Ilias - Kapitel 45 by Homer
Ilias - Kapitel 45 by Homer

Ilias - Kapitel 45

Homer * Track #45 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 45 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 45 Annotated

Fünfzehnter Gesang

Der erwachte Zeus bedroht Here, und gebeut, ihm Iris und Apollon vom Olympos zu rufen; daß jene den Poseidon aus der Schlacht gehen heiße, dieser den Hektor herstelle, und die Achaier scheuche, bis Achilleus den Patroklos sende. Es geschieht. Hektor mit Apollon schreckt die Achaier, deren Helden nur widerstehn, in das Lager zurück, und folgt mit den Streitwagen über Graben und Mauer, wo Apollon ihm bahnt. Den Kampf hört Patroklos in Eurypylos Zelt, und eilt den Achilleus zu erweichen. Die Achaier ziehn sich von den vorderen Schiffen. Ajas, Telamons Sohn, kämpft von den Verdecken mit einem Schiffspeere, und verteidigt des Protesilaos Schiff, das Hektor anzünden will.

Aber nachdem sie die Pfähle hindurch und den Graben                       geeilet,
Fliehend, und mancher erlag dem mordenden Arm der                       Achaier;
Jetzo hemmeten jene sich dort bei den Wagen beharrend,
Blaß ihr Gesicht vor Angst, die Erschrockenen. Doch es                       erwachte
5        Zeus auf Idas Höhn bei der goldenthronenden Here.
Schnell nun stand er empor, und umsah die Achaier und                     Troer:
Diese dahergescheucht, und jen' im Tumult sie verfolgend,
Argos' Söhn', und mit ihnen den Meerbeherrscher Poseidon.
Hektor auch sah er im Felde, den liegenden; und die                             Genossen
10      Saßen umher; noch beklemmt, aufatmet' er, schwindelnd in             Ohnmacht,
Und spie Blut; denn ihn traf kein schwächerer Mann der                     Achaier.
Mitleidsvoll erblickt' ihn der waltende Herrscher der Welt                 Zeus;
Drohend mit finsterem Blick zur Here wandt' er die Worte:

Traun, dein böser Betrug, arglistige, tückische Here,

15      Hemmte den göttlichen Hektor vom Streit, und erschreckte               die Völker!
Doch wer weiß, ob nicht wieder des schlauersonnenen                       Frevels
Erste Frucht du genießest, von meiner Geißel gezüchtigt!
Denkst du nicht mehr, wie du hoch herschwebtest, und an                 die Füß' ich
Zween Ambosse dir hängt', und ein Band um die Hände dir               schürzte,
20     Golden und unzerbrechlich? Aus Ätherglanz und Gewölk her
Schwebtest du; ringsum traurten die Himmlischen durch den           Olympos;
Doch nicht wagte zu lösen ein Nahender: wen ich erhaschte,
Schleudert' ich mächtig gefaßt von der Schwell' ihn, bis er                 zur Erde
Niedergestürzt ohnmächtig; auch so nicht ruhte der Zorn                   mir,
25      Heftig entbrannt um die Qual des göttergleichen Herakles,
Welchen du, mit Boreas Hilf' aufregend die Stürme,
Sendetest durch das verödete Meer, trugsinnendes Herzens,
Und ihn endlich in Kos' bevölkerte Insel verschlugest;
Doch ihn führt' ich von dannen zurück, und bracht' ihn in                   Argos'
30     Rossenährendes Land, nach mancherlei Kämpfen des                         Elends.
Dessen erinnr' ich dich, daß hinfort du entsagest dem Truge,
Bis du erkannt, ob frommen dir mög' Umarmung und Lager,
Dem du entfernt von den Göttern dich nahetest, und mich                 betörtest!

Jener sprach's; da erschrak die hoheitblickende Here;

35     Und sie begann dagegen, und sprach die geflügelten Worte:

Zeuge mir jetzo die Erd', und der wölbende Himmel von                   oben,
Auch die stygische Flut, die hinabrollt: welches der größte
Eidschwur ja und furchtbarste ist den seligen Göttern:
Auch dein heiliges Haupt, und unserer blühenden Jugend

40     Hochzeitbett, bei welchem ich nie falsch wagte zu schwören!
Daß nicht meines Geheißes der Erderschüttrer Poseidon
Trojas Söhn' und Hektor verletzt, doch jene beschirmt;
Sondern vielleicht sein Herz aus eigener Regung ihn antreibt,
Weil er gedrängt bei den Schiffen die Danaer sah mit                           Erbarmung!
45     Eher ja möcht' ich auch ihm ein ratsames Wort zureden,
Hinzugehn, wo du, Schwarzwolkiger, selbst es gebietest!

Lächelnd vernahm's der Vater des Menschengeschlechts               und der Götter;
Und er erwiderte drauf, und sprach die geflügelten Worte:

Wenn nur du hinführo, du hoheitblickende Here,

50     Gleich mir selbst an Gesinnung im Rat der Unsterblichen                   säßest;
Wahrlich Poseidon würde, wie sehr er auch anderswohin                   strebt,
Bald umlenken den Sinn, nach deinem Herzen und meinem.
Aber wofern ja im Ernst und ohne Falsch du geredet;
Wandele nun zu der Götter Geschlecht, und rufe mir eilig
55      Iris hieherzugehn, und den bogenberühmten Apollon:
Daß sie schnell in das Heer der erzumschirmten Achaier
Niedersteig', und verkünde dem Meerbeherrscher Poseidon,
Abzulassen vom Kampf, und heim zum Palaste zu kehren;
Aber den Hektor zur Schlacht aufmuntere Phöbos Apollon,
60     Wiederum ihn beseele mit Kraft, und zähme die Schmerzen,
Die nun schwer sein Herz ihm ängstigen; doch die Achaier
Wieder zur Flucht umwend', unmutiges Schrecken erregend;
Daß die Fliehenden bang in des Peleiaden Achilleus
Ruderschiffe sich stürzen. Er heißt dann seinen Patroklos
65     Aufstehn; doch ihn erlegt mit dem Speer der strahlende                     Hektor,
Nahe vor Ilios' Mauren, nachdem er der Jünglinge viele
Ausgetilgt, auch meinen erhobenen Sohn Sarpedon.
Ihn dann rächend erschlägt den göttlichen Hektor Achilleus.
Doch alsdann von neuem verhäng' ich Flucht und                                 Verfolgung
70     Stets von den Schiffen hinfort gen Ilios, bis die Achaier
Nehmen die hohe Stadt, durch weisen Rat der Athene.
Eher werd' ich den Zorn nicht mäßigen, oder der andern
Himmlischen einem gestatten, die Danaer dort zu                               beschirmen;
Ehe dem Peleionen erfüllt ist, was er verlanget:
75     Wie ich zuerst ihm verhieß, mit gewährendem Winke des                   Hauptes,
Jenes Tags, als Thetys die Kniee mir flehend umfaßte,
Ihren Sohn zu ehren, den Städteverwüster Achilleus.

Sprach's; und willig gehorchte die lilienarmige Here,
Eilte von Idas Höhn, und ging zum hohen Olympos.

80     Wie der Gedanke des Mannes umherfliegt, der, da er viele
Länder bereits durchging, im sinnenden Herzen erwäget:
Dorthin möcht' ich, und dort; und mancherlei Pfade                             beschließet:
Also durchflog hineilend den Weg die Herrscherin Here;
Kam nun zum hohen Olympos, und fand die unsterblichen                 Götter
85     Dort in des Donnerers Saale vereiniget. Jene sie schauend,
Sprangen empor von den Sitzen, und grüßten sie alle mit                   Bechern.
Aber sie ließ die andern, und nahm der rosigen Themis'
Becher allein; denn zuerst entgegen ihr kam sie gewandelt,
Redete freundlich sie an, und sprach die geflügelten Worte:

90         Warum kommst du, o Here? Du scheinst erschrocken im               Antlitz.
Sicherlich hat dein Gemahl, des Kronos' Sohn, dich                               geängstet.

Ihr antwortete drauf die lilienarmige Here:
Frage mich nicht, o Themis, du Göttliche; selber ja weißt du,
Wie unfreundlich er ist, und übermütiges Herzens.

95      Aber beginn mit den Göttern im Saal das gemeinsame                       Gastmahl;
Dann zugleich samt allen Unsterblichen sollst du                                 vernehmen,
Welcherlei Greuel uns Zeus ankündiget. Nimmer, vermutlich,
Freut sich allen das Herz, den Sterblichen, oder den Göttern;
Hat auch mancher bisher in behaglicher Ruhe geschmauset.

100       Jene sprach's, und setzte sich hin, die Herrscherin Here.
Rings nun traurten im Saal die Unsterblichen. Sie mit den                   Lippen
Lächelte, doch nicht wurde die Stirn' um die dunkelen Brauen
Aufgeklärt; und zu allen mit zürnender Seele begann sie:

Törichte, die wir mit Zeus so gedankenlos uns ereifern,

105    Oder sein Tun zu stören uns abmühn, nahend mit Worten,
Oder mit Macht! Er sitzet von fern, und achtet nicht unser,
Unbesorgt; denn er dünkt sich vor allen unsterblichen                         Göttern
Weit an Kraft und Gewalt den Erhabensten sonder                               Vergleichung.
Duldet denn, was auch immer des Unheils jedem er sendet.
110     Eben nur ward, ich meine, dem Ares Jammer bereitet;
Denn Askalaphos sank, sein Trautester unter den Menschen,
Dort in der Schlacht, sein Sohn, wie der stürmende Ares                     bekennet.

Jene sprach's; doch Ares, die nervichten Hüften sich                       schlagend
Mit gebreiteten Händen, erhub die jammernde Stimme:

115        Jetzo verargt mir's nicht, olympischer Höhen Bewohner,
Daß ich ein Rächer des Sohns hingeh zu den Schiffen                           Achaias;
Wäre sogar mein Los, von des Donnerers Strahle                                 zerschmettert,
Unter den Toten zugleich in Blut und Staube zu liegen!

Jener sprach's; und die Rosse gebot er dem Graun und                   Entsetzen

120    Anzuschirren, und zog hellstrahlendes Waffengeschmeid'                 an.
Jetzo fürwahr noch größer und schreckenvoller denn jemals
Wäre den Göttern entbrannt der Zorn und die Rache                           Kronions;
Wenn nicht Athene, besorgt um alle unsterblichen Götter,
Eilt' aus der Pforte des Saals, den Thron, wo sie ruhte,                         verlassend.
125    Ihm vom Haupt entriß sie den Helm, und den Schild von den             Schultern;
Auch die eherne Lanz', aus starker Hand ihm entreißend,
Stellte sie hin, und schalt den ungebändigten Ares:

Rasender du, Sinnloser, du rennst in Verderben! Umsonst               denn
Hast du Ohren zu hören, und hegst nicht Scham noch                         Besinnung?

130    Hörtest du nicht die Rede der lilienarmigen Here,
Die nun eben von Zeus dem Olympier wieder zurückkam?
Willst du vielleicht, selbst füllend das Maß des unendlichen               Jammers,
Heim zum Olympos kehren, ein Traurender zwar, doch                       genötigt;
Und uns übrigen allen des Jammers Fülle bereiten?
135    Denn alsbald der Troer und Danaer mutige Völker
Läßt er, und wandelt uns mit Getümmel daher zum                             Olympos,
Und ergreift nacheinander, wer schuldig ist, oder nicht also!
Drum nun, rat' ich, entsage dem Zorn ob des Sohnes                           Ermordung.
Mancher bereits, und besser an Kraft und Armen denn jener,
140   Sank, und sinkt noch hinfort ein Erschlagener. Ist's doch                     unmöglich,
Aller sterblichen Menschen Geschlecht vom Tode zu retten.

Jene sprach's, und setzt' auf den Thron den stürmenden                 Ares.
Here nunmehr berief den Apollon aus dem Gemache,
Iris zugleich, die Verkündigerin unsterblicher Götter;

145    Und sie begann zu ihnen, und sprach die geflügelten Worte:

Zeus befiehlt, daß ihr beid' aufs schleunigste kommet zum           Ida.
Aber sobald ihr genaht, und des Donnerers Antlitz gesehen;
Tut alsdann, was immer sein Herz verlangt und gebietet.

Dieses gesagt, nun kehrte zurück die Herrscherin Here,

150    Setzte sich dann auf den Thron. Doch jen' entflogen in Eile,
Bis sie den Ida erreicht, den quelligen Nährer des Wildes.
Und sie fanden den wartenden Zeus auf Gargaros Gipfel
Hingesetzt; ihn barg die duftende Wolkenumhüllung.
Als sich beide genaht dem Wolkensammler Kronion,
155    Standen sie; und nicht war des Schauenden Seele voll                         Zornes,
Weil sie schleunig gehorcht dem Befehl der trauten                             Gemahlin.
Drauf zur Iris zuerst die geflügelten Worte begann er:

Eile mir, hurtige Iris, zum Meerbeherrscher Poseidon,
Alles verkünd' ihm genau, und sei nicht täuschende Botin.

160    Auszuruhn gebeut ihm von Kampf und Waffengetümmel,
Und zu gehn in die Schar der Unsterblichen, oder zur                           Meerflut.
Wenn er nicht das Gebot mir beschleuniget, sondern                         verachtet;
Dann erwäg' er hinfort in des Herzens Geist und                                   Empfindung,
Ob er nicht, wie mächtig er sei, mich Nahenden schwerlich
165    Möchte bestehn; denn ich dünke mich weit erhabner an                     Stärke,
Älter auch an Geburt; und nichts doch achtet sein Herz es,
Gleich sich mir zu wähnen, vor dem auch andere zittern.

Jener sprach's; ihm gehorchte die windschnell eilende Iris;
Schnell vom Ida entflog sie zur heiligen Ilios nieder.

170    Wie wenn daher aus Wolken der Schnee fliegt, oder des                     Hagels
Kalter Schauer gejagt vom heiter frierenden Nordwind;
Also durchflog hineilend den Weg die geflügelte Iris;
Nahe gestellt nun sprach sie zum Erderschüttrer Poseidon:

Eine Verkündigung dir, schwarzlockiger Erdumstürmer,

175    Bring' ich dahergesendet von Zeus dem Ägiserschüttrer.
Auszuruhn gebeut er von Kampf und Waffengetümmel,
Und zu gehn in die Schar der Unsterblichen, oder zur                           Meerflut.
Wenn du nicht das Gebot ihm beschleunigest, sondern                       verachtest;
Siehe dann droht er selber zu schrecklichem Kampfe                           gerüstet
180   Wider dich herzukommen: doch warnet er dich, zu                               vermeiden
Seinen Arm; denn er dünke sich weit erhabner an Stärke,
Älter auch an Geburt; und nichts doch achtet dein Herz es,
Gleich dich ihm zu wähnen, vor dem auch andere zittern.

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