Odyssee - Kapitel 59 by Homer
Odyssee - Kapitel 59 by Homer

Odyssee - Kapitel 59

Homer * Track #59 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Odyssee - Kapitel 59 by Homer

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Homer

Odyssee - Kapitel 59 Annotated

Dreiundzwanzigster Gesang

Penelopeia, von der Pflegerin gerufen, geht mißtrauisch in den Saal. Odysseus gebeut den Seinigen Reigentanz, um die Ithaker zu täuschen. Er selbst, vom Bade verschönert, rechtfertigt sich der Gemahlin durch ein Geheimnis. Die Neuverbundenen erzählen vor dem Schlafe sich ihre Leiden. Am Morgen befiehlt Odysseus der Gemahlin sich einzuschließen, und geht mit dem Sohn und den Hirten zu Laertes hinaus.

Aber das Mütterchen stieg frohlockend empor in den Söller,
Um der Fürstin zu melden, ihr lieber Gemahl sei zu Hause:
Jugendlich strebten die Knie', und hurtiger eilten die                           Schenkel;
Und sie trat zu dem Haupte der schlafenden Fürstin, und                   sagte:

5          Wach auf, Penelopeia, geliebte Tochter, und schau es
Selber mit Augen, worauf du so lange geharret: Odysseus
Ist gekommen, Odysseus! und wieder zu Hause, nun endlich!
Und hat alle Freier getötet, die hier im Palaste
Trotzten, sein Gut verschlangen, und seinen Telemachos                   höhnten!

10         Ihr antwortete drauf die kluge Penelopeia:
Liebe Mutter, dich haben die Götter betöret, die oftmal
Selbst die verständigsten Menschen in Unverständige                         wandeln,
Und Einfältige oft mit hoher Weisheit erleuchten!
Diese verrückten gewiß auch deine richtigen Sinne!

15      Warum spottest du meiner, die so schon herzlich betrübt ist,
Und verkündest mir Lügen, und weckst mich vom lieblichen             Schlummer,
Welcher mir, ach so sanft! die lieben Wimpern bedeckte?
Denn ich schlief noch nimmer so fest, seit Odysseus                           hinwegfuhr,
Troja zu sehn, die verwünschte, die keiner nennet ohn'                       Abscheu!
20     Aber nun steige hinab, und geh in die untere Wohnung!
Hätte mir eine der andern, so viel auch Weiber mir dienen,
Solch ein Märchen verkündet, und mich vom Schlummer                   erwecket;
Fürchterlich hätt' ich sie gleich, die unwillkommene Botin,
Heimgesandt in den Saal! Dich rettet diesmal dein Alter!

25       Ihr antwortete drauf die Pflegerin Eurykleia:
Liebe Tochter, ich spotte ja nicht! Wahrhaftig, Odysseus
Ist gekommen, und wieder zu Hause, wie ich dir sage!
Jener Fremdling, den alle so schändlich im Saale verhöhnten!
Und Telemachos wußte schon lange, daß er daheim sei;

30     Aber mit weisem Bedacht verschwieg er des Vaters                             Geheimnis,
Bis er den Übermut der stolzen Männer bestrafet.

Also sprach sie; und freudig entsprang die Fürstin dem                     Lager,
Und umarmte die Alte, und Tränen umströmten ihr Antlitz.
Weinend begann sie jetzo, und sprach die geflügelten Worte:

35       Liebes Mütterchen, sage mir doch die lautere Wahrheit!
Ist er denn wirklich zu Hause gekommen, wie du erzählest;
O wie hat er den Kampf mit den schamlosen Freiern                           vollendet,
Er allein mit so vielen, die hier sich täglich ergötzten?

Ihr antwortete drauf die Pflegerin Eurykleia:

40     Weder gesehn hab' ich's, noch sonst erfahren, ich hörte
Bloß der Erschlagnen Geächz. Denn hinten in unserer                         Wohnung
Saßen wir alle voll Angst, bei festverriegelten Türen;
Bis mich endlich dein Sohn Telemachos aus dem Gemache
Rief, denn diesen hatte sein Vater gesandt, mich zu rufen.
45     Und nun fand ich Odysseus, umringt von erschlagenen                       Leichen,
Stehn, die hochgehäuft, das schöngepflasterte Estrich
Weit bedeckten. O hättest du selbst die Freude gesehen,
Als er mit Blut und Staube besudelt stand, wie ein Löwe!
Jetzo liegen sie alle gehäuft an der Pforte des Hofes;
50     Und er reinigt mit Schwefel bei angezündetem Feuer
Seinen prächtigen Saal; und sendet mich her, dich zu rufen.
Folge mir denn, damit ihr die lieben Herzen einander
Wieder mit Freuden erfüllt, nachdem ihr so vieles erduldet.
Nun ist ja endlich geschehn, was ihr so lange gewünscht                   habt:
55      Lebend kehret er heim zum Vaterherde, und findet
Dich und den Sohn im Palast; und alle, die ihn beleidigt,
Alle Freier vertilgt die schreckliche Rache des Königs.

Ihr antwortete drauf die kluge Penelopeia:
Liebe Mutter, du mußt nicht so frohlocken und jauchzen!

60     Ach, du weißt ja, wie herzlich erwünscht er allen im Hause
Käme, vor allen mir, und unserm einzigen Sohne!
Aber es ist unmöglich geschehen, wie du erzählest!
Einer der Himmlischen hat die stolzen Freier getötet,
Durch die Greuel gereizt, und die seelenkränkende Bosheit!
65     Denn sie ehrten ja keinen von allen Erdbewohnern,
Vornehm' oder geringe, wer auch um Erbarmen sie ansprach:
Darum strafte sie Gott, die Freveler! Aber Odysseus,
Fern von Achaia verlor er die Heimkehr, ach! und sein Leben!

Ihr antwortete drauf die Pflegerin Eurykleia:

70     Welche Rede, mein Kind, ist deinen Lippen entflohen!
Dein Gemahl, der schon unten am Herde sitzt, der kehret
Nimmer nach Hause zurück? O wie gar ungläubig dein Herz             ist!
Nun so sag' ich dir jetzt ein entscheidendes Merkmal, die                   Narbe,
Die ein Eber ihm einst mit weißem Zahne gehauen.
75      Beim Fußwaschen nahm ich sie wahr, und wollt' es dir selber
Sagen; allein er faßte mir schnell mit der Hand an die Gurgel;
Und verhinderte mich mit weisem Bedachte, zu reden.
Komm denn, und folge mir jetzt. Denn ich verbürge mich                   selber,
Hab' ich dir Lügen gesagt, des kläglichsten Todes zu sterben.

80       Ihr antwortete drauf die kluge Penelopeia:
Liebe Mutter, den Rat der ewiglebenden Götter
Strebst du umsonst zu erforschen, obgleich du vieles                         verstehest.
Aber wir wollen doch zu meinem Sohne hinabgehn,
Daß ich die Leichname sehe der Freier, und wer sie getötet.

85       Also sprach sie, und stieg hinab. Der Gehenden Herz schlug,
Zweifelnd, ob sie den lieben Gemahl von ferne befragte,
Oder entgegen ihm flög', und Händ' und Antlitz ihm küßte.
Als sie nun über die Schwelle von glattem Marmor hineintrat,
Setzte sie fern an der Wand, im Glanze des Feuers, Odysseus

90     Gegenüber, sich hin. An einer ragenden Säule
Saß er, die Augen gesenkt, und wartete, was sie ihm sagen
Würde, die edle Gemahlin, da sie ihn selber erblickte.
Lange saß sie schweigend; ihr Herz war voller Erstaunens.
Jetzo glaubte sie schon sein Angesicht zu erkennen,
95     Jetzo verkannte sie ihn in seiner häßlichen Kleidung.
Aber Telemachos sprach unwillig zu Penelopeia:

Mutter, du böse Mutter, von unempfindlicher Seele!
Warum sonderst du dich von meinem Vater, und setzest
Dich nicht neben ihn hin, und fragst und forschest nach                     allem?

100    Keine andere Frau wird sich von ihrem Gemahle
So halsstarrig entfernen, der nach unendlicher Trübsal
Endlich im zwanzigsten Jahre zum Vaterlande zurückkehrt!
Aber du trägst im Busen ein Herz, das härter als Stein ist!

Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia:

105    Lieber Sohn, mein Geist ist ganz in Erstaunen verloren;,
Und ich vermag kein Wort zu reden, oder zu fragen,
Noch ihm gerad' ins Antlitz zu schaun! Doch ist er es wirklich,
Mein Odysseus, der wiederkam; so werden wir beide
Uns einander gewiß noch besser erkennen: wir haben
110     Unsre geheimen Zeichen, die keinem andern bekannt sind.

Sprach's; da lächelte sanft der herrliche Dulder Odysseus,
Wandte sich drauf zum Sohn', und sprach die geflügelten                   Worte:

O Telemachos, laß die Mutter, so lange sie Lust hat,
Mich im Hause versuchen; sie wird bald freundlicher werden.

115    Weil ich so häßlich bin, und mit schlechten Lumpen bekleidet,
Darum verachtet sie mich, und glaubt, ich sei es nicht selber,
Aber wir müssen bedenken, was nun der sicherste Rat sei.
Denn hat jemand im Volk nur einen Menschen getötet,
Welcher, arm und geringe, nicht viele Rächer zurückläßt;
120    Flüchtet er doch, und verläßt die Heimat und seine                             Verwandten:
Und wir erschlugen die Stütze der Stadt, der edelsten Männer
Söhne in Ithakas Reich. Dies überlege nun selber.

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Lieber Vater, da mußt du allein zusehen; du bist ja

125    Unter den Menschen berühmt durch deine Weisheit, und                     niemand
Wagt es sich dir zu vergleichen von allen Erdebewohnern!
Aber wir sind zu folgen bereit; und ich hoffe, du werdest
Mut in keinem vermissen, so viel die Kräfte gewähren.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:

130    Nun so will ich denn sagen, was mir das Beste zu sein dünkt.
Geht nun erstlich ins Bad, und schmückt euch mit festlichem             Leibrock;
Laßt dann die Weiber im Hause mit schönen Gewanden sich             schmücken;
Aber der göttliche Sänger entlocke der klingenden Harfe
Melodien, und beflügle den fröhlichhüpfenden Reigen:
135    Daß die Nachbarn umher, und die auf der Gasse vorbeigehn,
Sagen, wann sie es hören, man feire der Königin Hochzeit;
Und damit nicht eher der Ruf von dem Morde der Freier
Durch die Stadt sich verbreite, bevor wir das schattige                       Lustgut
Fern auf dem Land' erreicht. Dort wollen wir ferner bedenken,
140   Welchen nützlichen Rat uns Zeus der Olympier eingibt.

Also sprach er. Sie hörten ihm alle mit Fleiß und gehorchten:
Gingen ins Bad, und schmückten sich dann mit festlichem                 Leibrock.
Auch die Weiber kamen geschmückt. Der göttliche Sänger
Nahm die gewölbete Harf', und reizte mit lieblichen Tönen

145    Alle zum süßen Gesang und schönnachahmenden Tanze:
Daß der hohe Palast ringsum von dem stampfenden Fußtritt
Fröhlicher Männer erscholl und schöngegürteter Weiber.
Und wer vorüberging, blieb horchend stehen, und sagte:

Wahrlich ein Freier macht mit der schönen Königin Hochzeit!

150    Konnte die böse Frau nicht ihres ersten Gemahles
Hohen Palast bewahren, bis er aus der Fremde zurückkehrt?

Also sprechen die Leute, und wußten nicht, was geschehn               war.
Aber den edelgesinnten Odysseus in seinem Palaste
Badet' Eurynome jetzt, die Schaffnerin, salbte mit Öl ihn,

155    Und umhüllt' ihm darauf den prächtigen Mantel und Leibrock.
Siehe sein Haupt umstrahlt' Athene mit göttlicher Anmut,
Schuf ihn höher und stärker an Wuchs; und goß von der                     Scheitel
Ringelnde Locken herab, wie der Purpurlilien Blüte.
Also umgießt ein Mann mit feinem Golde das Silber,
160   Welchen Hephästos selbst und Pallas Athene die Weisheit
Vieler Künste gelehrt, und bildet reizende Werke:
Also umgoß die Göttin ihm Haupt und Schultern mit Anmut.
Und er stieg aus dem Bad', an Gestalt den Unsterblichen                     ähnlich;
Kam, und setzte sich wieder auf seinem verlassenen Sessel,
165    Gegenüber dem Sitz der edlen Gemahlin, und sagte:

Wnnderliche, gewiß vor allen Weibern der Erde
Schufen die Himmlischen dir ein Herz so starr und gefühllos!
Keine andere Frau wird sich von ihrem Gemahle
So halsstarrig entfernen, der nach unendlicher Trübsal

170    Endlich im zwanzigsten Jahre zum Vaterlande zurückkehrt!
Aber bereite mein Bett, o Mütterchen, daß ich allein mich
Niederlege: denn diese hat wahrlich ein Herz von Eisen!

Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia:
Wunderlicher, mich hält so wenig Stolz wie Verachtung

175    Oder Befremden zurück; ich weiß recht gut, wie du aussahst,
Als du von Ithaka fuhrst im langberuderten Schiffe.
Aber wohlan! bereite sein Lager ihm, Eurykleia,
Außerhalb des schönen Gemachs, das er selber gebauet.
Setzt das zierliche Bette hinaus, und leget zum Ruhen
180    Wollichte Felle hinein, und prächtige Decken und Mäntel.

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