Ilias - Kapitel 29 by Homer
Ilias - Kapitel 29 by Homer

Ilias - Kapitel 29

Homer * Track #29 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 29 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 29 Annotated

Zehnter Gesang

Der schlaflose Agamemnon und Menelaos wecken die Fürsten. Sie sehn nach der Wache, und besprechen sich am Graben. Diomedes und Odysseus, auf Kundschaft ausgehend, ergreifen und töte den Dolon, welchen Hektor zum Spähen gesandt. Von ihm belehrt, töten sie im troischen Lager den neugekommenen Rhesos mit zwölf Thrakiern, und entführen des Rhesos' Rosse.

Alle sonst bei den Schiffen, die edleren Helden Achaias,
Schliefen die ganze Nacht, von sanftem Schlummer                             gefesselt;
Nur nicht Atreus' Sohne, dem Hirten des Volks Agamemnon,
Nahte der süße Schlaf, da vieles im Geist er bewegte.
5       Wie wenn der Donnerer blitzt, der Gemahl der lockigen Here,
Vielen Regen bereitend, unendlichen, oder auch Hagel,
Oder ein Schneegestöber, das weiß die Gefilde bedecket,
Oder des Kriegs weit offenen Schlund, des bitteren Unheils:
So vielfältig erseufzt im Innersten nun Agamemnon
10      Tief aus dem Herzen empor, und Angst durchbebte die Brust             ihm.
Siehe so oft er das Feld, das troische, weit umschaute;
Staunt' er über die Feuer, wie viel vor Ilios brannten,
Über der Flöten und Pfeifen Getön, und der Menschen                         Getümmel.
Aber so oft zu den Schiffen er sah und dem Volk der Achaier;
15      Viel alsdann aus dem Haupt mit den Wurzeln rauft' er sich                 Haare,
Hoch aufflehend zu Zeus; und das edele Herz ihm                               durchdrang Weh.

Dieser Gedank' erschien dem Zweifelnden endlich der                   beste:
Erst zu Nestor zu gehn, dem neleiadischen König;
Ob er mit jenem vielleicht unsträflichen Rat aussönne,

20     Welcher das Bös' abwehrte von allem Volk der Achaier.
Aufrecht nun umhüllt' er die Brust mit wolligem Leibrock;
Unter die glänzenden Füß' auch band er sich stattliche                       Sohlen;
Warf dann das blutige Fell des gewaltigen Leun um die                       Schultern,
Falb und groß, das die Knöchel erreicht'; und faßte die Lanze.

25         So auch war Menelaos in bebender Angst, und niemals
Ruht' ihm Schlaf auf den Augen, dem Sinnenden, was doch               verhängt sei
Argos' tapferem Volk, das um ihn durch weites Gewässer
Kam in der Troer Gefild', unverdrossenem Streite sich                         bietend.
Erst nun ein Pardelvlies um den breiten Rücken sich hüllt' er,

30     Zottig und buntgefleckt; dann barg er das Haupt in des                       Helmes
Ehernen Schirm, und faßte den Speer mit nervichter Rechte,
Schnell dann ging er zu wecken den herrschenden Bruder,                 der mächtig
Allen Achaiern gebot, wie ein Gott im Volke geehret.
Ihn nun fand er, die Schultern mit strahlender Rüstung sich               deckend,
35 Hinten am dunkelen Schiff, und herzlich erwünscht ihm                 erschien er.
Jetzo begann zuerst der Rufer im Streit Menelaos:

Warum wappnest du dich, mein Älterer? Soll zu den Troern
Dir hingehen ein Freund zu erkundigen? Aber ich fürchte
Sehr im Geist, daß keiner zu solcher Tat sich erbiete,

40     Hin zum feindlichen Heer als Spähender einsam zu wandeln
Durch die ambrosische Nacht; der müßt' ein entschlossener             Mann sein!

Gegen ihn rief antwortend der Völkerfürst Agamemnon:
Rat bedürfen wir beide, du Göttlicher, o Menelaos,
Wohl ersonnenen Rat, der Sicherheit schaff' und Errettung

45     Argos' Volk' und den Schiffen; dieweil Zeus' Herz sich                         gewandt hat.
Wahrlich zu Hektors Opfer hat mehr sein Herz er geneiget!
Denn nie sah ich vordem, noch höret' ich je erzählen,
Daß der Wunder so viel ein Mann am Tage vollendet,
Als nun Hektor getan, Zeus' Liebling, am Volk der Achaier,
50     Selber für sich, obzwar nicht Gott ihn zeugte noch Göttin.
Aber er tat, des wahrlich mit Schmerz die Argeier gedenken,
Spät und lange hinfort: so häuft' er das Weh den Achaiern!
Eile mir, Ajas nun und Idomeneus herzurufen,
Hurtiges Laufs zu den Schiffen: weil ich zum göttlichen                       Nestor
55     Wandl' und aufzustehn ihn ermuntere; ob er geneigt sei,
Hin zur heiligen Schar der Wächter zu gehn, und zu ordnen.
Ihm gehorchen sie wohl am freudigsten; denn sein Sohn ist
Führer der Hut mit Meriones dort, des kretischen Königs
Waffenfreund; denn diesen vertraueten wir sie am meisten.

60        Ihm antwortete drauf der Rufer im Streit Menelaos:
Was denn ist dein Will', und die Absicht deines Gebotes?
Bleib' ich dort mit jenen, und warte dein, bis du hinkommst?
Oder lauf' ich dir nach, sobald ich's jenen verkündigt?

Wiederum antwortete drauf Agamemnon der Herrscher:

65     Bleibe dort; vielleicht verfehlten wir sonst einander
Irrend in Nacht; denn viel durchkreuzen ja Wege das Lager.
Rufe, wohin du gehst, und ermuntere rings zu wachen,
Jeglichen Mann nach Geschlecht mit Vaternamen                               benennend,
Jeglichem Ehr' erweisend; und nicht erhebe dich vornehm.
70     Laß uns vielmehr arbeiten wie andere! Also verhängt' es
Zeus bei unsrer Geburt, dies lastende Weh uns bereitend!

Jener sprach's, und entsandte den wohl ermahneten Bruder;
Eilete dann, um Nestor den Völkerhirten zu wecken.
Diesen fand er dort am Gezelt und dunkelen Schiffe,

75     Ruhend im weichen Bett'; und neben ihm prangte die                           Rüstung:
Schild, und strahlender Helm, und zwo erzblinkende Lanzen;
Neben ihm prangt' auch der Gurt, der künstliche, welcher                   den Alten
Gürtete, wann zur mordenden Schlacht er gewappnet                         einherzog,
Führend das Volk; denn erachtete nicht des traurigen Alters.
80     Jetzo erhob er das Haupt, auf den Ellenbogen sich stützend,
Rief dem Atreiden zu, und fragt' ihn, also beginnend:

Wer bist du, der einsam des Lagers Schiffe durchwandelt,
Jetzt in der finsteren Nacht, da andere Sterbliche schlafen?
Ob du einen der Freund' umhersuchst, oder ein Maultier?

85     Red', und nahe mir nicht, ein Schweigender! Wessen                           bedarfst du?

Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks                                 Agamemnon:
Nestor, Neleus' Sohn, du erhabener Ruhm der Achaier,
Kenne doch Atreus' Sohn Agamemnon, welchen vor allen
Zeus in unendlichen Jammer versenkt hat, weil mir der Atem

90     Meinen Busen noch hebt, und Kraft in den Knieen sich reget.
So nun irr' ich, dieweil kein ruhiger Schlaf mir die Augen
Zuschließt, sondern der Krieg und die Not der Achaier mich               kümmert.
Denn ich sorge mit Angst um die Danaer; hin ist der feste
Mut, und alle Besinnung dahin; es entfliegt aus dem Busen
95     Mir das klopfende Herz, und es zittern mir unten die Glieder!
Aber sinnst du auf Tat, da auch dir nicht nahet der                               Schlummer;
Laß zu den Hütern nunmehr uns hinabgehn, daß wir                           erkennen,
Ob sie vielleicht, entkräftet von Kriegsarbeit und Ermüdung,
Sich zum Schlummer gelegt, und ganz der Wache vergessen.
100   Denn das feindliche Heer ist nah uns; keiner ja weiß es,
Ob nicht selbst in der Nacht sie anzugreifen beschließen.

Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Atreus' Sohn, Ruhmvoller, du Völkerfürst Agamemnon,
Nie wird doch dem Hektor ein jeglicher Wunsch von Kronion

105    Gänzlich erfüllt, den er jetzt sich erträumete, sondern ihn,                 hoff' ich,
Drängen der Sorgen hinfort noch mehrere, wenn nur                           Achilleus
Von dem verderblichen Zorn die erhabene Seele gewendet.
Gern begleit' ich dich nun; doch laß uns auch andere                           wecken:
Tydeus' Sohn, den Schwinger des Speers, und den edlen                     Odysseus,
110    Ajas den Schnellen zugleich, und Phyleus' tapferen Sprößling.
Wenn auch einer geschwind' hinwandelte, jene zu rufen,
Ajas, Telamons Sohn, und Idomeneus, Kretas Beherrscher;
Deren Schiffe ja stehn am fernesten, nicht in der Nähe.
Aber ihn, den geliebten und edlen Freund Menelaos,
115     Schelt' ich fürwahr, und wiewohl du mir eifertest, nimmer                 verberg' ich's,
Daß er schläft, und allein dir zugewendet die Arbeit.
Ziemt' es ihm doch, arbeitend die sämtlichen Fürsten                         Achaias
Anzuflehn; denn die Not umdrängt uns, ganz unerträglich!

Wiederum antwortete drauf Agamemnon der Herrscher:

120   Greis, zu anderer Zeit verstatt' ich dir, jenen zu tadeln;
Denn oft säumt mein Bruder, und geht ungern an die Arbeit,
Nicht von Trägheit besiegt, noch Unverstande des Geistes,
Sondern auf mich herschauend, und mein Beginnen                             erwartend.
Doch nun wacht' er früher vom Schlaf, und besuchte mich                 selber;
125    Und ich sandt' ihn umher, daß er forderte, welche du                           wünschest.
Gehen wir denn! sie finden wir sicherlich dort bei den Hütern
Außer dem Tor, wo ich ihnen bedeutete sich zu versammeln.

Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
So wird kein Achaier hinfort ihm zürnen, noch ungern

130   Folgen, sobald er einen zur Arbeit treibt und ermuntert.

Dieses gesagt, umhüllt' er die Brust mit wolligem Leibrock:
Unter die glänzenden Füß' auch band er sich stattliche                       Sohlen;
Um sich schnallt' er darauf den purpurschimmernden                         Mantel,
Doppelt, und weitgefaltet, umblüht von der Wolle Gekräusel;

135    Nahm auch die mächtige Lanze, gespitzt mit der Schärfe des             Erzes;
Eilte dann längs den Schiffen der erzumschirmten Achaier.
Jetzo zuerst den Odysseus, an Ratschluß gleich dem                           Kronion,
Weckte der Greis aus dem Schlaf, der gerenische reisige                   Nestor,
Lautes Rufs; doch jenem erscholl zum Herzen die Stimme;
140    Und er kam aus dem Zelt, und sprach zu ihnen die Worte:

Warum irrt ihr so einsam, des Lagers Schiffe                                   durchwandelnd,
Durch die ambrosische Nacht? Was doch für Not, die euch               antreibt?

Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Edler Laertiad', erfindungsreicher Odysseus,

145   Zürne nicht; denn große Bekümmernis drängt die Achaier.
Komm denn, und wecke mit uns noch andere, welchen es                 ziemet,
Heilsamen Rat zu raten, der Heimkehr, oder des Kampfes.

Jener sprach's; da eilt' ins Gezelt der weise Odysseus,
Warf den prangenden Schild um die Schulter sich, folgte                   dann jenen.

150    Schnell nun kamen sie hin, wo Tydeus' Sohn Diomedes
Draußen lag am Gezelt mit den Rüstungen; auch die                           Genossen
Schliefen umher, auf den Schilden das Haupt; und jegliches               Lanze
Ragt' auf des Schaftes Spitz' emporgerichtet, und fernhin
Strahlte das Erz, wie die Blitze des Donnerers. Aber der Held             selbst
155    Schlummerte, hingestreckt auf die Haut des geweideten                     Stieres;
Auch war unter dem Haupt ein schimmernder Teppich                       gebreitet.
Nahend weckt' ihn vom Schlaf der gerenische reisige Nestor,
Rührend den Fuß mit der Fers', und ermuntert' ihn, scheltend           ins Antlitz:

Wache doch, Tydeus Sohn! Was schlummerst du ruhig die           Nacht durch?

160   Hörtest du nicht, wie die Troer sich dort auf dem Hügel des               Feldes
Lagerten, nahe den Schiffen, und weniger Raum sie                             entfernet?

Also der Greis; doch schleunig erstand aus dem Schlaf                   Diomedes;
Und er begann zu jenem, und sprach die geflügelten Worte:

Allzu emsiger Greis, du ruhst auch nimmer von Arbeit!

165    Sind nicht andere noch und jüngere Männer Achaias,
Welchen es mehr obläge, der Könige jeden zu wecken,
Rings durchwandelnd das Heer? Du übertreibst es, o Alter!

Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Wahrlich, o Freund, du hast wohlziemende Worte geredet.

170    Selber hab' ich ja Söhn' und treffliche, hab' auch der Völker
Sonst genug, daß mir einer umhergehn könnte zu rufen.
Aber viel zu große Bekümmernis drängt die Achaier!
Denn nun steht es allein fürwahr auf der Schärfe des                           Messers:
Schmählicher Untergang den Achaiern, oder auch Leben!
175    Auf denn, Ajas den Schnellen, und Phyleus' tapferen                           Sprößling
Wecke vom Schlaf, du bist ja der jüngere, daurt dich mein                 Alter.

Sprach's; und sogleich warf jener das Löwenfell um die                     Schultern,
Falb und groß, das die Knöchel erreicht', und faßte die Lanze;
Hin dann eilte der Held, und erweckt' und brachte die                         andern.

180         Als sie nunmehr der Hüter versammelte Scharen                          erreichten,
Fanden sie auch nicht schlafen die edelen Führer der                           Scharen;
Sondern munter und wach mit den Rüstungen saßen sie alle.
So wie die Hund' unruhig die Schaf' im Gehege bewachen,
Hörend das Wutgebrüll des Untiers, das aus der Waldung

185    Herkommt durch das Gebirg', umtönt von lautem Getümmel
Treibender Männer und Hund'; entflohn ist ihnen der                           Schlummer:
Also entfloh auch jenen der süße Schlaf von den Wimpern,
Welche die Nacht durchwachten, die schreckliche, stets                     nach dem Felde
Hingewandt, ob sie etwa die kommenden Troer vernähmen.
190    Diese sah mit Freude der Greis, und redete Stärkung;
Und er begann zu ihnen, und sprach die geflügelten Worte:

Recht so, trauteste Kinder, seid wachsam; keinen besiege
Nun der Schlaf. daß nicht zur Freude wir werden den                           Feinden!

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