Vor dem Sturm. Vierter Band. Siebzehntes Kapitel. by Theodor Fontane
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Vor dem Sturm. Vierter Band. Siebzehntes Kapitel.

Theodor Fontane * Track #71 On Vor dem Sturm

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Vor dem Sturm. Vierter Band. Siebzehntes Kapitel. by Theodor Fontane

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Theodor Fontane

Vor dem Sturm. Vierter Band. Siebzehntes Kapitel. Annotated

Siebzehntes Kapitel
Die Revue

Und nun kam der Tag, an dem es sich entscheiden sollte.

Schon in aller Frühe war der alte General außer Bett gewesen, hatte Jeetze geklingelt und Hirschfeldt rufen lassen, der dann auch sofort erschienen und eine halbe Stunde später abgeritten war, um die ordre du jour an alle im halbmeiligen Umkreise stehenden Bataillone zu überbringen. Diese ordre du jour ging dahin, daß ebendiese Bataillone Punkt zwölf behufs abzuhaltender Revue in unmittelbarer Nähe von Hohen-Vietz eintreffen, gleich nach der Revue in ebendiesem Dorfe Alarmquartiere beziehen und neun Uhr abends zum Abmarsche gegen Frankfurt bereitstehen sollten.

Mit Abfassung dieser Ordres hatte sich Bamme während seiner schlaflosen Stunden beschäftigt. Jetzt erst, wo Hirschfeldt unterwegs war, wurde der Alte ruhiger; es gab nun kein Zurück mehr, oder, um ihn selber sprechen zu lassen, »die Zettel waren gedruckt, und das Stück mußte wohl oder übel gespielt werden.«

Er hatte seine Ruhe wieder, aber freilich nicht sein Behagen. Denn so groß sein Selbstbewußtsein war, so groß war auch, selbst unter gewöhnlichen Verhältnissen, seine Selbsterkenntnis. Und nun gar heute! Er fühlte sich der ihm zugefallenen Aufgabe nicht recht gewachsen und gestand sich unverhohlen, daß er alles, was er an Gaben besaß, nicht recht brauchen und alles, was er nicht besaß, in der Eile weder beschaffen noch durch Eifer und guten Willen ersetzen konnte.

Zur Abhaltung der Revue war ein großes Brachfeld ausgewählt worden, das zwischen dem Fichtenwäldchen und der Chaussee lag, dicht neben dem Pflugacker, über den hin, am dritten oder vierten Weihnachtstage, die von ihrem Kirch-Göritzer Besuche heimkehrenden Freunde ihren Wettlauf zur Rettung Hoppenmariekens gemacht hatten. Aber bis zwölf Uhr war noch eine lange Zeit, und jeder suchte sie zu kürzen. Tubal und Lewin fuhren nach Reitwein hinüber, um sich ein Grabmonument anzusehen, das daselbst aufgestellt werden sollte; der alte Vitzewitz traf »auf alle Fälle hin« einige Anordnungen, und Grell ging in die Pfarre; so schien es in der Tat, als ob Bamme, der allein blieb, die ganze Pein des Abwartens und Stundenzählens am vollsten und ausschließlichsten durchkosten solle. Aber Kniehase half ihm aus der Verlegenheit, ihm meldend, daß von den Nachbargütern her einige Reitpferde zur Auswahl für den »Herrn General und seinen Adjutanten« gestellt worden seien. Sie ständen am Spritzenhause, zwischen dem Krug und dem Schulzenhof.

Unter diesen Pferden war auch eine Fuchsstute, die Drosselstein geschickt hatte, ein schönes Tier, beinahe brandrot, das dem Alten außerordentlich gefiel. Dennoch war er in Zweifel, ob er sich dafür entscheiden sollte.

»Die Fuchsstute gefällt mir«, sagte er, »aber es hat sein Mißliches damit. Eigentlich halt' ich es mit meinem kleinen Isabellfarbenen, den Sie ja kennen; wir haben dasselbe Maß und passen zusammen. Was meinen Sie, Kniehase, nehm' ich den Shetländer oder nehm' ich die Fuchsstute?«

»Mit Permission, Herr General«, sagte Kniehase, »wenn der Herr General mich fragen, der kleine Shetländer geht nicht. Ein General muß hoch sitzen, höher als alle anderen; man muß ihn sehen können wie die Fahne. Dies hier ist das Generalspferd!« und damit gab er der Fuchsstute einen Schlag auf die Kruppe.

»Gut, Kniehase, Sie sind ein verständiger Mann. Also die Fuchsstute für mich. Und festgesattelt und die Steigbügel hochgeschnallt, daß sie nicht bloß so nebenher läuten. Und nun noch eins, Kniehase; muß ich zu den Leuten sprechen, muß ich ihnen eine Rede halten?«

»Ja, Herr General, das müssen Sie schon, das geht nicht anders. Und immer scharf ins Gewissen, das haben sie gern, und die Alten sagen dann: › Der versteht's.‹ Und wer's versteht, dem gehorchen sie, und dem folgen sie, und wenn's ihnen auch an Kopf und Kragen ginge. So kenn' ich unsere Leute, gut Beispiel ist alles, gut Beispiel und Mut.«

Bamme nickte.

»Und, Herr General«, fuhr Kniehase fort, »eines wollt' ich mit Permission noch gefragt haben: Wollen der Herr General nicht eine Uniform anlegen? Es ist immer gut, so zweierlei Tuch.«

»Nein, Kniehase, Uniform und Uniform ist ein Unterschied. Ein alter Husarenrock ist nur gut unter seinesgleichen, jeder drückt dann ein Auge zu. Aber allein ist er gefährlich und hat dann so seine Beinamen. Mantel und Pelzmütze, das muß ausreichen, und meine Karbatsche hier.« Und dabei fuchtelte er mit einem dicken Fischbein, das ihm je nach Bedürfnis als Stock und Gerte diente, in der Luft umher.

Während dieser Worte war die Fuchsstute beiseite geführt worden, mit ihr auch ein schöner Grauschimmel, den man als Reservepferd für Hirschfeldt ausgesucht hatte. So vergingen einige Minuten, dann sagte Bamme, der mit dem Schulzen auf und ab geschritten war: »Wie spät ist es, Kniehase?«

»Halb zwölf.«

»Da haben wir noch eine halbe Stunde; wo bleib' ich so lange?«

»Der Herr Pastor steht am Fenster. Wollen der Herr General nicht bei ihm eintreten?«

»Nein, Kniehase, mir ist nicht nach Seidentopf. Und die Totentöpfe hab' ich gestern erst gesehen. Es ist Schlackerwetter, und drüben ist ja der Krug; wem gehört er doch?«

»Den Scharwenkas.«

»Richtig, den Scharwenkas, böhmische Kolonisten.«

»Ja, Herr General; aber alle Stuben sind voll, von wegen der Revue, Bauern und Knechte. Wenn der Herr General mit in den Schulzenhof kommen wollten?«

»Gewiß, Kniehase, mir sehr willkommen. Habe bei den Vitzewitzes allerlei gehört. Sollen eine schöne Tochter haben, einen wahren Ausbund.«

»Pflegetochter, Herr General.«

»Macht mir keinen Unterschied. Die alte herrnhutsche Klucke drüben, die aus Furcht vor mir immer drei Sprüche auf der Zunge hat, hat uns gestern von dem Töchterchen erzählt, so was von Hühnerhof und Schwanenei. Ich gebe nicht viel auf altes Weibergeschwätz, aber ich bin doch neugierig, das Mirakel, das junge Schwänchen, kennenzulernen.«

Damit hatten sie den Schulzenhof erreicht und traten nach links hinein, wo Marie, die das Vorführen und Aussuchen der schönen Pferde mit vielem Interesse beobachtet hatte, am Fenster saß. Sie stand jetzt auf, um das Zimmer zu verlassen; der alte General aber, während er sie mit listigen Augen musterte, sagte: »Bitte, bleiben Sie, Sie sollen mit mir zufrieden sein.«

Und Marie blieb. Bamme nahm einen Stuhl und bemerkte zu dem Schulzen: »Bitte, Kniehase, sagen Sie dem Rittmeister, daß er mich draußen auf der Chaussee erwartet. Ich will von hier aus reiten, und lassen Sie der Stute draußen noch eine Decke auflegen; sie kommt von Drosselstein, wird also wohl verwöhnt sein. Ihr Töchterchen erzählt mir unterdessen alte Geschichten. Alte Geschichten, die Sie schon kennen.«

Kniehase ging.

Marie, die nicht das Beste von dem Alten wußte, blieb ziemlich ruhig, ruhiger als gestern in der Kirche. Sie hörte bald heraus, daß er es gut mit ihr meinte und daß Teilnahme und selbst Respekt aus seinen Worten sprachen.

»Ich bin ein alter Mann«, begann er, »und plaudere gern. Am liebsten aber hab' ich Menschen, die anders sind als andere. Und dabei bin ich neugierig wie eine Nachtigall. Da müssen Sie mir denn schon ein paar Fragen zugute halten. Nicht wahr, Sie sind kein Hohen-Vietzer Kind, nicht aus dem Bruch?«

»Nein, ich bin aus dem Sächsischen«, sagte Marie.

»Ah, aus Sachsen«, fuhr Bamme fort. »Ich dacht' es beinah, es hat was auf sich mit dem alten Reim. Und Sie verloren Ihre Eltern früh?«

»Ja, meine Mutter hab' ich kaum gekannt. Dann zog ich mit meinem Vater über Land; aber er kränkelte viel.«

»Sie zogen mit ihm, wie darf ich das verstehen?«

»Wir zogen umher und gaben Vorstellungen: Tanz und Deklamation und Zauberei. Erst in kleinen Städten, dann in Dörfern; und hier starb er. Er hat sein Grab oben auf dem Kirchhof, und der alte Jeserich Kubalke, unser Küster und der Vater von der hübschen Maline, hat ihm eine Grabschrift geschrieben.«

»Und wie kam es dann?«

»Ich weinte herzlich, nicht um meiner Not willen, denn ich hatte nicht das Gefühl davon, aber weil ich ihn so sehr geliebt hatte. Noch jetzt häng' ich an ihm und träume von ihm. Sie sehen mich an, Herr General, so freundlich, wie ich nicht gedacht hätte, daß Sie jemanden ansehen könnten. Und das gibt mir einen Mut, von meinem Vater zu sprechen. Ach, die verachteten Menschen, wenn sie gut sind, sind es die besten. Ich habe früh erfahren, wie wenig der Schein bedeutet. Und wie müssen erst unsere Herzen vor Gott liegen, der alles sieht und alles weiß!«

Sie hatte das mit tiefer Bewegung gesprochen; jetzt schwieg sie und sah ein nervöses Zucken um den Mund des Alten, der seinerseits die Frage wiederholte:

»Und wie kam es dann?«

»Es kam dann, was Sie jetzt sehen; die Kniehases nahmen mich in den Schulzenhof hinüber. Es war vor Weihnachten, und er baute mich seiner Frau auf, und ich war ihre Puppe. Ich hatt' es gut, zu gut; aber da war die verstorbene gnädige Frau, die sah es, und als sie gewahr wurde, daß ich wild aufwuchs und zu sehr meinen Willen hatte, da sorgte sie für das Rechte. Oder wenn's nicht das Rechte war, doch für das, was sie für das Rechte hielt. Sie nahm mich in das Herrenhaus, und da wurden wir zusammen erzogen, Renate und ich, ich meine das Fräulein und ich. Wir waren in gleichem Alter und immer miteinander.«

»Und mit Lewin?« fragte Bamme, den wieder die Lust zu necken anwandelte.

»Ja, auch mit Lewin, bis er in die Stadt kam. Aber wir sind gute Kameraden geblieben.«

»Und bleiben es auch wohl?«

»Ich hoff' es.«

Bei dieser Wendung des Gesprächs war Kniehase wieder eingetreten, um zu melden, daß es Zeit sei; drei von den Bataillonen seien schon auf dem Rendezvous am Wäldchen eingetroffen, und das vierte würde sofort antreten. Das war eine willkommene Nachricht. Der alte General empfahl sich, wickelte sich draußen auf dem Flur in seinen Husarenmantel und schwor einmal über das andere, während er mit unsicherer Hand an seinen Kragenösen herumnestelte, daß er sechs Pflegetöchter ins Haus nehmen wolle, wenn nur eine so geriete wie diese kleine Fee. Denn eine Fee sei sie, trotzdem die richtigen Feen blaue Augen haben müßten. Und darnach hob er sich in den Sattel, rückte sich zurecht und warf der am Fenster stehenden Marie Kußhändchen zu, aber mehr freundlich als geckenhaft. Und gleich darauf ritt er ab. Ein sonderbares Bild, der kleine Mann auf dem hohen brandroten Pferde, in Mantel und Pelzmütze und die Steigbügel hochgeschnallt.

Im übrigen war alles, wie Schulze Kniehase gesagt hatte, und als Bamme jetzt in Nähe des zur Revue bestimmten Blachfeldes eintraf, sah er, daß drei der Bataillone bereits regelrecht aufmarschiert waren. Sie standen hufeisenförmig oder in einem Karree, dessen vordere Seite geöffnet war. In diesem Augenblicke meldeten Drosselstein und Vitzewitz, daß auch Bataillon Lebus im Anmarsch sei. Dasselbe rapportierte Hirschfeldt, und der kleine Mann wuchs ordentlich auf seinem hohen Pferde, als er sich von den verschiedensten Seiten her so begrüßt und zum Mittelpunkt aller dienstlichen Meldungen gemacht sah.

Diese Meldungen waren kaum beendet, als man auch schon vom Dorfe her Trommelschlag hörte und zwischen den Pappeln hin einer lang heranziehenden Kolonne gewahr wurde. Es waren unsre Lebuser. Sie marschierten in Abständen von hundertundfünfzig Schritt. Und jetzt waren die Vordersten deutlich erkennbar geworden: Kompanie Lietzen-Dolgelin. Ein Alter mit einer Fahne, deren Stock in einem breiten Gurt steckte, schritt rüstig voran, trotzdem sein rechter Fuß etwas kürzer war als der linke.

»Wer ist der Alte?« fragte Bamme den neben ihm haltenden Vitzewitz.

»Rentamtmann Mollhausen von Lietzen. Hat noch unter Markgraf Karl gedient. Bei Kunersdorf Schuß durch die Hüfte.«

»So, so. Und die Fahne, die der Alte führt? Rot und weiß. Hab' ich all mein Lebtag nicht gesehen.«

»Das ist die Komtureifahne mit dem achtspitzigen Johanniterkreuz. Lietzen war Ordensgut.«

Unter diesem Gespräche war »Lietzen-Dolgelin« bis dicht herangekommen und schwenkte rechts, um an den einen Flügel des offenen Karrees zu rücken. Dadurch wurde die zunächstkommende Kompanie sichtbar. Es war die von Hohen-Ziesar. Sie hatte die meiste Musik: zwei Trommler und zwei Pfeifer, und die ganze vorderste Sektion bestand aus lauter berittenen Mannschaften: Verwalter und Meier von den verschiedenen Gütern und Vorwerken des Grafen. Dieser selbst, als er seine Leute herankommen sah, setzte sich an ihre Front und führte sie, die Degenspitze neigend, an dem alten Bamme vorüber.

Jetzt kam Kompanie Hohen-Vietz. Sie hatte das meiste Ansehen und wurde von den anderen wie eine alte vornehme Familie behandelt. Das machte, weil sie die historische war. Die Lietzner Komtureifahne mit dem achtspitzigen Kreuz wollte nicht viel besagen, denn ihr Fahnentuch war neu, keine dreißig Jahre alt; Kompanie Hohen-Vietz aber hatte noch das siegreiche Kirchenbanner aus den Hussitentagen her und vor allem die große Schwedentrommel, von der jedes Kind in den Bruchdörfern wußte und die jetzt dumpf und eintönig ihren Marsch wirbelte. Es war der Schmied, der sie trug, an einem breiten, mit Muscheln besetzten Lederbande, nicht viel schmäler als der Ledergurt eines Schlittengeläuts. Die Trommelwandung war blau, und der krause Mohrenkopf, der sich in gelbem Schilde auf ebendieser Wandung befand, war durch Seidentopf als der Kopf der Königin Christine festgestellt worden.

Und nun kam Kompanie Protzhagen, Hauptmann von Rutze am rechten Flügel und statt des Trommelschlägers einen Hornisten in der Front. Dieser, ein dicker, kurzhalsiger Mann und seines Zeichens Protzhagener Kuhhirt, steckte wie verloren in den Windungen eines riesigen Horns, von dem es hieß, daß es dasselbe sei, drin Junker Hans von Rutze vor hundertundfünfzig Jahren den Hals gebrochen habe. Es gab nur zwei Töne von sich, einen tiefen und einen hohen, von denen der tiefe zum Angriffs- und der hohe zum Rückzugssignal bestimmt worden war. Die Kompanie selbst aber, nach wie vor die beste, war in all ihren Gliedern mit Piken bewaffnet, eingedenk der historischen Tatsache, daß Eusebius von Rutze in der großen Schlacht bei Budapest mit einer Pikenierkompanie das türkische Zentrum durchbrochen hatte. Daraufhin hatte sein Urenkel, unser Hauptmann, allem Dreinreden einzelner zum Trotz auf Piken bestanden, und Bamme – selber ein Freund der blanken Waffe und des Mann gegen Mann – war ihm gern zu Willen gewesen. Er sah jetzt schmunzelnd auf Rutze, der, das sechs Fuß lange Sponton in beiden Händen, gravitätisch an ihm vorbeidefilierte, und wandte sich zu Berndt: »Voilà, der Anmarsch der Protzhagener Gebirgsvölker. Sehen Sie, Vitzewitz, das Monstrum in der blechernen Boa Constriktor. Das reine Horn von Uri.«

Und damit schwenkten auch die Rutzeschen nach rechts hin ein.

Ihr Einschwenken, wie das der letztgenannten Kompanien überhaupt, hätte, wenn es en ligne erfolgt wäre, das bis dahin offene Karree schließen müssen, dadurch aber, daß sie hintereinander, zu je zwei und zwei, am rechten und linken Flügel des Hufeisens aufmarschierten, war zwischen ihnen eine breite Gasse freigeblieben, durch die jetzt erst Bamme und dann alle Bataillonskommandeure, die mit auf der Chaussee gehalten hatten, in das Karree einritten.

Die Barnimschen Bataillone, zum Unterschiede von den Lebusischen, hatten viele kleine Kompaniefahnen mitgebracht, rote Frieslappen, in die, wie sich die Landsturmmänner ausdrückten, der »preußische Kuckuck« eingenäht worden war. Diese Fahnen senkten sie jetzt, während zugleich alle Trommeln, große und kleine, gerührt wurden. Der alte General salutierte, ritt die Fronten ab und nahm dann seine Stellung inmitten des Karrees, von seiner Suite und mehreren der Barnimschen Fahnenträger umgeben. Der Moment war nun da, wo gesprochen werden mußte.

Bamme war nicht ängstlich und wußte zu reden, wie jeder, dem es gleichgültig ist, ob seine Rede gefällt oder nicht.

»Leute!« begann er, »in Frankfurt sind funfzig Kanonen und bloß zweitausend Franzosen. Ein paar hundert mehr oder weniger tut nichts. Wir wollen sie überrumpeln; wollt ihr?«

»Ja, Herr General!«

»Gut, ich hab' es nicht anders von euch erwartet. Denn was sagte der Alte Fritz? ›Wenn ich Soldaten sehen will‹, sagte er, ›so seh' ich das Regiment Itzenplitz.‹ Und das andere Mal sagte er: ›Wenn ich Soldaten sehen will, so seh' ich das Regiment Markgraf Karl.‹ Ja, Leute, so sagte der Alte Fritz. Habt ihr verstanden, was ich meine?«

»Ja, Herr General.«

»Regiment Itzenplitz und Regiment Markgraf Karl, wo waren sie zu Hause?«

»Hier, Herr General.«

»Richtig, hier in Barnim und Lebus. Kerls, sollen wir schlechter sein, als unsere Väter waren? Sollen wir, wenn uns der Alte Fritz ansieht, die Augen niederschlagen?«

»Nein, nein!«

»Es wird nicht viel kosten; die Bürger helfen und die Russen auch. Aber ›wo Holz gehauen wird, fallen Späne‹. Ein paar von uns werden die Zeche bezahlen müssen. Wollt ihr?«

»Ja!«

»Ich wußt' es. Aber nun die Ohren steif. Wer ein Hundsfott ist, kriegt die Kugel vor den Kopf. Ich bin ein spaßhafter Mann, aber wenn es ernst wird, versteh' ich keinen Spaß. Und nun vorwärts! Feldgeschrei ›Zieten!‹ und Losung ›Hohen-Vietz!‹ Das können sie nicht nachplappern... Und wißt ihr, wer sie holen soll, sie und ihren Kaiser?«

»Ja, wir.«

»Nein, der ›Kuckuck‹ soll sie holen«, und dabei wies er auf die kleinen Kompaniefahnen der neben ihm stehenden Barnimschen Fahnenträger.

Diese schwenkten jetzt wieder ihre roten Frieslappen, alle Spielleute fielen ein, und Bamme hatte die Genugtuung, seinen letzten Redetrumpf durch nicht endenwollende Hurras begleitet zu sehen.

Als sich der Lärm einigermaßen wieder gelegt hatte, ritt er grüßend aus dem Viereck auf die Chaussee zurück. Die Bataillone brachen rasch in Sektionen ab und folgten ihm unter Trommelschlag in das Dorf.

Auch das »Horn von Uri« klang abwechselnd mit seinem tiefen und seinem hohen Ton dazwischen.

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