Ilias - Kapitel 78 by Homer
Ilias - Kapitel 78 by Homer

Ilias - Kapitel 78

Homer * Track #78 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Ilias - Kapitel 78 Annotated

Also sprach, und kehrt' ins Gezelt der edle Achilleus,
Setzt' auf den stattlichen Sessel sich hin, von welchem er                   aufstand,
Dort an der anderen Wand, und sprach zu Priamos also:

Siehe dein Sohn ist jetzo gelöst, o Greis, wie du wünschest;

600   Und er liegt auf Gewand. Sobald der Morgen sich rötet,
Schaust du und führst ihn hinweg; nun laß uns gedenken                   des Mahles.
Denn auch Niobe selbst, die Lockige, dachte der Speise,
Welche zugleich zwölf Kinder in ihrem Hause verloren,
Sechs der lieblichen Töchter, und sechs aufblühende Söhne.
605   Ihre Söhn' erlegte mit silbernem Bogen Apollon,
Zorniges Muts, und die Töchter ihr Artemis, froh des                           Geschosses,
Weil sie gleich sich geachtet der rosenwangigen Leto:
Zween nur habe die Göttin, sie selbst so viele geboren,
Prahlte sie; des ergrimmten die zween, und vertilgten sie alle.
610   Jene lagen nunmehr neun Tag' in Blut; und es war nicht,
Der sie begrub; denn die Völker versteinerte Zeus Kronion.
Drauf am zehnten begrub sie die Hand der unsterblichen                   Götter.
Doch gedachte der Speise die Traurende, müde der Tränen.
Jetzt dort in den Felsen, auf einsam bewanderten Bergen
615   Sipylons, wo man erzählt, daß göttliche Nymphen gelagert
Ausruhn, wann sie im Tanz Acheloïos' Ufer umhüpfet:
Dort, auch ein Fels annoch, fühlt jene das Leid von den                       Göttern.
Auf denn, auch wir gedenken des Mahls, o göttlicher Alter,
Jetzo; hinfort dann magst du den lieben Sohn ja beweinen,
620   Kehrend in Ilios' Stadt; denn viel der Tränen verdient er.

Sprach's, und erhub sich in Eil', und ein Schaf weißwolliges           Vlieses
Schlachtet' er; Freund' entzogen die Haut, und bestellten es               klüglich;
Schnitten behend' in Stücke das Fleisch, und steckten's an                 Spieße,
Brieten es dann vorsichtig, und zogen es alles herunter.

625   Aber Automedon nahm und verteilte das Brot auf dem                       Tische,
Jedem im zierlichen Korb; und das Fleisch verteilet Achilleus.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Aber nachdem die Begierde des Tranks und der Speise                       gestillt war;
Nun sah Priamos, Dardanos' Sohn, mit Erstaunen Achilleus,
630   Welch ein Wuchs, und wie edel; er glich unsterblichen                       Göttern.
Auch vor Priamos, Dardanos' Sohn, erstaunet' Achilleus,
Schauend das Angesicht voll Würd', und die Rede                               vernehmend.
Aber nachdem sie gesättigt den Anblick einer des andern;
Hub der göttliche Priamos an, und redete also:

635        Bette mich nun aufs schnellste, du Göttlicher, daß wir                 anitzo
Auch des erquickenden Schlafs uns sättigen, sanft gelagert.
Denn nie schlossen sich noch die Augen mir unter den                       Wimpern,
Seit vor deiner Gewalt mein Sohn zu den Toten hinabsank;
Sondern stets nur seufz' ich, und nähr' unendlichen Jammer,

640   In dem Gehege des Hofs auf schmutziger Erde mich                           wälzend.
Nun erst kostet' ich wieder der Speis', auch rötliches Weines
Sandt' ich die Kehle hinab; nichts hatt' ich zuvor noch                         gekostet.

Jener sprach's; und Achilleus befahl den Genossen und                   Mägden,
Unter die Halle zu stellen ihr Bett, dann unten von Purpur

645   Prächtige Polster zu legen, und Teppiche drüber zu breiten,
Drauf auch wollige Mäntel zur oberen Hülle zu legen.
Schnell enteilten die Mägde dem Saal mit leuchtenden                       Fackeln;
Und sie bereiteten emsig den Fremdlingen jedem ein Lager.
Scherzend begann nunmehr der mutige Renner Achilleus:

650        Draußen lagre dich nun, o lieber Greis; denn es möcht'                 hier,
Etwa ein Fürst herkommen der Danaer, welche gewöhnlich,
Rat mit mir zu raten, in meinem Gezelt sich versammeln.
Sähe dich einer davon in der Nacht schnellfliehendem                         Dunkel,
Bald verkündigte der's dem Hirten des Volks Agamemnon,

655   Und verzögert würde vielleicht die Erlassung des Leichnams,
Aber sage mir jetzt, und verkündige lautere Wahrheit:
Wieviel Tage gedenkst du den edlen Sohn zu bestatten?
Daß ich indes, selbst ruhend, das Volk des Streites enthalte.

Ihm antwortete Priamos drauf, der göttliche Herrscher:

660   Wenn du vergönnst, mit Feier den edlen Sohn zu bestatten,
Würdest du, so es machend, Gefälligkeit üben, Achilleus.
Wir in der Stadt, wie du weißt, sind eingehemmt, und die                   Waldung
Holen wir fern im Gebirg'; und mutlos zagen die Troer.
Gern betraurten wir ihn neun Tage lang im Palaste;
665   Dann am zehnten bestatteten wir, und feirten das Gastmahl;
Häuften ihm drauf am elften den Ehrenhügel des Grabes;
Aber den zwölften Tag dann kämpfen wir, wenn es ja sein                 muß.

Wieder begann dagegen der mutige Renner Achilleus:
Greis, auch dieses gescheh', o Priamos, wie du gebietest.

670   Hemmen werd' ich so lange die Kriegsmacht, als du                           begehret.

Also sprach der Peleid', und faßt' am Knöchel des Greises
Rechte Hand, damit er des Herzens Furcht ihm entnähme.
Also schliefen sie dort in der vorderen Halle der Wohnung,
Priamos selbst und der Herold, des Rats allkundige Greise.

675   Aber Achilleus ruht' im innersten Raum des Gezeltes,
Und ihm lag zur Seite des Brises rosige Tochter.

Alle numehr, die Götter und gaulgerüsteten Männer,
Schliefen die ganze Nacht, von sanftem Schlummer                             gefesselt.
Aber nicht Hermeias den Segnenden faßte der Schlummer;

680   Denn er erwog im Geist, wie er Priamos, Trojas Beherrscher,
Führen möcht' aus den Schiffen, geheim vor den heiligen                   Wächtern.
Ihm nun trat er zum Haupt, und redete, also beginnend:

Greis, kein Böses fürwahr bekümmert dich, daß du so ruhig
Schläfst bei feindlichen Männern, nachdem dich verschonet             Achilleus.

685   Zwar nun hast du den Sohn dir gelöst, und vieles gegeben;
Aber dich Lebenden lösten mit dreimal größerer Gabe
Deine Söhne daheim in Ilios, wenn's Agamemnon
Wüßte, der Atreion', und Achaias Völker es wüßten.

Jener sprach's; bang' hört es der Greis, und erweckte den               Herold.

690   Ihnen spannt' Hermeias die Rosse vor und die Mäuler,
Schleunig sodann hinlenkt' er durchs Heer; und keiner                         vernahm es.

Als sie nunmehr an die Furt des schönhinwallenden                        Xanthos
Kamen, des wirbelnden Stroms, den Zeus der Unsterbliche               zeugte;
Jetzo schied Hermeias hinweg zum hohen Olympos.

695   Eos im Safrangewand erleuchtete rings nun die Erde.
Jene trieben die Rosse zur Stadt wehklagend und seufzend
Fort, und die Mäuler führten den Leichnam. Aber kein andrer
Sah sie vorher, der Männer noch schöngegürteten Weiber;
Nur Kassandra, schön wie die goldene Aphrodite,
700   Stieg auf Pergamos Höh', und schauete ferne den Vater,
Welcher im Sessel stand, und den stadtdurchrufenden                       Herold,
Auch in dem Maultierwagen, gestreckt auf Gewande, den                 Leichnam.
Laut wehklagte sie nun, und rief durch Ilios' Gassen:

Eilt ihn zu schaun, ihr Troer und Troerinnen, den Hektor;

705   Habt ihr des Lebenden je, der wiederkehrt' aus der                               Feldschlacht,
Euch gefreut; denn er war die Freude der Stadt und des                       Volkes!

Jene sprach's; und es blieb kein einziger dort in der Feste,
Weder Mann noch Weib; sie ergriff unermeßliche Trauer.
Nahe begegneten sie am Tor dem Führer des Leichnams.

710    Beide voran, sein liebendes Weib und die würdige Mutter,
Rauften ihr Haar, sinnlos an den rollenden Wagen sich                       stürzend,
Rührend des Toten Haupt; und weinend umstand sie die                     Menge.
Also den ganzen Tag bis spät zur sinkenden Sonne
Hätten sie Hektor betraurt die Weinenden außer dem Tore,
715    Wenn nicht jetzt aus dem Sessel der Greis zum Volke                         geredet:

Weicht, und laßt mir die Mäuler hindurchgehn; aber nach             diesem
Sättiget euch der Tränen, nachdem ich ins Haus ihn                             geführet!

Jener sprach's; und sie trennten sich schnell, und wichen               dem Wagen.
Als sie den Leichnam nun in die prangende Wohnung                         geführet,

720   Legten sie ihn auf ein schönes Gestell, und ordneten Sänger,
Anzuheben die Klag'; und gerührt mit jammernden Tönen
Sangen sie Trauergesang, und ringsum seufzten die Weiber.
Aber die blühende Fürstin Andromache klagte vor allen,
Haltend sein Haupt in den Händen, des männervertilgenden             Hektors:

725        Mann, du verlorst dein Leben, du Blühender; aber mich                   Witwe
Lässest du hier im Palast, und das ganz unmündige Söhnlein,
Welches wir beide gezeugt, wir Elenden! Ach wohl                             schwerlich
Blüht er zum Jüngling empor! Denn zuvor wird Troja vom                   Gipfel
Umgestürzt, da du starbst, ihr Verteidiger, welcher die                       Mauern

730   Schirmte, die züchtigen Fraun und stammelnden Kinder                     errettend,
Bald nun werden hinweg sie geführt in geräumigen Schiffen,
Und ich selbst mit jenen! Doch du, mein trautester Sohn,                   wirst
Dorthin gehn mit der Mutter, um Arbeit und Schmach zu                   erdulden,
Ringend unter dem Zwang des Grausamen; oder dich                         schmettert
735   Hoch vom Turm ins Verderben, am Arme gefaßt, ein Achaier,
Zürnend, da Hektor den Bruder ihm tötete, oder den Vater,
Oder den blühenden Sohn: denn traun sehr viel der Achaier
Haben durch Hektors Hände den Staub mit den Zähnen                     gebissen.
Nie war schonend dein Vater noch sanft in der grausen                       Entscheidung;
740   Drum betrauren ihn nun die Völker umher in der Feste.
Schrecklich hast du die Eltern mit Gram und Trauer belastet,
Hektor; doch mich vor allen betrübt nie endender Jammer!
Denn nicht hast du mir sterbend die Hand aus dem Bette                   gereichet,
Noch ein Wort mir gesagt voll Weisheit, welches ich ewig
745   Eingedenk erwöge, bei Tag' und Nacht dich beweinend.

Also sprach sie weinend, und ringsum seufzten die Weiber.
Jetzo erhub vor ihnen auch Hekabe klagend die Stimme:

Hektor, du Herzenskind, mein Trautester aller Gebornen!
Ach und weil du mir lebtest, wie hochgeliebt von den                         Göttern,

750   Welche ja dein gedenken auch selbst in des Todes                               Verhängnis!
Denn die anderen Söhne, die mir der schnelle Achilleus
Nahm, verkauft' er vordem jenseits der öden Gewässer,
Hin gen Samos und Imbros und zur unwirtbaren Lemnos.
Aber da dich er entseelt mit ragender Spitze des Erzes,
755   Hat er so oft dich geschleift um das Ehrenmahl des Patroklos,
Seines Freunds, den du schlugst; und erweckete jenen auch               so nicht:
Dennoch frisch wie betaut und blühend annoch im Palaste
Ruhest du, jenem gleich, den der Gott des silbernen Bogens
Unversehns hinstreckte, mit lindem Geschoß ihn ereilend.

760        Also sprach sie weinend, und weckt' unermeßlichen                       Jammer.
Endlich erhub vor ihnen auch Helena klagend die Stimme:

Hektor, o trautester Freund, geliebt vor des Mannes                       Gebrüdern!
Ach mein Gemahl ist jetzo der göttliche Held Alexandros,
Der mich gen Troja geführt! O wär' ich zuvor doch                               gestorben!

765   Denn mir entflohn seitdem schon zwanzig Jahre des Lebens,
Seit von dannen ich ging, das Land der Väter verlassend;
Nimmer indes entfiel dir ein böses Wort, noch ein Vorwurf
Ja wenn ein andrer im Hause mich anfuhr, unter den Brüdern
Oder den Schwestern des Manns, und den stattlichen                         Frauen der Schwäger
770   Oder die Schwäherin selbst, denn der Schwäher ist mild wie             ein Vater;
immer besänftigtest du, und redetest immer zum Guten,
Durch dein freundliches Herz und deine freundlichen Worte.
Drum bewein' ich mit dir mich Elende, herzlich bekümmert!
Denn kein anderer noch in Trojas weitem Gefilde
775    Ist mir Tröster und Freund; sie wenden sich alle mit Abscheu!

Also sprach sie weinend; es seufzt' unzählbares Volk nach.
Priamos aber der Greis begann im Gedränge der Troer:

Bringt nun Holz, ihr Troer, vorn Walde zur Stadt, und                      besorgt nicht
Laurenden Hinterhalt der Danaer; denn mir verhieß ja

780   Peleus' Sohn, mich entsendend von Argos' dunkelen                           Schiffen,
Nicht uns Schaden zu tun, bis genaht der zwölfte der                           Morgen.

Jener sprach's; da bespannten sie schnell mit Stieren und               Mäulern
Wagen der Last, und versammelten drauf sich außer der                   Feste,
Führeten dann neun Tage zur Stadt unermeßliche Waldung.

785   Aber nachdem zum zehnten die leuchtende Eos emporstieg;
Jetzo trugen sie weinend hinaus den mutigen Hektor,
Legten ihn hoch auf der Scheiter Gerüst, und entflammten                 das Feuer.

Als aufdämmernd nun Eos mit Rosenfingern emporstieg,
Kam das versammelte Volk um den Brand des gepriesenen               Hektors.

790   Diese löschten den glimmenden Schutt mit rötlichem Weine,
Überall, wo die Glut hinwütete; drauf in der Asche
Lasen das weiße Gebein die Brüder zugleich und Genossen,
Wehmutsvoll, ihr Antlitz mit häufigen Tränen benetzend.
Jetzo legeten sie die Gebein' in ein goldenes Kästlein,
795   Und umhüllten es wohl mit purpurnen weichen Gewanden;
Senkten sodann es hinab in die hohle Gruft; und darüber
Häuften sie dichtgeordnet gewaltige Steine des Feldes;
Schütteten eilend das Mal, und ringsum stellten sie Späher,
Daß nicht zuvor anstürmten die hellumschienten Achaier.
800   Als sie das Mal geschüttet, enteilten sie. Jetzo von neuem
Kamen sie nach dem Gebrauch, und feierten stattlichen                     Festschmaus
Dort in Priamos' Hause, des gottbeseligten Herrschers.
Also bestatteten jene den Leib des reisigen Hektors.

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