Odyssee - Kapitel 36 by Homer
Odyssee - Kapitel 36 by Homer

Odyssee - Kapitel 36

Homer * Track #36 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Odyssee - Kapitel 36 by Homer

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Homer

Odyssee - Kapitel 36 Annotated

Vierzehnter Gesang

Odysseus vom Sauhirten Eumäos in die Hütte geführt, und mit zwei Ferkeln bewirtet. Seine Versicherung von Odysseus' Heimkehr findet nicht Glauben. Erdichtete Erzählung von sich. Die Unterhirte treiben die Schweine vom Felde, und Eumäos opfert ein Mastschwein zum Abendschmaus. Stürmische Nacht. Odysseus verschafft sich durch Erdichtung einen Mantel zur Decke, indes Eumäos draußen die Eber bewacht.

Aber Odysseus ging den rauhen Pfad von dem Hafen
Über die waldbewachs'nen Gebirge, hin wo Athene
Ihm den trefflichen Hirten bezeichnete, welcher am treusten
Haushielt unter den Knechten des göttergleichen Odysseus.

5          Sitzend fand er ihn jetzt an der Schwelle des Hauses, im                   Hofe,
Welcher hoch, auf weitumschauendem Hügel, gebaut war,
Schön und ringsumgehbar und groß. Ihn hatte der Sauhirt
Selber den Schweinen erbaut, indes sein König entfernt war,
Ohne Penelopeia, und ohne den alten Laertes,

10      Von gesammelten Steinen, und oben mit Dornen umflochten.
Draußen hatt' er Pfähle von allen Seiten in Menge
Dicht aneinander gepflanzt, vom Kern der gespalteten Eiche.
Innerhalb des Gehegs hatt' er zwölf Köfen bereitet,
Einen nahe dem andern, zum nächtlichen Lager der                             Schweine.
15      Fünfzig lagen in jedem der erdaufwühlenden Schweine,
Alle gebärende Mütter; und draußen schliefen die Eber,
Weit geringer an Zahl: denn schmausend verminderten diese
Täglich die göttlichen Freier, es sandte jenen der Sauhirt
Immer die besten zum Schmause von allen gemästeten                     Ebern;
20     Und der übrigen Zahl war nur dreihundert und sechzig.
Auch vier große Hunde, wie reißende Tiere, bewachten
Stets den Hof; sie erzog der männerbeherrschende Sauhirt.
Jetzo zerschnitt er des Stiers schönfarbiges Leder, und fügte
Sohlen um seine Füße. Die untergeordneten Hirten
25      Hatten sich schon zerstreut: drei hüteten weidende                             Schweine;
Aber der vierte war in die Stadt gesendet, ein Mastschwein
Hinzuführen, den Zoll für die übermütigen Freier,
Daß beim festlichen Schmaus ihr Herz an dem Fleische sich             labte.

Plötzlich erblickten Odysseus die wachsambellenden                     Hunde,

30     Und sie stürzten auf ihn lautschreiend. Aber Odysseus
Setzte sich klüglich nieder, und legte den Stab ans den                       Händen.
Dennoch hätt' er auch dort unwürdige Schmerzen erduldet;
Aber der Sauhirt lief aus der Türe mit hurtigen Füßen
Hinter den bellenden her, und warf aus den Händen das                     Leder,
35      Scheltend verfolgt' er die Hund', und zerstreute sie hierhin                 und dorthin
Mit geworfenen Steinen; und jetzo sprach er zum König:

Alter, es fehlte nicht viel, so hätten die Hunde mit einmal
Dich zerrissen, und mich hätt' ewige Schande getroffen!
Und mir gaben die Götter vorhin schon Kummer und Trübsal.

40     Denn um den göttlichen König die bittersten Tränen                           vergießend,
Sitz' ich hier, und sende die fettgemästeten Schweine
Andern zum Schmause, da jener vielleicht des Brotes                         entbehret,
Und die Länder und Städte barbarischer Völker                                     durchwandert!
Wenn er anders noch lebt, und das Licht der Sonne noch                   schauet!
45     Aber folge mir, Greis, in meine Hütte, damit du,
Wann sich deine Seele mit Brot und Weine gelabt hat,
Sagest, von wannen du kommst, und welche Leiden du littest.

Also sprach er, und führt' ihn hinein, der treffliche Sauhirt,
Hieß den folgenden Gast sich auf ein laubichtes Lager

50        Setzen, und breitete drauf der buntgesprenkelten Gemse
Großes und zottichtes Fell, worauf er zu schlafen gewohnt                 war.
Und Odysseus freute sich dieses Empfanges, und sagte:

Zeus beschere dir, Freund, und die andern unsterblichen                 Götter,
Was du am meisten verlangst, weil du so gütig mich                           aufnimmst!

55         Ihm antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine:
Fremdling, es ziemte mir nicht, und wär' er geringer als du                 bist,
Einen Gast zu verschmähn; denn Gott gehören ja alle
Fremdling' und Darbende an. Doch kleine Gaben erfreun                     auch,
Heißt es bei unser einem; denn also geht es mit Knechten,

60     Welche sich immer scheun, weil ihre gebietenden Herren
Jünglinge sind. Denn ach! ihm wehren die Götter die                           Heimkehr,
Der mir Gutes getan und ein Eigentum hätte gegeben,
Was auch der gütigste Herr je seinem Diener geschenkt hat:
Nämlich Haus und Hof und ein liebenswürdiges Ehweib:
75     Weil er ihm treulich gedient, und Gott die Arbeit gedeihn ließ.
Also gedeiht auch mir die Arbeit, welche mir obliegt;
Und mein Herr, wenn er hier sanft alterte, lohnte mir's                         reichlich!
Aber er starb! Das Geschlecht der Helena müsse von                         grundaus
Stürzen, die in den Staub so viele Männer gestürzt hat!
70     Denn auch jener zog, Agamemnons Ehre zu rächen,
Gegen Ilion hin, und bekämpfte die Reisigen Trojas.

Also sprach er; und schnell umband er den Rock mit dem                 Gürtel,
Ging zu den Köfen, worin der Ferkel Menge gesperrt war,
Und zwei nahm er heraus, und schlachtete beide zur                           Mahlzeit;

75      Sengte sie, haute sie klein, und steckte die Glieder an Spieße,
Briet sie über der Glut, und setzte sie hin vor Odysseus,
Brätelnd noch an den Spießen, mit weißem Mehle bestreuet;
Mischte dann süßen Wein in seinem hölzernen Becher,
Setzte sich gegen ihm über, und nötigt' ihn also zum Essen:

80      Iß nun, fremder Mann, so gut wir Hirten es haben,
Ferkelfleisch; die gemästeten Schweine verzehren die Freier,
Deren Herz nicht Furcht vor den Göttern kennet, noch                         Mitleid.
Alle gewaltsame Tat mißfällt ja den seligen Göttern;
Tugend ehren sie nur und Gerechtigkeit unter den Menschen!

85     Selbst die barbarischen Räuber, die durch Kronions                             Verhängnis
An ein fremdes Gestad' anlandeten, Beute gewannen,
Und mit beladenen Schiffen die Heimat glücklich erreichten,
Fühlen dennoch im Herzen die Macht des empörten                           Gewissens!
Aber diesen entdeckte vielleicht die Stimme der Götter
90     Jenes traurigen Tod, da sie nicht werben, wie recht ist,
Und zu dem Ihrigen nicht heimkehren; sondern in Ruhe
Fremdes Gut unmäßig und ohne Schonen verprassen.
Alle Tag' und Nächte, die Zeus den Sterblichen sendet,
Opfern die Üppigen stets, und nicht ein Opfer, noch zwei                   bloß!
95      Und verschwelgen den Wein mit ungezähmter Begierde.
Reichlich war er gesegnet an Lebensgütern; es hatte
Keiner der Edlen so viel, nicht dort auf der fruchtbaren Feste,
Noch in Ithaka hier; nicht zwanzig Männer zusammen
Haben so viel Reichtümer. Ich will sie dir jetzo beschreiben.
100   Rinderherden sind zwölf auf der Feste, der weidenden Schafe
Eben so viel, auch der Schweine so viel, und der streifenden               Ziegen.
Mietlinge hüten sie teils, und teils leibeigene Hirten.
Hier in Ithaka gehn elf Herden streifender Ziegen
Auf entlegenen Weide, von wackern Männern gehütet.
105    Jeder von diesen sendet zum täglichen Schmause den Freiern
Immer die trefflichste Ziege der fettgemästeten Herde.
Unter meiner Gewalt und Aufsicht weiden die Schweine,
Und ich sende zum Schmause das auserlesenste                                  Mastschwein.

Also sprach er; und schnell aß jener des Fleisches, begierig

110    Trank er des Weins, und schwieg; er dachte der Freier                         Verderben.
Als er jetzo gespeist, und seine Seele gelabet,
Füllete jener den Becher, woraus er zu trinken gewohnt war,
Reichte den Wein ihm dar; und er nahm ihn mit herzlicher                 Freude,
Redete jenen an, und sprach die geflügelten Worte:

115        Lieber, wer kaufte dich denn mit seinem Vermögen? Wie                 heißt er,
Jener so mächtige Mann und begüterte, wie du erzählest,
Und der sein Leben verlor, Agamemnons Ehre zu rächen?
Nenne mir ihn; vielleicht ist er von meiner Bekanntschaft.
Zeus und die Götter des Himmels, die wissen es, ob ich von               ihm nicht

120   Botschaft verkündigen kann! Ich sah viel Männer auf Reisen!

Ihm antwortete drauf der männerbeherrschende Sauhirt:
Alter, kein irrender Mann, der Botschaft von jenem                             verkündigt,
Möchte so leicht bei der Frau und dem Sohne Glauben                       gewinnen.
Solche Wanderer suchen gewöhnlich milde Bewirtung

125    Durch die schmeichelnde Lüg', und reden selten die                             Wahrheit.
Jeder Fremdling, wen auch das Schicksal nach Ithaka führet,
Geht zu meiner Königin hin, und schwatzet Erdichtung.
Freundlich empfängt und bewirtet sie ihn, und forschet nach             allem,
Und der Traurenden Antlitz umfließen Tränen der Wehmut,
130    Wie es dem Weibe geziemt, der fern ihr Gatte verschieden.
Und bald würdest auch du, o Greis, ein Märchen ersinnen,
Deckte dir jemand nur die Blöße mit Mantel und Leibrock.
Aber ihm rissen vielleicht die Hund' und die Vögel des                       Himmels
Schon die Haut von dem weißen Gebein, und die Seele                       verließ es;
135    Oder ihn fraßen die Fische des Meers, und seine Gebeine
Dorren an fremdem Gestade, vom wehenden Sande                             bedecket.
Also verlor er das Leben, und seine verlassenen Freunde
Klagen ihm alle nach, und ich am meisten; denn nimmer
Find' ich einen so gütigen Herrn, wohin ich auch gehe;
140    Käm' ich auch wieder ins Haus, das Vater und Mutter                         bewohnen,
Wo ich geboren ward, und meine Jugend verlebte.
Auch bewein' ich die Eltern nicht so sehr, da ich doch herzlich
Wünsche, sie wieder zu sehn und meiner Väter Gefilde;
Als Odysseus' Verlust mein ganzes Leben verbittert!
145    Ja, ich schäme mich, Fremdling, ihn bloß beim Namen zu                   nennen,
Ob er es zwar nicht hört; denn er pflegte mich gar zu                           liebreich!
Sondern ich nenn' ihn, auch fern, stets meinen älteren Bruder.

Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus:
Lieber, weil du es denn ganz leugnest, und nimmer                             vermutest,

150    Daß er zur Heimat kehrt, und stets ungläubig dein Herz                       bleibt;
Siehe, so will ich es nicht bloß sagen, sondern beschwören:
Daß Odysseus kömmt! Zum Lohn für die fröhliche Botschaft
Sollst du sogleich, wann jener in seine Wohnung                                 zurückkommt,
Mich mit schönen Gewanden, mit Rock und Mantel,                           bekleiden.
155    Eher, wie sehr ich auch jetzo entblößt bin, nähm' ich sie                     nimmer!
Denn der ist mir verhaßt, wie die Pforten der untersten Tiefe,
Welcher, von Mangel verführt, mit leeren Erdichtungen                       schmeichelt!
Zeus von den Göttern bezeug' es, und diese gastliche Tafel,
Und Odysseus' heiliger Herd, zu welchem ich fliehe:
160    Daß dies alles gewiß geschehen wird, wie ich verkünde!
Selbst noch in diesem Jahre wird wiederkehren Odysseus!
Wann der jetzige Mond abnimmt, und der folgende zunimmt,
Wird er sein Haus betreten, und strafen, wer seiner Gemahlin
Und des glänzenden Sohnes Gewalt und Ehre gekränkt hat!

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