Odyssee - Kapitel 19 by Homer
Odyssee - Kapitel 19 by Homer

Odyssee - Kapitel 19

Homer * Track #19 On Odyssee (Übersetzt von Johann Heinrich Voß)

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Odyssee - Kapitel 19 by Homer

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Homer

Odyssee - Kapitel 19 Annotated

Als die heilige Macht Alkinoos' solches vernommen;
Faßt' er die Hand des tapfern erfindungsreichen Odysseus,
Richtet' ihn auf aus der Asch', und führt' ihn zum                                 Über dem silbernen Becken das Wasser, beströmte zum                   Waschen
170    Nahe bei sich, und hieß den edlen Laodamas aufstehn,
Seinen mutigen Sohn, den er am zärtlichsten liebte.
Eine Dienerin trug in der schönen goldenen Kanne
Über dem silbernen Becken das Wasser, beströmte zum                   Waschen
Ihm die Händ', und stellte vor ihn die geglättete Tafel.
175    Auch die ehrbare Schaffnerin kam, und tischte das Brot auf,
Und der Gerichte viel aus ihrem gesammelten Vorrat.
Und nun aß er und trank, der herrliche Dulder Odysseus.
Aber die heilige Macht Alkinoos' sprach zu dem Herold:

Mische Wein in dem Kelche, Pontonoos; reiche dann allen

180    Männern im Saal' umher: damit wir dem Gotte des Donners
Opfer bringen, der über die Hilfeflehenden waltet.

Sprach's; und Pontonoos mischte des süßen Weines im                 Kelche.
Und verteilte von neuem, sich rechtshin wendend, die Becher.
Als sie des Trankes geopfert, und nach Verlangen getrunken,

185    Hub Alkinoos an, und sprach zur edlen Versammlung:

Merket auf, der Phäaken erhabene Fürsten und Pfleger,
Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet.
Jetzo, nachdem ihr gespeist, geht heim, und legt euch zur                 Ruhe.
Morgen wollen wir hier noch mehr der Ältesten laden,

190    Und den Fremdling im Hause bewirten, mit heiligen Opfern
Uns die Götter versöhnen, und dann die gefoderte Heimfahrt
Überdenken: damit er, vor Not und Kummer gesichert,
Unter unserm Geleit, in seiner Väter Gefilde
Freudig komme, und bald, er wohn' auch ferne von hinnen;
195    Und ihm nicht auf dem Weg' ein neues Übel begegne,
Eh' er sein Vaterland erreicht hat. Dort begegn' ihm,
Was ihm das Schicksal bestimmt, und die unerbittlichen                   Schwestern
Ihm bei seiner Geburt in den werdenden Faden gesponnen.
Aber kam vielleicht der Unsterblichen einer vom Himmel,
200   Wahrlich dann haben mit uns die Götter ein andres im Sinne!
Sonst erscheinen uns stets die Götter in sichtbarer Bildung,
Wann wir mit festlicher Pracht der Hekatomben sie grüßen;
Sitzen mit uns in Reihen, und essen von unserem Mahle.
Oft auch, wann ihnen irgend ein einsamer Wandrer begegnet,
205   Hüllen sie sich in Gestalt: denn wir sind ihnen so nahe,
Wie die wilden Kyklopen und ungezähmten Giganten.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
O Alkinoos, hege nicht solche Gedanken! Ich sehe
Keinem Unsterblichen gleich, die den weiten Himmel                         bewohnen,

210    Weder an Kleidung noch Wuchs; ich gleiche sterblichen                     Menschen.
Kennt ihr einen, der euch der unglückseligste aller
Sterblichen scheint; ich bin ihm gleich zu achten an Elend!
Ja ich wüßte vielleicht noch größere Leiden zu nennen,
Welche der Götter Rat auf meine Seele gehäuft hat!
215   Aber erlaubt mir nun zu essen, wie sehr ich auch traure.
Denn nichts ist unbändiger, als der zürnende Hunger,
Der mit tyrannischer Wut an sich die Menschen erinnert,
Selbst den leidenden Mann mit tiefbekümmerter Seele.
Also bin ich von Herzen bekümmert; aber beständig
220   Fodert er Speis' und Trank, der Wüterich! und ich vergesse
Alles, was ich gelitten, bis ich den Hunger gesättigt.
Aber eilet, ihr Fürsten, sobald der Morgen sich rötet,
Mich unglücklichen Mann in meine Heimat zu senden!
Denn soviel ich erlitten, ich stürbe sogar um den Anblick
225   Meiner Güter und Knechte und meines hohen Palastes!

Also sprach er; da lobten ihn alle Fürsten, und rieten,
Heimzusenden den Gast, weil seine Bitte gerecht war.
Als sie des Trankes geopfert, und nach Verlangen getrunken;
Gingen sie alle heim, der süßen Ruhe zu pflegen.

230   Aber im Saale blieb der göttergleiche Odysseus;
Neben ihm saß der König und seine Gemahlin Arete;
Und die Mägde räumten des Mahls Geräte von hinnen.
Jetzo begann Arete, die lilienarmige Fürstin;
Denn sie erkannte den Mantel und Rock, die schönen                         Gewande,
235   Welche sie selber gewirkt mit ihren dienenden Jungfraun;
Und sie redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte:

Hierum muß ich dich, Fremdling, vor allen Dingen befragen:
Wer, und von wannen bist du? Wer gab dir diese Gewande?
Sagtest du nicht, du kämest hieher vom Sturme verschlagen?

240       Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Schwer, o Königin, ist es, dir alle Leiden von Anfang
Herzunennen, die mir die himmlischen Götter gesendet.
Dennoch will ich dir dieses, warum du mich fragest, erzählen.
Fern auf dem Meere liegt Ogygia, eine der Inseln,

245   Wo des Atlas' Tochter, die listenreiche Kalypso
Wohnet, die Schöngelockte, die furchtbare Göttin. Es pfleget
Keiner der Götter mit ihr, und keiner der Menschen,                             Gemeinschaft.
Mich Unglücklichen nur, mich führte zu ihrer Behausung
Irgend ein Dämon, nachdem mir der Gott hochrollender                     Donner
250   Mitten im Meere mein Schiff mit dem dampfenden Strahle                 zerschmettert!
Alle tapfern Gefährten versanken mir dort in den Abgrund.
Aber ich, der den Kiel des zertrümmerten Schiffes                               umschlungen,
Trieb neun Tage herum. In der zehnten der schrecklichen                   Nächte
Führten die Himmlischen mich gen Ogygia, wo Kalypso
255   Wohnet, die Schöngelockte, die furchtbare Göttin. Sie nahm             mich
Freundlich und gastfrei auf, und reichte mir Nahrung, und                   sagte
Mir Unsterblichkeit zu und nimmerverblühende Jugend.
Dennoch vermochte sie nimmer mein standhaftes Herz zu                 bewegen.
Sieben Jahre blieb ich bei ihr, und netzte mit Tränen
260   Stets die ambrosischen Kleider, die mir Kalypso geschenket.
Als nun endlich das achte der rollenden Jahre gekommen,
Da gebot sie mir selber die Heimfahrt; weil es Kronion
Ordnete, oder ihr Herz sich geändert hatte. Sie sandte
Mich auf vielgebundenem Floß, und schenkte mir reichlich
265   Speise und süßen Wein, und gab mir ambrosische Kleider;
Ließ dann leise vor mir ein laues Lüftchen einherwehn.
Siebzehn Tage befuhr ich die ungeheuren Gewässer.
Am achtzehnten erblickt' ich die hohen schattigen Berge
Eures Landes von fern, und freute mich herzlich des Anblicks.
270   Ich Unglücklicher! Ach noch viele schreckliche Trübsal
Stand mir bevor, vom Zorne des Erderschüttrers Poseidon!
Plötzlich hemmt' er die Fahrt mit reißenden Stürmen, und                 hochauf
Schwoll das unendliche Meer; und die rollende Woge verbot             mir,
Daß ich länger im Floße mit bangem Seufzen dahinfuhr:
275    Ihn zerschmetterte schnell die Gewalt der kommenden                     Windsbraut.
Aber schwimmend durchkämpft' ich die ungeheuren                           Gewässer,
Bis mich der Sturm und die Wog' an Euer Gestade hinanwarf.
Allda hätte mich fast ergriffen die strudelnde Brandung,
Und an die drohenden Klippen, den Ort des Entsetzens,                     geschmettert.
280   Aber ich eilte zurück, und schwamm herum, bis ich endlich
Kam an den Strom. Hier fand ich bequem zum Landen das                 Ufer,
Niedrig und felsenleer, und vor dem Winde gesichert.
Und ich sank ohnmächtig ans Land. Die ambrosische Nacht               kam.
Und ich ging vom Gestade des göttlichen Stromes, und legte
285   Mich in ein dichtes Gebüsch, und häufte verdorrete Blätter
Um mich her; da sandte mir Gott unendlichen Schlummer.
Unter den Blättern dort, mit tiefbekümmerter Seele,
Schlief ich die ganze Nacht, bis zum andern Morgen und                   Mittag.
Als die Sonne sich neigte, verließ mich der liebliche                             Schlummer.
290   Und am Ufer des Meers erblickt' ich die spielenden Jungfraun
Deiner Tochter, mit ihnen sie selbst, den Unsterblichen                       ähnlich.
Dieser fleht' ich, und fand ein Mädchen voll edler Gesinnung.
Wahrlich sie handelte so, wie kaum ihr jugendlich Alter
Hoffen ließ; denn selten sind jüngere Leute verständig.
295   Speise reichte sie mir und funkelnden Wein zur Erquickung,
Badete mich im Strom, und schenkte mir diese Gewande.
Dieses hab' ich Betrübter dir jetzt aufrichtig erzählet.

Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und sagte:
Fremdling, doch eine Pflicht hat meine Tochter verabsäumt!

300   Daß sie dich nicht zu uns mit ihren dienenden Jungfraun
Führte. Du hattest ja ihr zuerst um Hilfe geflehet.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Edler, enthalte dich, die treffliche Tochter zu tadeln!
Denn sie gebot mir zu folgen mit ihren dienenden Jungfraun;

305   Aber ich weigerte mich, aus Scheu, und weil ich besorgte,
Daß sich etwa dein Herz ereiferte, wenn du es sähest.
Denn wir sind argwöhnisch, wir Menschenkinder auf Erden!

Ihm antwortete drauf Alkinoos wieder, und sagte:
Fremdling, ich trage kein Herz im Busen, welches ohn'                        Ursach'

310    Brennte von jähem Zorn. Doch besser ist immer der                           Wohlstand.
Schaffte doch Vater Zeus, Athene und Phöbos Apollon,
Daß ein Mann, so wie du, so ähnlich mir an Gesinnung,
Meine Tochter begehrte, sich mir erhöre zum Eidam,
Und hier bliebe! Ich wollte dir Haus und Habe verehren,
315    Bliebest du willig hier. Doch wider Willen soll niemand
Von den Phäaken dich halten: das wolle Gott nicht gefallen!
Deine Heimfahrt aber bestimm' ich dir, daß du es wissest,
Morgen. Allein du wirst indessen liegen und schlafen,
Da sie die Stille des Meers durchrudern, bis du erreichest
320   Deine Heimat, dein Haus, und was dir irgendwo lieb ist;
Wär' es auch von hinnen noch weiter, als selbst Euböa.
Denn das liegt sehr ferne: so sagen unsere Leute,
Die es sahn, da sie einst Radamanthus den                                           Bräunlichgelockten
Fuhren, der Tityos dort, den Sohn der Erde, besuchte;
325   Und sie kamen dahin, und vollbrachten an einem Tage
Ohne Mühe die Fahrt, und brachten ihn wieder zur Heimat.
Lernen sollst du es selber, wie sehr sie vor allen geübt sind,
Meine Jüngling' und Schiffe, mit Rudern das Meer zu                           durchfliegen!

Sprach's; und freudig vernahm es der herrliche Dulder                       Odysseus.

330   Drauf begann er zu reden, und brach in ein lautes Gebet aus:

Vater Zeus, o gib, daß Alkinoos alles vollende,
Was er verheißt! Dann strahlt auf lebenschenkender Erd
Unauslöschlich sein Ruhm: ich aber kehre zur Heimat!

Also besprachen diese sich jetzo untereinander.

335   Aber den Mägden befahl die lilienarmige Fürstin,
Unter die Hall' ein Bette zu setzen, unten von Purpur
Prächtige Polster zu legen, und Teppiche drüber zu breiten,
Hierauf wollige Mäntel zur Oberdecke zu legen.
Und sie enteilten dem Saal', in den Händen die leuchtende                 Fackel.
340   Als sie jetzo geschäftig das warme Lager bereitet,
Gingen sie hin, und ermahnten den göttergleichen Odysseus:

Fremdling, gehe nun schlafen; dein Lager ist schon bereitet.
Also die Mägd'; und ihm war sehr willkommen die Ruhe.
Also schlummerte dort der herrliche Dulder Odysseus,

345   Unter der tönenden Hall', im schöngebildeten Bette.
Aber Alkinoos schlief im Innern des hohen Palastes,
Und die Königin schmückte das Eh'bett ihres Gemahles.

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