Odyssee - Kapitel 42 by Homer
Odyssee - Kapitel 42 by Homer

Odyssee - Kapitel 42

Homer * Track #42 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Odyssee - Kapitel 42 by Homer

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Homer

Odyssee - Kapitel 42 Annotated

Sechzehnter Gesang

Ankunft des Telemachos in des Sauhirten Gehege. Während Eumäos der Königin die Botschaft bringt, entdeckt sich Odysseus dem Sohne, und verabredet der Freier Ermordung. An der Stadt landen Telemachos' Genossen, und drauf' seine Nachsteller, die ihn in Ithaka selbst zu ermorden beschließen. Des Sauhirten Rückkehr.

Frühe bereitete schon mit Odysseus der treffliche Sauhirt
In der Hütte das Mahl bei angezündetem Feuer,
Sandte darauf die Hirten mit ihren Schweinen zu Felde.
Und Telemachos kam; ihn umhüpften die wachsamen                         Hunde
5        Schmeichelnd, und bellten nicht. Der göttergleiche Odysseus
Sah die schmeichelnden Hund', und hörte des Kommenden               Fußtritt;
Wandte sich schnell zu Eumäos, und sprach die geflügelten               Worte:

Sicher, Eumäos, besucht dich einer von deinen Gesellen,
Oder auch sonst ein Bekannter; denn ihn umhüpfen die                       Hunde

10      Schmeichelnd, und bellen nicht; auch hör' ich des                                 Kommenden Fußtritt.

Als er noch redete, siehe da stand an der Schwelle des                     Hauses
Sein geliebtester Sohn. Voll Schrecken erhub sich der Sauhirt;
Seinen Händen entsank das Geschirr, das er eben gebrauchte,
Funkelnden Wein zu mischen; er eilte dem Fürsten entgegen,

15      Küßte sein Angesicht, und beide glänzenden Augen,
Beide Hände dazu; und Tränen umflossen sein Antlitz.
Wie den geliebten Sohn ein gütiger Vater bewillkommt,
Ihn, der im zehnten Jahr' aus fernen Landen zurückkehrt,
Ach! den einzigen, spätgebornen, mit Kummer erzognen:
20     Also umarmte den schönen Telemachos jetzo der Sauhirt,
Und bedeckt' ihn mit Küssen, als wär' er vom Tod' erstanden.
Und lautweinend begann er, und sprach die geflügelten                     Worte:

Kommst du, Telemachos, kommst du, mein süßes Leben?               Ich hoffte
Nimmer dich wiederzusehn, da du nach Pylos geschifft warst!

25      Komm doch herein, du trautes Kind; daß mein Herz sich                   erfreue
Deines Anblicks, du! der erst aus der Fremde zurückkommt!
Oft besuchst du ja nicht uns Hirtenleut' auf dem Felde,
Sondern bleibst in der Stadt; denn du findest ein eignes                       Vergnügen,
Stets den verwüstenden Schwarm der bösen Freier zu sehen!

30       Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Väterchen, dieses geschehe; denn deinethalben nur komm'               ich,
Um dich wieder mit Augen zu sehn, und von dir zu erfahren:
Ob die Mutter daheim noch weile; oder der andern
Einen zum Manne gewählt, und nun das Lager Odysseus,

35      Aller Betten beraubt, von Spinneweben entstellt sei?

Ihm antwortete drauf der männerbeherrschende Sauhirt:
Allerdings weilt jene mit treuer duldender Seele
Noch in deinem Palast; und immer schwinden in Jammer
Ihre Tage dahin, und unter Tränen die Nächte!

40       Also sprach er, und nahm ihm die eherne Lanze, da jener
Über die steinerne Schwell' in seine Kammer hineintrat.
Vor dem Kommenden wich sein Vater Odysseus vom Sitze;
Aber Telemachos hielt ihn, und sprach mit freundlicher                     Stimme:

Fremder Mann, bleib sitzen; wir finden in unserer Wohnung

45     Wohl noch anderswo Platz; der Mann hier wird mich schon               setzen!

Sprach's; und Odysseus kam und setzte sich. Aber der                     Sauhirt
Breitete grüne Zweige für jenen, und drüber ein Geißfell;
Hierauf setzte sich dann der geliebte Sohn von Odysseus.
Und nun tischte vor ihnen der Sauhirt Schüsseln gebratnes
50     Fleisches auf, die sie letzt von der Mahlzeit übrig gelassen;
Eilte hinweg, und brachte gehäufte Körbe mit Kuchen,
Mischte dann süßen Wein im großen hölzernen Becher;
Hierauf setzt' er sich gegen den göttergleichen Odysseus.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
55     Jetzo war die Begierde des Tranks und der Speise gestillet;
Und Telemachos sprach zu dem edlen Hüter der Schweine:

Vater, woher kam dieser Gast? Wie brachten die Schiffer
Ihn nach Ithaka her? Was rühmen sich jene für Leute?
Denn unmöglich ist er doch hier zu Fuße gekommen!

60       Ihm antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine:
Dieses will ich dir, Sohn, und nach der Wahrheit erzählen.
Aus dem weiten Gefilde von Kreta stammet der Fremdling;
Viele Städte, sagt er, der Sterblichen sei er durchwandert,
Seit ihn der Himmlischen einer, die Welt zu durchflüchten,                 verurteilt.

65     Jetzo entrann er vom Schiffe thesprotischer Männer, und eilte
Her in mein Hirtengeheg'. Ich geb' ihn dir in die Hände:
Tue mit ihm, wie du willst; denn deiner Gnade vertraut er.

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Was du mir jetzo gesagt, Eumäos, kümmert mich herzlich!

70      Denn wie kann ich den Fremdling in meinem Hause                           bewirten?
Sieh, ich selber bin jung, und Stärke fehlet den Händen,
Abzuwehren den Mann, der ihn zu beleidigen wagte.
Aber der Mutter Herz wankt zwischen beiden Entschlüssen,
Ob sie noch weile bei mir, und meine Güter bewahre,
75      Scheuend das Lager des Ehegemahls, und die Stimme des                 Volkes;
Oder jetzt von den Freiern im Hause den tapfersten Jüngling,
Welcher das meiste geschenkt, zu ihrem Bräutigam wähle.
Aber da dieser Fremdling zu deiner Hütte geflohn ist,
Will ich mit schönen Gewanden, mit Rock und Mantel, ihn                 kleiden,
80     Ein zweischneidiges Schwert und tüchtige Sohlen ihm                         schenken,
Und ihn senden, wohin es seinem Herzen gelüstet.
Wenn du willst, so behalt' du und pfleg' ihn hier in der Hütte.
Ich will Kleider hieher und allerlei Speise zum Essen
Senden, daß er nicht dich und deine Freunde beschwere.
85     Aber dort gestatt' ich ihm nicht in der Freier Gesellschaft
Hinzugehn; sie schalten mit zu unbändiger Frechheit:
Daß sie ihn nicht verhöhnen! Es würde mich äußerst                           betrüben!
Und ein einzelner Mann kann gegen mehrere wenig,
Sei er auch noch so stark; sie behalten immer den Vorrang!

90       Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus:
Lieber, erlaubst du mir, auch meine Gedanken zu sagen?
Wahrlich mir blutet das Herz vor Mitleid, wenn ich es höre,
Wie unbändig und frech in deinem Hause die Freier
Unfug treiben, und dein, solch eines Jünglings! nicht achten.

95     Sprich: erträgst du das Joch freiwillig; oder verabscheun
Dich die Völker des Landes, gewarnt durch göttlichen                         Ausspruch;
Oder liegt die Schuld an den Brüdern, welchen ein Streiter
Sonst in der Schlacht vertraut, auch wann sie am hitzigsten               wütet?
Wollten die Götter, ich wäre so jung mit dieser Gesinnung,
100   Oder ein Sohn von Odysseus, dem Herrlichen! oder er selber...
Kehrete heim der Verirrte; denn noch ist Hoffnung zur                       Heimkehr:
Siehe so sollte mein Feind das Haupt von der Schulter mir                 abhaun,
Wenn ich nicht zum Verderben der ganzen                                           Räubergesellschaft
Eilt' in den hohen Palast des Laertiaden Odysseus!
105    Und wenn ich Einzelner auch von der Menge würde besieget;
O so wollt' ich doch lieber in meinem Hause des Todes
Sterben, als immerfort den Greul der Verwüstungen ansehn:
Wie sie die Fremdlinge dort mißhandeln, die Mägde des                     Hauses
Zur abscheulichen Lust in den prächtigen Kammern                           umherziehn,
110    Allen Wein ausleeren, und alle Speise verprassen,
Frech, ohne Maß, ohne Ziel, mit unersättlicher Raubgier!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Dieses will ich dir, Fremdling, und nach der Wahrheit                         erzählen.
Weder das ganze Volk verabscheut oder verfolgt mich;

115     Noch liegt etwa die Schuld an den Brüdern, welchen ein                     Streiter
Sonst in der Schlacht vertraut, auch wann sie am hitzigsten               wütet.
Denn nur einzeln pflanzte Kronion unser Geschlecht fort:
Von Arkeisios war der einzige Erbe Laertes;
Und von Laertes war's nur Odysseus; aber Odysseus
120    Zeugte nur mich, den er noch ungenossen daheim ließ!
Diesem erfüllen anitzt unzählige Feinde die Wohnung.
Alle Fürsten, so viel in diesen Inseln gebieten,
Samä, Dulichion, und der waldbewachs'nen Zakynthos,
Und so viele hier in der felsichten Ithaka herrschen;
125    Alle werben um meine Mutter, und zehren das Gut auf.
Aber die Mutter kann die aufgedrungne Vermählung
Nicht ausschlagen, und nicht vollziehn. Nun verprassen die               Schwelger
All mein Gut, und werden in kurzem mich selber zerreißen!
Aber dieses ruhet im Schoße der seligen Götter.
130   Väterchen, eile du schnell zu der klugen Penelopeia;
Sag' ihr, daß ich gesund aus Pylos wieder zurückkam.
Ich will indes hier bleiben, bis du heimkehrest. Doch bring' ihr
Ja die Botschaft allein, und keiner der andern Achaier
Höre dich; denn es trachten mir viele das Leben zu rauben!

135       Ihm antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine:
Gut, ich verstehe dich schon; das sind auch meine Gedanken.
Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit:
Soll ich auf diesem Weg' auch dem armen Laertes die                         Botschaft
Bringen? welcher bisher, aus Gram um seinen Odysseus,

140   Selber das Land bestellte; doch stets mit den Knechten des               Hauses
Aß und trank, so oft die Begierde des Herzens ihn antrieb.
Aber seit du von hinnen zur göttlichen Pylos geschifft warst,
Sagt man, hab' er nicht mehr gegessen oder getrunken,
Noch auf die Wirtschaft gesehn; in unaufhörlicher                                Schwermut
145    Sitzt er, und härmt sich ab, daß die Haut an den Knochen                   verdorret.

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Traurig! doch müssen wir jetzo in seinem Kummer ihn lassen.
Denn wenn alles sogleich, wie es Sterbliche wünschen,                       geschehe;
Wahrlich so wünschten wir vor allem des Vaters                                Zurückkunft!

150    Aber kehre zurück, sobald du's verkündet, und schweife
Nicht auf dem Lande herum zu jenem. Doch sage der Mutter,
Daß sie eilend zu ihm die treue Schaffnerin heimlich
Sende; sie kann es ja auch dem alten Greise verkünden.

Also sprach er, und trieb ihn. Der Sauhirt langte die Sohlen,

155    Band sie unter die Füß', und eilete. Aber Athene
Ward des Hirten gewahr, der aus dem Gehege zur Stadt ging,
Und sie nahete sich, und schien nun plötzlich ein Mädchen,
Schöngebildet und groß und klug in künstlicher Arbeit,
Stand an der Türe des Hofs, und erschien dem edlen                           Odysseus.
160   Aber Telemachos sah und merkte nichts von der Göttin;
Denn nicht allen sichtbar erscheinen die seligen Götter:
Nur die Hunde sahn sie, und bellten nicht, sondern entflohen
Winselnd und zitternd vor ihr nach der andern Seite des                     Hofes.
Und sie winkte; den Wink verstand der edle Odysseus,
165    Ging aus der Hütte hinaus vor die hohe Mauer des Hofes,
Stellete sich vor die Göttin; da sagte Pallas Athene:

Edler Laertiad', erfindungsreicher Odysseus,
Rede mit deinem Sohn, und gib dich ihm zu erkennen;
Daß ihr beide, den Freiern ein blutiges Ende bereitend,

170    Zu der berühmten Stadt der Ithaker wandelt. Ich selber
Werd' euch nicht lange verlassen; mich drängt die Begierde               des Kampfes.

Also sprach die Göttin, und rührt' ihn mit goldener Rute.
Plötzlich umhüllte der schöngewaschene Mantel und                         Leibrock
Wieder Odysseus' Brust, und Hoheit schmückt' ihn und                     Jugend;

175    Brauner ward des Helden Gestalt, und voller die Wangen;
Und sein silberner Bart zerfloß in finstere Locken.
Hierauf eilte die Göttin von dannen. Aber Odysseus
Ging zurück in die Hütte: mit Staunen erblickte der Sohn ihn,
Wandte die Augen hinweg, und fürchtete, daß er ein Gott sei;
180   Und er redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Anders erscheinst du mir jetzt, o Fremdling, als vormals,                 auch hast du
Andere Kleider an; die ganze Gestalt ist verwandelt!
Wahrlich du bist ein Gott, des weiten Himmels Bewohner!
Sei uns gnädig! Wir wollen auch liebliche Opfer dir bringen,

185   Und Geschenke von köstlichem Gold! Erbarme dich unser!

Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus:
Wahrlich ich bin kein Gott, und keinem Unsterblichen                         ähnlich;
Sondern ich bin dein Vater, um den du so herzlich dich                       grämest,
Und so viele Schmach von trotzigen Männern erduldest.

190      Also sprach er, und küßte den Sohn; und über die Wange
Stürzten die Tränen zur Erde, die lange verhaltenen Tränen.

Aber Telemachos stand noch staunend, und konnte nicht                 glauben,
Daß es sein Vater sei; und nun antwortet' er also:

Nein! du bist nicht mein Vater Odysseus; sondern ein                       Dämon

195    Täuscht mich, daß ich noch mehr mein großes Elend                           beseufze.
Denn kein sterblicher Mann vermochte mit seinem                             Verstande,
Solch ein Wunder zu tun; ihm hülfe denn einer der Götter,
Welcher leicht, wie er will, zu Greisen und Jünglingen                         umschafft!
Siehe nur eben warst du ein Greis, und häßlich bekleidet;
200   Jetzo den Göttern gleich, die den weiten Himmel bewohnen!

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Deinen geliebten Vater, Telemachos, welcher nun heimkehrt,
Mußt du nicht allzusehr anstaunen oder bewundern!
Wahrlich in Ithaka kommt hinfort kein andrer Odysseus,

205   Sondern ich bin der Mann, der nach vielem Jammer und Elend
Endlich im zwanzigsten Jahr in seine Heimat zurückkehrt.
Aber dies ist das Werk der siegenden Göttin Athene,
Welche mich, wie sie will, verwandelt; denn sie vermag es!
Darum erschein' ich jetzo zerlumpt wie ein Bettler, und jetzo
210    Wieder in Jünglingsgestalt, mit schönen Gewanden bekleidet.
Denn leicht können die Götter, des weiten Himmels                             Bewohner,
Jeden sterblichen Mann erniedrigen oder erhöhen.

Also sprach er, und setzte sich hin. Da umarmte der Jüngling
Seinen herrlichen Vater mit Inbrunst, bitterlich weinend.

215    Und in beiden erhob sich ein süßes Verlangen zu trauren.
Ach! sie weineten laut, und klagender noch, als Vögel,
Als scharfklauichte Geier und Habichte, welchen der                           Landmann
Ihre Jungen geraubt, bevor sie flügge geworden:
So zum Erbarmen weinten sie beide Tränen der Wehmut.
220   Über der Klage wäre die Sonne niedergesunken,
Hätte Telemachos nicht zu seinem Vater geredet:

Und in welcherlei Schiffe, mein Vater, brachten die Schiffer
Dich nach Ithaka her? Was rühmen sich jene für Leute?
Denn unmöglich bist du doch hier zu Fuße gekommen!

225      Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus:
Dieses will ich dir, Sohn, und nach der Wahrheit erzählen.
Siehe mich brachte das Schiff der segelberühmten Phäaken,
Welche jeden geleiten, der kommt und um Hilfe sie anfleht.
Diese brachten im Schlafe mich über die Wogen, und                         setzten

230   Mich in Ithaka aus, und gaben mir teure Geschenke,
Erzes und Goldes die Meng', und schöngewebete Kleider.
Dieses liegt, nach dem Willen der Götter, in Höhlen                             verborgen.
Aber ich kam hieher auf Befehl der hohen Athene,
Daß wir uns über den Tod der Feindlichgesinnten beraten.
235   Auf denn, verkündige mir die Zahl der trotzigen Freier:
Daß ich wisse, wie viel' und was für Leute so trotzen.
Denn ich muß zuvor in meiner unsträflichen Seele
Überlegen: ob wir allein, ohn' andere Freunde,
Streiten können; oder ob's nötig sei, Hilfe zu suchen.

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