Ilias - Kapitel 3 by Homer
Ilias - Kapitel 3 by Homer

Ilias - Kapitel 3

Homer * Track #3 On Ilias (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Ilias - Kapitel 3 by Homer

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Homer

Ilias - Kapitel 3 Annotated

Jener sprach's; da entbrannte der Peleion', und das Herz ihm
Unter der zottigen Brust ratschlagete, wankendes Sinnes:
190    Ob er das schneidende Schwert alsbald von der Hüfte sich                 reißend
Trennen sie sollt' auseinander, und niederhaun den                             Atreiden;
Oder stillen den Zorn, und die mutige Seele beherrschen.
Als er solches erwog in des Herzens Geist und Empfindung,
Und er das große Schwert schon hervorzog; naht' ihm vom               Himmel
195    Pallas Athen', entsandt von der lilienarmigen Here,
Die für beide zugleich in liebender Seele besorgt war.
Hinter ihn trat sie, und faßte das bräunliche Haar des                         Peleiden,
Ihm allein sich enthüllend; der anderen schaute sie keiner.
Staunend zuckte der Held und wandte sich: plötzlich                           erkannt' er
200   Pallas Athenens Gestalt, und fürchterlich strahlt' ihm ihr                    Auge.
Und er begann zu jener, und sprach die geflügelten Worte:

Warum, o Tochter Zeus des Ägiserschütterers, kamst du?
Etwa den Frevel zu schaun von Atreus Sohn Agamemnon?
Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich vollendet:

205   Sein unbändiger Stolz wird einst noch das Leben ihm kosten!
Drauf antwortete Zeus blauäugige Tochter Athene:
Deinen Zorn zu stillen, gehorchtest du, kam ich vom Himmel;
Denn mich sendete Here, die lilienarmige Göttin,
Die für beide zugleich in liebender Seele besorgt ist.

210    Aber wohlan, laß fahren den Streit, und zucke das Schwert               nicht.
Magst du mit Worten ihn doch beleidigen, wie es dir einfällt.
Denn ich sage dir an, und das wird wahrlich vollendet:
Einst wird dir noch dreimal so herrliche Gabe geboten,
Wegen der heutigen Schmach. Drum fasse dich nun,                           und gehorch' uns.

215       Ihr antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Euer Wort, o Göttin, geziemet es, wohl zu bewahren,
Welche Wut auch im Herzen sich hebt; denn solches ist                     besser.
Wer dem Gebot der Götter gehorcht, den hören sie wieder.

Sprach's, und hemmte die nervichte Hand an dem silbernen             Hefte,

220   Stieß in die Scheide zurück das große Schwert, und verwarf               nicht
Athenäens Gebot. Sie wandte sich drauf zum Olympos,
In den Palast des donnernden Zeus, zu den anderen Göttern.

Doch der Peleide begann mit erbitterten Worten von neuem
Gegen des Atreus Sohn; denn noch nicht ruht' er vom Zorne:

225   Trunkenbold, mit dem hündischen Blick, und dem Mute des              Hirsches!
Niemals weder zur Schlacht mit dem Volke zugleich dich zu             rüsten,
Noch zum Hinterhalte zu gehn mit den edlen Achaias,
Hast du im Herzen gewagt! Das scheinen dir Schrecken des               Todes!
Zwar behaglicher ist es, im weiten Heer der Achaier

230   Ihm sein Geschenk zu entwenden, der dir entgegen nur                     redet!
Volkverschlingender König! Denn nichtigen Menschen                       gebeutst du!
Oder du hättest, Atreide, das letzte Mal heute gefrevelt!
Aber ich sage dir an, und mit heiligen Eide beschwör' ich's!
Wahrlich bei diesem Scepter, der niemals Blätter und Zweige
235   Wieder zeugt, nachdem er den Stamm im Gebirge verlassen;
Nie mehr sproßt er empor, denn ringsum schälte das Erz ihm
Laub und Rinde hinweg; und edele Söhne Achaias
Tragen ihn jetzt in der Hand, die Richtenden, welchen                         Kronion
Seine Gesetze vertraut: dies sei dir die hohe Beteurung!
240   Wahrlich vermißt wird Achilleus hinfort von den Söhnen                   Achaias
Allzumal; dann suchst du umsonst, wie sehr du dich                           härmest,
Rettung, wenn sie in Scharen, vom männermordenden                       Hektor
Niedergestürzt, hinsterben; und tief in der Seele zernagt dich
Zürnender Gram, daß den besten der Danaer nichts du                       geehret!

245        Also sprach der Peleid', und warf auf die Erde den Scepter,
Rings mit goldenen Buckeln geschmückt; dann setzt' er sich             nieder.
Gegen ihn stand der Atreid' und wütete. Jetzo erhub sich
Nestor mit holdem Gespräch, der tönende Redner von Pylos,
Dem von der Zung' ein Laut wie des Honiges Süße                               daherfloß.

250   Diesem waren schon zwei der redenden                                                 Menschengeschlechter
Hingewelkt, die vordem ihm zugleich aufwuchsen und                       lebten,
Dort in der heiligen Pylos; und jetzt das dritte beherrscht' er.
Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der                                 Versammlung:

Wehe, wie großes Leid dem achaiischen Lande herannaht!

255   Traun, wohl freun wird sich Priamos des, und Priamos Söhne,
Auch das Volk der Troer wird hoch frohlocken im Herzen,
Wenn sie das alles gehört, wie ihr durch Zank euch ereifert,
Ihr, die ersten Achaier im Rat, und die ersten im Kampfe.
Aber gehorcht! Ihr beide seid jüngeres Alters, denn ich bin!
260   Denn schon vormals pflog ich mit stärkeren Männern                         Gemeinschaft,
Als ihr seid; und dennoch verachteten jene mich nimmer!
Solche Männer ersah ich nicht mehr, und ersehe sie                           schwerlich,
So wie Peirithoos war, und der völkerweidende Dryas,
Käneus auch, und der Held Exadios, auch Polyphemos,
265   Oder wie Ägeus Sohn, der götterähnliche Theseus.
Traun, das waren die stärksten der lebenden Erdebewohner,
Waren selbst die stärksten und kämpften nur wider die                     stärksten,
Wider die Bergkentauren, und übeten grause Vertilgung.
Seht, und jenen war ich ein Kriegsgenoß, der aus Pylos

270   Herkam, fern ans dem Apierland; denn sie riefen mich selber;
Und ich kämpfte das meinige mit. Doch jene vermochte
Keiner, so viel nun leben des Menschengeschlechts, zu                       bekämpfen.
Dennoch hörten sie Rat von mir, und gehorchten dem                         Worte.
Aber gehorcht auch ihr; denn Rat zu hören ist besser.
275   Weder du, wie mächtig du seist, nimm jenem das Mägdlein;
Sondern laß, was ihm einmal zum Dank verliehn die Achaier:
Noch auch du, o Peleid', erhebe dich wider den König
So voll Trotz; denn es ward nie gleicher Ehre ja teilhaft
Ein bescepterter König, den Zeus mit Ruhme verherrlicht.
280   Wenn du ein Stärkerer bist, und Sohn der göttlichen Mutter:
Ist er mächtiger doch, weil mehrerem Volk er gebietet.
Atreus Sohn, laß fahren den Zorn; und ich selbst will                           Achilleus
Anflehn, auch sein Herz zu besänftigen, ihn, der die große
Schutzwehr ist dem achaiischen Volk im verderbenden                       Kriege.

285        Gegen ihn rief antwortend der Völkerfürst Agamemnon:
Wahrlich, o Greis, du hast wohlziemende Worte geredet.
Aber der Mann will immer den anderen allen zuvor sein;
Allen will er gebieten im Heer, und alle beherrschen,
Allen Gesetz' austeilen, die niemand, mein' ich, erkennet!

290   Wenn sie ja Lanzenkund' ihm verliehn, die ewigen Götter;
Stellen sie darum ihm frei, auch Schmähungen auszurufen?

Ihm in die Red' einfallend, begann der edle Achilleus:
Ja fürwahr, ein Feiger und Nichtiger müßt' ich genannt sein,
Wenn ich in allem mich dir demütigte, was du nur                               aussprichst!

295   Andern gebeut' du solches nach Willkür; aber nur mir nicht
Winke Befehl; ich möchte hinfort dir wenig gehorchen!
Eines verkünd' ich dir noch, und du bewahr' es im Herzen.
Niemals heb' ich die Arme zum Streit auf wegen des                           Mägdleins,
Weder mit dir, noch andern; ihr gabt, und nehmet sie wieder.
300   Aber so viel mir sonst bei dem dunkelen Schiffe sich findet,
Davon nimmst du mir schwerlich das mindeste, wider mein               Wollen.
Oder wohlan, versuch' es! damit sie alle mit ansehn,
Wie alsbald an der Lanze dein schwarzes Blut mir                               herabträuft!

Also haderten beide mit widerstrebenden Worten,

305   Standen dann auf, und trennten den Rat bei den Schiffen                    Achaias.
Peleus Sohn, zu den Zelten gewandt und schwebenden                       Schiffen,
Wandelte, samt Menötios' Sohn und seinen Genossen.

Doch der Atreid' entließ ein hurtiges Schiff in die Meerflut;
Wählete zwanzig hinein der Ruderer; bracht' auch Apollons

310    Hekatomb'; und darauf des Chryses rosige Tochter
Führt' er hinein; und Gebieter des Schiffs war der weise                     Odysseus.
Alle nun eingestiegen, durchsteuerten flüssige Pfade.

Drauf hieß Atreus Sohn sich entsündigen alle Achaier:
Und sie entsündigten sich, und warfen ins Meer die                             Befleckung,

315   Opferten dann für Apollon vollkommene Sühnhekatomben
Mutiger Stier' und Ziegen am Strand des verödeten Meeres;
Und hoch wallte der Duft in wirbelndem Rauche gen Himmel.

So war alles im Heere beschäftiget. Doch Agamemnon
Ließ nicht ruhn, was er zankend zuvor gedroht dem                             Achilleus;

320   Sondern Talthybios schnell und Eurybates rief er                                   ermahnend,
Die Herold' ihm waren und rasch aufwartende Diener:

Gehet hin zum Gezelte des Peleiaden Achilleus;
Nehmt an der Hand und bringt des Brises rosige Tochter.
Wenn er sie nicht hergäbe, so möcht' ich selber sie nehmen,

325   Hin mit mehreren kommend; was ihm noch schrecklicher                   sein wird!

Jener sprach's und entließ sie, die drohenden Worte                       befehlend.
Ungern gingen sie beid' am Strand des verödeten Meeres,
Bis sie die Zelt' und Schiffe der Myrmidonen erreichten.
Ihn nun fanden sie dort am Gezelt und dunkelen Schiffe

330   Sitzend; und traun, nicht wurde des Anblicks fröhlich                           Achilleus.
Beide bestürzt vor Scheu und Ehrfurcht gegen den König
Standen, und wageten nichts zu verkündigen, oder zu                         fragen.
Aber er selbst vernahm es in seinem Geist, und begann so:

Freude mit euch, Herold', ihr Boten Zeus und der Menschen!

335   Nahet euch! Ihr nicht seid mir Verschuldete; nur                                   Agamemnon,
Der euch beide gesandt um Brises rosige Tochter.
Auf denn, führe heraus das Mägdelein, edler Patroklos,
Und laß jene sie nehmen. Doch sei'n sie selber mir Zeugen,
Vor den seligen Göttern, und vor den sterblichen Menschen,
340   Auch vor dem Könige dort, dem Wüterich: Wenn man                       hinfort noch
Meiner Hilfe bedarf, dem schmählichen Jammer zu steuern
Jenes Volks...! Ha, wahrlich, er tobt in verderblichem                           Wahnsinn,
Blind im Geiste zugleich vorwärts zu schauen und rückwärts,
Daß bei den Schiffen er sichre das streitende Heer der                       Achaier!

345        Jener sprach's; und Patroklos, dem lieben Freunde                           gehorchend,
Führt' aus dem Zelt, und gab des Brises rosige Tochter
Jenen dahin; und sie kehrten zurück zu den Schiffen Achaias.
Ungern ging mit ihnen das Mägdelein. Aber Achilleus
Weinend setzte sich schnell, abwärts von den Freunden                     gesondert,

350   Hin an des Meeres Gestad', und schaut' in das finstre                         Gewässer.
Vieles zur trauten Mutter nun flehet er, breitend die Hände:

Mutter, dieweil du mich nur für wenige Tage gebarest,
Sollte mir Ehre doch der Olympier jetzo verleihen,
Der hochdonnernde Zeus! doch er ehret mich nicht, auch ein           wenig!

355   Siehe, des Atreus Sohn, der Völkerfürst Agamemnon,
Hat mich entehrt, und behält mein Geschenk, das er selber               geraubet!

Also sprach er betränt; ihn vernahm die treffliche Mutter,
Sitzend dort in den Tiefen des Meers beim grauen Erzeuger.
Eilendes Schwungs entstieg sie der finsteren Flut, wie ein                   Nebel;

360   Und nun setzte sie nahe sich hin vor den Tränenbenetzten,
Streichelt' ihn drauf mit der Hand, und redete, also                               beginnend:

Liebes Kind, was weinst du? und was betrübt dir die Seele?
Sprich, verhehle mir nichts, damit wir es beide wissen.

Doch schwerseufzend begann der mutige Renner                            Achilleus:

365   Mutter, du weißt das alles; was soll ich es dir noch erzählen?
Thebe belagerten wir, Eëtions heilige Feste,
Und verwüsteten sie, und führeten alles von dannen.
Redlich teilten den Raub die tapferen Söhne Achaias,
Und man erkor dem Atreiden des Chryses rosige Tochter.
370   Chryses darauf, der Priester des treffenden Phöbos                             Apollon,
Kam zu den rüstigen Schiffen der erzumschirmten Achaier,
Frei zu kaufen die Tochter, und bracht' unendliche Lösung,
Tragend den Lorbeerschmuck des treffenden Phöbos                         Apollon
Um den goldenen Stab; und er flehete laut den Achaiern,
375   Doch den Atreiden vor allen, den zween Feldherrn der                         Völker.
Drauf gebot beifallend das ganze Heer der Achaier,
Ehrend den Priester zu scheun, und die köstliche Lösung zu               nehmen.
Aber nicht Agamemnon, des Atreus Sohne, gefiel es;
Dieser entsandt' ihn mit Schmach, und befahl ihm drohende             Worte.

380   Zürnend vernahm es der Greis und wandte sich. Aber                         Apollon
Hörte des Flehenden Ruf, denn sehr geliebt war ihm jener.
Und nun sandt' er sein Todesgeschoß; und die Völker                         Achaias
Starben in Scharen dahin, da rings die Geschosse des Gottes
Flogen im weiten Heere der Danaer. Siehe da weissagt'
385   Uns ein kundiger Seher den heiligen Rat des Apollon.
Eilend riet ich selber zuerst, den Gott zu versöhnen.
Aber der Atreion' ereiferte: schnell sich erhebend
Sprach er ein drohendes Wort, das nun der Vollendung                       genaht ist.
Jene geleiten im Schiff frohblickende Söhne Achaias
390   Heim nach Chrysa zurück, auch bringen sie Gaben dem                     Herrscher
Doch mir nahmen nun eben die Herold' aus dem Gezelte
Brises Tochter hinweg, das Ehrengeschenk der Achaier.
O wenn du es vermagst, so hilf dem tapferen Sohne!
Steig empor zum Olympos, und flehe Zeus, wenn du jemals
395    Ihm mit Worten das Herz erfreuetest, oder mit Taten.
Denn ich habe ja oft dich selbst im Palaste des Vaters
Rühmen gehört, wie du einst dem schwarzumwölkten                       Kronion,
Du von den Göttern allein, die schmähliche Kränkung                         gewendet,
Als vordem ihn zu binden die andern Olympier drohten,
400   Here und Poseidaon zugleich, und Pallas Athene.
Doch du kamst, o Göttin, und lösetest ihn aus den Banden,
Rufend zum hohen Olympos den hundertarmigen Riesen,
Den Briareos nennen die Himmlischen, aber Ägäon
Jeglicher Mensch; denn er raget auch selbst vor dem Vater               an Stärke.
405   Dieser nun saß bei Kronion dem Donnerer, freudiges                           Trotzes.
Drob erschraken die Götter, und scheuten sich, jenen zu                     fesseln.
Setze nun, des ihn erinnernd, zu jenem dich, fass' ihm die                   Knie' auch,
Ob es vielleicht ihm gefallen den Troern Schutz zu gewähren,
Aber zurück zu drängen zum Lager und Meer die Achaier,
410   Niedergehaun, bis sie alle sich sättigen ihres Gebieters,
Auch er selbst der Atreide, der Völkerfürst Agamemnon,
Kenne die Schuld, da den besten der Danaer nichts er                         geehret!

Aber Thetis darauf antwortete, Tränen vergießend:
Wehe mir! daß ich, mein Kind, dich erzog, unselig Geborner!

415   Möchtest du hier bei den Schiffen doch frei von Tränen und               Kränkung
Sitzen; dieweil dein Verhängnis so kurz nur währet, so gar                 kurz!
Aber zugleich frühwelkend und unglückselig vor allen
Wurdest du! Ja, dich gebar ich dem Jammergeschick im                     Palaste!
Dies dem Donnerer Zeus zu verkündigen, ob er mich höre,
420   Geh' ich selber hinauf zum schneebedeckten Olympos.
Du indes an des Meers schnellwandelnden Schiffen dich                   setzend,
Zürne dem Danaervolk, und des Kriegs enthalte dich                           gänzlich.
Zeus ging gestern zum Mahl der unsträflichen Äthiopen
An des Okeanos Flut; und die Himmlischen folgten ihm alle.
425   Aber am zwölften Tag, dann kehret er heim zum Olympos.
Hierauf steig' ich empor zum ehernen Hause Kronions,
Und umfass' ihm die Knie'; und ich traue mir, ihn zu                             bewegen.

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