Odyssee - Kapitel 63 by Homer
Odyssee - Kapitel 63 by Homer

Odyssee - Kapitel 63

Homer * Track #63 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Odyssee - Kapitel 63 by Homer

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Homer

Odyssee - Kapitel 63 Annotated

Und der verständige Greis Laertes sagte dagegen:
375   Wollte doch Vater Zeus, Athene und Phöbos Apollon,
Daß ich so, wie ich einst, am Vorgebirge der Feste,
Nerikos' Mauern erstieg, die Kephallenier führend;
Daß ich in jener Gestalt dir gestern in unserm Palaste,
Um die Schultern gepanzert, zur Seite hätte gestritten
380   Gegen der Freier Schar! Dann hätt' ich ihrer wohl manchen
Hingestreckt in den Saal, und dein Herz im Busen erfreuet!

Also besprachen diese sich jetzo untereinander.
Aber da jene das Mahl in Eile hatten bereitet,
Setzten sie sich nach der Reih auf prächtige Sessel und                       Throne,

385   Und erhoben die Hände zum Essen. Siehe da nahte
Dolios sich, der Greis, und Dolios' Söhne: sie kamen
Müde vom Felde zurück; denn die Mutter hatte sie selber
Heimgeholt, die alte Sikelerin, die sie erzogen,
Und sorgfältig des Greises in seinem Alter sich annahm.
390   Diese, sobald sie Odysseus sahn und im Herzen erkannten,
Standen still an der Schwell', und stauneten. Aber Odysseus
Wandte sich gegen den Greis mit diesen freundlichen                         Worten:

Setze dich, Alter, zu Tisch, und sehet mich nicht so erstaunt           an:
Denn wir haben schon lange, begierig der Speise zu kosten,

395   Hier im Saale geharrt, und euch beständig erwartet.

Also sprach er. Da lief mit ausgebreiteten Armen
Dolios grad' auf ihn zu, und küßte die Hände des Königs,
Redete freundlich ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Lieber, kommst du nun endlich nach unserem herzlichen                 Wunsche.

400   Aber ohn' alles Vermuten, und führten dich Götter zur                       Heimat;
Nun so wünsch' ich dir Freude, Gesundheit und Segen der                 Götter!
Aber sage mir doch aufrichtig, damit ich es wisse:
Weiß es deine Gemahlin, die kluge Penelopeia,
Daß du zu Hause bist? oder sollen wir's eilig verkünden?

405      Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Alter, sie weiß es schon; du brauchst dich nicht zu bemühen.

Also sprach er, und setzte sich hin auf den zierlichen Sessel.
Dolios' Söhne traten nun auch zum berühmten Odysseus,
Hießen ihn froh willkommen, und drückten ihm alle die                       Hände,

410    Setzten sich dann nach der Reihe bei Dolios, ihrem Vater.
Also waren sie hier mit dem fröhlichen Schmause                               beschäftigt.

Aber Ossa, die schnelle Verkünderin, eilete ringsum
Durch die Stadt mit der Botschaft vom traurigen Tode der                 Freier.
Und nun erhuben sich alle, und sammelten hieher und                       dorther,

415    Lautwehklagend und lärmend, sich vor dem Palaste des                     Königs,
Trugen die Toten hinaus, und bestatteten jeder den Seinen;
Aber die andern, die rings von den Inseln waren gekommen,
Legten sie heimzufahren in schnelle Kähne der Fischer.
Und nun eilten sie alle zum Markte mit großer Betrübnis.
420   Als die Versammelten jetzt in geschlossener Reihe sich                     drängten;
Da erhub sich der Held Eupeithes vor den Achaiern,
Der mit unendlichem Schmerz um den toten Antinoos                       traurte,
Seinen Sohn, den zuerst der edle Odysseus getötet;
Weinend erhub sich dieser, und redete vor der Versammlung:

425      Freunde, wahrlich ein Großes bereitete jener den Griechen!
Erst entführt' er in Schiffen so viel' und tapfere Männer,
Und verlor die gerüsteten Schiff', und verlor die Gefährten;
Und nun kommt er, und tötet die Edelsten unseres Reiches.
Aber wohlan! bevor der Flüchtende Pylos erreichet,

430   Oder die heilige Elis, die von den Epeiern beherrscht wird;
Eilet ihm nach! Sonst werden wir nimmer das Antlitz erheben;
Schande brächt' es ja uns, und noch bei den spätesten Enkeln,
Wenn wir die Mörder nicht straften, die unsere Kinder und               Brüder
Töteten! Ha! ich könnte nicht länger mit fröhlichem Herzen
435   Leben! mich förderte bald der Tod in die Schattenbehausung!
Auf denn, und eilt; damit sie uns nicht zu Wasser entfliehen!

Weinend sprach er's, und rührte die ganze Versammlung                 zum Mitleid.
Jetzo kam zu ihnen der göttliche Sänger und Medon
Ans Odysseus' Palaste, nachdem sie der Schlummer                           verlassen;

440   Und sie traten beid' in die Mitte des staunenden Volkes.
Und nun sprach zur Versammlung der gute verständige                     Medon.

Hörer mich an, ihr Männer von Ithaka! Wahrlich, Odysseus
Hat nicht ohne den Rat der Unsterblichen dieses vollendet!
Denn ich sah ihn selbst, den unendlichen Gott, der Odysseus

445   Immer zur Seite stand, in Mentors Bildung gehüllet.
Dieser unsterbliche Gott beseelete jetzo den König,
Vor ihm stehend, mit Mut, und jetzo stürmt' er vertilgend
Unter die Freier im Saal; und Haufen sanken bei Haufen.

Als er es sprach, da ergriff sie alle bleiches Entsetzen.

450   Unter ihnen begann der graue Held Halitherses,
Mastors Sohn, der allein Zukunft und Vergangenes                             wahrnahm;
Dieser erhub im Volke die Stimme der Weisheit, und sagte:

Höret mich an, ihr Männer von Ithaka, was ich euch sage!
Eurer Trägheit halben, ihr Freund', ist dieses geschehen!

455   Denn ihr gehorchtet mir nicht, noch Mentor dem Hirten der               Völker,
Daß ihr eurer Söhn' unbändige Herzen bezähmtet,
Welche mit Unverstand die entsetzlichen Greuel verübten,
Da sie die Güter verschwelgten, und selbst die Gemahlin                   entehrten
Jenes trefflichen Manns, und wähnten, er kehre nicht wieder.
460   Nun ist dieses mein Rat; gehorcht mir, wie ich euch sage:
Eilt ihm nicht nach, daß keiner sich selbst das Verderben                   bereite!

Also sprach er. Da stunden die Griechen mit lautem                         Geschrei auf,
Mehr als die Hälfte der Schar; allein die übrigen blieben,
Welche den Rat Halitherses nicht achteten, sondern                           Eupeithes

465   Folgten. Sie eilten darauf zu ihrer ehernen Rüstung.
Und nachdem sie sich alle mit blinkendem Erze gepanzert,
Kamen sie vor der Stadt im weiten Gefilde zusammen.
Und sie führte Eupeithes, der Törichte! denn er gedachte
Seines Antinoos' Tod zu rächen; aber ihm war nicht
470   Heimzukehren bestimmt, sein harrte des Todes Verhängnis.
Aber Athene sprach zum Donnerer Zeus Kronion:

Unser Vater Kronion, der herrschenden Könige Herrscher,
Sage mir, welchen Rat du jetzo im Herzen verbirgest.
Wirst du hinfort verderbenden Krieg und schreckliche                         Zwietracht

475   Senden? oder beschließest du Freundschaft unter dem                       Volke?

Ihr antwortete drauf der Wolkenversammler Kronion:
Warum fragst du mich, Tochter, und forschest meine                         Gedanken?
Hast du nicht selber den Rat in deinem Herzen ersonnen,
Daß heimkehrend jenen Odysseus' Rache vergölte?

480   Tue, wie dir's gefällt; doch will ich das Beste dir sagen.
Da der edle Odysseus die Freier jetzo bestraft hat,
Werde das Bündnis erneut: er bleib' in Ithaka König;
Und wir wollen dem Volke der Söhn' und Brüder Ermordung
Aus dem Gedächtnis vertilgen; und beide lieben einander
485   Künftig wie vor, und Fried' und Reichtum blühen im Lande!

Also sprach er, und reizte die schon verlangende Göttin:
Eilend fuhr sie hinab von den Gipfeln des hohen Olympos.

Jene hatten sich nun mit lieblicher Speise gesättigt.
Unter ihnen begann der herrliche Dulder Odysseus:

490     Gehe doch einer, und seh, ob unsere Feinde schon annahn.
Also sprach er; und schnell ging einer von Dolios' Söhnen,
Stand auf der Schwelle des Hauses, und sah sie alle                             herannahn.
Eilend rief er Odysseus, und sprach die geflügelten Worte:

Nahe sind sie uns schon; wir müssen uns eilig bewaffnen!

495   Also rief er; da sprangen sie auf, und ergriffen die Rüstung:
Vier war Odysseus' Zahl, und sechs von Dolios' Söhnen.
Auch der alte Laertes und Dolios legten die Rüstung
An, so grau sie auch waren, durch Not gezwungene Krieger!
Und nachdem sie sich alle mit blinkendem Erze gerüstet;
500   Öffneten sie die Pforte, und gingen, geführt von Odysseus.

Jetzo nahte sich Zeus' blauäugichte Tochter Athene,
Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme.
Freudig erblickte die Göttin der herrliche Dulder Odysseus.
Und zu dem lieben Sohne Telemachos wandt' er sich also:

505    Jetzo wirst du doch sorgen, Telemachos, wenn du dahin                   kommst:
Daß du im Streite der Männer, wo sich die Tapfern hervortun,
Deiner Väter Geschlecht nicht schändest, die wir von Anfang
Immer durch Kraft und Mut der Menschen Bewundrung                     erwarben!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

510   Sehen wirst du es selbst, mein Vater, wenn du es wünschest:
Daß dies Herz dein Geschlecht nicht schändet! Wie kannst                du das sagen?

Also sprach er; da rief mit herzlicher Freude Laertes:
Welch ein Tag ist mir dieser! Ihr Götter, wie bin ich so                         glücklich!
Sohn und Enkel streiten den edlen Streit um die Tugend!

515      Siehe da nahte sich Zeus' blauäugichte Tochter, und sagte:
O Arkeisios' Sohn, geliebtester meiner Geliebten,
Flehe zu Vater Zeus und Zeus' blauäugichter Tochter,
Schwinge dann mutig, und wirf die weithinschattende Lanze!

Also sprach die Göttin, und haucht' ihm unsterblichen Mut             ein.

520   Eilend flehte der Greis zur Tochter des großen Kronions,
Schwung dann mutig, und warf die weithinschattende Lanze.
Und er traf Eupeithes am ehernwangichten Helme,
Und den weichenden Helm durchdrang die stürmende Lanze:
Tönend sank er dahin, von der ehernen Rüstung umrasselt.
525   Aber Odysseus fiel und Telemachos unter die Feinde,
Hauten und stachen mit Schwertern und langgeschafteten                 Spießen.
Und nun hätten sie alle vertilgt und zu Boden gestürzet;
Aber die Tochter des Gottes mit wetterleuchtendem Schilde,
Pallas Athene rief, und hemmte die streitenden Scharen:

530     Ruht, ihr Ithaker, ruht vom unglückseligen Kriege!
Schonet des Menschenblutes, und trennet euch schnell                     voneinander!

Also rief die Göttin; da faßte sie bleiches Entsetzen:
Ihren zitternden Händen entflogen die Waffen, und alle
Fielen zur Erd', als laut die Stimme der Göttin ertönte.

535   Und sie wandten sich fliehend zur Stadt, ihr Leben zu retten.
Aber fürchterlich schrie der herrliche Dulder Odysseus,
Und verfolgte sie rasch, wie ein hochherfliegender Adler.
Und nun sandte Kronion den flammenden Strahl vom                         Olympos,
Dieser fiel vor Athene, der Tochter des schrecklichen Vaters.
540   Und zu Odysseus sprach die heilige Göttin Athene:

Edler Laertiad', erfindungsreicher Odysseus,
Halte nun ein, und ruhe vom allverderbenden Kriege:
Daß dir Kronion nicht zürne, der Gott weithallender Donner!

Also sprach sie, und freudig gehorcht' Odysseus der Göttin.

545   Zwischen ihm und dem Volk erneuete jetzo das Bündnis
Pallas Athene, die Tochter des wetterleuchtenden Gottes,
Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme.

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