Odyssee - Kapitel 45 by Homer
Odyssee - Kapitel 45 by Homer

Odyssee - Kapitel 45

Homer * Track #45 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

Download "Odyssee - Kapitel 45"

Album Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

Odyssee - Kapitel 45 by Homer

Performed by
Homer

Odyssee - Kapitel 45 Annotated

Als die Wandernden jetzo auf ihrem höckrichten Wege
205   Nahe kamen der Stadt, am schöngebaueten Brunnen,
Welchem die Bürger der Stadt das klare Wasser                                   entschöpften;
(Ithakos hatt' ihn gebaut und Neritos und Polyktor:
Ringsum war ein Hain von wasserliebenden Pappeln
In die Runde gepflanzt, und hoch von Felsen herunter
210   Schäumte das kalte Wasser; ein Altar stand auf der Höhe,
Wo die Wanderer alle den Nymphen pflegten zu opfern:)
Da erreichte sie Dolios' Sohn, der Hirte Melantheus,
Welcher die trefflichsten Ziegen der ganzen Herde den                       Freiern
Brachte zum Schmaus; es begleiteten ihn zween andere                     Hirten.
215    Als sie dieser erblickte, da stieß er mit schreiender Stimme
Freche Schmähungen aus, und reizte die Seele des Königs:

Wahrlich das heißt wohl recht, ein Taugenicht führet den                 andern!
Wie gesellet doch Gott beständig Gleiche zu Gleichen!
Sprich, wo führst du den Hungrigen hin, nichtswürdiger                     Sauhirt,

220   Diesen beschwerlichen Bettler, der schmierigen Brocken                   Verschlinger,
Welcher von Türe zu Tür' an den Pfosten die Schulter sich                 reibet,
Und sich Krümchen erbettelt, nicht Schwerter noch eherne               Kessel,
Gäbest du mir den Kerl zum Hüter meines Geheges,
Daß er die Ställe fegt', und Laub vortrüge den Zicklein;
225   Molken sollt' er mir saufen, um Fleisch auf die Lenden zu                   kriegen!
Aber da er nun nichts als Bubenstücke gelernt hat,
Wird er nicht gern arbeiten, und lieber das Land                                   durchstreichen,
Seinen gefräßigen Leib mit Bettelbrote zu stopfen.
Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich erfüllet:
230   Kommt er je in das Haus des göttergleichen Odysseus,
Hageln werden die Schemel im Saal aus den Händen der                   Männer
Rings um sein Haupt, und die Ecken an seinen Rippen                         zerstoßen!

Also sprach er, und kam und stieß mit der Ferse vor Bosheit
Ihm in die Seit'; allein er wankte nicht aus dem Wege,

235   Sondern stand unerschüttert. Nun überlegte Odysseus:
Ob er auf ihn mit dem Stab' anrennt', und das Leben ihm                   raubte;
Oder ihn hoch erhüb', und sein Haupt auf den Boden                           zerknirschte;
Doch er bezwang sein Herz, und duldete. Aber der Sauhirt
Schalt ihn ins Antlitz, und betete laut mit erhobenen Händen:

240     Nymphen des heiligen Quells, Zeus' Töchter! Hat jemals                   Odysseus
Lenden mit Fette bedeckt von jungen Ziegen und Lämmern
Euch zur Ehre verbrannt; so erfüllt mein heißes Verlangen:
Daß heimkehre der Held, und ihn ein Himmlischer führe!
O dann würd' er dir bald die hohen Gedanken vertreiben,

245   Welche du Trotziger jetzo hegst, da du immer die Stadt                     durch-
Irrst, indes die Herde von bösen Hirten verderbt wird!

Und der Ziegenhirte Melanthios gab ihm zur Antwort:
Götter, was plaudert er da, der Hund voll hämischer Tücke!
Ha! ich werd' ihn noch einst im schwarzen gerüsteten Schiffe

250   Fern von Ithaka bringen, damit ich ihn teuer verkaufe!
Tötete doch so gewiß der silberne Bogen Apollons,
Oder der Freier Gewalt, Telemachos heut' im Palaste;
Als Odysseus ferne von seiner Heimat dahinsank!

Also sprach er, und eilte voran; sie folgten ihm langsam.

255   Und mit hurtigen Schritten erreicht' er des Königes Wohnung,
Ging gerade hinein, und setzte sich unter die Freier,
Gegen Eurymachos über; denn diesen liebt' er am meisten.
Vor ihn legten ein Teil des Fleisches die hurtigen Diener;
Und die ehrbare Schaffnerin kam, und tischte das Brot auf,
260   Und er aß. Nun kam mit Odysseus der treffliche Sauhirt
Nahe; sie standen still. Der hohlen Harfe Getön scholl
Ihnen melodisch entgegen; denn Phemios hub den Gesang               an.
Und Odysseus faßte die Hand des Hirten, und sagte:

Wahrlich, Eumäos, dies ist die prächtige Wohnung                            Odysseus'!

265   Diese würde man leicht auch unter vielen erkennen!
Zimmer stehen auf Zimmern; den Hof umschließet die                       schöne
Zinnenbefestigte Mauer mit einem doppelten starken
Flügeltor; sie vermöchte wohl schwerlich ein Mann                             zu erobern!
Auch bemerk' ich dieses, daß viele Männer ein Gastmahl
270   Drinnen begehn; denn es duftet von Speisen umher, und die             Harfe
Tönet, welche die Götter dem Mahl zur Freundin verliehen.

Ihm antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine:
Richtig bemerkst du, da dir's auch sonst an Verstande nicht               fehlet.
Aber wir wollen anitzt nachdenken, wie wir es machen.

275   Geh du entweder zuerst in die schöngebauete Wohnung
Unter den Haufen der Freier; so wart' ich hier noch ein wenig:
Oder willst du, so bleib'; auch ich will erstlich hineingehn.
Aber zögere nicht; hier draußen möchte dich jemand
Schlagen oder auch werfen. Dies überlege nun selber.

280      Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus:
Gut, ich verstehe dich schon, dies sind auch meine Gedanken.
Gehe denn erst hinein; ich warte hier noch ein wenig.
Denn ich verstehe mich auf Schläg' und Würfe so ziemlich,
Und nicht schwach ist mein Herz. Ich habe schon vieles                     erduldet,

285   Schrecken des Meers und des Kriegs; so mag auch dies noch             geschehen!
Aber man kann unmöglich die Wut des hungrigen Magens
Bändigen, welcher den Menschen so vielen Kummer                           verursacht!
Ihn zu besänftigen, gehn selbst schöngezimmerte Schiffe
Über das wilde Meer, mit Schrecken des Krieges gerüstet!

290      Also besprachen sich diese jetzo untereinander.
Aber ein Hund erhob auf dem Lager sein Haupt und die                     Ohren,
Argos: welchen vordem der leidengeübte Odysseus
Selber erzog; allein er schiffte zur heiligen Troja
Ehe er seiner genoß. Ihn führten die Jünglinge vormals

295   Immer auf wilde Ziegen und flüchtige Hasen und Rehe:
Aber jetzt, da sein Herr entfernt war, lag er verachtet
Auf dem großen Haufen vom Miste der Mäuler und Rinder,
Welcher am Tore des Hofes gehäuft ward, daß ihn Odysseus'
Knechte von dannen führen, des Königes Äcker zu düngen;
300   Hier lag Argos der Hund, von Ungeziefer zerfressen.
Dieser, da er nun endlich den nahen Odysseus erkannte,
Wedelte zwar mit dem Schwanz, und senkte die Ohren                     herunter;
Aber er war zu schwach, sich seinem Herren zu nähern.
Und Odysseus sah es, und trocknete heimlich die Träne,
305   Unbemerkt von Eumäos, und fragete seinen Begleiter:

Wunderbar ist es, Eumäos, daß dieser Hund auf dem Miste
Liegt! Sein Körper ist schön von Bildung; aber ich weiß nicht,
Ob er mit dieser Gestalt auch schnell im Laufe gewesen,
Oder so, wie die Hund' um der Reichen Tische gewöhnlich

310    Sind; denn solche Herren erziehn sie bloß zum Vergnügen.

Ihm antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine:
Freilich! denn dies ist der Hund des ferne gestorbenen                       Mannes.
Wär' er derselbige noch an Gestalt und mutigen Taten,
Als wie Odysseus ihn, gen Troja schiffend, zurückließ;

315    Sicherlich würdest du jetzo die Kraft und die Schnelle                         bewundern!
Trieb er ein Wildbret auf im dichtverwachsenen Waldtal,
Nimmer entfloh es ihm; denn er war auch ein weidlicher                     Spürhund.
Aber nun liegt er im Elend hier; denn fern von der Heimat
Starb sein Herr, und die Weiber, die faulen, versäumen ihn                 gänzlich.
320   Das ist die Art der Bedienten: Sobald ihr Herr sie nicht                         antreibt,
Werden sie träge zum Guten, und gehn nicht gern an die                   Arbeit.
Zeus' allwaltender Rat nimmt schon die Hälfte der Tugend
Einem Manne, sobald er die heilige Freiheit verlieret.

Also sprach er, und ging in die schöngebauete Wohnung,

325   Eilte dann grad' in den Saal zu den übermütigen Freiern.
Aber Argos umhüllte der schwarze Schatten des Todes,
Da er im zwanzigsten Jahr Odysseus wieder gesehen.

Jenen sahe zuerst Telemachos, göttlich von Bildung,
Durch den Palast herwandeln, den trefflichen Hirten; er winkt'           ihm

330   Eilig, und rief ihn heran. Der ringsumschauende Sauhirt
Nahm den ledigen Stuhl, worauf der Zerleger gesessen,
Welcher den Freiern im Saale die Menge des Fleisches                       zerteilte;
Diesen trug er von dannen, und stellt' ihn Telemachos' Tafel
Gegenüber, und setzte sich drauf; dann brachte der Herold
335    Ihm ein Teil des Fleisches, und gab ihm Brot aus dem Korbe.

Lange saß er noch nicht; da trat in die Wohnung Odysseus,
Der, wie ein alter Mann und mühebeladener Bettler,
Wankend am Stabe schlich, mit häßlichen Lumpen bekleidet.
Dieser setzte sich hin auf die eschene Schwelle der Pforte,

340   An die cypressene Pfoste den Rücken lehnend, die vormals
Künstlich der Meister gebildet, und nach dem Maße der                     Richtschnur.
Und Telemachos rief dem edlen Hirten der Schweine,
Gab ihm ein ganzes Brot aus dem schöngeflochtenen Korbe,
Und des Fleisches so viel, als er mit den Händen umfaßte:
345   Bringe dieses dem Fremdlinge hin, und sag' ihm, er möchte
Selber bei allen Freiern im Saale bittend umhergehn;
Denn die Blödigkeit ist dem darbenden Manne nicht heilsam.

Sprach's; und der Sauhirt ging, sobald er die Rede                               vernommen,
Trat vor Odysseus hin, und sprach die geflügelten Worte:

350   Fremdling, Telemachos sendet dir dies, und saget, du                         möchtest
Selber bei allen Freiern im Saale bittend umhergehn;
Denn die Blödigkeit sei dem darbenden Manne nicht heilsam.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Segne, du herrschender Zeus, Telemachos unter den                           Männern,

355   Und vollend' ihm alles, was seine Seele begehret!

Also sprach er, empfing es mit beiden Händen, und legt' es
Dort vor den Füßen nieder auf seinen häßlichen Ranzen;
Und dann aß er, so lange das Lied des Sängers ertönte.
Als er jetzo gespeist, da schwieg auch der göttliche Sänger.

360   Aber die Freier durchlärmten den Saal; und Pallas Athene
Nahte sich abermal dem Laertiaden Odysseus,
Und ermahnt' ihn, sich Brosam von allen Freiern zu sammeln,
Daß er die Mildegesinnten und Ungerechten erkennte;
Dennoch sollte nicht einen die schreckliche Rache                               verschonen!
365   Und er wandte sich rechts, und trat zu jeglichem Manne,
Reichte flehend die Hand, als hätt' er schon lange gebettelt.
Jene gaben ihm mitleidsvoll, und fragten, verwundert
Über des Bettlers Gestalt: wer er wär', und von wannen er                 käme.
Und der Ziegenhirte Melanthios sprach zur Versammlung:

370      Höret mich an, ihr Freier der weitgepriesenen Fürstin,
Wegen des Fremdlings hier. Ich hab' ihn nur eben gesehen;
Denn er ging zu der Stadt, und der Sauhirt war sein Geleiter.
Aber das weiß ich nicht, von welchem Geschlecht er sich                   rühme.

Sprach's; und Antinoos schalt den edlen Hirten der                           Schweine:

375   Warum führtest du diesen zur Stadt, du berüchtigter Sauhirt?
Irren nicht etwa genug Landstreicher vor unseren Türen,
Solche beschwerliche Bettler und schmieriger Brocken                       Verschlinger?
Oder glaubst du, hier fehl' es an Gästen, welche die Güter
Deines Herrn verschlingen; daß du auch diesen noch                           herrufst?

380      Ihm antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine:
Edel, Antinoos, bist du; allein du redest nicht schicklich.
Denn wer gehet wohl aus, und ladet selber den Fremdling,
Wo er nicht etwa im Volk durch nützliche Künste berühmt                 ist,
Als den erleuchteten Seher, den Arzt, den Meister des Baues,

385   Oder den göttlichen Sänger, der uns durch Lieder erfreuet?
Diese laden die Menschen in allen Landen der Erde.
Aber den Bettler, der nur belästiget, lüde wohl niemand!
Doch beständig warst du, vor allen Freiern, Odysseus'
Knechten hart, und mir am härtesten; aber mich kümmert's
390   Nicht: denn siehe noch lebt die kluge Penelopeia
Und ihr göttlicher Sohn Telemachos in dem Palaste!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Väterchen, laß das sein! Was gibst du ihm vieles zur                           Antwort?
Denn das war ja beständig Antinoos' böse Gewohnheit:

395   Hart und beleidigend redet er selbst, und verführt auch die                 andern!

Und zu Antinoos sprach er die schnell geflügelten Worte:
Traun! wie ein Vater des Sohns, Antinoos, waltest du meiner,
Da du befiehlst, den Fremdling mit harten Worten gewaltsam
Aus dem Hause zu treiben! Das wolle Gott nicht gefallen!

400   Nimm und gib ihm; ich sehe nicht scheel, ich heiß' es dir                   selber!
Scheue dich hierin auch nicht vor meiner Mutter, noch                       jemand
Unter den Leuten im Hause des göttergleichen Odysseus!
Aber dein Herz bekümmern nicht solche Gedanken; du willst             nur
Lieber alles allein aufschlingen, als etwas verschenken.

Your Gateway to High-Quality MP3, FLAC and Lyrics
DownloadMP3FLAC.com