Friedrich Schiller
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Ferdinand von Walter stürzt erschrocken und außer Athem ins Zimmer. Die Vorigen.
Ferdinand. War mein Vater da?
Luise (fährt mit Schrecken auf). Sein Vater! Allmächtiger Gott!
Frau (zugleich; schlägt die Hände zusammen). Der Präsident! Es ist aus mit uns!
Miller (zugleich; lacht voller Bosheit). Gottlob! Gottlob! da haben wir ja die Bescherung!
Ferdinand (eilt auf Luisen zu und drückt sie stark in die Arme). Mein bist du, und wärfen Höll' und Himmel sich zwischen uns!
Luise. Mein Tod ist gewiß – Rede weiter – Du sprachst einen schrecklichen Namen aus – Dein Vater?
Ferdinand. Nichts. Nichts. Es ist überstanden. Ich hab' dich ja wieder. Du hast mich ja wieder. O, laß mich Athem schöpfen an dieser Brust! Es war eine schreckliche Stunde.
Luise. Welche? Du tödtest mich?
Ferdinand (tritt zurück und schaut sie bedeutend an). Eine Stunde, Luise, wo zwischen mein Herz und dich eine fremde Gestalt sich warf – wo meine Liebe vor meinem Gewissen erblaßte – wo meine Luise aufhörte, ihrem Ferdinand Alles zu sein – –
Luise (sinkt mit verhülltem Gesicht auf den Sessel nieder).
Ferdinand (geht schnell auf sie zu, bleibt sprachlos mit starrem Blick vor ihr stehen, dann verläßt er sie plötzlich, in großer Bewegung). Nein! Nimmermehr! Unmöglich, Lady! Zu viel verlangt! Ich kann dir diese Unschuld nicht opfern – Nein, beim unendlichen Gott! ich kann meinen Eid nicht verletzen, der mich laut wie des Himmels Donner aus diesem brechenden Auge mahnt – Lady, blick hieher – hieher, du Rabenvater – Ich soll diesen Engel würgen! Die Hölle soll ich in diesen himmlischen Busen schütten? (Mit Entschluß auf sie zueilend.) Ich will sie führen vor des Weltrichters Thron, und ob meine Liebe Verbrechen ist, soll der Ewige sagen. (Er faßt sie bei der Hand und hebt sie vom Sessel.) Fasse Muth, meine Theuerste! – Du hast gewonnen! Als Sieger komm' ich aus dem gefährlichsten Kampf zurück.
Luise. Nein! Nein! Verhehle mir nichts. Sprich es aus, das entsetzliche Urtheil. Deinen Vater nanntest du? Du nanntest die Lady? – Schauer des Todes ergreifen mich – Man sagt, sie wird heirathen.
Ferdinand (stürzt betäubt zu Luisens Füßen nieder). Mich, Unglückselige!
Luise (nach einer Pause, mit stillem bebenden Ton und schrecklicher Ruhe). Nun – was erschreck' ich denn? Der alte Mann dort hat mir's ja oft gesagt – ich hab' es ihm nie glauben wollen. (Pause, dann wirft sie sich Millern laut weinend in die Arme.). Vater, hier ist deine Tochter wieder – Verzeihung, Vater! – Dein Kind kann ja nicht dafür, daß dieser Traum so schön war, und – – so fürchterlich jetzt das Erwachen – –
Miller. Luise! Luise! – O Gott, sie ist von sich – Meine Tochter, mein armes Kind – Fluch über den Verführer! – Fluch über das Weib, das ihm kuppelte!
Frau (wirft sich jammernd auf Luisen). Verdien' ich diesen Fluch, meine Tochter? Vergeb's Ihnen Gott, Baron! – Was hat dieses Lamm gethan, daß Sie es würgen?
Ferdinand (springt an ihr auf, voll Entschlossenheit). Aber ich will seine Kabalen durchbohren – durchreißen will ich alle diese eisernen Ketten des Vorurtheils – Frei wie ein Mann will ich wählen, daß diese Insektenseelen am Riesenwerk meiner Liebe hinaufschwindeln! (Er will fort.)
Frau (eilt ihm nach, hängt sich an ihn). Der Präsident wird hieher kommen – Er wird unser Kind mißhandeln – Er wird uns mißhandeln – Herr von Walter, und Sie verlassen uns?
Miller (lacht wüthend). Verläßt uns! Freilich! Warum nicht? – Sie gab ihm ja Alles hin! (Mit der einen Hand den Major, mit der andern Luisen fassend.) Geduld, Herr! der Weg aus meinem Hause geht nur über diese da – Erwarte erst deinen Vater! wenn du kein Bube bist – Erzähl' es ihm, wie du dich in ihr Herz stahlst, Betrüger, oder, bei Gott! (Ihm seine Tochter zuschleudernd, wild und heftig.) Du sollst mir zuvor diesen wimmernden Wurm zertreten, den Liebe zu dir so zu Schanden richtete!
Ferdinand (kommt zurück und geht auf und ab in tiefen Gedanken). Zwar die Gewalt des Präsident ist groß – Vaterrecht ist ein weites Wort – der Frevel selbst kann sich in seinen Falten verstecken, er kann es weit damit treiben – weit! – Doch aufs Äußerste treibt's nur die Liebe – Hier, Luise! Deine Hand ist die meinige! (Er faßt diese heftig.) So wahr mich Gott im letzten Hauch nicht verlassen soll! – der Augenblick, der diese zwei Hände trennt, zerreißt auch den Faden zwischen mir und der Schöpfung!
Luise. Mir wird bange! Blick' weg! Deine Lippen beben! Dein Auge rollt fürchterlich –
Ferdinand. Nein, Luise! Zittre nicht! Es ist nicht Wahnsinn, was aus mir redet. Es ist das köstliche Geschenk des Himmels, Entschluß in dem geltenden Augenblick, wo die gepreßte Brust nur durch etwas Unerhörtes sich Luft macht – Ich liebe dich, Luise – Du sollst mir bleiben, Luise – Jetzt zu meinem Vater! (Er eilt schnell fort und rennt – gegen den Präsident.)