Odyssee - Kapitel 4 by Homer
Odyssee - Kapitel 4 by Homer

Odyssee - Kapitel 4

Homer * Track #4 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

Download "Odyssee - Kapitel 4"

Album Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

Odyssee - Kapitel 4 by Homer

Performed by
Homer

Odyssee - Kapitel 4 Annotated

Zweiter Gesang

Am Morgen beruft Telemachos das Volk, und verlangt, daß die Freier sein Haus verlassen. Antinoos verweigert's. Ein Vogelzeichen von Eurymachos verhöhnt. Telemachos bittet um ein Schiff, nach dem Vater zu forschen; Mentor rügt den Kaltsinn des Volks; aber ein Freier trennt spottend die Versammlung. Athene in Mentors Gestalt verspricht dem Einsamen Schiff und Begleitung. Die Schaffnerin Eurykleia gibt Reisekost. Athene erhält von Noemon ein Schiff, und bemannt es. Am Abend wird die Reisekost eingebracht; und Telemachos, ohne Wissen der Mutter, fährt mit dem scheinbaren Mentor nach Pylos.

Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,
Sprang er vom Lager empor der geliebte Sohn von Odysseus,
Legte die Kleider an, und hängte das Schwert um die                           Schulter,
Band die schönen Sohlen sich unter die zierlichen Füße,
5        Trat aus der Kammer hervor, geschmückt mit göttlicher                     Hoheit,
Und gebot den Herolden, schnell mit tönender Stimme
Zur Versammlung zu rufen die hauptumlockten Achaier.
Tönend riefen sie aus, und flugs war alles versammelt.
Als die Versammelten jetzt in geschlossener Reihe sich                     drängten,
10      Ging er unter das Volk, in der Hand die eherne Lanze,
Nicht allein, ihn begleiteten zween schnellfüßige Hunde.
Siehe mit himmlischer Anmut umstrahlt' ihn Pallas Athene,
Daß die Völker alle dem kommenden Jünglinge staunten.
Und er saß auf des Vaters Stuhl, ihm wichen die Greise.

15            Jetzo begann der Held Ägyptios vor der Versammlung,
Dieser gebückte Greis voll tausendfacher Erfahrung.
Dessen geliebter Sohn war samt dem edlen Odysseus
Gegen die Reisigen Trojas im hohlen Schiffe gesegelt,
Antiphos, tapfer und kühn; den hatte der arge Kyklope

20     In der Höhle zerfleischt, und zum letzten Schmause bereitet.
Noch drei andere hatt' er: der eine, Eurynomos, lebte
Unter den Freiern, und zween besorgten des Vaters                             Geschäfte;
Dennoch bejammert' er stets des verlorenen Sohnes                           Gedächtnis.
Tränend begann der Greis, und redete vor der Versammlung:

25         Höret mich jetzt, ihr Männer von Ithaka, was ich euch sage!
Keine Versammlung ward und keine Sitzung gehalten,
Seit der edle Odysseus die Schiffe gen Troja geführt hat.
Wer hat uns denn heute versammelt? Welcher der Alten
Oder der Jünglinge hier? Und welche Sache bewog ihn?

30     Höret' er etwa Botschaft von einem nahenden Kriegsheer,
Daß er uns allen verkünde, was er am ersten vernommen?
Oder weiß er ein andres zum Wohl des Landes zu raten?
Bieder scheinet er mir und segenswürdig! Ihm lasse
Zeus das Gute gedeihn, so er im Herzen gedenket!

35        Sprach's; und Telemachos, froh der heilweissagenden                       Worte,
Saß nicht länger; er trat, mit heißer Begierde zu reden,
In die Mitte des Volks. Den Scepter reichte Peisenor
Ihm in die Hand, der Herold, mit weisem Rate begabet.
Und er wandte zuerst sich gegen den Alten, und sagte:

40        Edler Greis, nicht fern ist der Mann, gleich sollst du ihn                     kennen:
Ich versammelte euch; mich drückt am meisten der Kummer!
Keine Botschaft hört' ich von einem nahenden Kriegsheer,
Daß ich euch allen verkünde, was ich am ersten vernommen;
Auch nichts anderes weiß ich zum Wohl des Landes zu                     raten:

45     Sondern ich rede von mir, von meines eigenen Hauses
Zwiefacher Not. Zuerst verlor ich den guten Vater,
Euren König, der euch mit Vaterliebe beherrschte.
Und nun leid' ich noch mehr: mein ganzes Haus ist vielleicht             bald
Tief ins Verderben gestürzt, und all mein Vermögen                           zertrümmert!
50     Meine Mutter umdrängen mit ungestümer Bewerbung
Freier, geliebte Söhne der Edelsten unseres Volkes.
Diese scheuen sich nun, zu Ikarios' Hause zu wandeln,
Ihres Vaters, daß er mit reichem Schatze die Tochter
Gäbe, welchem er wollte, und wer ihm vor allen gefiele;
55      Sondern sie schalten von Tag zu Tag' in unserm Palaste,
Schlachten unsere Rinder und Schaf' und gemästeten Ziegen
Für den üppigen Schmaus, und schwelgen im funkelnden                   Weine
Ohne Scheu; und alles wird leer; denn es fehlt uns ein                         solcher
Mann, wie Odysseus war, die Plage vom Hause zu wenden!
60     Wir vermögen sie nicht zu wenden, und ach auf immer
Werden wir hilflos sein, und niemals Tapferkeit üben!
Wahrlich ich wendete sie, wenn ich nur Stärke besäße!
Ganz unerträglich begegnet man mir, ganz wider die                           Ordnung
Wird mir mein Haus zerrüttet! Erkennt doch selber das                       Unrecht,
65     Oder scheuet euch doch vor andern benachbarten Völkern,
Welche rings uns umwohnen, und bebt vor der Rache der                 Götter,
Daß sie euch nicht im Zorne die Übeltaten vergelten!
Freunde, ich fleh euch bei Zeus, dem Gott des Olympos und             Themis,
Welche die Menschen zum Rat versammelt, und wieder                     zerstreuet:
70     Haltet ein, und begnügt euch, daß mich der traurigste                         Kummer
Quält! Hat etwa je mein guter Vater Odysseus
Euch vorsätzlich beleidigt, ihr schöngeharnischten Griechen,
Daß ihr mich zum Vergelt vorsätzlich wieder beleidigt;
Warum reizet ihr diese? Mir wäre besser geraten,
75     Wenn ihr selber mein Gut und meine Herden hinabschlängt!
Täter ihr's, so wäre noch einst Erstattung zu hoffen!
Denn wir würden so lange die Stadt durchwandern, so                       flehend
Wiederfodern das Unsre, bis alles wäre vergütet!
Aber nun häuft ihr mir unheilbaren Schmerz auf die Seele!

80         Also sprach er im Zorn, und warf den Scepter zur Erde,
Tränen vergießend, und rührte die ganze Versammlung zum             Mitleid.
Schweigend saßen sie all' umher, und keiner im Volke
Wagte Telemachos Rede mit Drohn entgegen zu wüten.
Aber Eupeithes' Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:

85          Jüngling von trotziger Red' und verwegenem Mute, was                 sprachst du
Da für Lästerung aus? Du machtest uns gerne zum Abscheu!
Aber es haben die Freier an dir des keines verschuldet;
Deine Mutter ist schuld, die Listigste unter den Weibern!
Denn drei Jahre sind schon verflossen, und bald auch das                   vierte,

90     Seit sie mit eitlem Wahne die edlen Achaier verspottet!
Allen verheißt sie Gunst, und sendet jedem besonders
Schmeichelnde Botschaft; allein im Herzen denket sie                         anders!
Unter anderen Listen ersann sie endlich auch diese:
Trüglich zettelte sie in ihrer Kammer ein feines
95     Übergroßes Geweb', und sprach zu unsrer Versammlung:
Jünglinge, die ihr mich liebt, nach dem Tode des edlen                       Odysseus,
Dringt auf meine Vermählung nicht eher, bis ich den Mantel
Fertig gewirkt (damit nicht umsonst das Garn mir verderbe!)
Welcher dem Helden Laertes zum Leichengewande                             bestimmt ist,
100   Wann ihn die finstre Stunde mit Todesschlummer                               umschattet:
Daß nicht irgend im Lande mich eine Achaierin tadle,
Läg' er uneingekleidet, der einst so vieles beherrschte!
Also sprach sie mit List, und bewegte die Herzen der Edlen.
Und nun webete sie des Tages am großen Gewebe:
105    Aber des Nachts, dann trennte sie's auf, beim Scheine der                 Fackeln.
Also täuschte sie uns drei Jahr, und betrog die Achaier.
Als nun das vierte Jahr im Geleite der Horen herankam
Und mit dem wechselnden Mond viel Tage waren                               verschwunden;
Da verkündet' uns eine der Weiber das schlaue Geheimnis,
110     Und wir fanden sie selbst bei der Trennung des schönen                   Gewebes.
Also mußte sie's nun, auch wider Willen, vollenden.
Siehe nun deuten die Freier dir an, damit du es selber
Wissest in deinem Herzen, und alle Achaier es wissen!
Sende die Mutter hinweg, und gebeut ihr, daß sie zum                       Manne
115     Nehme, wer ihr gefällt, und wen der Vater ihr wählet.
Aber denkt sie noch lange zu höhnen die edlen Achaier,
Und sich der Gaben zu freun, die ihr Athene verliehn                           hat,
Wundervolle Gewande mit klugem Geiste zu wirken,
Und der erfindsamen List, die selbst in Jahren der Vorwelt
120    Keine von Griechenlands schönlockigen Töchtern gekannt                 hat,
Tyro nicht, noch Alkmene, und nicht die schöne Mykene;
(Keine von allen war der erfindsamen Penelopeia
Gleich an Verstand!) so soll ihr doch diese Erfindung nicht                 glücken!
Denn wir schmausen so lange von deinen Herden und                       Gütern,
125    Als sie in diesem Sinne beharrt, den jetzo die Götter
Ihr in die Seele gegeben! Sich selber bringet sie freilich
Großen Ruhm, dir aber Verlust an großem Vermögen!
Eher weichen wir nicht zu den Unsrigen oder zu andern,
Ehe sie aus den Achaiern sich einen Bräutigam wählet!

130         Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Ganz unmöglich ist mir's, Antinoos, die zu verstoßen,
Die mich gebar und erzog; mein Vater leb' in der Fremde,
Oder sei tot! Schwer würde mir auch des Gutes Erstattung
An Ikarios sein, verstieß' ich selber die Mutter.

135    Denn hart würde gewiß ihr Vater mich drücken, und härter
Noch die göttliche Rache, wenn von uns scheidend die                       Mutter
Mich den grausen Erinnen verfluchte! dann wär' ich ein                       Abscheu
Aller Menschen! - O nein! ich kann ihr das nicht gebieten!
Haltet ihr euch dadurch in eurem Herzen beleidigt,
140    Nun so geht aus dem Haus, und sucht euch andere Mähler!
Zehret von eurem Gut, und laßt die Bewirtungen umgehn!
Aber wenn ihr es so bequemer und lieblicher findet,
Eines Mannes Hab' ohn alle Vergeltung zu fressen;
Schlingt sie hinab! Ich werde die ewigen Götter anflehn,
145    Ob euch nicht endlich einmal Zeus eure Taten bezahle,
Daß ihr in unserem Haus auch ohne Vergeltung dahinstürzt!

Also sprach er, da sandte der Gott weithallender Donner
Ihm zween Adler herab vom hohen Gipfel des Berges.
Anfangs schwebten sie sanft einher im Hauche des Windes,

150    Einer nahe dem andern, mit ausgebreiteten                                           Schwingen;
Jetzo über der Mitte der stimmenvollen Versammlung,
Flogen sie wirbelnd herum, und schlugen stark mit den                       Schwingen,
Schauten auf aller Scheitel herab, und drohten Verderben,
Und zerkratzten sich selbst mit den Klauen die Wangen und             Hälse,
155    Und sie wandten sich rechts, und stürmten über die Stadt                 hin.
Alle staunten dem Zeichen, das ihre Augen gesehen,
Und erwogen im Herzen das vorbedeutete Schicksal.

Unter ihnen begann der graue Held Halitherses,
Mastors Sohn, berühmt vor allen Genossen des Alters,

160   Vögelflüge zu deuten, und künftige Dinge zu reden;
Dieser erhub im Volk die Stimme der Weisheit, und sagte:

Höret mich jetzt, ihr Männer von Ithaka, was ich euch sage!
Aber vor allen gilt die Freier meine Verkündung!
Ihre Häupter umschwebt ein schreckenvolles Verhängnis!

165    Denn nicht lange mehr weilet Odysseus fern von den Seinen;
Sondern er nahet sich schon, und bereitet Tod und                               Verderben
Diesen allen; auch droht noch vielen andern das Unglück,
Uns Bewohnern der Hügel von Ithaka! Laßt uns denn jetzo
Überlegen, wie wir sie mäßigen; oder sie selber
170    Mäßigen sich, und gleich! zu ihrer eigenen Wohlfahrt!
Euch weissaget kein Neuling, ich red' aus alter Erfahrung!
Wahrlich das alles geht in Erfüllung, was ich ihm damals
Deutete, als die Argeier in hohlen Schiffen gen Troja
Fuhren, mit ihnen zugleich der erfindungsreiche Odysseus:
175    Nach unendlicher Trübsal, entblößt von allen Gefährten,
Allen Seinigen fremd, würd' er im zwanzigsten Jahre
Wieder zur Heimat kehren. Das wird nun alles erfüllet!

Aber Polybos' Sohn Eurymachos sagte dagegen:
Hurtig zu Hause mit dir, o Greis, und deute das Schicksal

180    Deinen Söhnen daheim, daß ihnen kein Übel begegne!
Dieses versteh ich selber, und besser als du, zu deuten!
Freilich schweben der Vögel genug in den Strahlen der                       Sonne,
Aber nicht alle verkünden ein Schicksal! Wahrlich Odysseus
Starb in der Fern'! O wärest auch du mit ihm ins Verderben
185    Hingefahren! Dann schwatztest du hier nicht so viel von der             Zukunft,
Suchtest nicht Telemachos Groll noch mehr zu erbittern,
Harrend, ob er vielleicht dein Haus mit Geschenken                             bereichre!
Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich erfüllet!
Wo du den Jüngling dort, kraft deiner alten Erfahrung,
190    Durch dein schlaues Geschwätz aufwiegelst, sich wild zu                   gebärden;
Dann wird er selber zuerst noch tiefer sinken in Drangsal,
Und im geringsten nichts vor diesen Männern vermögen.
Und du sollst es, o Greis, mit schwerer kränkender Buße
Uns entgelten, damit du es tief in der Seele bereuest!
195    Aber Telemachos höre statt aller nun meinen Rat an:
Zwing' er die Mutter zum Hause des Vaters wiederzukehren!
Dort bereite man ihr die Hochzeit, und statte sie reichlich
Ihrem Bräutigam aus, wie lieben Töchtern gebühret!
Eher werden gewiß der Achaier Söhne nicht abstehn,
200   Penelopeia zu drängen; denn siehe! wir zittern vor niemand,
Selbst vor Telemachos nicht, und wär' er auch noch so                       gesprächig!
So in den Wind hinschwatzest! Du wirst uns nur immer                     verhaßter
Unser schwelgender Schmaus soll wieder beginnen, und                   niemals
205   Ordnung im Hause bestehn, bis jene sich den Achaiern
Wegen der Hochzeit erklärt; wir wollen in steter Erwartung,
Künftig wie vor, um den Preis wetteifern, und nimmer zu                   andern
Weibern gehn, um die jedwedem zu werben erlaubt ist!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

210    Hör, Eurymachos, hört ihr andern glänzenden Freier!
Hierum werd ich vor euch nicht weiter flehen noch reden;
Denn das wissen ja schon die Götter und alle Achaier.
Aber gebt mir ein rüstiges Schiff und zwanzig Gefährten,
Welche mit mir die Pfade des weiten Meeres durchsegeln.
215    Denn ich gehe gen Sparta und zu der sandigen Pylos,
Um nach Kunde zu forschen vom langabwesenden Vater;
Ob mir's einer verkünde der Sterblichen, oder ich Ossa,
Zeus' Gesandte, vernehme, die viele Gerüchte verbreitet.
Hör' ich, er lebe noch, mein Vater, und kehre zur Heimat;
220   Dann, wie bedrängt ich auch sei, erduld' ich's noch ein Jahr               lang.
Hör' ich, er sei gestorben, und nicht mehr unter den                             Menschen;
Siehe, dann kehr' ich wieder zur lieben heimischen Insel,
Häufe dem Vater ein Mal, und opfere Totengeschenke
Reichlich, wie sich's gebührt, und geb' einem Manne die                     Mutter.

Your Gateway to High-Quality MP3, FLAC and Lyrics
DownloadMP3FLAC.com