Ilias - Kapitel 46 by Homer
Ilias - Kapitel 46 by Homer

Ilias - Kapitel 46

Homer * Track #46 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 46 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 46 Annotated

Unmutsvoll nun begann der erderschütternde Herrscher:
185    Traun das heißt, wie mächtig er sei, hochmütig geredet,
Mir, der an Würd' ihm gleicht, mit Gewalt den Willen zu                    hemmen!
Denn wir sind drei Brüder, die Kronos zeugte mit Rheia:
Zeus, ich selbst, und Aïs, der Unterirdischen König.
Dreifach geteilt ward alles, und jeder gewann von der                         Herrschaft:
190    Mich nun trafs, beständig das graue Meer zu bewohnen,
Als wir gelost; den Aïdes traf das nächtliche Dunkel;
Zeus dann traf der Himmel umher in Äther und Wolken;
Aber die Erd' ist allen gemein, und der hohe Olympos.
Nimmer folg' ich demnach Zeus' Ordnungen; sondern                         geruhig
195    Bleib' er, wie stark er auch ist, in seinem beschiedenen                       Dritteil.
Nicht mit den Armen fürwahr, wie den Zagenden, schrecke               mich jener!
Seine Töchter vielleicht und Söhn' auch möcht' er mit                         Anstand
Durch hochfahrende Worte bedräun, die er selber gezeuget;
Denn sie werden aus Zwang auf jedes Gebot ihm                                 gehorchen!

200        Ihm antwortete drauf die windschnell eilende Iris:
Völlig so, wie du sagst, schwarzlockiger Erdumstürmer,
Bring' ich Zeus die Rede, so ungestüm, und so trotzig?
Oder wendest du noch? Gern wenden sich Herzen der Edeln.
Weißt du doch, daß Älteren stets die Erinnyen beistehn.

205        Wieder begann dagegen der Erderschüttrer Poseidon:
Iris, du hast, o Göttin, verständige Worte geredet.
Wahrlich ein gutes Ding, wenn ein Bote weiß, was geziemet.
Aber der bittere Schmerz hat Seel' und Geist mir                                 durchdrungen,
Wenn er, wer gleich an Würd', und ähnlichem Schicksal                     bestimmt ist,

210    Den zu schelten gedenkt mit wild anfahrenden Worten.
Dennoch möcht' ich für jetzt, obgleich unwillig, ihm weichen.
Aber ich sage dir an, und beschließ' im Herzen die Drohung:
Wo er zum Trotz mir selbst, und der Siegerin Pallas Athene,
Hermes, und der Here zum Trotz, und dem Herrscher                         Hephästos,
215    Ilios Feste verschont, die erhabene, und die Vertilgung
Nicht beschleußt, noch schenkt des Sieges Gewalt den                       Achaiern;
Wiss' er dann, daß ewig unheilbarer Zorn uns entflammt!

Also sprach, und verließ die Danaer Poseidaon,
Ging und taucht' in die Fluten, vermißt von den Helden                       Achaias.

220   Jetzo begann zu Apollon der Herrscher im Donnergewölk                   Zeus:

Phöbos, geh, o Geliebter, zum erzgepanzerten Hektor;
Denn bereits ja entwich der Erderschüttrer Poseidon
Wieder ins heilige Meer, den verderblichen Grimm zu                         vermeiden
Unseres Zorns. Wohl hätten den Kampf auch andre gehöret,

225   Selbst die Unsterblichen unter der Erd', um Kronos                               versammelt!
Aber sowohl für mich weit heilsamer, als für ihn selber,
War's, daß jener zuvor, obgleich unwillig, enteilte
Meinem Arm; nicht hätten wir ohne Schweiß uns gesondert!
Auf du nimm in die Hände die quastumbordete Ägis;
230   Diese mit Macht herschütternd, erschrecke das Herz der                   Achaier.
Aber du selbst, Ferntreffender, sorg' um den strahlenden                   Hektor:
Denn so lang' erhebe den Mut ihm, bis die Achaier
Fliehend daher die Schiff' und den Hellespontos erreichet.
Dann beschließ' ich selber mit Wort und Tat es zu ordnen,
235    Daß sich wieder erholen des schweren Kampfs die Achaier.

Jener sprach's; und dem Vater war nicht unfolgsam                        Apollon.
Schnell von des Idas Höhn entschwang er sich, gleich wie                 der Habicht
Stürmend zum Taubenmord, der geschwindeste aller                         Gevögel.
Priamos' Sohn nun fand er, den heldenmütigen Hektor,

240   Sitzend; er lag nicht mehr, und erfrischt vom kehrenden                     Leben
Kannt' er die Seinigen rings; des Atems Schwer' und der                     Angstschweiß
Ruhete, weil ihn erweckt des Ägiserschütterers Ratschluß.
Nahe nun trat und begann der treffende Phöbos Apollon:

Hektor, Priamos' Sohn, warum so entfernt von den andern

245   Sitzest du kraftlos hier? Hat etwa ein Leid dich getroffen?

Wieder begann schwachatmend der helmumflatterte                   Hektor:
Wer bist du, o bester der Himmlischen, welcher mich fraget?
Hörtest du nicht, daß dort um die ragenden Steuer von                       Argos,
Wo ich die Freund' ihm vertilgte, mich warf der gewaltige                 Ajas

250   Mit dem Gestein an die Brust, und im stürmischen Kampfe               mich hemmte?
Glaubt' ich doch die Geister der Tief' und Aïdes Wohnung
Diesen Tag noch zu sehn; denn schon verhaucht' ich die                     Seele.

Ihm antwortete drauf der treffende Herrscher Apollon:
Sei getrost; solch einen gewaltigen Rettet entsendet

255   Zeus dir vom Ida herab, dir beizustehn und zu helfen,
Mich den Phöbos Apollon mit goldenem Schwert, der zuvor               auch
Schirmte dich selber zugleich, und Ilios türmende Feste.
Jetzo wohlan, ermahne die reisigen Scharen der Krieger,
Auf die gebogenen Schiffe die hurtigen Rosse zu lenken.
260   Sieh ich wandle voran, und ebne die Bahn vor den Rossen
Weit hinab, und wende zur Flucht die Helden Achaias.

Also der Gott, und beseelte mit Mut den Hirten der Völker.
Wie wenn im Stall ein Roß, mit Gerste genährt an der Krippe,
Mutig die Halfter zerreißt, und stampfendes Laufs in die                     Felder

265   Eilt, zum Bade gewöhnt des lieblichwallenden Stromes,
Trotzender Kraft; hoch trägt es das Haupt, und rings an den               Schultern
Fliegen die Mähnen umher; doch stolz auf den Adel der                     Jugend,
Tragen die Schenkel es leicht zur bekannteren Weide der                   Stuten:
So auch Hektor, in Eile die Knie' und die Schenkel bewegend,
270   Trieb er der Reisigen Schar, da des Gottes Stimm' er                           vernommen.
Dort, wie wenn ein Gewild, den Kronhirsch, oder den                           Geißbock,
Jagende Hund' hinscheuchten und landbewohnende                           Männer;
Ihn dann des steilen Gebirgs Felshaupt und ein schattiges                 Dickicht
Rettete; denn ihn versagte das Schicksal noch den                               Verfolgern;
275   Doch auf das laute Getümmel erschien ein bärtiger Löwe
Drohend am Weg', und verscheuchte die Strebenden alle mit           einmal:
So die Achaier zuerst, in Schlachtreihn folgten sie immer,
Zuckend daher die Schwerter und zwiefach schneidenden                 Lanzen;
Doch wie sie Hektor gesehn die Männerscharen umwandeln,
280   Standen sie starr, und allen entsank vor die Füße der Mut                   hin.

Drauf ermahnte sie Thoas, der tapfere Sohn Andrämons,
Edel im Volk der Ätoler, ein kundiger Held mit dem                             Wurfspieß,
Auch im stehenden Kampf; den Redenden aber besiegten
Wenige, wann um ihr Wort Achaias Jünglinge stritten;

285   Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der                                   Versammlung:

Weh mir! ein großes Wunder erblick' ich dort mit den                     Augen!
Wie doch von neuem erstand, den greulichen Keren                           entronnen,
Hektor! Eben nur hofft' in sicherem Herzen ein jeder,
Daß er von Ajas' Händen gestürzt, des Telamoniden.

290   Aber ein Gott hat wieder emporgestellt und errettet
Hektor, der schon vielen der Danaer löste die Kniee:
Welches auch jetzt, vermut' ich, geschehn wird! Schwerlich               ja steht er
Ohne den Donnerer Zeus so freudiges Muts in dem                             Vorkampf
Aber wohlan, wie ich rede das Wort, so gehorchet mir alle.
295   Heißt die Menge des Volks zu unseren Schiffen zurückziehn;
Selbst nur, so viele wir uns die Tapfersten rühmen des                       Heeres,
Laßt uns stehn, um zuerst dem Ungestüm zu begegnen,
Alle die Lanzen erhöht. Ich meine ja, wie er auch wütet,
Wird er im Herzen sich scheun, der Danaer Schar zu                           durchbrechen.

300       Jener sprach's; da hörten sie aufmerksam, und gehorchten.
Schnell um die Ajas' her, und Idomeneus, Kretas                                   Beherrscher,
Teukros auch, und Meriones auch, und den kriegrischen                     Meges,
Ordneten jene die Schlacht, die edelsten Helden berufend,
Gegen der Troer Gewalt und Hektors; aber von hinten

305   Zog die Menge des Volks zurück zu den Schiffen Achaias.

Vor nun drangen die Troer mit Heerskraft; Hektor voran ging
Mächtiges Schritts; vor ihm selbst dann wandelte Phöbos                 Apollon,
Eingehüllt in Gewölk, und trug die stürmische Ägis,
Graunvoll, rauhumsäumt, hochfeierlich: welche Hephästos

310    Schmiedet', und Zeus dem Donnerer gab zum Einsetzen der             Männer:
Diese trug in den Händen der Gott, und führte die Völker.

Argos' Söhn' auch harrten gedrängt dort; und ein Geschrei               stieg
Laut aus beiderlei Heer, die Pfeile geschnellt von den Sennen
Sprangen; und häufige Speere, von mutigen Händen                           geschleudert,

315    Hafteten teils anprallend im Leib der blühenden Kämpfer;
Viel' auch im Zwischenraume, den schönen Leib nicht                         erreichend,
Standen empor aus der Erde, voll Gier im Fleische zu                           schwelgen.
Weil noch still die Ägis einhertrug Phöbos Apollon,
Hafteten jegliches Heeres Geschoss', und es sanken die                     Völker.
320   Aber sobald er sie gegen der reisigen Danaer Antlitz
Schüttelte, laut aufschreiend und fürchterlich; jetzo verzagte
Ihnen im Busen das Herz, und vergaß des stürmenden                       Mutes.
Jetzt wie die Herd', entweder des Hornviehs, oder der                         Schafe,
Zwei Raubtiere zerstreut, in dämmernder Stunde des                         Melkens,
325   Kommend in schleuniger Wut, wann nicht der Hüter dabei                 ist:
Also entflohn kraftlos die Danaer, ganz von Apollons
Schrecken betäubt; denn die Troer und Hektor ehrt' er mit                 Siegsruhm.

Nun schlug Mann vor Mann, im zerstreueten Kampf der                   Entscheidung.
Hektor raffte den Stichios hin und Arkesilaos:

330   Diesen der erzumschirmten Böotier ordnenden Führer,
Jenen des hochgesinnten Menestheus treuen Genossen.
Auch Äneias entriß des Jasos Waffen und Medons:
Dieser war ein Bastard des göttergleichen Oileus,
Medon, des Ajas Bruder, des kleineren; aber er wohnte
335   Ferne vom Vaterland' in Phylake, weil er den Vetter
Einst erschlug, Eriopis der späteren Gattin Oileus:
Jasos war zum Führer der Athenäer geordnet,
Sphelos' Sohn im Volke genannt, und Bukolos Enkel.
Auch den Mekistheus schlug Polydamas, auch den Polites
340   Echios vorn im Gefecht, und den Klonios mordet' Agenor.
Paris durchschoß rückwärts dem Deïochos oben die                           Schulter,
Als er im Vorkampf floh, daß vorn das Erz ihm hervordrang.

Während sie jen' entblößtem der Rüstungen; jetzt die                     Achaier,
Schnell auf Graben und Pfähle dahergestürzt in Verwirrung,

345   Bebten sie dorthin und dort, und tauchten aus Zwang in die               Mauer.
Hektor anjetzt ermahnte mit lautem Rufe die Troer:

Auf die Schiffe gesprengt, und verlaßt die blutige Rüstung!
Wen ich vielleicht wo anders entfernt von den Schiffen                       erblicke,
Gleich den Tod auf der Stelle bereit' ich ihm! Keine                               Verwandtschaft

350   Folgt dann, Männer und Fraun, zum Totenfeuer dem                           Leichnam;
Sondern er liegt, von Hunden zerfleischt, vor Ilios Mauern!

Sprach's, und schwang die Geißel dem raschen Gespann                 auf die Schultern,
Lautes Rufs anmahnend die Ordnungen. Alle zugleich nun
Lenkten sie, laut aufschreiend, die wagenbeflügelnden                       Rosse,

355   Mit graunvollem Getös'; und der fahrende Phöbos Apollon
Stürzete leicht mit den Füßen des Grabens ragende Ufer
Stampfend hinab in die Mitt', und brückte den Pfad hinüber,
Lang zugleich und breit, so fern der geschwungene                             Wurfspieß
Hinfliegt, welchen ein Mann, die Kraft zu versuchen,                           entsendet.
360   Dort nun strömten sie vor in geschlossener Schar, und                       Apollon
Vorn, von der Ägis umstrahlt; hinstürzt' er der Danaer Mauer
Leicht, wie etwa den Sand ein Knab' am Ufer des Meeres,
Der, nachdem er ein Spiel aufbaut' in kindischer Freude,
Wieder mit Hand und Fuße die Häuflein spielend                                 verschüttet:
365   So, ferntreffender Phöbos, verschüttetest du der Achaier
Müh und daurenden Fleiß, und scheuchtest sie selbst mit                 Entsetzen.
Jetzo hemmeten jene sich dort bei den Schiffen beharrend,
Und ermahnten einander; und rings mit erhobenen Händen
Betete laut ein jeder zu allen unsterblichen Göttern.
370   Nestor vor allen der Greis, der gerenische Herr der Achaier,
Flehte, die Händ' ausstreckend zum sternumleuchteten                     Himmel:

Vater Zeus, so dir einer in Argos' Weizengefilden
Fette Schenkel des Stiers anzündete, oder des Widders,
Flehend um Wiederkehr, und du ihm gewinkt und gelobet;

375   Denk' uns des, und steur', Olympier, solchem Verderben!
Laß nicht so hinsinken vor Trojas Macht die Achaier!

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