Die Mitschuldigen - Kapitel 2 by Johann Wolfgang von Goethe
Die Mitschuldigen - Kapitel 2 by Johann Wolfgang von Goethe

Die Mitschuldigen - Kapitel 2

Johann Wolfgang von Goethe * Track #2 On Die Mitschuldigen

Die Mitschuldigen - Kapitel 2 Annotated

Erster Aufzug
Erster Auftritt
Die Wirtsstube.

Söller sitzt im Domino an einem Tischchen, worauf ein Licht, eine Bouteille Wein und ein Glas steht. Sophie gegenüber sitzt und näht eine Feder und eine Schleife auf einen Hut. Der Wirt kommt herein. In der Tiefe des Theaters steht ein Tisch, darauf ein Licht, Bücher und Tintenfaß, dabei ein Lehnsessel.

Wirt zu Söllern.
Schon wieder auf den Ball! Im Ernst, Herr Schwiegersohn, Ich bin Sein Rasen satt und dächt, Er blieb davon. Mein Mädchen hab ich Ihm wahrhaftig nicht gegeben, Um so in' Tag hinein von meinem Geld zu leben. Ich bin ein alter Mann, ich sehnte mich nach Ruh, Ein Helfer fehlte mir, nahm ich Ihn nicht dazu? Ein schöner Helfer! Ja, mein bißchen durchzubringen!

Söller summt ein Liedchen vor sich.

Wirt.
O sing Er, sing Er nur, ich will ihm auch eins singen! Er ist ein dummer Kerl, der doch zu gar nichts taugt, Als daß er sich besäuft und etwas Tabak raucht. Die ganze Nacht geschwärmt, den halben Tag im Bette! Kein Herzog ist im Reich, der besser leben hätte. Da sitzt das Ebenteur mit weiten Ärmeln da, Der König Hasenfuß!

Söller trinkt.
Ihr Wohlergehn, Papa!

Wirt.
Ein saubres Wohlergehn! Das Fieber möcht ich kriegen.

Sophie.
Mein Vater, sein Sie gut.

Söller trinkt.
Mein Fiekchen, dein Vergnügen!

Sophie.
Das Größte wäre mir, euch nicht entzweit zu sehn.

Wirt.
Wenn er nicht anders wird, so kann das nie geschehn. Ich bin wahrhaftig lang des ewgen Zankens müde, Doch wie er's täglich treibt, da halt der Henker Friede! Er ist ein schlechter Mensch, so kalt, so undankbar! Er sieht nicht, was er ist, er denkt nicht, was er war, Nicht an den povern Stand, aus dem ich ihn gerissen, An seine Schulden nicht; davon will er nichts wissen. Man sieht, es bessert doch nicht Elend, Reu noch Zeit; – Einmal ein Lumpenhund, der bleibt's in Ewigkeit.

Sophie.
Er ändert sich gewiß.

Wirt.
Muß er's so lang verschieben?

Sophie.
Das tut die Jugend meist.

Söller.
Ja, Fiekchen, was wir lieben! Er trinkt.

Wirt aufgebracht.
Dem einen Ohr hinein, dem andern grad heraus! Er hört mich nicht einmal. Was bin ich denn im Haus? Ich hab schon zwanzig Jahr mit Ehren mich gehalten. Meint Er, was ich erwarb, das wollt Er nun verwalten, Und wollt's so nach und nach verteilen? Nein, mein Freund, Das laß Er sich vergehn! So bös ist's nicht gemeint! Mein Ruf hat lang gewährt, und soll noch länger währen; Es kennt die ganze Welt den Wirt zum schwarzen Bären. Es ist kein dummer Bär, und konserviert sein Fell; Jetzt wird mein Haus gemalt, und dann heiß ich's Hotel. Da regnet's Kavaliers, da kommt das Geld mit Haufen. Doch da gilt's fleißig sein, und nicht sich dumm zu saufen! Des Abends spät zu Bett, und morgens auf bei Zeit, So heißt es!

Söller.
Bis dahin ist es noch ziemlich weit. Bleibt es nur, wie es ist, und wird nicht etwa schlimmer. Wer wohnt denn viel bei uns? Da droben stehn die Zimmer.

Wirt.
Ach wer verreist auch jetzt? Das ist nun so einmal, Und hat nicht Herr Alcest die Zimmer an dem Saal?

Söller.
Nun ja, das ist wohl was, der ist ein guter Kunde; Allein, Minuten sind erst sechzig eine Stunde. Und dann weiß Herr Alcest, warum er hier ist.

Wirt pikiert.
Wie?

Söller greift nach dem Glas.
Ach, apropos, Papa. Es lebe Paoli.

Wirt freundlich.
Proficiat, Herr Sohn! Der brave Mann soll leben. Solch eine Tapferkeit hat es nicht leicht gegeben; Auch in dem Unglück selbst verläßt der Mut ihn nie. Gewiß, ich nenn mein Haus Hotel de Paoli.

Söller.
O ja, das gibt ein Schild recht nach der Zeitungsmode. Wenn's nicht zustande kommt, ich gräme mich zu Tode. – Wie kommt es, haben Sie die Zeitung nicht gesehn Von heut?

Wirt.
Sie ist nicht da. Der Jung muß nach ihr gehn. Wenn er noch König wird, so sollt ihrs all genießen. Das Herz hüpft mir im Leib, als hört ich wirklich schießen. Ab.

Zweiter Auftritt

Söller. Sophie.

Söller.
Ha, es ist nichts so schlimm, die Zeitung macht es gut.

Sophie.
Ja, gib ihm immer nach!

Söller.
Ich hab kein schnelles Blut, Das ist sein Glück; denn sonst mich immer so zu schelten, Als wär ich –

Sophie.
Lieber Mann!

Söller.
Beim Kuckuck ! Beim St. Velten! Ich weiß das alles wohl, daß ich vor einem Jahr Ein lockrer Passagier und voller Schulden war.

Sophie.
Mein Guter, sei nicht bös!

Söller.
Und wenn ich sonst nichts taugte, So war ich doch ein Mann wie ihn mein Fiekchen brauchte.

Sophie.
Dein ewger Vorwurf läßt mir keine Stunde froh.

Söller.
Ich werfe dir nichts vor, ich meine ja nur so. Denn eine schöne Frau ergötzet uns unendlich, Wenn man sie auch nicht liebt, so ist man doch erkenntlich. Sophie wie schön bist du, und ich bin nicht von Stein, Er küßt sie. Ich kenne nur zu wohl das Glück, dein Mann zu sein; Ich liebe dich –

Sophie.
Und doch kannst du mich immer plagen?

Söller.
Eh geh, was liegt denn dran? Das darf ich ja wohl sagen; Daß dich Alcest geliebt, daß du für ihn gebrannt, Und ihn auch wohl vielleicht – daß du ihn lang gekannt.

Sophie.
Oh!

Söller.
Nein, ich wüßte nicht, was ich da Böses sähe! Ein Bäumchen, das man pflanzt, das schießt zu seiner Höhe; Und wenn es Früchte bringt, eh! da genießet sie, Wer da ist; übers Jahr gibt's wieder. Ja, Sophie, Ich weiß das gar zu wohl, um etwas draus zu machen. Mir ist's nur lächerlich.

Sophie.
Ich finde nichts zu lachen. Daß mich Alcest geliebt, daß er für mich gebrannt, Und ich ihn auch geliebt, und ich ihn lang gekannt, Was ist's denn weiter?

Söller.
Nichts! das will ich auch nicht sagen, Daß es was weiter ist. Denn in den ersten Tagen, Wenn so das Mädchen keimt, da liebt sie eins zum Spaß, Es krabbelt ihr ums Herz, doch sie versteht nicht, was. Mit sanfter Freundlichkeit schleicht Amor, der Betrüger; Wer keinen Tiger kennt, der läuft vor keinem Tiger. Und sie versteht es nicht, warum die Mutter schmält. Voll Tugend, wenn sie liebt, ist's Unschuld, wenn sie fehlt. Und kommt Erfahrenheit zu ihren andern Gaben, So sei ihr Mann vergnügt, ein kluges Weib zu haben!

Sophie.
Du kennst mich nicht genug.

Söller.
O laß das immer sein! Den Mädchen ist ein Kuß, was uns ein Glas voll Wein, Eins, und dann wieder eins, und noch eins, bis wir sinken. Wenn man nicht taumeln will, so muß man gar nicht trinken! Genug, du bist nun mein! – Ist es nicht vierthalb Jahr, Daß Herr Alcest dein Freund und hier im Hause war? Wie lange war er weg? Zwei Jahre, denk ich.

Sophie.
Drüber.

Söller.
Nun ist er wieder da, schon vierzehn Tage –

Sophie.
Lieber, Zu was dient der Diskurs?

Söller.
Eh nun, daß man was spricht. Denn zwischen Mann und Frau red't sich so gar viel nicht. Warum ist er wohl hier?

Sophie.
Ei, um sich zu vergnügen.

Söller.
Ich glaube wohl, du magst ihm sehr am Herzen liegen. Wenn er dich liebte, he! gäbst du ihm wohl Gehör?

Sophie.
Die Liebe kann wohl viel, allein die Pflicht noch mehr. Du glaubst!

Söller.
Ich glaube nichts, und kann das wohl begreifen; Ein Mann ist immer mehr als Herrchen, die nur pfeifen. Der allersüßte Ton, den auch der Schäfer hat, Es ist doch nur ein Ton, und der wird endlich matt.

Sophie ungeduldig.
Ja, ja, das weiß ich wohl; doch ist der deine besser? Die Unzufriedenheit in dir wird täglich größer. Nicht einen Augenblick bist du mit Necken still. Man sei erst liebenswert, wenn man geliebt sein will. Warst du denn wohl der Mann, ein Mädchen zu beglücken? Erwarbst du dir ein Recht, mir ewig vorzurücken, Was doch im Grund nichts ist? Es wankt das ganze Haus; Du nimmst allein nichts ein, und gibst allein fast aus. Du lebst in Tag hinein; fehlt dir's, so machst du Schulden, Und wenn die Frau was braucht, so hat sie keinen Gulden, Und du fragst nicht darnach, wie sie ihn kriegen kann. Willst du ein braves Weib, so sei ein rechter Mann. Ach, es versucht uns nichts so mächtig als der Mangel; Die klügsten Fische treibt der Hunger an die Angel. Mein Vater gibt mir nichts, und hat der Mann nicht recht? Wir brauchen so genug, und alles geht so schlecht. Doch heute mußt ich ihn notwendig etwas bitten. Ha, sagt er, du kein Geld, und Söller fährt im Schlitten? Er gab mir nichts und lärmt mir noch die Ohren voll. Nun sag mir denn einmal, woher ich's nehmen soll? Denn du bist nicht der Mann, für eine Frau zu sorgen.

Söller.
O warte, liebes Kind, vielleicht empfang ich morgen Von einem guten Freund –

Sophie.
Wenn er ein Narr ist, ja! Zu holen sind gar oft die guten Freunde da; Doch einen, der was bringt, den hab ich noch zu sehen! Nein, Söller, künftighin kann es nicht mehr so gehen.

Söller.
Du hast ja, was man braucht.

Sophie.
Schon gut, das ist wohl was. Doch wer nie dürftig war, der will noch mehr als das. Von Jugend auf verwöhnt durch's Glück und seine Gaben, Hat man, soviel man braucht, und glaubt noch nichts zu haben. Die Lust, die jede Frau, die jedes Mädchen hat, Ich bin nicht hungrig drauf, doch bin ich auch nicht satt. Der Putz, der Ball – Genug, ich bin ein Frauenzimmer.

Söller.
Eh nun, so geh dann mit: ich sage dir's ja immer.

Sophie.
Daß wie das Karneval auch unsre Wirtschaft sei, Die kurze Zeit geschwärmt, dann auf einmal vorbei! Viel lieber sitz ich hier allein zu ganzen Jahren! Wenn er nicht sparen will, so muß die Frau wohl sparen. Mein Vater ist genug schon über mir erbost: Ich stille seinen Zorn und bin sein ganzer Trost. Nein, Herr! Ich helf Ihm nie mein eigen Geld verschwenden: Spar Er es erst an sich, um es an mich zu wenden!

Söller.
Mein Kind, für diesmal nur laß mich noch lustig sein, Und wenn die Messe kommt, so richten wir uns ein.

Dritter Auftritt

Die Vorigen, ein Kellner.

Kellner.
Herr Söller!

Söller.
Nun, was soll's?

Kellner.
Der Herr von Tirinette!

Sophie.
Der Spieler!

Söller.
Schick ihn fort! Daß ihn der Teufel hätte!

Kellner.
Er sagt, er muß Sie sehn.

Sophie.
Was will er dann bei dir?

Söller verwirrt zu Sophie.
Ach, er verreist – Zum Kellner. Ich komm! Zu Sophie. und er empfiehlt sich mir. Ab.

Vierter Auftritt

Sophie.
Der mahnt ihn ganz gewiß! Er macht beim Spiele Schulden. Er bringt noch alles durch, und ich, ich muß es dulden. Dies ist nun alle Lust und mein geträumtes Glück! So eines Menschen Frau! Wie weit kamst du zurück! Wo ist sie hin, die Zeit, da sie zu ganzen Scharen, Die süßten jungen Herrn, zu deinen Füßen waren? Da jeder sein Geschick in deinen Blicken sah? Ich stand im Überfluß wie eine Göttin da, Aufmerksam um mich her die Diener meiner Grillen! Es war nur allzuviel, dies Herz mit Stolz zu füllen. Und ach! ein Mädchen ist wahrhaftig übel dran! Ist man ein bißchen hübsch, so steht man jedem an; Da summt uns unser Kopf den ganzen Tag von Lobe! Und welches Mädchen hält wohl diese Feuerprobe? Ihr könnt so ehrlich tun, man glaubt euch wohl aufs Wort, Ihr Männer! Auf einmal führt euch der Henker fort. Wenn's was zu naschen gibt, so sind wir all beim Schmause, Doch macht ein Mädchen Ernst, da ist kein Mensch zu Hause. So ist's mit unsern Herrn in dieser schlimmen Zeit; Es gehen zwanzig drauf, bis daß ein halber freit. Ich sah mich manchesmal betrogen und verlassen: Wer vierundzwanzig zählt, hat nichts mehr zu verpassen. Der Söller kam mir vor, und ich, ich nahm ihn an; Es ist ein schlechter Mensch, allein er ist ein Mann. Da sitz ich nun und bin nicht besser als begraben. Anbeter könnt' ich zwar noch in der Menge haben; Allein wenn eine Frau ein bißchen Tugend hat, So ist's der junge Herr in wenig Stunden satt. Bei Mädchen ist er gern mit Tändelei zufrieden, Er redet Sentiments, und ist nicht zu ermüden; Doch wenn nur eine Frau ein wenig spröde tut, So wundert er sich sehr und greift nach seinem Hut. Alcest ist wieder hier. Er ist's zu meiner Plage. Ach ehmals war er da, da waren's andre Tage. Wie liebt ich ihn! – Und noch! – Ich weiß nicht, was ich will! Ich flieh ihn, wo ich kann. Er ist nachdenkend, still, Ich fürchte mich vor ihm; die Furcht ist wohl gegründet. Ach wüßt er, was mein Herz noch jetzt für ihn empfindet! Er kommt! Ich zittre schon, mein Herz ist gar zu voll, Ich weiß nicht, was ich will, noch wen'ger, was ich soll.

Fünfter Auftritt

Sophie. Alcest.

Alcest.
Sind Sie einmal allein, und darf ein Freund es wagen?

Sophie.
Mein Herr.

Alcest.
Mein Herr! So klang's nicht in vergangnen Tagen.

Sophie.
Ja wohl, die Zeit verfliegt, und alles ändert sich.

Alcest.
Erstreckt sich denn die Macht der Zeit auch über dich, O Liebe! Bin ich's selbst, der mit Sophien redet? Bist du Sophie?

Sophie bittend.
Alcest!

Alcest.
Bist du's?

Sophie.
Ihr Vorw.urf tötet Mein armes Herz. Alcest! Mein Freund, ich bitte Sie! Ich muß, ich muß hinweg!

Alcest.
Unzärtliche Sophie! Verlassen Sie mich, nur! – In diesem Augenblicke, Dacht ich, ist sie allein. Ich segnete mein Glücke. Nun, hofft ich, redet sie ein zärtlich Wort mit dir. O gehn Sie! Gehn Sie nur! – In diesem Zimmer hier Entdeckte mir Sophie zuerst die schönsten Flammen, Hier schloß sich unsre Brust zum erstenmal zusammen; An eben diesem Platz – erinnerst du dich noch? – Schwurst du mir ewge Treu!

Sophie.
O schonen Sie mich doch!

Alcest.
Ein schöner Abend war's – ich werd ihn nie vergessen! Dein Auge redete, und ich, ich ward vermessen. Mit Zittern botst du mir die heißen Lippen dar. Mein Herze fühlt es noch, wie sehr ich glücklich war. Da hattest du nicht Zeit, was sonst als mich zu denken, Und jetzo willst du mir nicht eine Stunde schenken? Du siehst, ich suche dich, du siehst, ich bin betrübt – Geh nur, du falsches Herz, du hast mich nie geliebt!

Sophie.
Ich bin geplagt genug, willst du mich auch noch plagen? Sophie dich nicht geliebt! Alcest, das darfst du sagen? Du warst mein ganzer Wunsch, du warst mein höchstes Gut; Für dich schlug dieses Herz, dir wallte dieses Blut. Und dieses Herz, mein Freund, das du einst ganz besessen, Kann nicht unzärtlich sein, es kann dich nicht vergessen. Die Liebe widersteht der Zeit, die alles raubt, Man hat nie recht geliebt, wenn man sie endlich glaubt. Allein – Es kommt jemand.

Alcest.
Nein!

Sophie.
Es ist hier gefährlich.

Alcest.
Auch nicht ein einzig Wort. O es ist zubeschwerlich. So geht's den ganzen Tag! Wie ist man nicht geplagt! Schon vierzehn Tage hier, und dir kein Wort gesagt! Ich weiß, du liebst mich noch, allein das wird mich töten. Niemals sind wir allein, was unter uns zu reden; Nicht einen Augenblick ist hier im Zimmer Ruh, Bald ist der Vater da, dann kommt der Mann dazu. Lang bleib ich dir nicht hier, das ist mir unerträglich. Allein, Sophie, wer will, ist dem nicht alles möglich? Sonst war dir nichts zu schwer, du halfest dir geschwind; Ein Drach war eingewiegt, und hundert Augen blind. O, wenn du wolltest –

Sophie.
Was?

Alcest.
Wenn du nur denken wolltest, Daß du Alcesten nicht verzweifeln machen solltest! Geliebte, suche dir doch nur Gelegenheit Zur Unterredung auf, die dieser Ort verbeut. O höre, heute nacht! dein Mann geht aus dem Hause, Man glaubt, ich gehe selbst zu einem Fastnachtsschmause; Allein, das Hintertor ist meiner Treppe nah – Es merkt's kein Mensch im Haus und ich bin wieder da. Den Schlüssel hab ich hier, und willst du mir erlauben –

Sophie.
Alcest, ich wundre mich –

Alcest.
Und ich, ich soll es glauben, Daß du kein hartes Herz, kein falsches Mädchen bist? Du schlägst das Mittel aus, das uns noch übrig ist. Wir kennen uns ja schon; was brauchst du dich zu schämen? Wär etwas anders da, ich wollte das nicht nehmen. Allein genug: heut nacht, Sophie, besuch ich dich. Doch kommt dir's sichrer vor, so komm, besuche mich!

Sophie.
Alcest, das ist zu viel!

Alcest.
Zu viel! O, schön gesprochen! Verflucht! zu viel! zu viel! Verderb ich meine Wochen Hier so umsonst? – Verdammt! was hält mich dieser Ort, Wenn mich Sophie nicht hält? Ich gehe morgen fort.

Sophie.
Geliebter! Bester!

Alcest.
Nein, du siehst, du kennst mein Leiden, Und du erbarmst dich nicht. Ich will dich ewig meiden!

Sechster Auftritt

Vorige. Der Wirt,

Alcest geht in der Stube auf und nieder. Sophie steht unentschlossen da. Der Wirt kommt mit einem Briefe.

Wirt.
Da ist ein Brief; er muß von jemand Hohes sein; Das Siegel ist sehr groß, und das Papier ist fein.

Alcest nimmt den Brief und reißt ihn auf.

Wirt.
In Stücken das Couvert, nur um geschwind zu wissen.

Alcest der den Brief kaum angesehen hat.
Ich werde morgen früh von hier verreisen müssen. Die Rechnung!

Wirt.
So geschwind! In dieser schlimmen Zeit Verreisen? Dieser Brief ist wohl von Wichtigkeit? Dürft ich mich unterstehn und Ihro Gnaden fragen?

Alcest.
Nein!

Wirt heimlich zu Sophien.
Frag ihn doch einmal, gewiß, dir wird er's sagen. Er geht an den Tisch im Fond, schlägt in seinen Büchern nach, und schreibt die Rechnung.

Sophie zärtlich.
Alcest, ist es gewiß?

Alcest weggewendet.
Das schmeichelnde Gesicht!

Sophie.
Alcest, ich bitte dich, verlaß Sophien nicht!

Alcest.
Nun gut, entschließe dich, mich heute nacht zu sehen.

Sophie vor sich.
Was soll, was kann ich tun? Er darf, er darf nicht gehen; Er ist mein einzger Trost, ich tue, was ich kann.

Alcest.
Nun, Liebste?

Sophie.
Doch mein Mann –

Alcest.
Der Henker hol den Mann! Nun, willst du?

Sophie.
Ob ich will?

Alcest.
Nun?

Sophie.
Ich will zu dir kommen.

Alcest.
Herr Wirt, ich reise nicht!

Wirt hervortretend.
So! Zu Sophien. Hast du was vernommen?

Sophie.
Er will nichts sagen.

Wirt.
Nichts?

Siebenter Auftritt

Die Vorigen. Söller.

Söller.
Mein Hut!

Sophie.
Da ist er. Hier!

Alcest.
Adieu, ich muß zum Schmaus.

Söller.
Ich wünsche viel Plaisir.

Alcest faßt Sophien bei der Hand.
Adieu, scharmante Frau!

Söller vor sich.
Der Kerl wird täglich kühner.

Alcest zum Wirt.
Ein Licht! Ich muß hinauf.

Sophie.
Adieu, Alcest!

Wirt begleitet ihn.
Ihr Diener.

Alcest.
Sie bleiben!

Wirt.
Gnädger Herr –

Alcest.
Herr Wirt, nicht einen Schritt! Er geht ab.

Sophie.
Nun, Söller, gehst du denn! Wie wär's, du nähmst mich mit?

Söller.
Warum sagst du's nicht eh.

Sophie.
O geh! es war im Scherze.

Söller.
Nein, nein, ich weiß es schon, es wird dir warm ums Herze. Wenn man so jemand sieht, der sich zum Balle schickt, Und man soll schlafen gehn, da ist hier was, das drückt. Es ist ein andermal.

Sophie.
O ja, ich kann wohl warten. Noch etwas: sei gescheit und hüt dich vor den Karten. Geruhge Nacht, Papa, ich will zu Bette gehn. Es ist schon spät.

Wirt.
Schlaf wohl!

Söller sieht ihr nach.
Nein, sie ist wahrlich schön! Er läuft ihr nach und küßt sie. Schlaf wohl, mein Schäfchen! Sophie geht ab. Zum Wirt. Nun, geht Er nicht auch zu Bette?

Wirt.
Das ist ein Teufelsbrief; wenn ich den Brief nur hätte! Zu Söller. Nun, Fastnacht! gute Nacht!

Söller.
Dank's! angenehme Ruh!

Wirt.
Herr Söller, wenn Er geht, mach Er das Tor recht zu!

Söller.
Ja, sorgen Sie für nichts!

Achter Auftritt

Söller allein.
Was ist nun anzufangen? O, das verfluchte Spiel! Ich wollt, er wär gehangen, Der Karo-König – Ja – Nun gilt es witzig sein. Der Spieler borgt nicht mehr. Ich weiß nicht aus noch ein. Wie wär's? Alcest hat Geld, und hier: da hab ich Schlüssel Zu mehr als einem Schloß. Er greift nach meiner Schüssel Ja auch; und meine Frau ist ihm nicht sehr verhaßt – Eh nun! da lad ich mich einmal bei ihm zu Gast. Allein, kommt es heraus, so geben's schlimme Sachen. Ja, ich bin in der Not, was kann ich anders machen? Der Spieler will sein Geld, sonst prügelt er mich aus. Courage, Söller! Fort! Es schläft das ganze Haus. Und wird es auch entdeckt, so bist du wohl gebettet, Denn eine schöne Frau hat manchen Dieb gerettet.

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