Friedrich Schiller
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Vierte Scene.
Ferdinand nach einem langen Stillschweigen, worin seine Züge einen schrecklichen Gedanken entwickeln.
Verloren! ja, Unglückselige! – Ich bin es. Du bist es auch. Ja, bei dem großen Gott! wenn ich verloren bin, bist du es auch! Richter der Welt! Fordre sie mir nicht ab! Das Mädchen ist mein. Ich trat dir deine ganze Welt für das Mädchen ab, habe Verzicht gethan auf deine ganze herrliche Schöpfung. Laß mir das Mädchen. – Richter der Welt! dort winseln Millionen Seelen nach dir – dorthin kehre das Auge deines Erbarmens – mich laß allein machen, Richter der Welt! (Indem er schrecklich die Hände faltet.) Sollte der reiche, vermögende Schöpfer mit einer Seele geizen, die noch dazu die schlechteste seiner Schöpfung ist? – Das Mädchen ist mein! Ich einst ihr Gott, jetzt ihr Teufel!
(Die Augen graß in einen Winkel geworfen.)
Eine Ewigkeit mit ihr auf ein Rad der Verdammniß geflochten – Augen in Augen wurzelnd – Haare zu Berge stehend gegen Haare – auch unser hohles Wimmern in eins geschmolzen – und jetzt zu wiederholen meine Zärtlichkeiten und jetzt ihr vorzusingen ihre Schwüre – Gott! Gott! die Vermählung ist fürchterlich – aber ewig! (Er will schnell hinaus. Der Präsident tritt herein.)
Fünfte Scene.
Der Präsident und Ferdinand.
Ferdinand (zurücktretend). O! – mein Vater!
Präsident. Sehr gut, daß wir uns finden, mein Sohn. Ich komme, dir etwas Angenehmes zu verkündigen, und etwas, lieber Sohn, das dich ganz gewiß überraschen wird. Wollen wir uns setzen?
Ferdinand (sieht ihn lange Zeit starr an). Mein Vater! (Mit stärkerer Bewegung zu ihm gehend und seine Hand fassend.) Mein Vater! (Seine Hand küssend, vor ihm niederfallend.) O mein Vater!
Präsident. Was ist dir, mein Sohn? Steh auf. Deine Hand brennt und zittert.
Ferdinand (mit wilder, feuriger Empfindung). Verzeihung für meinen Undank, mein Vater! Ich bin ein verworfener Mensch. Ich habe Ihre Güte mißkannt! Sie meinten es mit mir so väterlich! – O! Sie hatten eine weissagende Seele – jetzt ist's zu spät – Verzeihung! Verzeihung! Ihren Segen, mein Vater!
Präsident. (heuchelt eine schuldlose Miene). Steh auf, mein Sohn! Besinne dich, daß du mir Räthsel sprichst.
Ferdinand. Diese Millerin, mein Vater – O, Sie kennen den Menschen – Ihre Wuth war damals so gerecht, so edel, so väterlich warm – nur verfehlte der warme Vatereifer des Weges – diese Millerin!
Präsident. Martre mich nicht, mein Sohn. Ich verfluche meine Härte! Ich bin gekommen, dir abzubitten.
Ferdinand. Abbitten an mir! Verfluchen an mir! – Ihre Mißbilligung war Weisheit. Ihre Härte war himmlisches Mitleid – – Diese Millerin, Vater –
Präsident. Ist ein edles, ein liebes Mädchen. – Ich widerrufe meinen übereilten Verdacht. Sie hat meine Achtung erworben.
Ferdinand (springt erschüttert auf). Was? auch Sie? – Vater! auch Sie? – und nicht wahr, mein Vater, ein Geschöpf wie die Unschuld? – Und es ist so menschlich, dieses Mädchen zu lieben?
Präsident. Sage so: es ist Verbrechen, sie nicht zu lieben.
Ferdinand. Unerhört! Ungeheuer! – Und Sie schauen ja doch sonst die Herzen so durch! Sahen sie noch dazu mit Augen des Hasses! – Heuchelei ohne Beispiel – Diese Millerin, Vater –
Präsident. Ist es werth, meine Tochter zu sein. Ich rechne ihre Tugend für Ahnen und ihre Schönheit für Gold. Meine Grundsätze weichen deiner Liebe – Sie sei dein!
Ferdinand (stürzt fürchterlich aus dem Zimmer). Das fehlte noch! – Leben Sie wohl, mein Vater. (Ab.)
Präsident. (ihm nachgehend). Bleib! Bleib! Wohin stürmst du? (Ab.)