Ilias - Kapitel 27 by Homer
Ilias - Kapitel 27 by Homer

Ilias - Kapitel 27

Homer * Track #27 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 27 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 27 Annotated

225   Heil dir, Peleid'! es mangelt uns nicht des gemeinsamen                     Mahles,
Weder dort im Gezelt um Atreus' Sohn Agamemnon,
Noch auch jetzo allhier; denn genug des Erfreuenden stehet
Hier zum Schmaus; doch nicht nach lieblichem Mahle                         verlangt uns;
Sondern das große Weh, du Göttlicher, ringsum schauend,
230   Zagen wir! Jetzo gilt's, ob errettet sind, oder verloren,
Uns die gebogenen Schiffe, wo du nicht mit Stärke dich                       gürtest!
Nahe den Schiffen bereits und der Mauer drohn sie gelagert,
Trojas mutige Söhn', und die fernberufenen Helfer,
Ringsum Feuer entflammend durchs Heer; und es hemme                 sie, trotzt man,
235   Nichts annoch, sich hinein in die dunkelen Schiffe zu stürzen.
Ihnen gewährt auch Zeus rechtshin erscheinende Zeichen
Seines Strahls; doch Hektor, die funkelnden Augen voll                       Mordlust,
Wütet daher, und vertrauend dem Donnerer, achtet er nichts           mehr,
Weder Menschen noch Gott; so treibt ihn der Taumel des                 Wahnsinns.
240   Sehnlich wünscht er, daß bald der heilige Morgen erscheine;
Denn er verheißt von den Schiffen zu haun die prangenden               Schnäbel,
Sie dann selbst zu verbrennen in stürmender Flamm', und zu             morden
Argos' Söhn' um die Schiffe, betäubt im Dampfe des                           Brandes.
Doch nun sorg' ich im Herzen, und fürchte mich, daß ihm die           Drohung
245   Ganz vollenden die Götter, und uns das Schicksal verhängt                 sei,
Hinzusterben in Troja, entfernt von der fruchtbaren Argos.
Aber wohlauf! wenn das Herz dir gebeut, die Männer                         Achaias
Jetzt, auch spät, zu befrein aus der drängenden Troer                         Getümmel.
Siehe dich selbst hinfort bekümmert es; aber umsonst ja
250   Sucht man geschehenem Übel noch Besserung; lieber zuvor             nun
Sinn' umher, wie du wendest den schrecklichen Tag der                     Achaier.
Ach mein Freund, wie sehr ermahnte dich Peleus der Vater
Jenes Tags, da aus Phtia zu Atreus' Sohn er dich sandte:
Lieber Sohn, Siegsstärke wird dir Athenäa und Here
255   Geben, wenn's ihnen gefällt; nur bändige du dein erhabnes
Stolzes Herz in der Brust; denn freundlicher Sinn ist besser.
Meide den bösen Zank, den verderblichen, daß dich noch                   höher
Ehre das Volk der Argeier, die Jünglinge so wie die Greise.
Also ermahnte der Greis; du vergaßest es. Aber auch jetzt                 noch
260   Ruh', und entsage dem Zorne, dem kränkenden! Sieh                           Agamemnon
Beut dir würdige Gaben, sobald du dich wendest vom Zorne.
Willst du, so höre mich an, damit ich dir alles erzähle,
Was dir dort im Gezelt zur Gabe verhieß Agamemnon:
Zehn Talente des Goldes, dazu dreifüßiger Kessel
265 Sieben vom Feuer noch rein, und zwanzig schimmernde             Becken;
Auch zwölf mächtige Rosse, gekrönt mit Preisen des                           Wettlaufs.
Wohl nicht dürftig wäre der Mann, dem so vieles geworden,
Und nicht arm an Schätzen des hochgepriesenen Goldes;
Als Agamemnons Rosse der Siegskleinode gewannen.
270   Sieben Weiber auch gibt er, untadlige, kundig der Arbeit,
Lesbische, die, da du Lesbos, die blühende, selber erobert,
Er sich erkor, die an Reiz der Sterblichen Töchter besiegten.
Diese nun gibt er dir; es begleite sie, die er entführet,
Brises Tochter zugleich; und mit heiligem Eide beschwört                   er's,
275   Daß er nie ihr Lager verunehrt, noch ihr genahet,
Wie in der Menschen Geschlecht der Mann dem Weibe sich             nahet.
Dieses empfängst du alles sogleich. Wenn aber hinfort uns
Priamos' mächtige Stadt die Götter verleihn zu erobern;
Reichlich sollst du dein Schiff mit Gold und Erz belasten,
280   Selbst einsteigend, wenn einst wir Danaer teilen den                           Siegsraub.
Auch der troischen Weiber erwähle du zwanzig dir selber,
Die nach Helena dort, der Argeierin, prangen an Schönheit.
Wann zum achaiischen Argos, dem Segenslande, wir                         heimziehn;
Sollst du sein Eidam sein, und er ehrt dich gleich dem                         Orestes,
285   Der sein einziger Sohn aufblüht in freudiger Fülle.
Drei sind ihm der Töchter in wohlverschlossener Wohnung:
Deren wähle dir eine, Chrysothemis, Iphianassa,
Oder Laodike auch, und führ' umsonst die Erkorne
Heim in des Peleus Haus; er gibt dir selber noch Brautschatz,
290   Reichlichen, mehr als je ein Mann der Tochter gegeben.
Sieben gibt er dir dort der wohlbevölkerten Städte:
Enope, und Kardamyle auch, und die grasige Hire,
Pherä, die heilige Burg, und die grünenden Aun um Antheia,
Auch Äpeia die schön', und Pedasos, fröhlich des Weinbaus.
295   Alle sind nah' am Meere, begrenzt von der sandigen Pylos;
Und es bewohnen sie Männer, an Schafen reich, und an                     Rindern:
Welche hoch mit Geschenk, wie einen Gott, dich verehrten,
Und dein Scepter gehorchend dir steuerten reichliche                         Schatzung.
Dieses vollendet er dir, sobald du dich wendest vom Zorne.
300   Aber wenn Atreus' Sohn zu sehr dir im Herzen verhaßt ist,
Er und seine Geschenk'; o so schau der andern Achaier
Drängende Not mit Erbarmen im Heer, das wie einen der                   Götter
Ehren dich wird; denn wahrlich erhabenen Ruhm dir                           gewännst du:
Hektor entraftest du nun! denn nahe dir wagt' er zu                             kommen,
305   Voll unsinniger Wut; da er wähnt, nicht einer auch gleiche
Ihm in der Danaer Volk, so viel hertrugen die Schiffe.

Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Edler Laertiad', erfindungsreicher Odysseus,
Sieh ich muß die Rede nur grad' und frank dir verweigern,

310    So wie im Herzen ich denk'; und wie's unfehlbar geschehn                 wird;
Daß ihr mir nicht vorjammert, von hier und dort mich                         belagernd.
Denn mir verhaßt ist jener, so sehr wie des Aïdes Pforten,
Wer ein andres im Herzen verbirgt, und ein anderes redet.
Aber ich selbst will sagen, wie mir's am heilsamsten dünket.
315   Weder des Atreus' Sohn Agamemnon soll mich bereden,
Noch die andern Achaier; dieweil ja nimmer ein Dank war,
Stets unverdrossenen Kampf mit feindlichen Männern zu                   kämpfen!
Gleich ist des Bleibenden Los, und sein, der mit Eifer                           gestritten;
Gleicher Ehre genießt der Feig' und der tapfere Krieger;
320   Gleich auch stirbt der Träge dahin, und wer vieles getan hat.
Nichts ja frommt es mir selbst, da ich Sorg' und Kummer                   erduldet,
Stets die Seele dem Tod' entgegentragend im Streite.
So wie den nackenden Vöglein im Nest herbringet die Mutter
Einen gefundenen Bissen, wenn ihr auch selber nicht wohl                 ist:
325   Also hab' ich genug unruhiger Nächte durchwachet,
Auch der blutigen Tage genug durchstrebt in der                                 Feldschlacht,
Tapfere Männer bestreitend, um jenen ein Weib zu erobern!
Zwölf schon hab' ich mit Schiffen bevölkerte Städte                             verwüstet,
Und elf andre zu Fuß umher in der scholligen Troja;
330   Dort aus allen erkor ich der Kleinode viel und geehrte
Mir voraus, und brachte sie all' Agamemnon zur Gabe,
Atreus' Sohn; er ruhend indes bei den rüstigen Schiffen,
Nahm die Schätz', und verteilt' ein weniges, vieles behielt er.
Dennoch gab er den Helden und Königen Ehrengeschenke,
335    Die noch jeder verwahrt; nur mir von allen Achaiern
Nahm er's, und hat das reizende Weib, womit er der Wollust
Pflegen mag! Was bewog denn zum Kriegszug gegen die                   Troer
Argos' Volk? Was fährt' er hieher die versammelten Streiter,
Atreus' Sohn? War's nicht der lockigen Helena wegen?
340   Lieben allein denn jene die Fraun von den redenden                             Menschen,
Atreus' Söhn'? Ein jeglicher Mann, der edel und weis' ist,
Liebt und pflegt die Seine mit Zärtlichkeit: so wie ich jene
Auch von Herzen geliebt, wiewohl mein Speer sie erbeutet.
Nun er mir aus den Händen den Siegslohn raubte mit Arglist,
345   Nie versuch' er hinfort mich Kundigen! Nimmer ihm trau' ich!
Sondern mit dir, Odysseus, und anderen Völkergebietern
Sinn' er nach, von den Schiffen die feindliche Glut zu                           entfernen.
Wahrlich schon sehr vieles vollendet' er ohne mein Zutun:
Schon die Mauer erbaut' er, und leitete draußen den Graben,
350   Breit umher und groß; und drinnen auch pflanzet' er Pfähle!
Dennoch kann er ja nicht die Gewalt des mordenden Hektors
Bändigen! Aber da ich im Danaervolke noch mitzog;
Niemals wagt' es Hektor, entfernt von der Mauer zu                           kämpfen;
Sondern nur zum skäischen Tor und der Buche gelangt' er,
355   Wo er einst mich bestand, und kaum mir entfloh vor dem                   Angriff.
Nun mir nicht es gefällt, mit dem göttlichen Hektor zu                         kämpfen;
Bring' ich morgen ein Opfer für Zeus und die anderen Götter,
Wohl dann belad' ich die Schiff', und nachdem ich ins Meer               sie gezogen,
Wirst du schaun, so du willst, und solcherlei Dinge dich                     kümmern,
360   Schwimmen im Morgenrot auf dem flutenden Hellespontos
Meine Schiff', und darin die emsig rudernden Männer;
Und wenn glückliche Fahrt der Gestaderschüttrer gewähret,
Möcht' ich am dritten Tag' in die schollige Phtia gelangen.
Vieles hab' ich daheim, das ich hieher wandernd zurückließ;
365   Anderes auch von hier, des rötlichen Erzes und Goldes,
Schöngegürtete Weiber zugleich, und grauliches Eisen,
Bring' ich, durchs Los mir beschert; doch den Siegslohn, der               ihn gegeben,
Nahm ihn mir selbst hochmütig, der Völkerfürst                                   Agamemnon,
Atreus' Sohn! Das alles verkünd' ihm, so wie ich sage,
370   Öffentlich: daß auch die andern im Volk der Achaier                           ergrimmen,
Wenn er vielleicht noch einen der Danaer hofft zu betrügen,
Jener in Unverschämtheit gehüllete! Schwerlich indes mir
Wagt er hinfort, auch frech wie ein Hund, ins Antlitz zu                       schauen;
Nimmer ihm werd' ich zu Rat mich vereinigen, nimmer zu                 Taten!
375   Einmal betrog er mich nun, und frevelte; nimmer hinfort wohl
Täuscht sein tückisches Wort; er begnüge sich! sondern                     geruhig
Wandr' er dahin: denn ihm raubte der waltende Zeus die                   Besinnung.
Greul sind mir seine Geschenk', und ich acht' ihn selber nicht           so viel!
Nein, und böt' er mir zehnmal und zwanzigmal größere                     Güter,
380   Als was jetzo er hat, und was er vielleicht noch erwartet;
Böt' er sogar die Güter Orchomenos, oder was Thebe
Hegt, Ägyptos Stadt, wo reich sind die Häuser an Schätzen:
Hundert hat sie der Tor', und es ziehn zweihundert aus                       jedem
Rüstige Männer zum Streit mit Rossen daher und Geschirren:
385   Böt' er mir auch so viel, wie des Sandes am Meer und des                   Staubes;
Dennoch nimmer hinfort bewegte mein Herz Agamemnon,
Eh' er mir ausgebüßt die seelenkränkende Schmähung!
Keine Tochter begehr' ich von Atreus' Sohn Agamemnon;
Trotzte sie auch an Reiz der goldenen Aphrodite,
390   Wäre sie klug, wie Pallas Athen', an künstlicher Arbeit;
Dennoch begehr' ich sie nicht! Er wähle sich sonst der                         Achaier
Einen, der ihm gemäß, und der auch höher an Macht ist.
Denn erhalten die Götter mich nur, und gelang' ich zur                       Heimat;
Dann wird Peleus selbst ein edeles Weib mir vermählen.
395   Viel der Achaierinnen sind rings in Hellas und Phtia,
Töchter erhabener Fürsten, die Städt' und Länder                                 beherrschen;
Hievon, die mir gefällt, erwähl' ich zur trauten Gemahlin.
Dort auch trachtet mir oft des mutigen Herzens Verlangen,
Einer Ehegenossin vermählt, in gefälliger Eintracht,
400   Mich der Güter zu freun, die Peleus der Greis sich                               gesammelt.
Nichts sind gegen das Leben die Schätze mir: nichts, was                   vordem auch
Ilios barg, wie man sagt, die Stadt voll prangender Häuser,
Einst, als blühte der Fried', eh' die Macht der Achaier                           daherkam;
Noch, was die steinerne Schwelle des Treffenden drinnen                   bewahret,
405   Phöbos Apollons Schatz, in Pythos klippichten Feldern.
Beutet man doch im Kriege gemästete Rinder und Schafe,
Und gewinnt Dreifüß' und braungemähnete Rosse;
Aber des Menschen Geist kehrt niemals, weder erbeutet,
Noch erlangt, nachdem er des Sterbenden Lippen entflohn                 ist.
410   Meine göttliche Mutter, die silberfüßige Thetis,
Sagt, mich führe zum Tod' ein zweifach endendes Schicksal.
Wenn ich allhier verharrend die Stadt der Troer umkämpfe;
Hin sei die Heimkehr dann, doch blühe mir ewiger                               Nachruhm.
Aber wenn heim ich kehre zum lieben Lande der Väter;
415    Dann sei verwelkt mein Ruhm, doch weithin reiche des                       Lebens
Dauer, und nicht frühzeitig ans Ziel des Todes gelang' ich.
Auch den übrigen möcht' ich ein ratsames Wort zureden,
Heim in den Schiffen zu gehn: nie findet ihr doch der                           erhabnen
Ilios Untergang; denn der waltende Zeus Kronion
420   Deckt sie mit schirmender Hand, und mutvoll trotzen die                   Völker.
Aber ihr nun geht, den edelen Fürsten Achaias
Botschaft anzusagen: das Ehrenamt der Geehrten:
Daß sie anderen Rat und besseren jetzo ersinnen,
Welcher die Schiff' errette zugleich, und das Volk der                         Achaier
425   Bei den geräumigen Schiffen; denn nicht ist jener gedeihlich,
Welchen sie jetzt ausdachten, da ich im Zorne beharre.
Phönix indes mag bleibend bei uns zur Ruhe sich legen,
Daß er mit mir heimschiffe zum lieben Lande der Väter
Morgen, wenn's ihm gefällt; denn nicht aus Zwang soll er                   mitgehn.

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