Odyssee - Kapitel 5 by Homer
Odyssee - Kapitel 5 by Homer

Odyssee - Kapitel 5

Homer * Track #5 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Odyssee - Kapitel 5 by Homer

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Homer

Odyssee - Kapitel 5 Annotated

225    Also sprach der Jüngling, und setzte sich. Jetzo erhub sich
Mentor, ein alter Freund des tadellosen Odysseus,
Dem er, von Ithaka schiffend, des Hauses Sorge vertrauet,
Daß er dem Greise gehorcht', und alles in Ordnung erhielte.
Dieser erhub im Volk die Stimme der Weisheit, und sagte:

230        Höret mich jetzt, ihr Männer von Ithaka, was ich euch                  sage!
Künftig befleiße sich keiner der scepterführenden Herrscher,
Huldreich, mild und gnädig zu sein, und die Rechte zu                         schützen;
Sondern er wüte nur stets, und frevle mit grausamer Seele!
Niemand erinnert sich ja des göttergleichen Odysseus

235   Von den Völkern, die er mit Vaterliebe beherrschte!
Aber ich eifre jetzt nicht gegen die trotzigen Freier,
Die so gewaltsame Taten mit tückischer Seele beginnen;
Denn sie weihen ihr Haupt dem Verderben, da sie Odysseus
Habe wie Räuber verprassen, und wähnen, er kehre nicht                   wieder.
240   Jetzo schelt' ich das übrige Volk, daß ihr alle so gänzlich
Stumm dasitzt, und auch nicht mit einem strafenden Worte
Diese Freier, die wenigen, zähmt, da euer so viel sind!

Aber Euenors Sohn Leiokritos sagte dagegen:
Mentor, du Schadenstifter von törichtem Herzen, was                         sprachst du

245   Da vor Lästerung aus, und befahlst, uns Freier zu zähmen?
Schwer, auch mehreren, ist der Kampf mit schmausenden                 Männern!
Wenn auch selbst Odysseus, der Held von Ithaka, käme,
Und die glänzenden Freier, die seine Güter verschmausen,
Aus dem Palaste zu treiben gedächte; so würde sich                           dennoch
250   Seine Gemahlin nicht, wie sehr sie auch schmachtet, der                   Ankunft
Freun! Ihn träfe gewiß auf der Stelle das                                                 Schreckenverhängnis,
Wenn er mit mehreren kämpfte! Du hast nicht klüglich                       geredet!
Aber wohlan! ihr Männer, zerstreut euch zu euren                               Geschäften!
Diesem beschleunigen wohl Halitherses und Mentor die                     Reise,
255   Welche von alters her Odysseus Freunde gewesen!
Aber ich hoffe, er sitzt noch lang', und spähet sich Botschaft
Hier in Ithaka aus; die Reise vollendet er niemals!

Also sprach der Freier, und trennte schnell die                               Versammlung.
Alle zerstreueten sich, ein jeder zu seinen Geschäften;

260   Aber die Freier gingen zum Hause des edlen Odysseus.

Und Telemachos ging beiseit ans Ufer des Meeres,
Wusch in der grauen Flut die Händ', und flehte Athenen:

Höre mich, Gott, der du gestern in unserm Hause                             erschienest,
Und mir befahlst, im Schiffe das dunkle Meer zu                                   durchfahren,

265   Und nach Kunde zu forschen vom langabwesenden Vater:
Himmlischer, siehe! das alles verhindern nun die Achaier,
Aber am meisten die Freier voll übermütiger Bosheit!

Also sprach er flehend. Ihm nahte sich Pallas Athene,
Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme.

270   Und sie redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Jüngling, du mußt dich hinfort nicht feige betragen noch               töricht!
Hast du von deinem Vater die hohe Seele geerbet,
Bist du, wie jener einst, gewaltig in Taten und Worten;
Dann wird keiner die Reise dir hindern oder vereiteln.

275   Aber bist du nicht sein Samen und Penelopeiens;
Dann verzweifl' ich, du wirst niemals dein Beginnen                             vollenden.
Wenige Kinder nur sind gleich den Vätern an Tugend,
Schlechter als sie die meisten, und nur sehr wenige besser.
Wirst du dich aber hinfort nicht feige betragen noch töricht,
280   Und verließ dich nicht völlig der Geist des großen Odysseus;
Dann ist Hoffnung genug, du wirst das Werk noch                               vollenden.
Darum kümmre dich nicht das Sinnen und Trachten der                     Freier:
Toren sind sie, und kennen Gerechtigkeit weder noch                         Weisheit,
Ahnen auch nicht einmal den Tod und das schwarze                           Verhängnis,
285   Welches schon naht, um sie alle an einem Tage zu würgen.
Aber dich soll nichts mehr an deiner Reise verhindern.
Ich, der älteste Freund von deinem Vater Odysseus,
Will dir rüsten ein hurtiges Schiff, und dich selber begleiten,
Gehe nun wieder zu Haus, und bleib in der Freier                                 Gesellschaft;
290   Dann bereite dir Zehrung, und hebe sie auf in Gefäßen:
Wein in irdenen Krügen, und Mehl, das Mark der Männer,
In dichtnähtigen Schläuchen. Ich will jetzt unter dem Volke
Dir Freiwillige sammeln zu Ruderern. Viel sind der Schiffe
An der umfluteten Küste von Ithaka, neue bei alten;
295   Hiervon will ich für dich der trefflichsten eines erlesen.
Hurtig rüsten wir dieses, und steuren ins offene Weltmeer.

Also sprach Athenaia, Kronions Tochter: und länger
Säumte Telemachos nicht; er gehorchte der Stimme der                     Göttin,
Und ging wieder zu Hause mit tiefbekümmertem Herzen.

300   Allda fand er die Schar der stolzen Freier: im Hofe
Streiften sie Ziegen ab, und sengten gemästete Schweine.
Und Antinoos kam ihm lachend entgegen gewandelt,
Faßte Telemachos Hand, und sprach mit freundlicher                         Stimme:

Jüngling von trotziger Red' und verwegenem Mute, sei                     ruhig,

305   Und bekümmre dich nicht um böse Taten und Worte!
Laß uns, künftig wie vor, in Wollust essen und trinken:
Dieses alles besorgen dir schon die Achaier, ein schnelles
Schiff und erlesne Gefährten; damit du die göttliche Pylos
Bald erreichst, und Kunde vom trefflichen Vater erforschest!

310         Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
O wie ziemte mir das, Antinoos, unter euch Stolzen
Schweigend am Mahle zu sitzen, und ruhig im Taumel der                 Freude?
Ist es euch nicht genug, ihr Freier, daß ihr so lange
Meine köstlichen Güter verschwelgt habt, da ich ein Kind                   war?

315    Jetzt da ich größer bin, und tüchtig, anderer Reden
Nachzuforschen, und höher der Mut im Busen mir steiget,
Werd' ich streben, auf euch des Todes Rache zu bringen.
Ob ich gen Pylos geh, oder hier in Ithaka bleibe!
Reisen will ich, und nichts soll meinen Entschluß mir                           vereiteln,
320   Im gedungenen Schiffe! Denn weder Schiffe noch Rudrer
Hab' ich in meiner Gewalt: so schien es euch freilich am                     besten!

Also sprach er, und zog die Hand aus der Hand des                           Verräters
Leicht. Die Freier im Saale bereiteten emsig die Mahlzeit.
Und sie spotteten seiner, und redeten höhnende Worte.

325   Unter dem Schwarme begann ein übermütiger Jüngling:

Wahrlich, Telemachos sinnt recht ernstlich auf unsre                       Ermordung!
Gebt nur acht: er holet sich Hilf' aus der sandigen Pylos,
Oder sogar aus Sparta! Er treibt's mit gewaltigem Eifer!
Oder er lenkt auch jetzo nach Ephyras fruchtbarem Lande

330   Seine Fahrt, und kauft sich tötende Gifte; die mischt er
Heimlich in unseren Wein, dann sind wir alle verloren.

Und von neuem begann ein übermütiger Jüngling:
Aber wer weiß, ob dieser nicht auch mit dem Leben die                     Schiffahrt,
Fern von den Seinen, bezahlt, umhergestürmt wie                               Odysseus?

335    Denkt, darin macht er uns hier noch sorgenvollere Arbeit!
Teilen müßten wir ja das ganze Vermögen, und räumen
Seiner Mutter das Haus, und ihrem jungen Gemahle!

Aber Telemachos stieg ins hohe weite Gewölbe
Seines Vaters hinab, wo Gold und Kupfer gehäuft lag,

340   Prächtige Kleider in Kasten, und Fässer voll duftendes Öles.
Allda stunden auch Tonnen mit altem balsamischen Weine,
Welche das lautre Getränk, das süße, das göttliche, faßten,
Nach der Reihe gelehnt an die Mauer, wenn jemals                             Odysseus
Wieder zur Heimat kehrte, nach seiner unendlichen Trübsal.
345   Fest verschloß das Gewölbe die wohleinfugende Türe,
Mit zween Riegeln verwahrt. Die Schaffnerin schaltete                       drinnen
Tag und Nacht, und bewachte die Güter mit sorgsamer                       Klugheit,
Eurykleia, die Tochter Ops, des Sohnes Peisenors.
Und Telemachos rief sie hinein ins Gewölb', und sagte:

350       Mütterchen, eil' und schöpfe mir Wein in irdene Krüge,
Mild und edel, den besten nach jenem, welchen du schonest
Für den duldenden König, den göttergleichen Odysseus,
Wenn er einmal heimkehret, dem Todesschicksal entronnen.
Hiermit fülle mir zwölf, und spünde sie alle mit Deckeln.

355    Ferner schütte mir Mehl in dichtgenähete Schläuche;
Zwanzig Maße gib mir des feingemahlenen Mehles.
Aber tu' es geheim, und lege mir alles zusammen.
Denn am Abende komm' ich und hol' es, wenn sich die                       Mutter
In ihr oberes Zimmer entfernt, und der Ruhe gedenket.
360   Denn ich gehe gen Sparta und zu der sandigen Pylos,
Um nach Kunde zu forschen von meines Vaters Zurückkunft.

Also sprach er. Da schluchzte die Pflegerin Eurykleia;
Laut wehklagend begann sie, und sprach die geflügelten                     Worte:

Liebes Söhnchen, wie kann in dein Herz ein solcher                          Gedanke

365   Kommen? Wo denkst du denn hin in die weite Welt zu                       gehen,
Einziger liebster Sohn? Ach ferne vom Vaterlande
Starb der edle Odysseus bei unbekannten Barbaren!
Und sie werden dir gleich, wenn du gehst, nachstellen, die                 Meuchler!
Daß sie dich töten mit List, und alles unter sich teilen!
370   Bleibe denn hier, und sitz' auf dem Deinigen! Lieber, was                     zwingt dich,
Auf der wütenden See in Not und Kummer zu irren?

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Mütterchen, sei getrost! Ich handle nicht ohne die Götter.
Aber schwöre mir jetzo, es nicht der Mutter zu sagen,

375   Ehe der elfte Tag vorbei ist oder der zwölfte,
Oder mich jene vermißt, und hört von meiner Entfernung:
Daß sie nicht durch Tränen ihr schönes Antlitz entstelle.

Also sprach er; da schwur sie bei allen unsterblichen                     Göttern.
Als sie es jetzo gelobt, und vollendet den heiligen Eidschwur;

380   Schöpfte sie ihm alsbald des Weines in irdene Krüge,
Schüttete ferner das Mehl in dichtgenähete Schläuche.
Und Telemachos ging in den Saal zu der Freier Gesellschaft.

Aber ein Neues ersann die heilige Pallas Athene:
In Telemachos' Bildung erscheinend, eilte sie ringsum

385    Durch die Stadt, und sprach mit jedem begegnenden Manne,
Und befahl, sich am Abend beim rüstigen Schiffe zu                             sammeln.
Hierauf bat sie Phronios' Sohn, den edlen Noemon,
Um ein rüstiges Schiff; und dieser versprach es ihr willig.

Und die Sonne sank, und Dunkel umhüllte die Pfade.

390   Siehe nun zog die Göttin das Schiff in die Wellen, und                         brachte
Alle Geräte hinein, die Rüstung segelnder Schiffe;
Stellt' es darauf am Ende der Bucht. Die tapfern Gefährten
Standen versammelt umher, und jeden ermahnte die Göttin.

Und ein Neues ersann die heilige Pallas Athene:

395    Eilend ging sie zum Hause des göttergleichen Odysseus,
Übertauete sanft mit süßem Schlafe die Freier,
Machte die Säufer berauscht, und den Händen entsanken                 die Becher.
Müde wankten sie heim durch die Stadt, und konnten nicht               länger
Sitzen, da ihnen der Schlaf die Augenlider bedeckte.

400        Aber Telemachos rief die heilige Pallas Athene
Aus dem Saale hervor des schöngebauten Palastes,
Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme:

Jetzo, Telemachos, sitzen die schöngeharnischten Freunde
Alle am Ruder bereit, und harren nur deiner zur Abfahrt.

405   Laß uns zu Schiffe gehn, und die Reise nicht länger                             verschieben!

Als sie die Worte geredet, da wandelte Pallas Athene
Eilend voran; und er folgte den Schritten der wandelnden                   Göttin.
Und da sie jetzo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten,
Fanden sie an dem Gestade die hauptumlockten Genossen.

410   Unter ihnen begann Telemachos' heilige Stärke:

Kommt, Geliebte, mit mir, die Zehrung zu holen. Sie liegt                 schon
Alle beisammen im Haus; und nichts argwöhnet die Mutter,
Noch die übrigen Mägde; nur eine weiß das Geheimnis.

Also sprach er, und eilte voran; sie folgten dem Führer,

415    Brachten alles, und legten's im schöngebordeten Schiffe
Nieder, wie ihnen befahl der geliebte Sohn von Odysseus.
Und Telemachos trat in das Schiff, geführt von Athenen.
Diese setzte sich hinten am Steuer, nahe der Göttin
Setzte Telemachos sich. Die andern lösten die Seile,
420   Traten dann selber ins Schiff, und setzten sich hin auf die                   Bänke.
Einen günstigen Wind' sandt' ihnen Pallas Athene,
Leise streifte der West das rauschende dunkle Gewässer.
Aber Telemachos trieb und ermahnte die lieben Gefährten,
Schnell die Geräte zu ordnen. Sie folgeten seinem Befehle:
425   Stellten den fichtenen Mast in die mittlere Höhle des                           Bodens,
Richteten hoch ihn empor, und banden ihn fest mit den                     Seilen;
Spannten die weißen Segel mit starkgeflochtenen Riemen,
Hochauf wölbte der Wind das volle Segel, und donnernd
Wogte die purpurne Flut um den Kiel des gleitenden                           Schiffes;
430   Schnell durchlief es die Wogen in unaufhaltsamer Eile.
Als sie nun die Geräte des schwarzen Schiffes befestigt,
Stellten sie Kelche hin, bis oben mit Weine gefüllet.
Und sie gossen des Weins für alle unsterblichen Götter,
Aber am meisten für Zeus' blauäugichte Tochter Athene,
435   Welche die ganze Nacht und den Morgen die Wasser                         beschiffte.

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