Odyssee - Kapitel 60 by Homer
Odyssee - Kapitel 60 by Homer

Odyssee - Kapitel 60

Homer * Track #60 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Odyssee - Kapitel 60 by Homer

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Homer

Odyssee - Kapitel 60 Annotated

Also sprach sie zum Schein, den Gemahl zu versuchen. Doch           zürnend
Wandte sich jetzt Odysseus zu seiner edlen Gemahlin:

Wahrlich, o Frau, dies Wort hat meine Seele verwundet!
Wer hat mein Bette denn anders gesetzt? das könnte ja                     schwerlich

185    Selbst der erfahrenste Mann; wo nicht der Unsterblichen                   einer
Durch sein allmächtiges Wort es leicht von der Stelle                         versetzte:
Doch kein sterblicher Mensch, und trotzt' er in Kräften der                 Jugend,
Könnt' es hinwegarbeiten! Ein wunderbares Geheimnis
War an dem künstlichen Bett; und ich selber baut' es, kein                 andrer!
190    Innerhalb des Gehegs war ein weitumschattender Ölbaum,
Stark und blühendes Wuchses; der Stamm glich Säulen an                 Dicke.
Rings um diesen erbaut' ich von dichtgeordneten Steinen
Unser Ehegemach, und wölbte die obere Decke,
Und verschloß die Pforte mit festeinfugenden Flügeln.
195    Hierauf kappt' ich die Äste des weitumschattenden Ölbaums,
Und behaute den Stamm an der Wurzel, glättet' ihn ringsum
Künstlich und schön mit dem Erz, und nach dem Maße der               Richtschnur;
Schnitzt' ihn zum Fuße des Bettes, und bohrt' ihn rings mit                 dem Bohrer,
Fügete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette,
200   Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geschmückt war;
Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut.
Dies Wahrzeichen sag' ich dir also. Aber ich weiß nicht,
Frau, ob es noch so ist, wie vormals; oder ob jemand
Schon den Fuß von der Wurzel gehaun, und das Bette                         versetzt hat.

205      Also sprach er. Der Fürstin erzitterten Herz und Kniee,
Als sie die Zeichen erkannte, die ihr Odysseus verkündet:
Weinend lief sie hinzu, und fiel mit offenen Armen
Ihrem Gemahl um den Hals, und küßte sein Antlitz, und                     sagte:

Sei mir nicht bös, Odysseus! Du warst ja immer ein guter

210    Und verständigen Mann! Die Götter gaben uns Elend;
Denn zu groß war das Glück, daß wir beisammen in Eintracht
Unserer Jugend genössen, und sanft dem Alter uns nahten!
Aber du mußt mir jetzo nicht darum zürnen noch gram sein,
Daß ich, Geliebter, dich nicht beim ersten Blicke                                   bewillkommt!
215    Siehe, mein armes Herz war immer in Sorgen, es möchte
Irgend ein Sterblicher kommen, und mich mit täuschenden               Worten
Hintergehn; es gibt ja so viele schlaue Betrüger!
Nimmer hätte der Fremdling die schöne argeiische Fürstin
Helena, Tochter von Zeus, zur heimlichen Liebe verleitet;
220   Hätte sie vorbedacht, daß die kriegrischen Söhne Achaias
Würden mit Feuer und Schwert sie zurück aus Ilion fodern.
Aber gereizt von der Göttin, erlag sie der schnöden                             Verführung,
Und erwog nicht vorher in ihrem Herzen das nahe
Schreckengericht, das auch uns so vielen Jammer gebracht               hat!
225   Jetzo, da du, Geliebter, mir so umständlich die Zeichen
Unserer Kammer nennst, die doch kein Sterblicher sahe,
Sondern nur du und ich, und die einzige Kammerbediente
Aktoris, welche mein Vater mir mitgab, als ich hieher zog,
Die uns beiden die Pforte bewahrt des festen Gemaches:
230   Jetzo besiegst du mein Herz, und alle Zweifel verschwinden.

Also sprach sie. Da schwoll ihm sein Herz von inniger                       Wehmut:
Weinend hielt er sein treues geliebtes Weib in den Armen.
So erfreulich das Land den schwimmenden Männern                           erscheinet,
Deren rüstiges Schiff der Erdumgürter Poseidon

235   Mitten im Meere durch Sturm und geschwollene Fluten                     zerschmettert;
Wenige nur entflohn dem dunkelwogenden Abgrund,
Schwimmen ans Land, ringsum vom Schlamme des Meeres               besudelt,
Und nun steigen sie freudig, dem Tod' entronnen, ans Ufer:
So erfreulich war ihr der Anblick ihres Gemahles;
240   Und fest hielt sie den Hals mit weißen Armen umschlungen.
Und sie hätten vielleicht bis zur Morgenröte gejammert;
Aber ein andres beschloß die heilige Pallas Athene.
Denn sie hemmte die Nacht am Ende des Laufes, und weilte
An des Oceans Fluten die goldenthronende Eos:
245   Und noch spannte sie nicht die schnellen leuchtenden Rosse
Lampos und Phäton an, das Licht den Menschen zu bringen.
Aber zu seiner Gemahlin begann der weise Odysseus:

Liebes Weib, noch haben wir nicht der furchtbaren Kämpfe
Ziel erreicht; es droht noch unermeßliche Arbeit,

250   Viel und gefahrenvoll, und alle muß ich vollenden!
Also verkündigte mir des großen Teiresias' Seele,
Jenes Tages, da ich in Aïs' Wohnung hinabstieg,
Forschend nach der Gefährten und meiner eigenen Heimkehr.
Aber nun laß uns, Frau, zu Bette gehen: damit uns
255   Beide jetzo die Ruhe des süßen Schlafes erquicke.

Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia:
Jetzo wird dein Lager bereit sein, wann du es wünschest:
Da dir endlich die Götter verstatteten, wiederzukehren
In dein prächtiges Haus und deiner Väter Gefilde.

260   Aber weil dich ein Gott daran erinnert, mein Lieber,
Sage mir auch den Kampf! Ich muß ihn, denk' ich, doch                       einmal
Hören; so ist es ja wohl nicht schlimmer, ihn gleich zu                         erfahren.

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Armes Weib, warum verlangst du, daß ich dir dieses

265   Sage? Ich will es dir denn verkünden, und nichts dir                             verhehlen.
Freilich wird sich darob dein Herz nicht freuen; ich selber
Freue mich nicht. Denn mir gebeut der erleuchtete Seher,
Fort durch die Welt zu gehn, in der Hand ein geglättetes                     Ruder,
Immerfort, bis ich komme zu Menschen, welche das Meer                 nicht
270   Kennen, und keine Speise gewürzt mit Salze genießen,
Welchen auch Kenntnis fehlt von rotgeschnäbelten Schiffen,
Und von geglätteten Rudern, den Fittichen eilender Schiffe.
Deutlich hat er sie mir bezeichnet, daß ich nicht irre.
Wenn ein Wanderer einst, der mir in der Fremde begegnet,
275   Sagt, ich trag' eine Schaufel auf meiner rüstigen Schulter;
Dann soll ich dort in die Erde das schöngeglättete Ruder
Stecken, und Opfer bringen dem Meerbeherrscher Poseidon,
Einen Widder und Stier und einen mutigen Eber;
Drauf zur Heimat kehren, und opfern heilige Gaben
280   Allen unsterblichen Göttern, des weiten Himmels Bewohnern,
Nach der Reihe herum. Zuletzt wird außer dem Meere
Kommen der Tod, und mich, von hohem behaglichem Alter
Aufgelöseten, sanft hinnehmen, wann ringsum die Völker
Froh und glücklich sind. Dies hat mir der Seher verkündet.

285      Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia:
Nun wenn dir von den Göttern ein frohes Alter bestimmt ist;
Können wir hoffen, du wirst dein Leiden glücklich vollenden.

Also besprachen diese sich jetzo untereinander.
Eurykleia indes und Eurynome breiteten emsig

290   Weiche Gewande zum Lager, beim Scheine leuchtender                     Fackeln.
Und nachdem sie in Eile das warme Lager gebettet,
Ging die Alte zurück in ihre Kammer, zu ruhen.
Aber Eurynome führte den König und seine Gemahlin
Zu dem bereiteten Lager, und trug die leuchtende Fackel;
295   Als sie die Kammer erreicht, enteilte sie. Jene bestiegen
Freudig ihr altes Lager, der keuschen Liebe geheiligt.

Aber Telemachos, der Rinderhirt und der Sauhirt
Ruhten jetzo vom fröhlichen Tanz, es ruhten die Weiber;
Und sie legten sich schlafen umher im dunkeln Palaste.

300      Jene, nachdem sie die Fülle der seligen Liebe gekostet,
Wachten noch lang', ihr Herz mit vielen Gesprächen                           erfreuend.
Erst erzählte das göttliche Weib, wie viel sie im Hause
Von dem verwüstenden Schwarme der bösen Freier erduldet,
Wie sie um ihretwillen die fetten Rinder und Schafe

305   Scharenweise geschlachtet, und frech im Weine geschwelget.
Dann erzählte der Held, wie vielen Jammer er andern
Menschen gebracht, und wie viel er selber vom Schicksal                   erduldet.
Und die Königin horchte mit inniger Wonne; kein Schlummer
Sank auf die Augenlider, bevor er alles erzählet.

310       Und er begann, wie er erst die Kikonen bezwungen, und                 hierauf
An der fruchtbaren Küste der Lotophagen gelandet.
Was der Kyklope getan, und wie er der edlen Gefährten
Tod bestraft, die er fraß, der unbarmherzige Wütrich.
Und wie Äolos ihn, nach milder Bewirtung, zur Heimfahrt

315    Ausgerüstet; allein die Stunde der fröhlichen Heimkehr
War noch nicht; denn er trieb, von dem wilden Orkane                       geschleudert,
Lautwehklagend zurück ins fischdurchwimmelte Weltmeer.
Wie er Telepylos dann und die Lästrygonen gesehen,
Wo er die rüstigen Schiffe und schöngeharnischten Freunde
320   Alle verlor; nur er selber entrann mit dem schwärzlichen                     Schiffe.
Auch von Kirkes Betrug und Zauberkünsten erzählt' er;
Und wie er hingefahren in Aïdes dumpfe Behausung,
Um des thebäischen Greises Teiresias' Seele zu fragen,
Im vielrudrigen Schiff, und alle Freunde gesehen,
325   Auch die Mutter, die ihn gebar und als Knaben ernährte.
Wie er dann den Gesang der holden Sirenen gehöret;
Dann die irrenden Klippen gesehn, und die wilde Charybdis,
Und die Skylla, die keiner noch unbeschädigt vorbeifuhr.
Dann, wie seine Gefährten die Sonnenrinder geschlachtet;
330   Und wie sein rüstiges Schiff der Gott hochrollender Donner
Zeus mit dem Blitze zerschmettert; es sanken die tapfern                   Genossen
Allzumal, nur er selber entfloh dem Schreckenverhängnis.
Wie er drauf gen Ogygia kam, zur Nymphe Kalypso,
Die ihn so lang aufhielt in ihrer gewölbeten Grotte,
335   Und zum Gemahl ihn begehrte: sie reicht' ihm Nahrung und               sagte
Ihm Unsterblichkeit zu und nimmerverblühende Jugend;
Dennoch vermochte sie nicht sein standhaftes Herz zu                       bewegen.
Wie er endlich, nach großer Gefahr, die Phäaken erreichet,
Welche von Herzen ihn hoch, wie einen Unsterblichen,                       ehrten,
340   Und ihn sandten im Schiffe zur lieben heimischen Insel,
Reichlich mit Erz und Golde beschenkt und prächtigen                       Kleidern.
Und kaum hatt' er das Letzte gesagt, da beschlich ihn der                   süße
Sanftauflösende Schlummer, den Gram der Seele vertilgend.

Aber ein Neues ersann die heilige Pallas Athene:

345   Als sie glaubte, der Held Odysseus habe nun endlich
Seine Seele in Lieb' und süßem Schlafe gesättigt;
Rief sie vom Ocean schnell die goldenthronende Frühe,
Daß sie die finstere Welt erleuchtete. Aber Odysseus
Sprang vom schwellenden Lager, und sprach zu seiner                       Gemahlin:

350     Frau, wir haben bisher der Leiden volle Genüge
Beide geschmeckt: da du so herzlich um meine Zurückkunft
Weintest, und mich der Kronid' und die andern Götter durch             Unglück
Stets, wie sehr ich auch strebte, von meiner Heimat                             entfernten.
Jetzo, nachdem wir die Nacht der seligen Liebe gefeiert,

355    Sorge du für die Güter, die mir im Palaste geblieben;
Aber die Rinder und Schafe, die mir die Freier verschwelget,
Werden mir teils die Achaier ersetzen, und andere werd' ich
Beuten von fremden Völkern, bis alle Höfe gefüllt sind.
Jetzo geh' ich hinaus, den guten Vater Laertes
360   Auf dem Lande zu sehn, der mich so herzlich bejammert.
Dir befehl' ich, o Frau; zwar bist du selber verständig:
Gleich wenn die Sonn' aufgeht, wird sicher der Ruf von den               Freiern
Durch die Stadt sich verbreiten, die ich im Hause getötet;
Darum steig' in den Söller, und sitze dort unter den Weibern
365   Ruhig; siehe nach keinem dich um, und rede mit keinem.

Also sprach er, und panzerte sich mit schimmernder                         Rüstung,
Weckte Telemachos dann und beide Hirten vom Schlummer,
Und gebot, in die Hand die Waffen des Krieges zu nehmen.
Diese gehorchten ihm schnell, und standen in eherner                       Rüstung,

370   Schlossen die Pforte dann auf, und gingen, geführt von                       Odysseus.
Schon umschimmerte Licht die Erde. Doch Pallas Athene
Führte sie schnell aus der Stadt, mit dichtem Nebel umhüllet.

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