Vor dem Sturm. Vierter Band. Achtes Kapitel. by Theodor Fontane
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Vor dem Sturm. Vierter Band. Achtes Kapitel.

Theodor Fontane * Track #62 On Vor dem Sturm

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Vor dem Sturm. Vierter Band. Achtes Kapitel. by Theodor Fontane

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Theodor Fontane

Vor dem Sturm. Vierter Band. Achtes Kapitel. Annotated

Achtes Kapitel
Hauptquartier Hohen-Vietz

Ihr Gespräch wurde durch das Vorfahren eines Wagens unterbrochen, und Renate, die den Blick auf das Fenster frei hatte, rief: »Der Papa!« Er war es und trat den Geschwistern, die sich rasch erhoben hatten, schon im Vorzimmer entgegen. Die Begegnung war herzlich; er küßte Renaten die Stirn und nahm dann Lewin bei beiden Händen, während er ihn zugleich bis an die Fensternische zog.

»Laß sehen«, sagte er und musterte ihn von Kopf zu Fuß mit scharfem Auge. »Nun, ich lese gute Zeitung; es war dein erster Schmerz, er tut am wehesten, aber er heilt auch am schnellsten. Junge Tage, kurzes Leid. Du wirst auch noch die Kehrseite davon kennenlernen. Und nun nichts mehr davon. Laßt uns Platz nehmen.«

Jeetze war eingetreten, um den Frühstückstisch zum zweitenmal zu decken, und die Schorlemmer erschien, um ihren Teil an der Freude des Wiedersehens zu haben. Denn so herrnhutisch kühl ihr Herz auch schlug, so vergaß sie doch dieser Kühle, wenn, nach Tagen oder Wochen der Trennung, die Stimme des alten Vitzewitz zum ersten Male wieder hörbar wurde. Auch Hektor hatte sich eingefunden, und so war alles beisammen.

»Wie wir dich erwartet haben, Papa!« sagte Renate. »Nicht aus Liebe, denn davon liebst du nicht zu hören, aber aus Neugier. Wir wissen nichts oder so gut wie nichts. Erzähle! Wie starb sie?«

»Hat denn Seidentopf nicht davon gesprochen?«

»Ja und nein. Er sprach von ihrem Begräbnis, aber nicht von ihrem Tod. Ich werde den Gedanken nicht los, daß es ein Schreck war, der sie tötete.«

»Und du triffst es. Der Tod muß sie plötzlich überrascht haben. Ich sah sie noch in der Stellung, in der sie Eve denselben Morgen gefunden hatte. Sie saß in dem großblümigen Lehnstuhl zu Füßen ihres Bettes, ihre noch offenen Augen auf den Stehspiegel gerichtet. Das Buch, in dem sie gelesen, ein Band Diderot, war ihr entfallen und lag neben dem Stuhl.«

»Und wie war sie gekleidet?«

»Schwarz. Eva war den Abend vorher von ihr fortgeschickt worden; sie wollte selbst ihre Nachttoilette machen. Das war um elf. Um diese Stunde muß es geschehen sein oder nicht viel später.«

»Und...« Renate stockte.

»Ich weiß, was du fragen willst«, fuhr Berndt fort. »Der Spiegel, als ich in das Schlafzimmer trat, hatte seinen grünen Vorhang. Aber Eve wurde rot, als ich darnach fragte, und widersprach sich einmal über das andere. Das arme Ding; ich wollte nicht weiter in sie dringen. Um so weniger, als ich sicher bin, daß sie's am Abend vorher vergessen hatte.«

»Wer ein Gespenst großzieht, den bringt es um«, sagte die Schorlemmer.

»Wir sollen es nicht großziehen, aber wenn es da ist...«

»So sollen wir seiner nicht achten. Dann schwindet es. Es kann Mißachtung nicht ertragen, denn es ist eitel wie alle höllische Kreatur.«

Berndt lächelte, gab der Schorlemmer die Hand und sagte: »Unser alter Streit! Vielleicht, daß wir noch mal Frieden darüber schließen. Aber lassen wir das. Was ich euch noch zu sagen habe, Kinder, hat einen bessern Klang. Wir sind reich! Und wenn du dich im Spiegel siehst, Renate, so siehst du das Bild einer Erbtochter.«

»Ich wußt' es«, triumphierte die Schorlemmer. »Ich hab' es dir prophezeit, den Abend in Bohlsdorf, als Doktor Leist seinen ersten Besuch machte.«

Renate wurde rot, denn sie gedachte auch manches anderen noch, das die Schorlemmer damals gesagt hatte; Berndt aber, ohne des Zwischenfalls zu achten, fuhr fort: »Ein Testament ist nicht da. Von einem gesetzlichen Anspruch der Pudaglas an Guse kann keine Rede sein. Es ist Allod. So fällt es an mich, als an den nächsten Erben. Ich habe mit Ladalinski, den ich vorläufig das Interesse der Pudaglas zu vertreten bat, die Dinge durchgesprochen; er weiß, in welchem Sinn ich mich glücklich schätzen würde, Wünschen oder Ansprüchen des ihm so nahe verwandten Hauses, vor allem aber seinen eigenen Wünschen entgegenzukommen. Es berührt das alte Pläne der Tante. Ihr kennt sie. Von dem Augenblicke an, meine teure Renate, wo du gewählt haben wirst, gehört Guse dir, ich bin nur Nutznießer und Verwalter. Im übrigen sollen dich diese Worte zu nichts bestimmen, deine Wahl ist frei.«

Die Geschwister schwiegen, und selbst die Schorlemmer fand keinen Spruch, der ausgedrückt hätte, was in ihr vorging. Berndt schien es zufrieden, und während er nach seiner Gewohnheit dem neben ihm liegenden Hektor von den mit Fleisch belegten Brotschnitten zuwarf, die für ihn selbst bestimmt waren, fuhr er fort: »Und so wären wir denn reich, reich in diesen allerärmsten Tagen. Und so gewiß Gott weiß, daß es mich nie nach irdischem Besitz gedrängt hat, so gewiß ist es auch, daß mich dieser Besitz jetzt freut. Ich fühle mich freier. Denn daß ich es euch gestehe, die Not und Drangsale dieser Zeit lagen schwer auf mir, schwerer, als ich es vor euch wahrhaben mochte. Die niedergebrannte Scheune...«

»... Die bauen wir nun wieder auf, Papa.«

»Und den Saalanbau...«

»... Den nicht«, lachte Renate. »Dazu versag' ich, als Erbtochter, die nötigen Mittel. Nein, da machen wir klares Spiel und ziehen den Garten bis vor das Haus, ganz wie drüben in Hohen-Ziesar, und der Graf selber muß uns dabei behilflich sein. Das ist ja seine Passion. Ich bin für Reseda und Levkojen, aber nur als Rabatteneinfassung, und aus der Mitte der Beete wachsen Malven auf. Zimmetfarbene und wie von Atlas, die lieb' ich am meisten. Und die beiden Derfflingerkanonen schaffen wir von Guse herüber, nur den Faun lassen wir da, und auf den Damm stellen wir eine Sonnenuhr oder noch lieber eine große schwarze Glaskugel, drin sich die Dorfstraße spiegelt und Hoppenmarieken, wenn sie vorübergeht.«

»Das läßt sich hören, Renate, und ich sehe, daß du dich schnell in die besseren Tage hineinlebst. Nur deinem eigenen Schloß, als das ich Guse vorläufig ansehe, darfst du, dem alten Hohen-Vietz zuliebe, nichts entführen wollen, und wenn es auch nur die zwei Derfflingerkanonen wären. Wer weiß übrigens, was davon übrigbleibt? Vorläufig sind die Franzosen drüben und nehmen mit, was ihnen gefällt. Wenigstens wenn wir ihnen nicht auf die Finger sehen. Komm, Lewin, daß wir darüber sprechen.«

Berndt erhob sich, Lewin folgte. Sie gingen in das einfenstrige Zimmer, darin Vater und Sohn zu Beginn unserer Erzählung ihr erstes Gespräch über Volksaufstand und endliche Vernichtung der Fremdherrschaft gehabt hatten. Es hatte sich nichts geändert: hier das Sofa und dort das Bild und an dem breiten Fensterladen die Karte von Rußland mit ihren verschiedenfarbigen Nadeln. Alles wie damals am ersten Weihnachtsfeiertage.

Der alte Vitzewitz nahm Platz, streckte seinen Fuß, wie er zu tun pflegte, auf den vor seinem Arbeitstische stehenden Schemel und sagte: »Setz dich, Lewin. Ehe wir von anderem sprechen, noch ein Wort über dich. Ich wollt' es vor den Frauen nicht ausspinnen. Sie dürfen nicht zuviel davon hören; gleich schwillt ihnen der Kamm. Denn alle wollen herrschen, und es freut sie, daß sie so viel Macht über uns haben. Darin sind sie sich alle gleich und in einer ewigen stillen Verschwörung gegen uns.«

Lewin sah vor sich hin; Berndt nahm seine Hand und fuhr fort:

»Es läßt sich leicht sprechen über Schweres, das uns selber nicht mehr drückt oder vielleicht nie gedrückt hat. Ja, es ist so; was dich drückt, Lewin, ist mir erspart geblieben. Aber anderes, anderes! Ich weiß davon und weiß auch: leben heißt überwinden lernen. Den beweglichen Naturen, Naturen wie der deinigen, hat Gott es in solchen Kämpfen am leichtesten gemacht. Und so wußt' ich, daß du's überwinden würdest. Was noch fehlt, bringt die Zeit und unsere Zeit rascher als jede andere. Denn alles drängt nach Aktion, und Handeln ist so gewiß das Beste, wie Brüten das Schlimmste ist. Diese Tage werden dich freimachen.«

»Ich bin es, Papa. Als du vorfuhrst, hatt' ich mit Renaten ein Gespräch darüber. Es liegt hinter mir. Was noch fehlt, ist bloß ein Körperliches. Es waren schwere Krankheitstage, und sie wirken noch nach. Weiter nichts. Aber was ist es mit Guse? Du wolltest davon erzählen.«

»Ja. Und so höre denn. Gestern nachmittag, ich war eben erst aus der Kirche zurück, wo mir Nippler seine Komposition zu der Kantate vorläufig auf der Orgel vorgespielt hatte, als es im ganzen Dorfe hieß: Die Franzosen kommen. Und richtig, es war so. Eine Viertelstunde später rückten hundert Mann ein und hielten vor dem Schloß. Sie waren von verschiedenen Regimentern des Oudinotschen Korps und führten eine Kriegskasse mit sich. Als ich an sie herantrat, begrüßte mich ihr Führer, ein schwarzer Italiener, der sich Conte di Rombello nannte. Seiner Charge nach ein Kapitän. Er sprach, um mich einzuschüchtern, von dem ›Hauptkorps‹, das morgen nachrücken werde, und forderte Quartier. Ich zeigte mich sofort bereit (mir hätte nichts Lieberes passieren können) und lud ihn auf das Schloß, wo ich ihm unter den Zimmern desselben die Wahl freistellte. Er wählte das Spiegelzimmer, ein etwas sonderbarer Geschmack. Aber das ist seine Sache. Hübsch ist er, und so wird er sich sehen wollen. Die Kriegskasse steht in der Halle, die vorläufig zum Schutze der Gelder in eine Art Wachlokal umgeschaffen worden ist. In den Räumen daneben liegen dreißig Mann, ebenso viele hab' ich in der alten Derfflingerkaserne, den Rest bei den Bauern untergebracht.«

»Und nun dein Plan?«

»Der Trupp will morgen früh weiter. Was also geschehen soll, muß rasch geschehen. Bamme weiß davon; aber ich hab' es bei einer bloßen Meldung bewenden lassen. Wir machen es mit dem, was wir hier zur Hand haben. Rechnen wir die Manschnower und Gorgaster mit hinzu, so haben wir hundert Mann. Damit zwingen wir's, denn sie sind matt wie die Fliegen, und der moralische Halt ist längst heraus. Dazu Nacht und Überraschung. Es kann nicht fehlen. Was vereinzelt bei den Bauern liegt, ist froh, mit dem Leben davonzukommen. So handelt sich's nur um das Schloß. Vorn an der Sphinxenbrücke steht ein Doppelposten, den lassen wir stehen. Wir passieren statt dessen den Graben, da, wo das Schwanenhäuschen steht, und dringen von hinten her ein. Kniehase muß das leiten. Ich für meine Person nehme den ›Conte‹ gefangen, und du und Wenzlaff sind mit mir. Sind wir geschickt, so darf es uns nicht einen Mann kosten. Die Kriegskasse bleibt unser; das heißt bis auf weiteres. An dem Tage, wo sich der König erklärt hat, schaffen wir sie nach Berlin. Dort wird man sie brauchen können, denn Geld ist immer das Knappste im Lande Preußen.«

»Und die Gefangenen?«

»Es soll ihnen kein Haar gekrümmt werden. Ich bin aus der Weißglühhitze heraus. Entsinne dich dessen, was ich dir schrieb: ›Wir wollen einen regelrechten Krieg haben.‹ Und so schicken wir denn die Gefangenen zu den Russen. Übrigens will ich nicht behaupten, daß sie dort gut gebettet wären. Und nun laß uns zu Kniehase gehen, daß wir alles Nähere mit ihm besprechen. Um neun müssen wir marschfertig und um Mitternacht in Guse sein.«

Damit nahmen sie Hut und Stock und schritten über den Hof hin auf die Dorfgasse zu.

Eine Stunde später kehrten Berndt und Lewin aus dem Schulzenhofe zurück, wo sie mit Kniehase den »Coup« noch einmal durchgesprochen und alle zur Ausführung nötigen Schritte verabredet hatten. Sie fanden Jeetzen in großer Aufregung, was Berndt zu der Frage veranlaßte: »Du trippelst wieder, Jeetze, was ist passiert?«

»Der Herr General ist da.«

»Bamme?«

»Ja; General von Bamme. Der gnädige Herr waren noch keine Viertelstunde fort, als er vorritt auf seinem kleinen Shetländer. Der gnädige Herr wissen schon, auf dem isabellfarbenen mit der schwarzen Mähne. Krist und ich haben ihn bei den Ponies untergebracht.«

»Den Shetländer. Aber wo ist der General?«

»Oben. Ich habe gleich einheizen müssen, weil es klamm und kalt war. Er sitzt in der Amtsstube und hat seinen grauen Mantel anbehalten und die Pelzmütze auf.«

Die beiden Vitzewitze stiegen nunmehr treppauf und fanden den General genau so, wie Jeetze ihn beschrieben hatte. Vor ihm, auf dem ziemlich in der Mitte stehenden Arbeitstische, lag eine große, mit Tintenfaß und Papierschere festgehaltene Spezialkarte von Barnim und Lebus, auf der sich der kleine, mit seinem Oberkörper weit vorgebeugte Mann mühsam zu orientieren suchte. Ein Versuch, der ihm durch die dichte Tabakswolke, in der er steckte, nicht eben erleichtert wurde.

»Guten Tag, General.«

»Guten Tag, Vitzewitz. Sie sehen, ich habe mich hier eingerichtet ohne Meldung oder Anfrage. Sonst nicht meine Gewohnheit. Aber Sie müssen jetzt dem alten Bamme den ›General‹ in Rechnung stellen, und zwar zu seinen Gunsten. Mein altes Groß-Quirlsdorf liegt zu sehr aus der Welt, und rundheraus, ich gedenke Hohen-Vietz zu meinem Hauptquartier zu machen. Anfangs war ich unschlüssig, ob ich nicht unser gräfliches Hohen-Ziesar vorziehen sollte; aber Hohen-Vietz ist besser. Hier läuft die große Straße, und was von Küstrin aus nach Westen will, muß an Ihren Fenstern vorbei.«

»Ich freue mich, General, daß Sie die Wahl so und nicht anders getroffen haben.«

»Und um die Wahrheit zu gestehen«, fuhr Bamme fort, »es ist nicht bloß wegen der Lage, es ist auch Ihretwegen, Vitzewitz, daß ich mich hier und nicht in Hohen-Ziesar einquartiert habe. Sie sind nun einmal die Seele von der Sache, haben alles geplant, sind vom Metier und kennen das Lokal. Und das ist die Hauptsache. Sehen Sie, da sitz' ich hier über der Karte und spiele meinen eigenen Generalquartiermeister. Aber wie! Mehr als dreißigmal bin ich in dieser halben Stunde zwischen Küstrin und Berlin hin und her gefahren, ohne auch nur drei richtige Wolfsgruben ausfindig gemacht zu haben.«

»Wolfsgruben?« fragte Berndt und sah dem Alten verwundert ins Gesicht, während Lewin einen Stuhl an die Rückseite des Tisches schob, um wenigstens von obenher auf die vor Bamme ausgebreitete Karte sehen zu können.

»Ja, Wolfsgruben oder auch Fuchsfallen, wie Sie wollen. Und nun hören Sie mich an. Darin, daß etwas geschehen muß, in dem Punkte sind wir einig. Und auch darin, daß es die höchste Zeit ist. Die Marschälle und Korpskommandanten sind fort, alle die großen Namen, aber von den Kleinen stecken noch Hunderte zwischen Weichsel und Oder, und die müssen wir haben. Also ›wegfangen‹ oder, wenn Sie wollen Wegelagerung, Stellmeiserei. Vor Worten darf man nicht erschrecken, am wenigsten wir; etwas von unserer Ahnen Blut und Metier wird uns doch wohl verblieben sein. Ob man uns, was wir vorhaben, danken wird, ob wir gut damit fahren werden? Das ist freilich die Frage. Ich zweifle fast. Sie kennen meine Ansicht darüber. Das ›Auf-eigene-Hand-Tun‹ ist hierlandes immer ›suspect‹ gewesen, wie Gräfin Schwester gesagt haben würde. Man mag uns oben nicht. Und sie haben auch ganz recht, die Nürnberger Herren; denn man sieht wohl, wo es anfängt, aber nicht, wo es endet.«

Bamme, der, wenn es die Frage »Hohenzollern contra Quitzow und Genossen« galt, jedesmal zu labyrinthischen Exkursen weggerissen wurde, hatte auch heute wieder den Faden verloren, weshalb Vitzewitz ohne weiteres auf die schwebende Frage zurückgriff. »Also Wolfsgruben.«

Bamme lachte, zündete den kleinen Meerschaum, der ihm während des Sprechens ausgegangen war, wieder an und sagte: »Ja, Wolfsgruben, Vitzewitz, oder, da das große Wort schon gesprochen wurde: Wegelagerungsetappen, Generalsfallen. Es ist nicht nötig, daß es immer Generale sind. Wir nehmen auch Kompaniechefs. Alles, was hineinfällt, ist gut. Nur nicht wählerisch. Da haben Sie die Sache. Aber wollen Sie glauben, Vitzewitz, daß ich auf diesen zehn Meilen auch nur drei solche Generalsfallen hätte herausspintisieren können! Auf Ehre, nicht eine. Und warum nicht? Weil ich ein Havelländischer bin und, zu meiner Schande sei es gesagt, mich in vollen siebzehn Jahren in Barnim und Lebus nicht zurechtgefunden habe. Rathenow, Havelberg, da weiß ich Bescheid, da kenn' ich Weg und Steg. Aber was kenn' ich hier? Hohen-Vietz und Hohen-Ziesar.«

»Und Guse.«

»Ja, Guse. Das wäre nun solche Falle gewesen. Aber weg sind sie.«

»Wer? was?« rief Berndt.

»Alles! Die hundert Mann, der Conte und die Kriegskasse. Und das letzte ist das Schlimmste. Vor zwei Stunden, keine dreihundert Schritt vorm Dorf, passierte ich den ganzen Trupp, ihren Geldkasten mitten in der Kolonne. Gescheite Leute. Sie müssen Wind gekriegt haben. Übrigens ein entzückender schwarzer Kerl, dieser Conte. Und wie das schwatzte und parlierte! Ich hätt' ihn der Tante noch gegönnt; nichts für ungut, Vitzewitz.« Berndt stampfte mit dem Fuße, nicht um der Tante, sondern um des gescheiterten Coups willen.

»Ist es doch, als ob es nicht sein sollte«, rief er. »Immer wieder verfehlt, immer wieder hinausgeschoben. Sagen Sie selbst, Bamme, in demselben Augenblicke, in dem wir den Hirsch beschleichen wollen, raschelt es, und er geht wieder ins Weite.«

»Lassen Sie ihn, Vitzewitz; die Tage wechseln. Eine Karte verliert und die nächste gewinnt. Übrigens wett' ich sechs Flaschen Chateau d'Yquem gegen eine Chateau Krach, daß der Conte, trotz seiner wundervollen Augen, nicht drei Meilen weit kommt. Die Generalsfallen sind zwar noch nicht fertig, aber mitunter machen sie sich von selbst. Und was die Gelder angeht, so hab' ich den Trost, wenn ein Armeekorps herunter ist, so ist es seine Kriegskasse auch. Und dieser arme Oudinot hat so recht eigentlich die Zeche bezahlen müssen. Also begraben wir's.«

»Wir werden es müssen«, sagte Berndt. »Geh, Lewin, und sage Kniehase, daß er die Mannschaften läßt, wo sie sind, vor allem die Manschnower und Gorgaster. Wir dürfen sie nicht durch unnützes Hin- und Herziehen widerhaarig machen, sonst fehlen sie, wenn wir sie brauchen.«

Und als diese Punkte reguliert und im Eifer über Neuzuverfolgendes der Guser Fehlschlag halb schon wieder vergessen war, trat Jeetze ein, um zu melden, daß das Diner angerichtet sei.

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