Odyssee - Kapitel 11 by Homer
Odyssee - Kapitel 11 by Homer

Odyssee - Kapitel 11

Homer * Track #11 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Odyssee - Kapitel 11 by Homer

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Homer

Odyssee - Kapitel 11 Annotated

435   Aber indessen fuhr Eidothea tief in des Meeres
Weiten Busen, und trug vier Robbenfelle von dannen,
Welche sie frisch abzog; und entwarf die Täuschung des                   Vaters.
Jedem höhlete sie ein Lager im Sande des Meeres,
Saß und erwartete uns. Sobald wir die Göttin erreichten,
440   Legte sie uns nach der Reih', und hüllte jedem ein Fell um.
Wahrlich die Lauer bekam uns fürchterlich! Bis zum Ersticken
Quält' uns der tranichte Dunst der meergemästeten Robben!
Denn wer ruhte wohl gerne bei Ungeheuern des Meeres?
Aber die Göttin ersann zu unserer Rettung ein Labsal:
445   Denn sie strich uns allen Ambrosia unter die Nasen,
Dessen lieblicher Duft des Tranes Gerüche vertilgte.
Also lauerten wir den ganzen Morgen geduldig.
Scharweis kamen die Robben nun aus dem Wasser, und                     legten
Nach der Reihe sich hin am rauschenden Ufer des Meeres.
450   Aber am Mittag kam der göttliche Greis aus dem Wasser,
Ging bei den feisten Robben umher, und zählte sie alle.
Also zählt' er auch uns für Ungeheuer, und dachte
Gar an keinen Betrug; dann legt' er sich selber zu ihnen.
Plötzlich fuhren wir auf mit Geschrei, und schlangen die                     Hände
455   Schnell um den Greis; doch dieser vergaß der betrüglichen                 Kunst nicht.
Erstlich ward er ein Leu mit fürchterlich wallender Mähne,
Drauf ein Pardel, ein bläulicher Drach', und ein zürnender                   Eber,
Floß dann als Wasser dahin, und rauscht' als Baum in den                 Wolken.
Aber wir hielten ihn fest mit unerschrockener Seele.
460   Als nun der zaubernde Greis ermüdete sich zu verwandeln,
Da begann er selber mich anzureden, und fragte:

Welcher unter den Göttern, Atreide, gab dir den Anschlag,
Daß du mit Hinterlist mich Fliehenden fängst? Was bedarfst             du?

Also sprach er; und ich antwortete wieder, und sagte:

465   Alter, du weißt es, (warum verstellst du dich, dieses zu                       fragen?)
Daß ich so lang' auf dieser Insel verweil', und nirgends ein                 Ausweg
Aus dem Jammer sich zeigt, da das Herz den Genossen                     entschwindet!
Drum verkündige mir, die Götter wissen ja alles!
Wer der Unsterblichen hält mich hier auf, und hindert die                   Reise?
470   Und wie gelang ich heim auf dem fischdurchwimmelten                     Meere?

Also sprach ich; der Greis antwortete wieder, und sagte:
Aber du solltest auch Zeus und den andern unsterblichen                 Göttern
Opfern, als du die Schiffe bestiegst, damit du geschwinder
Deine Heimat erreichtest, die dunkle Woge durchsteuernd!

475   Denn dir verbeut das Schicksal, die Deinigen wieder zu sehen
Und dein prächtiges Haus und deiner Väter Gefilde,
Bis du wieder zurück zu des himmelernährten Ägyptos
Wassern segelst, und dort mit heiligen Hekatomben
Sühnst der Unsterblichen Zorn, die den weiten Himmel                       bewohnen:
480   Dann verleihn dir die Götter die Heimfahrt, welche du                         wünschest.
Also sagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betrübnis,
Weil er mir wieder befahl, auf dem dunkelwogenden Meere
Nach dem Ägyptos zu schiffen, die weite gefährliche Reise.
Aber ich faßte mich doch, und gab ihm dieses zur Antwort:

485       Göttlicher Greis, ich will ausrichten, was du befiehlest,
Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit:
Sind die Danaer all' unbeschädigt wiedergekehret,
Welche Nestor und ich beim Scheiden in Troja verließen?
Oder ward einer im Schiffe vom bittern Verderben ereilet,

490   Oder den Freunden im Arme, nachdem er den Krieg                           vollendet?

Also sprach ich; und drauf antwortete jener, und sagte:
Warum fragst du mich das, Sohn Atreus'? Du mußt nicht                   alles
Wissen, noch meine Gedanken erforschen! Du möchtest                   nicht lange
Dich der Tränen enthalten, wenn du das alles erführest!

495   Siehe, gefallen sind viele davon, und viele noch übrig;
Aber nur zween Heerführer der erzgepanzerten Griechen
Raffte die Heimfahrt hin; in der Feldschlacht warest du selber.
Einer der Lebenden wird im weiten Meere gehalten.
Ajas versank in die See mit den langberuderten Schiffen.
500   Anfangs rettete zwar den Scheiternden Poseidaon
Aus den Fluten des Meers an die großen gyräischen Felsen.
Dort wär' Athenens Feind dem verderbenden Schicksal                       entronnen,
Hätte der Lästerer nicht voll Übermutes geprahlet,
Daß er den Göttern zum Trotz den stürmenden Wogen                     entflöhe.
505   Aber Poseidon vernahm die stolzen Worte des Prahlers,
Und ergriff mit der nervichten Faust den gewaltigen Dreizack,
Schlug den gyräischen Fels; und er spaltete schnell                             voneinander.
Eine der Trümmern blieb, die andre stürzt' in die Fluten,
Wo der Achaier saß, und die Gotteslästerung ausstieß;
510    Und er versank ins unendliche hochaufwogende                                   Weltmeer.
So fand Ajas den Tod, ersäuft von der salzigen Welle.
Zwar dein Bruder entfloh der schrecklichen Rache der Göttin
Samt den gebogenen Schiffen; ihn schützte die mächtige                   Here.
Aber als er sich jetzo dem Vorgebirge Maleia
515    Näherte, rafft' ihn der wirbelnde Sturm und schleuderte                     plötzlich
Ihn, den Jammernden, weit in das fischdurchwimmelte                       Weltmeer,
An die äußerste Küste, allwo vor Zeiten Thyestes
Hatte gewohnt, und jetzo Thyestes' Sohn Ägisthos.
Aber ihm schien auch hier die Heimfahrt glücklich zu enden;
520   Denn die Götter wandten den Sturm, und trieben ihn                           heimwärts.
Freudig sprang er vom Schiff ans vaterländische Ufer,
Küßt' und umarmte sein Land, und heiße Tränen entstürzten
Seiner Wange, vor Freude, die Heimat wieder zu sehen.
Ihn erblickte der Wächter auf einer erhabenen Warte,
525   Von Ägisthos bestellt, der zwei Talente des Goldes
Ihm zum Lohne versprach. Ein Jahr lang hielt er schon                         Wache,
Daß er nicht heimlich käm', und stürmende Tapferkeit übte.
Eilend lief er zur Burg, und brachte dem Könige Botschaft;
Und Ägisthos gedachte sogleich des schlauen Betruges.
530   Zwanzig tapfere Männer erlas er im Volk, und verbarg sie;
Auf der anderen Seite gebot er, ein Mahl zu bereiten.
Jetzo ging er, und lud Agamemnon, den Hirten der Völker,
Prangend mit Rossen und Wagen, sein Herz voll arger                         Entwürfe;
Führte den nichts argwöhnenden Mann ins Haus, und                         erschlug ihn
535   Unter den Freuden des Mahls: so erschlägt man den Stier an             der Krippe!
Keiner entrann dem Tode vom ganzen Gefolg' Agamemnons,
Und von Ägisthos keiner; sie stürzten im blutigen Saale.

Also sagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betrübnis:
Weinend saß ich im Sande des Meers, und wünschte nicht               länger

540   Unter den Lebenden hier das Licht der Sonne zu schauen.
Aber als ich mein Herz durch Weinen und Wälzen erleichtert,
Da erhub er die Stimme, der graue untrügliche Meergott:

Weine nicht immerdar, Sohn Atreus', hemme die Tränen;
Denn wir können damit nichts bessern! Aber versuche

545   Jetzt, aufs eiligste wieder dein Vaterland zu erreichen.
Jenen findest du noch lebendig, oder Orestes
Tötet ihn schon vor dir: dann kommst du vielleicht zum                     Begräbnis.

Also sprach er, und stärkte mein edles Herz in dem Busen,
So bekümmert ich war, durch seine frohe Verheißung.

550   Und ich redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Dieser Schicksal weiß ich nunmehr. Doch nenne den                        Dritten,
Welchen man noch lebendig im weiten Meere zurückhält,
Oder auch tot. Verschweige mir nicht die traurige Botschaft!

Also sprach ich; und drauf antwortete jener, und sagte:

555   Das ist der Sohn Laertes, der Ithakas Fluren bewohnet.
Ihn sah ich auf der Insel die bittersten Tränen vergießen,
In dem Hause der Nymphe Kalypso, die mit Gewalt ihn
Hält; und er sehnt sich umsonst nach seiner heimischen Insel;
Denn es gebricht ihm dort an Ruderschiffen und Männern,
560   Über den weiten Rücken des Meeres ihn zu geleiten.
Aber dir bestimmt, o Geliebter von Zeus, Menelaos,
Nicht das Schicksal den Tod in der rossenährenden Argos;
Sondern die Götter führen dich einst an die Enden der Erde,
In die elysische Flur, wo der bräunliche Held Radamanthus
565   Wohnt, und ruhiges Leben die Menschen immer beseligt:
(Dort ist kein Schnee, kein Winterorkan, kein gießender                     Regen;
Ewig wehn die Gesäusel des leiseatmenden Westes,
Welche der Ocean sendet, die Menschen sanft zu kühlen:)
Weil du Helena hast, und Zeus als Eidam dich ehret.

570        Also sprach er, und sprang in des Meeres hochwallende               Woge.
Aber ich ging zu den Schiffen mit meinen tapfern Genossen,
Schweigend, und viele Gedanken bewegten des Gehenden                 Seele.
Als wir jetzo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten,
Da bereiteten wir das Mahl. Die ambrosische Nacht kam;

575   Und wir lagerten uns ans rauschenden Ufer des Meeres.
Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,
Zogen wir erst die Schiffe hinab in die heilige Meersflut,
Stellten die Masten empor, und spannten die schwellenden               Segel,
Traten dann selber ins Schiff, und setzten uns hin auf die                   Bänke,
580   Saßen in Reihn, und schlugen die graue Woge mit Rudern.
Und ich fuhr zum Strome des himmelgenährten Ägyptos,
Landete dort, und brachte den Göttern heilige Opfer.
Und nachdem ich den Zorn der unsterblichen Götter                           gesühnet,
Häuft' ich ein Grabmal auf, Agamemnon zum ewigen                         Nachruhm.
585   Als ich dieses vollbracht, entschifften wir. Günstige Winde
Sandten mir jetzo die Götter, und führten mich schnell zu der           Heimat.
Aber ich bitte dich, Lieber, verweil in meinem Palaste,
Bis der elfte der Tage vorbei ist, oder der zwölfte.
Alsdann send' ich dich heim, und schenke dir köstliche                       Gaben:
590   Drei der mutigsten Rosse, und einen prächtigen Wagen;
Auch ein schönes Gefäß, damit du den ewigen Göttern
Opfer gießest, und dich beständig meiner erinnerst.

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Atreus' Sohn, berede mich nicht, hier länger zu bleiben.

595   Denn ich säße mit Freuden bei dir ein ganzes Jahr lang,
Ohne mich jemals heim nach meinen Eltern zu sehnen:
Siehe mit solchem Entzücken erfüllt mich deine Erzählung
Und dein Gespräch! Allein unwillig harren die Freunde
In der göttlichen Pylos; und du verweilst mich noch länger.
600   Hast du mir ein Geschenk bestimmt, so sei es ein Kleinod.
Rosse nützen mir nicht in Ithaka; darum behalte
Selber diese zur Pracht: du beherrschest flache Gefilde,
Überwachsen mit Klee und würzeduftendem Galgan,
Und mit Weizen und Spelt und weißer fruchtbarer Gerste.
605   Aber in Ithaka fehlt es an weiten Ebnen und Wiesen;
Ziegen nährt sie: doch lieb' ich sie nicht, als irgend ein                         Roßland.
Keine der Inseln im Meer' ist mutigen Rossen zur Laufbahn
Oder zur Weide bequem, und Ithaka minder als alle.

Lächelnd hörte den Jüngling der Rufer im Streit Menelaos,

610    Faßte Telemachos Hand, und sprach mit freundlicher                         Stimme:

Edles Geblütes bist du, mein Sohn; das zeuget die Rede!
Gerne will ich dir denn die Geschenke verändern; ich kann's              ja!
Von den Schätzen, soviel ich in meinem Hause bewahre,
Geb' ich dir zum Geschenk das schönste und köstlichste                   Kleinod:

615    Gebe dir einen Kelch von künstlicherhobener Arbeit,
Aus geläutertem Silber, gefaßt mit goldenem Rande;
Und ein Werk von Hephästos! Ihn gab der Sidonier König
Phädimos mir, der Held, der einst in seinem Palaste
Mich Heimkehrenden pflegte. Den will ich jetzo dir schenken.

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