Odyssee - Kapitel 48 by Homer
Odyssee - Kapitel 48 by Homer

Odyssee - Kapitel 48

Homer * Track #48 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Odyssee - Kapitel 48 Annotated

Lärmend stürzten anjetzo die Mägde mit Lilienarmen
Aus dem Saale herein: da verließ sie der süße Schlummer;
Und sie rieb mit den Händen die schönen Wangen, und sagte:

200     Ach ein sanfter Schlaf umhüllte mich Herzlichbetrübte!
Einen so sanften Tod beschere die göttliche Jungfrau
Artemis mir, jetzt gleich! damit ich Arme nicht länger
Mich abhärme, vor Gram um meines trauten Gemahles
Edles Verdienst; denn er war der Herrlichste aller Achaier!

205   Also sprach sie, und stieg vom prächtigen Söller herunter,
Nicht allein; sie wurde von zwo Jungfrauen begleitet.
Als das göttliche Weib die Freier jetzo erreichte,
Stand sie still an der Schwelle des schönen gewölbeten                       Saales;
Ihre Wangen umwallte der feine Schleier des Hauptes,

210   Und an jeglichem Arm stand eine der stattlichen Jungfraun.
Allen erbebten die Knie', es glühten die Herzen vor Inbrunst,
Und vor banger Begierde mit ihr das Lager zu teilen.
Und zu Telemachos sprach die zärtliche Penelopeia:

Sohn, in deinem Herzen ist weder Verstand noch                               Empfindung!

215    Weit vernünftiger hast du dich schon als Knabe bewiesen!
Nun da du größer bist, und des Jünglings Alter erreicht hast,
Und ein Fremder sogar aus der schönen und trefflichen                       Bildung
Schließen kann, du seist von edlem Samen entsprossen;
Siehe nun zeigt dein Herz so wenig Verstand als Empfindung!
220   Welch unwürdige Tat ist hier im Saale geschehen!
Da man den Fremdling so sehr mißhandelte, saßest du ruhig?
Aber wie? wenn ein Fremdling bei uns in unserem Hause
Hilfe sucht, und dann so schnöde Beleidigung duldet!
Dieses bringt dir ja Schimpf und Verachtung unter den                       Menschen!

225      Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Meine Mutter, ich will nicht murren, daß du mir zürnest.
Freilich fehlt es mir jetzo nicht mehr an Verstand und                         Erfahrung
Gutes und Böses zu sehn; (denn ehmals war ich ein Knabe!)
Aber ich kann nicht immer die klügsten Gedanken ersinnen;

230   Denn mich betäubt die Furcht vor diesen Übelgesinnten,
Welche mich rings umgeben; und niemand ist, der mir helfe.
Aber des Fremdlings Kampf mit Iros endigte gleichwohl
Nicht nach der Freier Sinn; denn dieser war stärker als Iros.
Gäbe doch Vater Zeus, Athene und Phöbos Apollon,
235   Daß auch jetzo die Freier, in unserem Hause bezwungen,
So ihr schwindelndes Haupt hinneigeten, draußen im Vorhof,
Oder auch hier im Saal, an allen Gliedern gelähmet:
So wie dort an der Pforte des Hofs der zerschlagene Iros
Jetzo mit wankendem Haupt, gleich einem Betrunkenen,                   dasitzt,
240   Und auf seinen Füßen nicht grade zu stehen, noch wieder
Heimzukehren vermag, weil seine Glieder gelähmt sind!

Also besprochen diese sich jetzo untereinander,
Aber Eurymachos wandte sich drauf zu Penelopeia:

O Ikarios' Tochter, du kluge Penelopeia,

245   Sähen dich die Achaier im ganzen jasischen Argos,
Wahrlich vom Morgen an erschienen noch mehrere Freier
Hier im Palaste zum Schmaus; denn dir gleicht keine der                     Weiber
An Gestalt, an Größe, und Trefflichkeiten des Geistes!

Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia:

250   Ach! die Tugend des Geistes, Eurymachos, Schönheit und                   Bildung,
Raubten die Himmlischen mir am Tage, da die Argeier
Schifften gen Troja, mit ihnen mein trauter Gemahl Odysseus!
Kehrete jener von dannen, und lebt' in meiner Gesellschaft;
Ja dann möchte mein Ruhm wohl größer werden und                         schöner.
255   Aber jetzo traur' ich; denn Leiden beschied mir ein Dämon!
Ach! da er Abschied nahm am vaterländischen Ufer,
Faßt' er mich bei der Rechten, und sprach mit freundlicher                 Stimme:
Frau, ich vermute nicht, die schöngeharnischten Griechen
Werden alle gesund und wohl von Ilion kehren.
260   Denn wie man sagt, sind auch die Troer streitbare Männer,
Mit Wurfspießen geübt, und geübt den Bogen zu spannen,
Und schnellfüßige Rosse der Schlacht zu lenken, die immer
Hurtig den großen Kampf des blutigen Krieges entscheiden.
Darum weiß ich nicht, ob Gott von Troja mich heimführt,
265   Oder mich dort abfodert. Du sorg' hier fleißig für alles!
Pfleg' auch meinen Vater und meine Mutter im Hause,
So wie bisher, ja noch sorgfältiger, wann ich entfernt bin.
Siehst du aber den Sohn im ersten Barte der Jugend;
Magst du das Haus verlassen, und, wem du willst, dich                       vermählen.
270   Also sprach er zuletzt; das wird nun alles erfüllet!
Kommen wird einst die Nacht, die schreckliche Nacht der                 Vermählung!
Mir unglücklichen Frau, die Zeus des Heiles beraubt hat!
Aber vor allen kränket mich das in der Tiefe des Herzens:
Unter den Freiern galt ja sonst nicht diese Begegnung!
275   Denn die ein edles Weib und eines Begüterten Tochter
Sich zur Gemahlin wünschen, und Nebenbuhler befürchten,
Diese bringen ja Rinder und fette Schafe zum Schmause
Für die Freunde der Braut, und schenken ihr köstliche Gaben;
Aber verschwelgen nicht so umsonst ein fremdes Vermögen!

280     Sprach's; da freuete sich der herrliche Dulder Odysseus,
Daß sie von ihnen Geschenke zog, und mit freundlichen                     Worten
Ihre Herzen bestrickte, doch anders im Herzen gedachte.

Aber Eupeithes' Sohn Antinoos gab ihr zur Antwort:
O Ikarios' Tochter, du kluge Penelopeia,

285   Was dir jeder Achaier an köstlichen Gaben hieherbringt,
Dieses empfang'; es wäre nicht fein, das Geschenk dir zu                   weigern.
Aber wir weichen nicht eh' zu den Unsrigen oder zu andern,
Eh' du den besten Achaier zu deinem Bräutigam wählest!

Also sprach er, und allen gefiel Antinoos' Rede.

290   Und die Geschenke zu bringen, entsandte jeder den Herold.
Für Antinoos bracht' er ein prächtiges blumengesticktes
Großes Frauengewand: zwölf schöne goldene Häklein
Waren daran, und faßten in schöngebogene Ösen.
Für Eurymachos bracht' er ein köstliches Halsgeschmeide,
295   Lauteres Gold, mit Ambra besetzt, der Sonne vergleichbar.
Für Eurydamas brachten zwei Ohrgehenke die Diener,
Dreigestirnt, und künstlich gemacht, mit strahlender Anmut.
Aus Peisandros' Palast, des polyktoridischen Königs,
Brachte der Diener ein reiches und lieblichschimmerndes                   Halsband.
300   lso schenkte jeder Achaier ein anderes Kleinod.

Und das göttliche Weib stieg wieder zur oberen Wohnung;
Ihre Jungfraun trugen der Freier schöne Geschenke.

Aber die Freier wandten sich wieder zum Tanz und Gesange,
Und belustigten sich, bis ihnen der Abend herabsank.

305   Als den Lustigen nun der dunkle Abend herabsank,
Setzten sie alsobald drei Feuerfässer im Saale
Ihnen zu leuchten umher, und häuften trockene Splitter,
Welche sie frisch mit dem Erz aus dürrem Holze gespalten,
Und Kienstäbe darauf. Die Mägde des Helden Odysseus
310    Gingen vom einen zum andern, und schürten die sinkende                 Flamme.
Aber zu ihnen sprach der göttliche weise Odysseus:

O ihr Mägde Odysseus', des langabwesenden Königs,
Geht zu den Wohnungen hin, wo die edle Königin wohnet;
Sitzt bei ihr im Saale, sie aufzuheitern, und drehet

315    Fleißig die Spindel, oder bereitet die flockichte Wolle.
Diese will ich schon alle mit leuchtender Flamme versorgen.
Blieben sie auch die ganze Nacht, bis der Morgen sich rötet;
Mich ermüden sie nicht; ich bin zum Dulden gehärtet.

Also sprach er; da lachten sie laut, und sahn nacheinander.

320   Aber nun fuhr ihn Melantho, die rosenwangichte Tochter
Dolios, an. Es hatte sie Penelopeia erzogen,
Und wie ihr Kind gepflegt, und jeden Wunsch ihr gewähret:
Dennoch rührte sie nicht der Kummer Penelopeiens;
Sondern sie buhlte geheim mit Eurymachos, ihrem Geliebten.
325   Diese lästerte schändlich den edlen Dulder Odysseus:

Elender Fremdling, du bist wohl deiner Sinne nicht mächtig:
Daß du nicht gehst, die Nacht in der Herberg', oder des                       Schmiedes
Warmer Esse zu ruhn; und hier in der großen Gesellschaft
Solcher Männer so dreist, und ohne jemand zu fürchten,

330   Plauderst! Traun dich betört der Weinrausch, oder du bist                 auch
Immer ein solcher Geck, und schwatzest solche Geschwätze!
Oder schwindelt dein Hirn, weil du Iros, den Bettler, besiegt               hast?
Daß sich nur keiner erhebe, der tapferer streitet als Iros!
Denn er möchte dein Haupt mit starken Fäusten zerschlagen,
335   Und aus dem Hause dich stoßen, mit triefendem Blute                       besudelt.

Zürnend schaute auf sie und sprach der weise Odysseus:
Wahrlich, das sag' ich Telemachos an, was du Hündin da                   plauderst:
(Siehst du ihn dort?) damit er dich gleich in Stücke zerhaue!

Also sprach er, und schreckte die bangen Weiber von                       hinnen;

340   Und sie entflohn aus dem Saal, und eileten durch die                           Gemächer,
Zitternd vor Angst; denn sie meinten, er hab' im Ernste                       geredet.

Und Odysseus stand, der leuchtenden Feuergeschirre
Flamme nährend, und sahe nach allen. Aber sein Herz war
Andrer Gedanken voll, die bald zu Handlungen reiften.

345     Aber den mutigen Freiern verstattete Pallas Athene
Nicht, des erbitternden Spottes sich ganz zu enthalten, damit           noch
Heißer entbrennte das Herz des Laertiaden Odysseus.
Siehe Polybos' Sohn, Eurymachos, reizte den Helden
Vor der Versammlung zuerst, und erregte der Freunde                       Gelächter.

350     Höret mich an, ihr Freier der weitgepriesenen Fürstin,
Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet.
Wahrlich ein Himmlischer führte den Mann in die Wohnung             Odysseus'!
Denn wo mir recht ist, kömmt der Glanz nicht bloß von dem             Feuer,
Sondern von seiner Glatze, worauf kein Härchen zu sehn ist.

355      Sprach's, und wandte sich drauf zum Städteverwüster                     Odysseus:
Fremdling, willst du dich wohl bei mir zum Knechte                             verdingen,
Daß du, fern auf dem Land' (ich meine, für gute Bezahlung!)
Dornenzäune mir flechtest, und schattige Bäume mir                         pflanzest?
Siehe dann reicht' ich dir dein tägliches Essen und Trinken,

360   Und bekleidete dich, und gäbe dir Schuh' an die Füße.
Aber da du nun nichts als Bubenstücke gelernt hast,
Wirst du nicht gern arbeiten, und lieber das Land                                 durchstreichen,
Deinen gefräßigen Bauch mit Bettelbrote zu stopfen!

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:

365   O arbeiteten wir, Eurymachos, beide zur Wette
Einst in der Frühlingszeit, wann die Tage heiter und lang sind,
Auf der grasichten Wiese; mit schöngebogener Sichel
Gingen wir, ich und du, und mähten nüchtern vom Morgen
Bis zur sinkenden Nacht, so lang' es an Grase nicht fehlte!
370   Oder trieb' ich ein Joch der trefflichsten Rinder am Pfluge,
Rötlich und groß von Wuchs, mit fettem Grase gesättigt,
Gleich an Alter und Kraft, mit unermüdlicher Stärke,
Eine Hufe zu ackern, und wiche die Erde der Pflugschar;
Sehen solltest du dann, wie grade Furchen ich zöge!
375   Oder sendete Zeus uns heute noch Krieg, und ging ich
Mit zwo blinkenden Lanzen und einem Schilde gerüstet,
Und die Schläfe geschirmt mit einem ehernen Helme;
Sehen solltest du traun! mich unter den vordersten Streitern,
Und mich nicht so höhnend an meinen Magen erinnern!
380   Aber du bist sehr stolz und menschenfeindliches Herzens;
Und du dünkst dir vielleicht ein großer und starker Achaier,
Weil du mit wenigen Leuten, und nicht den tapfersten,                       umgehst!
Aber käm Odysseus in seiner Väter Gefilde;
O bald würde die Türe, so weit sie der Zimmerer baute,
385   Dennoch zu enge dir sein, wann du zum Hause hinausflöhst!

Also sprach er; da ward Eurymachos' Herz noch erboster,
Zürnend schaut' er ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Elender, gleich empfange den Lohn, daß du unter so vielen
Edlen Männern so dreist, und ohne jemand zu fürchten,

390   Plauderst! Traun dich betört der Weinrausch, oder du bist                 auch
Immer ein solcher Geck, und schwatzest solche Geschwätze!
Oder schwindelt dein Hirn, weil du Iros, den Bettler, besiegt               hast?

Also sprach er, und griff nach dem Schemel. Aber Odysseus
Warf zu Amphinomos' Knieen, des Dulichiers, eilend sich                   nieder,

395   Fürchtend Eurymachos' Wurf; und der Schemel flog an des               Schenken
Rechte Hand, daß die Kanne voll Weins ihm tönend                             entstürzte,
Und er selbst mit Geheul auf den Boden rücklings dahinsank.

Aber nun lärmten die Freier umher in dem schattichten                     Saale;
Einer wendete sich zu seinem Nachbar, und sagte:

400    Wäre der irrende Fremdling doch ferne gestorben, bevor er
Ithaka sah; dann brächt' er uns nicht dies laute Getümmel!
Aber wir zanken uns hier um den leidigen Bettler, und                         schmecken
Nichts von den Freuden des Mahls; denn es wird je länger je             ärger!

Und die heilige Kraft Telemachos sprach zur Versammlung:

405   Unglückselige Männer, ihr rast, und eure Gespräche
Zeugen von Speis' und Trank; euch reizet wahrlich ein                         Dämon!
Aber nachdem ihr geschmaust, so geht, und legt euch zu                   Hause
Schlafen, wann's euch gefällt; doch treib' ich keinen von                     hinnen.

Also sprach er; da bissen sie ringsumher sich die Lippen,

410    Über den Jüngling erstaunt, der so entschlossen geredet.
Drauf erhub sich und sprach Amphinomos zu der                                 Versammlung,
Nisos' rühmlicher Sohn, des aretiadischen Königs:

Freunde, Telemachos hat mit großem Rechte geredet;
Drum entrüste sich keiner, noch geb' ihm trotzige Antwort!

415    Auch mißhandelt nicht ferner den armen Fremdling, noch                 jemand
Von den Leuten im Hause des göttergleichen Odysseus.
Auf! es fülle voll neuem der Schenk mit Weine die Becher,
Daß wir opfern, und dann nach Hause gehen zu schlafen.
Aber der Fremdling bleib' im Hause des edlen Odysseus
420   Unter Telemachos' Schutz; denn ihm vertraut' er sein Heil an.

Also sprach er, und allen gefiel Amphinomos' Rede.
Und Held Mulios mischte den Wein im Kelche mit Wasser,
Dieser duilichische Herold, Amphinomos' treuer Gefährte;
Reichte dann allen umher die vollen Becher. Die Freier

425   Opferten jetzt, und tranken des herzerfreuenden Weines.
Und nachdem sie geopfert und nach Verlangen getrunken,
Gingen sie alle heim, der süßen Ruhe zu pflegen.

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