll mir mit beiden Händen von jugendlich blühenden                         Wangen
Tränen des Grams abtrocknen, mit schwer aufzitternden                   Seufzern!
125    Fühlen sie's nun, daß ich lange genug von dem Kriege                         gerastet!
Nicht mir wehre den Kampf, du Liebende; nimmer gehorch'               ich!

Ihm antwortete drauf die silberfüßige Thetys:
Wahrheit hast du geredet, mein Kind; nicht übel ist solches,
Seine geängsteten Freunde, vor Tod und Verderben zu                       schützen.

130    Doch in der Troer Gewalt ist dir die stattliche Rüstung.
Strahlend von Erz, mit welcher der helmumflatterte Hektor
Selbst die Schultern geschmückt einherprangt. Zwar wird er             schwerlich
Lange darin frohlocken, denn nah' ihm schwebet der Tod                   schon.
Aber du sollst mir noch nicht eingehn ins Getümmel des                   Ares,
135    Bis du zurück mich kehrend mit deinen Augen erblickest.
Denn ich komm' in der Frühe, sobald die Sonne hervorgeht,
Stattliche Wehr dir bringend vom mächtigen Herrscher                     Hephästos.

Also sprach die Göttin, und kehrte hinweg von dem Sohne;
Drauf gewandt zu den Schwestern, den Meergöttinnen,                     begann sie:

140        Taucht ihr jetzo hinab in den Schoß des unendlichen                       Meeres,
Daß ihr den alternden Meergott schaut, und die Wohnung                 des Vaters;
Ihm dann verkündiget alles. Indes auf den hohen Olympos
Geh' ich zum kunstberühmten Hephästos, ob er mir willfahrt,
Rüstungen, schön und strahlend, für meinen Sohn zu                           bereiten.

145        Jene sprach's; da tauchten die Göttinnen unter die                         Meerflut.
Selbst dann ging zum Olympos die silberfüßige Thetys
Schnell, dem geliebten Sohne gepriesene Waffen zu bringen.
So zum Olympos enttrugen die Schenkel sie. Doch die                         Achaier
Mit graunvollem Geschrei vor dem männermordenden                       Hektor

150   Flohn sie gescheucht, die Schiff' und den Hellespontos                         erreichend.
Nicht Patroklos auch hätten die hellumschienten Achaier
Aus den Geschossen entführt, den erschlagenen Freund des             Achilleus;
Denn es ereilt' ihn wieder der Männer Getös' und der Rosse,
Hektor zumal, des Priamos' Sohn, gleich stürmendem Feuer.
155    Dreimal faßt' ihn von hinten am Fuß der strahlende Hektor,
Strebend ihn wegzuziehn, und laut die Troer ermahnt' er;
Dreimal stießen die Ajas, mit stürmender Stärke gewappnet,
Ihn von dem Toten hinweg. Er fest, der Stärke vertrauend,
Wütete jetzo hinan das Gewühl durch, jetzo von neuem
160    Stand er mit lautem Geschrei; doch rückwärts wandt' er sich             niemals.
Wie vom ermordeten Tiere durchaus den funkelnden Leun                 nicht
Nächtliche Hirten der Flur, den hungrigen Würger,                               verscheuchen:
So vermochten auch nicht die beiden gerüsteten Ajas
Hektor, Priamos' Sohn, von dem Leichnam abzuschrecken.
165    Und er hätt' ihn geraubt, und unendlichen Ruhm sich                           erworben;
Wenn nicht Peleus' Sohne die windschnell eilende Iris
Kam als Botin genaht vom Olympos, mitzustreiten,
Zeus und den anderen Göttern geheim; denn es sandte sie                 Here.
Nahe trat sie hinan, und sprach die geflügelten Worte:

170    Hebe dich, Peleus' Sohn, du schrecklichster unter den                         Männern!
Eile Patroklos zu Hilf', um den die entsetzliche Feldschlacht
Draußen tobt vor den Schiffen. Sie morden sich                                   untereinander:
Diese mit Macht beschirmend den hingesunkenen                               Leichnam;
Dort hinweg ihn zu reißen nach Ilios luftiger Höhe,

175    Wüten die Troer daher; vor allen der strahlende Hektor
Ist ihn zu rauben entbrannt: denn das Haupt ihm wünschet               er herzlich,
Hauend vom zarten Hals', auf spitzige Pfähle zu heften.
Auf, nicht länger gesäumt; und Graun durchschaudre das                   Herz dir,
Daß Patroklos liege den troischen Hunden ein Labsal!
180    Dein ist Schmach, wenn irgend entstellt die Leiche                               daherkommt!

Ihr antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Welcher Gott hat, o Iris, dich mir als Botin gesendet?

Wieder begann dagegen die windschnell eilende Iris:
Here sandte mich her, Zeus' rühmliche Lagergenossin.

185   Auch nicht Zeus erfuhr's, der Erhabene, oder ein Gott sonst,
Aller, die rings des Olympos beschneiete Höhen umwohnen.

Ihr antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Wie doch geh' ich zur Schlacht, da jene die Rüstungen                       haben?
Auch die liebende Mutter verwehrte mir mitzustreiten,

190    Bis ich zurück sie kehrend mit meinen Augen erblickte;
Denn sie verhieß, von Hephästos mir herrliche Waffen zu                   bringen.
Niemand weiß ich ja sonst, des prangende Wehr mir gerecht           sei;
Wo nicht Ajas Schild, des gewaltigen Telamoniden.
Aber er selbst ist, hoff' ich, im Vorderkampfe beschäftigt,
195    Mordend mit schrecklichem Speer um den hingesunknen                   Patroklos.

Wieder begann dagegen die windschnell eilende Iris:
Wohl ja wissen auch wir's, wie die herrlichen Waffen                         geraubt sind.
Doch nur so an den Graben genaht, erscheine den Troern;
Ob vor dir erschrocken vielleicht vom Kampfe die Troer

200   Abstehn, und sich erholen die kriegrischen Männer Achaias
Ihrer Angst, wie klein sie auch sei, die Erholung des Krieges.

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