Odyssee - Kapitel 22 by Homer
Odyssee - Kapitel 22 by Homer

Odyssee - Kapitel 22

Homer * Track #22 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Homer

Odyssee - Kapitel 22 Annotated

Also sprach der König, und alle riefen ihm Beifall.
Schnell, die Geschenke zu holen, entsandte jeder den                         Herold.
400   Aber Euryalos gab dem Könige dieses zur Antwort:

Weitgepriesener Held, Alkinoos, mächtigster König!
Gerne will ich den Gast versöhnen, wie du befiehlest,
Und dies Schwert ihm verehren. Die Kling' ist von Erze                       geschmiedet,
Und von Silber das Heft, die elfenbeinerne Scheide

405   Neu vom Künstler geglättet. Es wird nicht wenig ihm wert                 sein.

Also sprach er, und reicht' ihm das Schwert mit silbernen               Buckeln;
Und er redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Freue dich, Vater und Gast! Und fiel ein kränkendes Wort               hier
Unter uns vor, so mögen es schnell die Stürme verwehen!

410   Dir verleihn die Götter, die Heimat und deine Gemahlin
Wieder zu sehn, nachdem du so lang' in Trübsal umherirrst!

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Auch du freue dich, Lieber; dich segnen die Götter mit Heile!
Und du müssest hinfort des Schwertes nimmer bedürfen,

415    Welches du mir anjetzt mit versöhnenden Worten gereicht               hast!

Sprach's, und hängt' um die Schulter das Schwert mit                     silbernen Buckeln.
Und die Sonne sank; da kamen die schönen Geschenke.
Edle Herolde trugen sie schnell zu Alkinoos' Wohnung.
Hier empfingen und legten Alkinoos' treffliche Söhne

420   Bei der Mutter sie hin, die köstlichen Ehrengeschenke.
Aber die heilige Macht Alkinoos' führte die andern;
Und sie kamen und setzten auf hohen Thronen sich nieder.
Und die heilige Macht Alkinoos' sprach zu Arete:

Komm, Geliebte, und bring die beste der zierlichen Laden;

425   Lege darein den schöngewaschenen Mantel und Leibrock.
Dann setzt Wasser zum Sieden im ehernen Kessel aufs                       Feuer,
Daß er, wenn er zuvor sich gebadet, und nebeneinander
Alle Geschenke gesehn der tadellosen Phäaken,
Froher genieße des Mahls, und froher horche dem Liede.
430   Dieses schöne Gefäß von Golde will ich ihm schenken.
Daß er in seinem Palaste für Zeus und die übrigen Götter
Opfer gieße, und sich beständig meiner erinnre.

Also sprach er; und schnell gebot Arete den Mägden,
Eilend ein groß dreifüßig Geschirr aufs Feuer zu setzen.

435   Und sie setzten das Badegeschirr auf das lodernde Feuer,
Gossen Wasser hinein, und legten Holz an die Flamme;
Rings umschlug sie den Bauch des Geschirrs, und es kochte               das Wasser.

Aber die Königin brachte dem Fremdling die zierliche Lade
Aus der Kammer hervor, und legte die schönen Geschenke,

440   Gold und Kleider, hinein, was ihm die Phäaken gegeben,
Legte darauf den Mantel hinein, und den prächtigen                           Leibrock.
Und sie redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Siehe nun selbst den Deckel, und schürze behende die                     Knoten;
Daß dich keiner beraub' auf der Heimfahrt, während du etwa

445   In dem schwärzlichen Schiffe des süßen Schlummers                         genießest.

Als er dieses vernommen, der herrliche Dulder Odysseus,
Fügt' er den Deckel auf, und schürzte behende den Knoten,
Dessen geheime Kunst ihn die mächtige Kirke gelehret.
Und die Schaffnerin kam, und bat ihn, eilig zum Baden

450   In die Wanne zu steigen. Ein herzerfreuender Anblick
War ihm das warme Bad; denn keiner Pflege genoß er,
Seit er die Wohnung verließ der schöngelockten Kalypso;
Dort ward seiner beständig wie eines Gottes gepfleget.
Als ihn die Mägde jetzo gebadet, mit Öle gesalbet,
455   Und ihm die Kleider umhüllt, den Mantel und prächtigen                     Leibrock,
Stieg er hervor aus dem Bad', und ging zu den trinkenden                   Männern.

Aber Nausikaa stand, geschmückt mit göttlicher Schönheit,
An der hohen Pforte des schöngewölbeten Saales,
Und betrachtete wundernd den göttergleichen Odysseus;

460   Und sie redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Lebe wohl, o Fremdling, und bleib' in der Heimat auch                     meiner
Eingedenk, da du mir zuerst dein Leben verdanktest.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
O Nausikaa, Tochter des edlen Phäakenbeherrschers,

465   Lasse mich jetzo nur Zeus, der donnernde Gatte der Here,
Glücklich zur Heimat kehren, und schaun den Tag der                         Zurückkunft!
Täglich werd' ich auch dort, wie einer Göttin, voll Ehrfurcht
Dir danksagen; du hast mein Leben gerettet, o Jungfrau!

Also sprach er, und setzte sich hin zur Seite des Königs.

470   Jene teileten schon das Fleisch, und mischten des Weines.
Aber der Herold kam, und führte den lieblichen Sänger,
Welchen die Völker verehrten, Demodokos, näher, und                       setzte
Ihn in die Mitte des Saals, an die hohe Säule gelehnet.
Und dem Herolde rief der erfindungsreiche Odysseus,
475   Und zerteilte den Rücken, sein großes ehrendes Anteil
Vom weißzahnichten Schweine, mit frischem Fette                             bewachsen:

Herold, reiche dies Fleisch Demodokos hin, daß er esse.
Gerne möcht' ich ihm Liebes erweisen, wie sehr ich auch                   traure.
Alle sterblichen Menschen der Erde nehmen die Sänger

480   Billig mit Achtung auf und Ehrfurcht; selber die Muse
Lehrt sie den hohen Gesang, und waltet über die Sänger.

Also sprach Odysseus. Der Herold reicht' es dem edlen
Helden Demodokos hin; er nahm's, und freute sich herzlich.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.

485   Jetzo war die Begierde des Tranks und der Speise gestillet,
Und zu Demodokos sprach der erfindungsreiche Odysseus:

Wahrlich vor allen Menschen, Demodokos, achtet mein                 Herz dich!
Dich hat die Muse gelehrt, Zeus' Tochter, oder Apollon!
So zum Erstaunen genau besingst du das Schicksal der                       Griechen,

490   Alles was sie getan und erduldet im mühsamen Kriegszug,
Gleich als hättest du selbst es gesehen oder gehöret.
Fahre nun fort, und singe des hölzernen Rosses Erfindung,
Welches Epeios baute mit Hilfe der Pallas Athene,
Und zum Betrug in die Burg einführte der edle Odysseus,
495   Mit bewaffneten Männern gefüllt, die Troja bezwangen.
Wenn du mir dieses auch mit solcher Ordnung erzählest;
Siehe dann will ich sofort es allen Menschen verkünden,
Daß ein waltender Gott den hohen Gesang dir verliehn hat.

Sprach's; und eilend begann der gottbegeisterte Sänger,

500   Wie das Heer der Achaier in schöngebordeten Schiffen
Von dem Gestade fuhr, nach angezündetem Lager.
Aber die andern, geführt vom hochberühmten Odysseus,
Saßen, von Troern umringt, im Bauche des hölzernen                         Rosses,
Welches die Troer selbst in die Burg von Ilion zogen.
505   Allda stand nun das Roß, und ringsum saßen die Feinde,
Hin und her ratschlagend. Sie waren dreifacher Meinung:
Diese, das hohle Gebäude mit grausamem Erze zu spalten;
Jene, es hoch auf den Felsen zu ziehn, und herunter zu                       schmettern;
Andre, es einzuweihen zum Sühnungsopfer der Götter.
510    Und der letzteren Rat war bestimmt erfüllet zu werden.
Denn das Schicksal beschloß Verderben, wann Troja das                   große
Hölzerne Roß aufnähme, worin die tapfersten Griechen
Alle saßen, und Tod und Verderben gen Ilion brachten.
Und er sang, wie die Stadt von Achaias Söhnen verheert                     ward,
515    Welche dem hohlen Bauche des trüglichen Rosses                               entstürzten;
Sang, wie sie hier und dort die stolze Feste bestürmten;
Und wie Odysseus schnell zu des edlen Deiphobos'                             Wohnung
Eilte, dem Kriegsgott gleich, samt Atreus' Sohn Menelaos,
Und wie er dort voll Mutes dem schrecklichsten Kampfe sich           darbot,
520   Aber zuletzt obsiegte, durch Hilfe der hohen Athene.

Dieses sang der berühmte Demodokos. Aber Odysseus
Schmolz in Wehmut, Tränen benetzten ihm Wimper und                   Wangen.
Also weinet ein Weib, und stürzt auf den lieben Gemahl hin,
Der vor seiner Stadt und vor seinem Volke dahinsank,

525   Streitend, den grausamen Tag von der Stadt und den Kindern           zu fernen;
Jene sieht ihn jetzt mit dem Tode ringend und zuckend,
Schlingt sich um ihn, und heult laut auf, die Feinde von                       hinten
Schlagen wild mit der Lanze den Rücken ihr und die                             Schultern,
Binden und schleppen als Sklavin sie fort zu Jammer und                   Arbeit;
530   Und im erbärmlichsten Elend verblühn ihr die reizenden                     Wangen:
So zum Erbarmen entstürzt' Odysseus' Augen die Träne.
Allen übrigen Gästen verbarg er die stürzende Träne;
Nur Alkinoos sah aufmerksam die Trauer des Fremdlings,
Welcher neben ihm saß, und hörte die tiefen Seufzer.
535   Und der König begann zu den ruderliebenden Männern:

Merket auf, der Phäaken erhabene Fürsten und Pfleger,
Und Demodokos halte nun ein mit der klingenden Harfe;
Denn nicht alle horchen mit Wohlgefallen dem Liede.
Seit wir sitzen am Mahl, und der göttliche Sänger uns                         vorsingt,

540   Hat er nimmer geruht von seinem traurenden Grame,
Unser Gast; ihm drückt wohl ein schwerer Kummer die Seele.
Jener halte denn ein! Wir wollen alle vergnügt sein,
Gast und Wirte zugleich; denn solches fodert der                                 Wohlstand.
Für den edlen Fremdling ist diese Feier, des Schiffes
545   Rüstung, und die Geschenke, die wir aus Freundschaft ihm                 geben.
Lieb wie ein Bruder ist ein hilfeflehender Fremdling
Jedem Manne, des Herz auch nur ein wenig empfindet!
Drum verhehle mir nicht durch schlauersonnene Worte,
Was ich jetzo dich frage. Auch dieses fodert der Wohlstand.
550   Sage, mit welchem Namen benennen dich Vater und Mutter,
Und die Bürger der Stadt, und welche rings dich umwohnen?
Denn ganz namenlos bleibt doch unter den Sterblichen                       niemand,
Vornehm oder gering, wer einmal von Menschen gezeugt                 ward;
Sondern man nennet jeden, sobald ihn die Mutter geboren.
555   Sage mir auch dein Land, dein Volk und deine Geburtstadt;
Daß, dorthin die Gedanken gelenkt, die Schiffe dich bringen.
Denn der Phäaken Schiffe bedürfen keiner Piloten,
Nicht des Steuers einmal, wie die Schiffe der übrigen Völker;
Sondern sie wissen von selbst der Männer Gedanken und                   Willen,
560   Wissen nah und ferne die Städt' und fruchtbaren Länder
Jegliches Volks, und durchlaufen geschwinde die Fluten des             Meeres,
Eingehüllt in Nebel und Nacht. Auch darf man nicht fürchten,
Daß das stürmende Meer sie beschädige oder verschlinge.
Nur erzählete mir mein Vater Nausithoos ehmals,
565   Daß uns Poseidon der Erderschütterer zürne,
Weil wir ohne Gefahr jedweden zu Schiffe geleiten;
Dieser würde dereinst ein rüstiges Schiff der Phäaken,
Das vom Geleiten kehrte, im dunkelwogenden Meere
Plötzlich verderben, und rings um die Stadt ein hohes Gebirg             ziehn.
570   So weissagte der Greis; der Gott vollende nun solches,
Oder vollend' es nicht; wie es seinem Herzen gelüstet;
Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit:
Welche Länder bist du auf deinen Irren durchwandert,
Und wie fandest du dort die Völker und prächtigen Städte?
575   Welche schwärmten noch wild als sittenlose Barbaren?
Welche dienten den Göttern, und liebten das heilige                           Gastrecht?
Sage mir auch, was weinst du, und warum traurst du so                     herzlich,
Wenn du von der Achaier und Ilions Schicksale hörest?
Dieses beschloß der Unsterblichen Rat, und bestimmte der               Menschen
580   Untergang; daß er würd' ein Gesang der Enkelgeschlechter.
Sank vielleicht auch dir in Ilions blutigen Schlachten
Irgend ein edler Verwandter, ein Eidam oder ein Schwäher,
Welche die Nächsten uns sind, nach unserem Blut und                       Geschlechte?
Oder etwa ein tapferer Freund von gefälligem Herzen?
585   Denn fürwahr nicht geringer, als selbst ein leiblicher Bruder,
Ist ein treuer Freund, verständig und edler Gesinnung.

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