Odyssee - Kapitel 14 by Homer
Odyssee - Kapitel 14 by Homer

Odyssee - Kapitel 14

Homer * Track #14 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Odyssee - Kapitel 14 by Homer

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Homer

Odyssee - Kapitel 14 Annotated

Also sprach er und ging, der tapfere Argosbesieger.
Aber Kalypso eilte zum großgesinnten Odysseus,
150    Als die heilige Nymphe Kronions Willen vernommen,
Dieser saß am Gestade des Meers, und weinte beständig,
Ach! in Tränen verrann sein süßes Leben, voll Sehnsucht
Heimzukehren: denn lange nicht mehr gefiel ihm die                         Nymphe;
Sondern er ruhte des Nachts in ihrer gewölbeten Grotte
155    Ohne Liebe bei ihr, ihn zwang die liebende Göttin;
Aber des Tages saß er auf Felsen und sandigen Hügeln,
Und zerquälte sein Herz mit Weinen und Seufzen und                         Jammern
Und durchschaute mit Tränen die große Wüste des Meeres.
Jetzo nahte sich ihm und sprach die herrliche Göttin:

160      Armer, sei mir nicht immer so traurig, und härme dein                     Leben
Hier nicht ab; ich bin ja bereit, dich von mir zu lassen.
Haue zum breiten Floß dir hohe Bäume, verbinde
Dann die Balken mit Erz, und oben befestige Bretter;
Daß er über die Wogen des dunkeln Meeres dich trage.

165    Siehe dann will ich dir Brot und Wasser reichen, und roten
Herzerfreuenden Wein, damit dich der Hunger nicht töte;
Dich mit Kleidern umhüllen, und günstige Winde dir senden;
Daß du ohne Gefahr die Heimat wieder erreichest,
Wenn es die Götter gestatten, des weiten Himmels                             Bewohner,
170    Welche höher als ich an Weisheit sind und an Stärke.

Als sie es sprach, da erschrak der herrliche Dulder                           Odysseus.
Und er redet' sie an, und sprach die geflügelten Worte:

Wahrlich du denkst ein andres, als mich zu senden, o                     Göttin,
Die du mich heißeste im Floße des unermeßlichen Meeres

175    Furchtbare Flut zu durchfahren, die selbst kein                                     künstlichgebautes
Rüstiges Schiff durchfährt, vom Winde Gottes erfreuet!
Nimmer besteig' ich den Floß ohn' deinen Willen, o Göttin,
Du willfahrest mir denn, mit hohem Schwur zu geloben,
Daß du bei dir nichts andres zu meinem Verderben                             beschließest!

180       Sprach's, und lächelnd vernahm es die hehre Göttin                         Kalypso,
Streichelte ihn mit der Hand, und sprach die freundlichen                   Worte:

Wahrlich du bist doch ein Schalk, und unermüdet an                         Vorsicht:
So bedachtsam und schlau ist alles, was du geredet!
Nun mir zeuge die Erde, der weite Himmel dort oben,

185    Und die stygischen Wasser der Tiefe; welches der größte
Furchtbarste Eidschwur ist für alle unsterblichen Götter:
Daß ich bei mir nichts anders zu deinem Verderben                             beschließe!
Sondern ich denke so und rede, wie ich mir selber
Suchen würde zu raten, wär' ich in gleicher Bedrängnis!
190    Denn ich denke gewiß nicht ganz unbillig, und trage
Nicht im Busen ein Herz von Eisen, sondern voll Mitleid!

Also sprach sie, und ging, die hehre Göttin Kalypso,
Eilend voran, und er folgte den Schritten der wandelnden                   Göttin.
Und sie kamen zur Grotte, die Göttin und ihr Geliebter.

195    Allda setzte der Held auf den Thron sich nieder, auf welchem
Hermes hatte gesessen. Ihm reichte die heilige Nymphe
Allerlei Speis' und Trank, was sterbliche Männer genießen;
Setzte sich dann entgegen dem göttergleichen Odysseus,
Und Ambrosia reichten ihr Dienerinnen und Nektar.
200   Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Als sie jetzo ihr Herz mit Trank und Speise gesättigt;
Da begann das Gespräch die hehre Göttin Kalypso:

Edler Laertiad', erfindungsreicher Odysseus,
Also willst du mich nun so bald verlassen, und wieder

205   In dein geliebtes Vaterland gehn? Nun Glück auf die Reise!
Aber wüßte dein Herz, wie viele Leiden das Schicksal
Dir zu dulden bestimmt, bevor du zur Heimat gelangest;
Gerne würdest du bleiben, mit mir die Grotte bewohnen,
Und ein Unsterblicher sein: wie sehr du auch wünschest, die             Gattin
210    Wiederzusehn, nach welcher du stets so herzlich dich                       sehnest!
Glauben darf ich doch wohl, daß ich nicht schlechter als sie               bin,
Weder an Wuchs noch Bildung! Wie könnten sterbliche                     Weiber
Mit unsterblichen sich an Gestalt und Schönheit vergleichen?

Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:

215    Zürne mir darum nicht, ehrwürdige Göttin! Ich weiß es
Selber zu gut, wie sehr der klugen Penelopeia
Reiz vor deiner Gestalt und erhabenen Größe verschwindet;
Denn sie ist nur sterblich, und dich schmückt ewige Jugend.
Aber ich wünsche dennoch und sehne mich täglich von                     Herzen,
220   Wieder nach Hause zu gehn, und zu schaun den Tag der                     Zurückkunft.
Und verfolgt mich ein Gott im dunkeln Meere, so will ich's
Dulden; mein Herz im Busen ist längst zum Leiden gehärtet!
Denn ich habe schon vieles erlebt, schon vieles erduldet,
Schrecken des Meers und des Kriegs: so mag auch dieses                 geschehen!

225       Also sprach er, da sank die Sonne, und Dunkel erhob sich.
Beide gingen zur Kammer der schöngewölbeten Grotte,
Und genossen der Lieb', und ruheten nebeneinander.

Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,
Da bekleidete sich Odysseus mit Mantel und Leibrock.

230   Aber die Nymphe zog ihr silberfarbnes Gewand an,
Fein und zierlich gewebt; und schlang um die Hüfte den                     Gürtel,
Schön mit Golde gestickt; und schmückte das Haupt mit dem           Schleier.
Eilend besorgte sie jetzo die Reise des edlen Odysseus:
Gab ihm die mächtige Axt, von gehärtetem Erze                                   geschmiedet,
235   Unten und oben geschärft, und sicheres Schwunges, und                    drinnen
War ein zierlicher Stiel von Olivenholze befestigt;
Gab ihm auch ein geschliffenes Beil, und führet' ihn jetzo
An der Insel Gestade voll hoher schattender Bäume,
Pappelweiden und Erlen und wolkenberührender Tannen.
240   Viele waren von Alter verdorrt, und leichter zur Schiffahrt.
Als sie den Ort ihm gezeigt, voll hoher schattender Bäume;
Kehrte sie heim zur Grotte, die hehre Göttin Kalypso.

Und er fällte die Bäum', und vollendete hurtig die Arbeit.
Zwanzig stürzt' er in allem, umhaute mit eherner Axt sie,

245   Schlichtete sie mit dem Beil, und nach dem Maße der                         Richtschnur.
Jetzo brachte sie Bohrer, die hehre Göttin Kalypso.
Und er bohrte die Balken, und fügte sie wohl aneinander,
Und verband nun den Floß mit ehernen Nägeln und                             Klammern.
Von der Größe, wie etwa ein kluger Meister im Schiffbau
250   Zimmern würde den Boden des breiten geräumigen                             Lastschiffs,
Baute den breiten Floß der erfindungsreiche Odysseus.
Nun umstellt' er ihn dicht mit Pfählen, heftete Bohlen
Ringsherum, und schloß das Verdeck mit langen Brettern.
Drinnen erhob er den Mast, von der Segelstange                                 durchkreuzet.
255   Endlich zimmert' er sich ein Steuer, die Fahrt zu lenken.
Beide Seiten des Floßes beschirmt' er mit weidenen Flechten
Gegen die rollende Flut; und füllte den Boden mit Ballast.
Jetzo brachte sie Tücher, die hehre Göttin Kalypso,
Segel davon zu schneiden; auch diese bereitet' er künstlich;
260   Band die Taue des Mastes und segelwendenden Seile;
Wälzte darauf mit Hebeln den Floß in die heilige Meersflut.

Jetzt war der vierte Tag, an dem ward alles vollendet.
Und am fünften entließ ihn die hehre Göttin Kalypso,
Frischgebadet, und angetan mit duftenden Kleidern.

265   Und sie legt' in den Floß zween Schläuche, voll schwärzliches           Weines
Einen, und einen großen voll Wasser; und gab ihm zur                       Zehrung
Einen geflochtenen Korb voll herzerfreuender Speisen;
Ließ dann leise vor ihm ein laues Lüftchen einherwehn.
Freudig spannte der Held im Winde die schwellenden Segel.
270   Und nun setzt' er sich hin ans Ruder, und steuerte künstlich
Über die Flut. Ihm schloß kein Schlummer die wachsamen                 Augen,
Auf die Pleiaden gerichtet, und auf Bootes, der langsam
Untergeht, und den Bären, den andre den Wagen benennen,
Welcher im Kreise sich dreht, den Blick nach Orion gewendet,
275   Und allein von allen sich nimmer im Ocean badet.
Denn beim Scheiden befahl ihm die hehre Göttin Kalypso,
Daß er auf seiner Fahrt ihn immer zur Linken behielte.
Siebzehn Tage befuhr er die ungeheuren Gewässer.
Am achtzehnten erschienen die fernen schattigen Berge
280   Von dem phäakischen Lande, denn dieses lag ihm am                         nächsten;
Dunkel erschienen sie ihm, wie ein Schild, im Nebel des                     Meeres.

Jetzo kam aus dem Lande der Äthiopen Poseidon,
Und erblickte fern von der Solymer Bergen Odysseus,
Welcher die Wogen befuhr. Da ergrimmt' er noch stärker im             Geiste,

285   Schüttelte zürnend sein Haupt, und sprach in der Tiefe des                 Herzens:

Himmel, es haben gewiß die Götter sich über Odysseus
Anders entschlossen, da ich die Äthiopen besuchte!
Siehe da naht er sich schon dem phäakischen Lande, dem                 großen
Heiligen Ziele der Leiden, die ihm das Schicksal bestimmt hat!

290   Aber ich meine, er soll mir noch Jammer die Fülle bestehen!

Also sprach er, versammelte Wolken, und regte das Meer             auf,
Mit dem erhobenen Dreizack; rief itzt allen Orkanen
Aller Enden zu toben, verhüllt' in dicke Gewölke
Meer und Erde zugleich; und dem düstern Himmel entsank               Nacht.

295   Unter sich stürmten der Ost und der Süd und der sausende               Westwind,
Auch der hellfrierende Nord, und wälzte gewaltige Wogen.
Und dem edlen Odysseus erzitterten Herz und Kniee;
Tiefaufseufzend sprach er zu seiner erhabenen Seele:

Weh mir, ich elender Mann! Was werd' ich noch endlich                 erleben!

300   Ach ich fürchte, die Göttin hat lauter Wahrheit geweissagt,
Die mir im wilden Meere, bevor ich zur Heimat gelangte,
Leiden die Fülle verhieß! Da wird nun alles erfüllet!
Ha! wie fürchterlich Zeus den ganzen Himmel in Wolken
Hüllt, und das Meer aufregt! wie sausen die wütenden Stürme
305   Aller Enden daher! Nun ist mein Verderben entschieden!
Dreimal selige Griechen und viermal, die ihr in Trojas
Weitem Gefilde sankt, der Atreiden Ehre verfechtend!
Wär' ich doch auch gestorben, und hätte die traurige                         Laufbahn
An dem Tage vollendet, als mich, im Getümmel der Troer,
310    Eherne Lanzen umflogen, um unsern erschlagnen Achilleus!
Dann wär' ich rühmlich bestattet, dann sängen mein Lob die             Achaier!
Aber nun ist mein Los, des schmählichen Todes zu sterben!

Also sprach er; da schlug die entsetzliche Woge von oben
Hochherdrohend herab, daß im Wirbel der Floß sich                           herumriß:

315    Weithin warf ihn der Schwung des erschütterten Floßes, und             raubte
Ihm aus den Händen das Steu'r; und mit einmal stürzte der               Mastbaum
Krachend hinab vor der Wut der fürchterlich sausenden                     Windsbraut.
Weithin flog in die Wogen die Stang' und das flatternde                     Segel.
Lange blieb er untergetaucht, und strebte vergebens,
320   Unter der ungestüm rollenden Flut sich empor zu schwingen;
Denn ihn beschwerten die Kleider, die ihm Kalypso                             geschenket.
Endlich strebt' er empor, und spie aus dem Munde das bittre
Wasser des Meers, das strömend von seiner Scheitel                         herabtroff.
Dennoch vergaß er des Floßes auch selbst in der                                 schrecklichen Angst nicht,
325   Sondern schwung sich ihm nach durch reißende Fluten,                      ergriff ihn,
Setzte sich wieder hinein, und entfloh dem Todesverhängnis.
Hiehin und dorthin trieben den Floß die Ströme des Meeres.
Also treibt im Herbste der Nord die verdorreten Disteln
Durch die Gefilde dahin; sie entfliehn ineinander gekettet:
330   Also trieben durchs Meer ihn die Winde bald hiehin bald                   dorthin.
Jetzo stürmte der Süd ihn dem Nordsturm hin zum Verfolgen;
Jetzo sandte der Ost ihn dem brausenden Weste zum Spiele.

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