Ilias - Kapitel 35 by Homer
Ilias - Kapitel 35 by Homer

Ilias - Kapitel 35

Homer * Track #35 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Ilias - Kapitel 35 Annotated

Jene sobald sie das Zelt des Neleiaden erreichten,
Stiegen sie selbst vom Wagen zur nahrungsprossenden                     Erde;
620   Aber die Rosse löst' Eurymedon, Diener des Greises,
Von dem Geschirr. Sie aber, den Schweiß der Gewande zu                 kühlen,
Stellten sich gegen den Wind am luftigen Meergestade,
Gingen darauf ins Gezelt, und setzten sich nieder auf Sessel.
Weinmus mengte nun ihnen die lockige Hekamede,
625    Die aus Tenedos brachte der Greis, wie Achilleus sie                           einnahm,
Tochter des hochgesinnten Arsinoos, die die Achaier
Ihm erwählt, dieweil er im Rat vorragte vor allen.
Diese rückte zuerst die schöne geglättete Tafel
Mit stahlblauem Gestell vor die Könige; mitten darauf dann
630   Stand ein eherner Korb mit trunkeinladenden Zwiebeln,
Gelblicher Honig dabei, und die heilige Blume des Mehles;
Auch ein stattlicher Kelch, den der Greis mitbrachte von                     Pylos:
Welchen goldene Buckeln umschimmerten; aber der Henkel
Waren vier, und umher zwo pickende Tauben an jedem,
635   Schön aus Golde geformt; zwei waren auch unten der Boden.
Mühsam hob ein andrer den schweren Kelch von der Tafel,
War er voll; doch Nestor der Greis erhob ihn nur spielend.
Hierin mengte das Weib, an Gestalt den Göttinnen ähnlich,
Ihnen des pramnischen Weins, und rieb mit eherner Raspel
640   Ziegenkäse darauf, mit weißem Mehl ihn bestreuend,
Nötigte dann zu trinken vom wohlbereiteten Weinmus.
Beide, nachdem sie im Tranke den brennenden Durst sich                 gelöschet,
Freueten sich des Gesprächs, und redeten viel miteinander.

Jetzo stand an der Pforte Patroklos, ähnlich den Göttern.

645   Als ihn erblickte der Greis, da entsprang er dem                                   schimmernden Sessel,
Führt' ihn herein an der Hand, und nötigte freundlich zum                 Sitze.
Doch Patroklos versagt' es dem Greis', und erwiderte also:

Nötige nicht zum Sitze, du göttlicher Greis; denn ich darf               nicht.
Ehrfurcht fordert und Scheu, der mich gesendet, zu forschen,

650   Welchen Verwundeten dort du herführst. Aber ich selber
Kenn' ihn schon; denn ich sehe den Völkerhirten Machaon.
Jetzo, das Wort zu verkünden, enteil' ich zurück zum                           Achilleus,
Wohl ja kennest auch du, ehrwürdiger Alter, des Mannes
Heftigen Sinn, der leicht Unschuldige selber beschuldigt.

655         Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:
Was doch kümmern so sehr Achilleus Herz die Achaier,
Welche bereits das Geschoß verwundete? Aber er weiß                     nicht,
Welch ein Weh sich erhub durch das Kriegsheer! Alle die                   Tapfern
Liegen umher bei den Schiffen, mit Wurf und Stoße                             verwundet!

660   Wund von Geschoß ist Tydeus' Sohn, der Held Diomedes;
Wund von der Lanz' Odysseus der Herrliche, und                                 Agamemnon;
Auch Eurypylos traf ein fliegender Pfeil in die Lende.
Diesen anderen bracht' ich selber nur jüngst aus der                           Feldschlacht,
Als der Senne Geschoß ihn verwundete. Aber Achilleus
665   Hegt, zwar tapfer, mit uns nicht Mitleid oder Erbarmung!
Harrt er vielleicht, bis erst die rüstigen Schiff' am Gestade,
Trotz der Achaiermacht, in feindlicher Flamme verlodern,
Und wir selbst hinbluten der Reihe nach? Nicht ja besteht mir
Kraft, wie vordem sie gestrebt in den leichtgebogenen                       Gliedern!
670   Wär' ich so jugendlich noch, und ungeschwächtes                               Vermögens,
Wie als einst der Eleier und Pylier Streit sich erhoben,
Ober den Rinderraub; da ich den Itymoneus hinwarf,
Ihn den tapferen Sohn des Hypeirochos, wohnend in Elis,
Und mir Entschädigung nahm. Er stritt, die Rinder uns                         wehrend;
675   Aber ihn traf im Vordergewühl mein stürmender Wurfspieß,
Daß er sank, und in Angst sein ländliches Volk sich                             zerstreute.
Viel und reichliche Beute gewannen wir rings aus den                         Feldern:
Fünfzig Herden der Rinder umher, der weidenden Schafe
Eben so viel, auch der Schweine so viel, und der streifenden               Ziegen;
680   Auch der bräunlichen Rosse gewannen wir                                           hundertundfünfzig,
Stuten all', und viele von saugenden Füllen begleitet.
Weg nun trieben wir jene hinein zur nelaïschen Pylos,
Nachts in die Stadt ankommend; und herzlich freute sich                   Neleus,
Daß mir Jünglinge schon so viel Kriegsbeute beschert war.
685   Herolde riefen nunmehr, sobald der Morgen emporstieg,
Jeden herbei, wem Schuld in der heiligen Elis gebührte.
Aber des Pyliervolks versammelte Obergebieter
Teileten aus; denn vielen gebührete Schuld von Epeiern,
Seit wir wenigen dort in Drangsal Pylos bewohnet.
690   Denn uns drängt' hinkommend die hohe Kraft Herakles'
Einige Jahre zuvor, und erschlug die tapfersten Männer.
Siehe wir waren zwölf untadlige Söhne des Neleus;
Davon blieb ich allein; die anderen sanken getötet.
Drum verachteten uns die erzumschirmten Epeier,
695   Und voll Übermutes verübten sie mancherlei Frevel.
Draus nun wählte der Greis sich eine Herde der Rinder,
Eine von Schafen gedrängt, drei Hunderte samt den Hirten;
Weil auch ihm viel Schuld in der heiligen Elis gebührte:
Vier siegprangende Rosse zusamt dem Wagengeschirre,
700   Zum Wettrennen gesandt; denn ein Dreifuß war zur                           Belohnung
Aufgestellt; da behielt der Völkerfürst Augeias
Jene zurück, und entsandte den traurenden Wagenlenker.
So zum Zorne gereizt durch Wort' und Taten des Frevels,
Wählte sich vieles der Greis; das übrige gab er dem Volke,
705   Gleichgeteilt, daß keiner ihm leer der Beute hinwegging.
Wir vollendeten nun ein jegliches, und um die Stadt her
Weihten wir Opfer des Danks. Doch schnell am dritten der               Tage
Kamen die Feind' unzählbar, sie selbst und stampfende                       Rosse,
Alle geschart; auch kamen die zween Molionen gerüstet,
710    Kinder annoch, und wenig geübt zum herzhaften Angriff.
Eine Stadt Thryoessa erhebt sich auf felsichtem Hügel,
Fern an Alpheios' Strom, die heilige Elis begrenzend:
Diese bekämpfte der Feind, sie auszutilgen verlangend.
Doch wie sie ganz das Gefild umschwärmeten, kam uns                     Athene
715    Schnell als Botin daher vom Olympos, uns zu bewaffnen,
Nachts; und nicht unwillig erhuben sich Pylos' Bewohner,
Sondern mit freudigem Mut zu der Feldschlacht. Mir nur                   verwehrte
Neleus, mitzugehn in den Streit, und barg mir die Rosse;
Denn noch wähnt' er mich nicht zu Kriegsarbeiten gewitzigt.
720   Dennoch strahlt' ich hervor in unserer Reisigen Scharen,
Ohne Gespann, auch zu Fuß; so trieb in den Kampf mich                   Athene.
Aber es rollt ein Strom Minyeïos nieder zur Salzflut,
Dicht an Aren': hier harreten wir der heiligen Frühe,
Pylos' reisige Schar; und daher floß Menge des Fußvolks.
725   Drauf mit gesamter Macht in wohlgerüstetem Heerzug
Kamen wir mittags hin zum heiligen Strom Alpheios.
Allda brachten wir Zeus dem Allmächtigen prangende Opfer,
Einen Stier dem Alpheios, und einen Stier dem Poseidon,
Eine Kuh von der Herde für Zeus' blauäugige Tochter;
730   Nahmen die Abendkost durch das Kriegsheer, Haufen bei                   Haufen,
Legten uns dann zur Ruh, in eigener Rüstung ein jeder,
Längs dem Ufer des Stroms. Die hochgesinnten Epeier
Standen bereits um die Stadt, sie hinwegzutilgen verlangend;
Aber sie fanden zuvor des Ares schreckliche Arbeit.
735   Denn als leuchtend die Sonn' emporstieg über die Erde,
Rannten wir an zum Gefecht, und fleheten Zeus und                           Athenen.
Als nun die Schlacht anhub der Pylier und der Epeier,
Rafft' ich den ersten der Feind', und nahm die stampfenden               Rosse,
Mulios, kühn und gewandt, der ein Eidam war des Augeias,
740   Seiner ältesten Tochter vermählt, Agamede der blonden,
Die Heilkräuter verstand, so viel rings nähret die Erde.
Ihn, wie er gegen mich kam, mit eherner Lanze durchbohrt'               ich;
Und er entsank in den Staub; und ich, in den Sessel mich                   schwingend,
Stand nun im Vordergewühl. Die hochgesinnten Epeier
745   Zitterten ängstlich umher, da den Mann hinfallen sie sahen,
Ihn der, führend den reisigen Zeug, vorstrebt' in der                             Feldschlacht.
Aber ich stürmt' in die Feinde, dem dunkelen Donnerorkan                 gleich;
Fünfzig gewann ich der Wagen, und zween Kriegsmänner                 um jeden
Knirschten den Staub mit den Zähnen, von meiner Lanze                   gebändigt.
750   Aktors Söhn' auch hätt' ich gestreckt, die zween Molionen,
Hätte nicht ihr Vater, der Erderschüttrer Poseidon,
Schnell dem Gefecht sie entrückt, ringsher in Nebel sie                       hüllend.
Jetzo gewährete Zeus den Pyliern herrliche Siegsmacht.
Denn stets folgeten wir durch schildbestreuete Felder,
755   Niederhauend den Feind, und stattliche Rüstungen                               sammelnd,
Bis wir zum Weizengefilde Buprasion trieben die Rosse,
Und zum olenischen Fels, und wo Alesions Hügel
Wird genannt, wo zurück uns wendete Pallas Athene.
Dort verließ ich den letzten Erschlagenen; und die Achaier
760   Lenkten das schnelle Gespann von Buprasion wieder gen                   Pylos,
Preisend mit Dank von den Himmlischen Zeus, von den                     Sterblichen Nestor.
So war ich, ja ich war's! in der Feldschlacht! Aber Achilleus
Hegt der Tugend Genuß sich allein nur! Wahrlich mit Tränen
Wird er hinfort es bejammern, nachdem das Volk uns vertilgt           ist!
765   Ach mein Freund, wohl hat dich Menötios also ermahnet,
Jenes Tags, da aus Pytia zu Atreus' Sohn er dich sandte.
Denn wir beide darinnen, ich selbst und der edle Odysseus,
Höreten all' im Gemach die Ermahnungen, die er dir mitgab.
Siehe wir kamen dahin zu Peleus' schönem Palaste,
770   Völker umher versammelnd im fruchtbaren Land Achaias;
Und wir fanden den Held Menötios dort im Palaste,
Dich und Achilleus zugleich. Der alte reisige Peleus
Brannte dem Donnerer Zeus die fetten Schenkel des Stieres
In dem umschlossenen Hof, und hielt den goldenen Becher,
775   Sprengend den funkelnden Wein in die heilige Flamme des                 Opfers.
Ihr bereitetet beide das Stierfleisch. Jetzo erschienen
Wir an der Pforte des Hofs; bestürzt nun erhub sich                             Achilleus,
Führt' uns herein an der Hand, und nötigte freundlich zum                 Sitze,
Wohl dann bewirtet' er uns, nach heiliger Sitte des                               Gastrechts.
780   Aber nachdem wir der Kost uns gesättiget und des                              Getränkes,
Jetzo begann ich die Red', euch mitzugehen ermahnend;
Ihr auch wolltet es gern, und viel euch geboten die Väter.
Peleus der graue Held ermahnete seinen Achilleus,
Immer der Erste zu sein, und vorzustreben vor andern.
785   Aber dich ermahnte Menötios, Aktors Erzeugter:
Lieber Sohn, an Geburt ist zwar erhabner Achilleus,
Älter dafür bist du; doch ihm ward größere Stärke;
Aber du hilf ihm treulich mit Rat und kluger Erinnrung,
Und sei Lenker dem Freund'; er folgt dir gerne zum Guten.
790   Also ermahnte der Greis; du vergaßest es. Aber auch jetzt                 noch
Sage dies Achilleus dem Feurigen, ob er gehorche.
Denn wer weiß, ob vielleicht durch göttliche Hilf' ihn                           beweget
Dein Zuspruch! Gut immer ist redliche Warnung des                           Freundes.
Aber wofern im Herzen ein Götterspruch ihn erschrecket,
795   Und ihm Worte von Zeus die göttliche Mutter gemeldet;
Send' er zum wenigsten dich, und der Myrmidonen                             Geschwader
Folge zugleich, ob du etwa ein Licht der Danaer werdest.
Dir auch geb' er das Waffengeschmeid' im Kampfe zu                         tragen,
Ob dich für ihn ansehend vielleicht vom Kampfe die Troer
800   Abstehn, und sich erholen die kriegrischen Männer Achaias
Ihrer Angst; wie klein sie auch sei die Erholung des Krieges.
Leicht auch könnt ihr, noch frisch, die ermüdeten Männer im             Angriff
Rückwärts drängen zur Stadt, von den Schiffen hinweg und               Gezelten.

Also der Greis, und jenem das Herz im Busen bewegt' er.

805   Schnell durchlief er die Schiffe zum Äakiden Achilleus.
Aber nachdem zu den Schiffen des göttergleichen Odysseus
Laufend Patroklos genaht, wo der Volkskreis und der                           Gerichtplatz
War, wo rings auch Altäre, gebaut den unsterblichen                         Göttern;
Traf er Eurypylos dort, den glänzenden Sohn des Euämon,
810   Welcher hart verwundet daher, mit dem Pfeil in der Lende,
Mühsam hinkt' aus der Schlacht; herab ihm strömte der                     Angstschweiß
Häufig von Schulter und Haupt, und hervor aus der                             schmerzenden Wunde
Rieselte schwarzes Blut; doch blieb ihm die Stärke des                       Geistes.
Mitleidsvoll erblickt' ihn Menötios' tapferer Sprößling;
815    Und er begann wehklagend, und sprach die geflügelten                       Worte:

Weh euch, weh! der Achaier erhabene Fürsten und Pfleger!
Solltet ihr so, den Freunden entfernt und dem Vatergefilde,
Nähren mit weißem Fett in Troja hurtige Hunde?
Aber verkündige mir, Eurypylos, göttlicher Kämpfer:

820   Ob noch bestehn die Achaier dem übergewaltigen Hektor,
Oder bereits hinsinken, von seiner Lanze gebändigt?

Und der verständige Sohn des Euämon sagte dagegen:
Nichts mehr, göttlicher Held Patrokleus, schafft den Achaiern
Heil; bald werden sie all' um die dunkelen Schiffe gestreckt               sein!

825   Denn sie alle bereits, die vordem die tapfersten waren,
Liegen umher bei den Schiffen, mit Wurf und Stoße                             verwundet,
Unter der Hand der Troer, die stets anwachsen an Stärke!
Aber errette du mich, zum dunkelen Schiffe mich führend;
Schneid' aus der Lende den Pfeil, und rein mit laulichem                     Wasser
830   Wasche das schwärzliche Blut; auch lege mir lindernde Salb'             auf,
Heilsame, welche du selbst von Achilleus, sagt man,                           gelernet,
Ihm, den Cheiron gelehrt, der gerechteste aller Kentauren.
Denn die Ärzte des Heers, Podaleirios und Machaon:
Einer wird im Gezelt an seiner Wunde, vermut' ich,
835   Selber anjetzt bedürftig des wohlerfahrenen Arztes,
Liegen; der andr' im Gefilde besteht die wütende Schlacht                 noch.

Ihm antwortete drauf Menötios' tapferer Sprößling:
Wie kann solches geschehn? was machen wir, Sohn des                     Euämon?
Eilend muß ich Achilleus dem Feurigen melden die                             Botschaft,

840   Welche mir Nestor befahl, der gerenische Hort der Achaier.
Dennoch werd' ich nimmer dich hier verlassen im Schmerze!

Sprach's und unter der Brust den Völkerhirten umfassend
Führt' er ins Zelt; ein Genoß dort breitete Felle der Stier' aus.
Hierauf streckt' ihn der Held, und schnitt mit dem Messer                 den scharfen

845   Schmerzenden Pfeil aus der Lend'; auch rein mit laulichem                 Wasser
Wusch er das schwärzliche Blut; dann streut' er bittere                       Wurzel
Drauf, mit den Händen zermalmt, die lindernde, welche die               Schmerzen
Alle bezwang; und es stockte das Blut in erharschender                     Wunde.

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