Nathan Der Weise - Kapitel 12 by Gotthold Ephraim Lessing
Nathan Der Weise - Kapitel 12 by Gotthold Ephraim Lessing

Nathan Der Weise - Kapitel 12

Gotthold Ephraim Lessing * Track #13 On Nathan Der Weise

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Nathan Der Weise - Kapitel 12 by Gotthold Ephraim Lessing

Nathan Der Weise - Kapitel 12 Annotated

Siebenter Auftritt
Nathan und der Tempelherr.

Tempelherr.
So kennt Ihr ihn noch nicht? – ich meine, von
Person.

Nathan.
Den Saladin? Noch nicht. Ich habe
Ihn nicht vermieden, nicht gesucht zu kennen.
Der allgemeine Ruf sprach viel zu gut
Von ihm, daß ich nicht lieber glauben wollte,
Als sehn. Doch nun, – wenn anders dem so ist,
Hat er durch Sparung Eures Lebens ...

Tempelherr.
Ja;
Dem allerdings ist so. Das Leben, das
ich leb, ist sein Geschenk.

Nathan.
Durch das er mir
Ein doppelt, dreifach Leben schenkte. Dies
Hat alles zwischen uns verändert; hat
Mit eins ein Seil mir umgeworfen, das
Mich seinem Dienst auf ewig fesselt. Kaum,
Und kaum, kann ich es nun erwarten, was
Er mir zuerst befehlen wird. Ich bin
Bereit zu allem; bin bereit ihm zu
Gestehn, daß ich es Euertwegen bin.

Tempelherr.
Noch hab ich selber ihm nicht danken können:
Sooft ich auch ihm in den Weg getreten.
Der Eindruck, den ich auf ihn machte, kam
So schnell, als schnell er wiederum verschwunden.
Wer weiß, ob er sich meiner gar erinnert.
Und dennoch muß er, einmal wenigstens,
Sich meiner noch erinnern, um mein Schicksal
Ganz zu entscheiden. Nicht genug, daß ich
Auf sein Geheiß noch bin, mit seinem Willen
Noch leb: ich muß nun auch von ihm erwarten,
Nach wessen Willen ich zu leben habe.

Nathan.
Nicht anders; um so mehr will ich nicht säumen. –
Es fällt vielleicht ein Wort, das mir, auf Euch
Zu kommen, Anlaß gibt. – Erlaubt, verzeiht –
Ich eile – Wenn, wenn aber sehn wir Euch
Bei uns?

Tempelherr.
Sobald ich darf.

Nathan.
Sobald Ihr wollt.

Tempelherr.
Noch heut.

Nathan.
Und Euer Name? – muß ich bitten.

Tempelherr.
Mein Name war – ist Curd von Stauffen. – Curd!

Nathan.
Von Stauffen? – Stauffen? – Stauffen?

Tempelherr.
Warum fällt
Euch das so auf?

Nathan.
Von Stauffen? – Des Geschlechts
Sind wohl noch mehrere ...

Tempelherr.
O ja! hier waren,
Hier faulen des Geschlechts schon mehrere.
Mein Oheim selbst, – mein Vater will ich sagen,
Doch warum schärft sich Euer Blick auf mich
Je mehr und mehr?

Nathan.
O nichts! o nichts! Wie kann
Ich Euch zu sehn ermüden?

Tempelherr.
Drum verlaß
Ich Euch zuerst. Der Blick des Forschers fand
Nicht selten mehr, als er zu finden wünschte.
Ich fürcht ihn, Nathan. Laßt die Zeit allmählich,
Und nicht die Neugier, unsre Kundschaft machen.
(Er geht.)

Nathan (der ihm mit Erstaunen nachsieht).
»Der Forscher fand nicht selten mehr, als er
Zu finden wünschte.« – Ist es doch, als ob
In meiner Seel' er lese! – Wahrlich ja;
Das könnt' auch mir begegnen. – Nicht allein
Wolfs Wuchs, Wolfs Gang: auch seine Stimme. So,
Vollkommen so, warf Wolf sogar den Kopf;
Trug Wolf sogar das Schwert im Arm'; strich Wolf
Sogar die Augenbraunen mit der Hand,
Gleichsam das Feuer seines Blicks zu bergen.
Wie solche tiefgeprägte Bilder doch
Zu Zeiten in uns schlafen können, bis
Ein Wort, ein Laut sie weckt. – Von Stauffen! –
Ganz redet, ganz recht; Filnek und Stauffen. –
Ich will das bald genauer wissen; bald.
Nur erst zum Saladin. – Doch wie? lauscht dort
Nicht Daja? – Nun so komm nur näher, Daja.

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