Heinrich Heine
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Kapitel XVI
Als ich zu Godesberg ankam, setzte ich mich wieder zu den Füßen meiner schönen Freundin, – und neben mir legte sich ihr brauner Dachshund – und wir beide sahen hinauf in ihr Auge.
Heiliger Gott! in diesem Auge lag alle Herrlichkeit der Erde und ein ganzer Himmel obendrein. Vor Seligkeit hätte ich sterben können, während ich in jenes Auge blickte, und starb ich in solchem Augenblicke, so flog meine Seele direkt in jenes Auge. Oh, ich kann jenes Auge nicht beschreiben! Ich will mir einen Poeten, der vor Liebe verrückt worden ist, aus dem Tollhause kommen lassen, damit er aus dem Abgrund des Wahnsinns ein Bild heraufhole, womit ich jenes Auge vergleiche – Unter uns gesagt, ich wäre wohl selbst verrückt genug, daß ich zu einem solchen Geschäfte keines Gehülfen bedürfte. God d-n! sagte mal ein Engländer, wenn sie einen so recht ruhig von oben bis unten betrachtet, so schmelzen einem die kupfernen Knöpfe des Fracks und das Herz obendrein. F-e! sagte ein Franzose, sie hat Augen vom größten Kaliber, und wenn so ein dreißigpfündiger Blick herausschießt, krach! so ist man verliebt. Da war ein rotköpfiger Advokat aus Mainz, der sagte: ihre Augen sehen aus wie zwei Tassen schwarzen Kaffee – Er wollte etwas sehr Süßes sagen, denn er warf immer unmenschlich viel Zucker in seinen Kaffee – Schlechte Vergleiche – Ich und der braune Dachshund lagen still zu den Füßen der schönen Frau und schauten und horchten. Sie saß neben einem alten, eisgrauen Soldaten, einer ritterlichen Gestalt mit Quernarben auf der gefurchten Stirne. Sie sprachen beide von den sieben Bergen, die das schöne Abendrot bestrahlte, und von dem blauen Rhein, der unfern groß und ruhig vorbeiflutete – Was kümmerte uns das Siebengebirge, und das Abendrot, und der blaue Rhein, und die segelweißen Kähne, die darauf schwammen, und die Musik, die aus einem Kahne erscholl, und der Schafskopf von Student, der darin so schmelzend und lieblich sang – ich und der braune Dachs, wir schauten in das Auge der Freundin und betrachteten ihr Antlitz, das aus den schwarzen Flechten und Locken, wie der Mond aus dunkeln Wolken, rosigbleich hervorglänzte – Es waren hohe, griechische Gesichtszüge, kühn gewölbte Lippen, umspielt von Wehmut, Seligkeit und kindischer Laune, und wenn sie sprach, so wurden die Worte etwas tief, fast seufzend angehaucht und dennoch ungeduldig rasch hervorgestoßen – und wenn sie sprach und die Rede wie ein warmer, heiterer Blumenregen aus dem schönen Munde herniederflockte – Oh! dann legte sich das Abendrot über meine Seele, es zogen hindurch mit klingendem Spiel die Erinnerungen der Kindheit, vor allem aber, wie Glöcklein, erklang in mir die Stimme der kleinen Veronika – und ich ergriff die schöne Hand der Freundin und drückte sie an meine Augen, bis das Klingen in meiner Seele vorüber war – und dann sprang ich auf und lachte, und der Dachs bellte, und die Stirne des alten Generals furchte sich ernster, und ich setzte mich wieder und ergriff wieder die schöne Hand und küßte sie und erzählte und sprach von der kleinen Veronika.